Großen Epen, dem Mahabharata und Ramajana, sowie den
Puranas entgegentritt und in ihren Hauptzügen bis heute in
Indien die
herrschende ist. In ihr spielt
Brahman keine Rolle mehr; die beiden andern
Götter werden entweder zusammen gleichmäßig verehrt
oder, was das Häufigere und
Ältere ist, einer von ihnen als höchster Gott, Wischnu namentlich in seiner
Gestalt als Krischna. Im
Dekhan werden beide
Götter unter dem
Namen Harihara (d. h. Wischnu-Çiva) zu einem zusammengefaßt
und bilden dort eine der beliebtesten göttlichen Persönlichkeiten.
Über Sekten und Reformationsversuche vgl.
Brahmosomādsch,
Sikhs, Tantra.
oder Hindukoh, bei den Alten
Indischer Kaukasus und Paropamīsus (richtiger Paropanīsus), Gebirgskette
im
NO. von
Afghanistan,
[* 2] erstreckt sich zwischen dem 34. und 37.° nördl.
Br. und dem 66. bis 74.° östl. L. von
NO. gegen
SW.,
begrenzt im S. das Hochland von Pamir
[* 3] und trennt die westwärts vom obern Indus gelegenen Landschaften
Tschitral und
Kabulistan
von den
Ländern Wachan,
Kundus undBadachschan am obern Laufe des
Amu
(Oxus). Der Hindukusch zweigt sich von dem
mächtigen Gebirgsknoten des Pamir (s. d.) ab, der durch das Zusammentreten der
Westenden des Himalaja, des Karakorum und des
Kuen-lun gebildet wird und verbindet so Innerasien mit Westasien.
Als östl. Anfang gilt der 6170 m hohe
Kund, als sein westl. Ende der Koh-i-Baba unweit der
Quelle
[* 4] des
Hilmend. Seine mittlere Höhe wird auf 4500 m geschätzt; im einzelnen ist das
Gebirge noch wenig erforscht. Einzelne sehr
beschwerliche, von
Kabul nach dem obern
Amu führende Pässe liegen 3000 m hoch. Die Schneegrenze befindet sich in 4200 m Höhe.
In den abgelegensten
Thälern des obern Hindukusch wohnen die aus etwa 40000 Familien bestehenden unabhängigen
Sijāhpōsch, d. h. Schwarzgekleidete.
Sie sind Buddhisten, weshalb die mohammed. Afghanen sie
Kafir, d. h. Ungläubige, die von ihnen bewohnte Gegend aber
Kāfiristān
nennen.
Reis,
Mais,
Zuckerrohr,
Tabak,
[* 5]
Baumwolle,
[* 6] welche die Tiefthäler des Südabhangs erzeugen, werden in den engern
Thälern und auf den Vorbergen durch Weinreben, Edelfrüchte, köstliche Obstarten, die besten Granatäpfel und den
Maulbeerbaum
ersetzt. Hierauf folgt die Waldregion mit
Eichen und
Nadelhölzern und dann die
Region der von zahlreichen Herden beweideten
Alpenwiesen, welche mit den buntfarbigsten
Blumen geschmückt sind. Der Nordabhang zeigt ähnliche Vegetationsverhältnisse,
doch treten mehr europ. Formen auf. Der
Name Hindukusch (Hindutöter) ist von einem der Pässe hergenommen, den
ind. Sklaven zu überschreiten hatten; Hindukoh würde ind.
Berg bedeuten.
die bei den Europäern gebräuchliche Bezeichnung des Hindidialekts (s.
Hindi und
Indische Sprachen), der
nach
Aufnahme starker pers. Beimischungen zur Hauptverkehrssprache
Indiens geworden ist. Die einheimische Bezeichnung für
diese
Sprache
[* 8] ist entweder
Hindi, d. h.
Indisch im weitern
Sinne, oder Urdu(-sabān), d. h. Heerlager(-sprache), sogenannt nach
dem Lager
[* 9] der Großmoguln in Dehli, wo die
Sprache zuerst entstand. Von Dehli verbreitete sich das Hindustani, das
von der Hindukaste der Kāja(s)th oder Schreiber zur
Hof- und Kanzleisprache ausgebildet war,
über alle
Provinzen des Mogulreichs
und wird auch in
Birma,
Mauritius,
Sansibar,
[* 10]
Maskat und in den Häfen des pers. Golfs verstanden. Am meisten
wird es im Norden
[* 11] der vorderind.
Halbinsel gesprochen. Eine südl. Abzweigung des Hindustani, die in
Madras,
[* 12] Haidarabad u. a. O. zur Litteratursprache geworden ist,
wird Dakhni genannt. Die pers.
Bestandteile des Hindustani schließen die im
Persischen gebräuchlichen arab. Elemente mit ein.
Ohne
Vermittelung des
Persischen sind keine arab. Wörter in das Hindustani eingedrungen.
Dagegen haben sich einige malaiische, portug. und engl. Wörter
eingebürgert. Das Hindustani hat eine überaus reiche Litteratur entwickelt, deren Blütezeit im vorigen Jahrhundert
begann, und noch nicht abgeschlossen ist.
Die lyrische
Poesie ist reich entwickelt. Der Schöpfer der dramat. Litteratur im H. ist Amanat (Sajjid
Agha Haßan aus Lakhnau, gest. 1859), dessen
Singspiel Indar-Sabha das verbreitetste Theaterstück
Indiens
ist. Als Prosaiker sind Scher
Ali Afßoß, der Verfasser einer
BeschreibungIndiens, Mir
Aman, der Verfasser des Bagh-o-Bahar,
der klassisch gewordenen Bearbeitung einer Erzählung von
Tausend und eine Nacht, Asad aus Lahaur als Litterarhistoriker und
Asad aus Lakhnau als Verfasser eines umfangreichen
Romans «Fisana e Asad» zu erwähnen.
Außer der Litteraturgeschichte
des Asad, die den
Titel «Ab-i hayât» (Wasser des Lebens) trägt, hat Garcin de
Tassy in mehrern Werken die Litteratur des
Hindustani besprochen. -
Vgl. auch Grierson, The modern vernacular literature of
Hindustan (Kalkutta
[* 13] 1890);
Grammatiken u. a. vonShakespear
(6. Aufl., Lond. 1855), Forbes (ebd. 1855), Platts (ebd. 1874), Dowson
(2. Aufl., ebd. 1887);
Wörterbücher von Forbes (ebd. 1846), Fallon (Kalkutta 1858) und Platts (Lond. 1884).
(Claudicatio), eine Unregelmäßigkeit desGanges, welche dadurch entsteht, daß der Oberkörper
auf dem einen
Beine nicht so lange ruht als auf dem andern, daß also der
Takt des
Gehens (s. d.) verändert wird. Ist das eine
Bein wirklich kürzer als das andere, so ist das Hinken eine unausbleibliche Folge; oft entsteht es jedoch nur
dadurch, daß das Auftreten auf das eine
Bein einen
Schmerz oder eine
Beschwerde in irgend einem der Organe
hervorruft, die das
Bein selbst zusammensetzen oder im übrigen Körper liegen und beim Auftreten eine Erschütterung erleiden.
Die
Ursache des Hinken ist daher manchmal in der Unterleibshöhle, der
Brust und dem
Kopfe zu suchen, in andern
Fällen im
Beine selbst (Mißgestaltungen der Schenkelknochen und des Hüftgelenks, Schwäche oder
Lähmung der Muskulatur,
Geschwüre und Wunden der untern Extremität
u. dgl.), und deshalb ist das auch keine
Krankheit, sondern nur ein Krankheitszeichen,
dessen Behandlung in Bekämpfung der Grundursache bestehen muß. In manchen Fällen ist die Verkürzung
des
Beins bei Hinkenden nur eine scheinbare und kommt durch das Heraufziehen des
Beckens nach dem Oberkörper hin zu stande.
Eine wirkliche Verkürzung des
Beins kann, wenn ihre
Ursache nur in Verkürzung der
Muskeln
[* 15] und dadurch bedingter
Krümmung oder
Drehung derGelenke besteht, leichter geheilt werden, als wenn die
Knochen
[* 16] selbst zu kurz sind. Letzteres
ist entweder durch schlecht
¶
forlaufend
ge-194
heilte Knochenbrüche, Verrenkung des Hüftgelenks oder andere zerstörende Einwirkungen entstanden oder angeboren (z. B.
durch angeborenen Mangel des Schenkelhalses, angeborene Verrenkung des Schenkelkopfes u. dgl.).
Sind beide untere Extre- mitäten von einem der eben erwähnten Übel be- fallen, so entsteht der sog. wackelnde Gang
[* 18] oder
das Watscheln (vaciiiatio), welches gewissermaßen ein doppeltes Hinrichtung darstellt und oft
bei rhachitischen und skrofulösen Personen, bei schwangern Frauen und bei Rückenmarkskranken beobachtet wird.
Freiwilliges Hinrichtung ist eins der ersten Zeichen der Hüftgelenkentzündung (Coritis), bei welcher der Kranke wegen Schmerzhaftigkeit
(Coxalgie) den Ge- brauch des Beins möglichst beschränkt. (S. Hüft- gelenkentzündung.) Hinkende Geschäfte oder hinkende
Ver- träge M6F0ti3. ci3.uäiog.uti3.), s. Forderungsrecht (Bd.
6, S. 968d). s(s. d.). Hinkender Iambus, soviel wie Choliambus Hinkende Währung (frz. Htalon doitßux), ein Währungszustand,
in welchem infolge von Ver- schiebung des Wertverhältnisses der Edelmetalle die gesetzlich vorhandene Währung nicht voll
aufrecht- erhalten oder eine neue Währung vorläufig nicht vollständig durchgeführt werden kann. So
konnte z. B. das Deutfche Reich die Goldwährung infolge Rückgangs des Silberpreises nicht ganz durchführen, indem es einen
Teil der vorhandenen Thaler mit gesetzlicher Zahlungskraft in Umlauf lassen muhte.
Aus gleichem Grunde mußten die Staaten der La- teinischen Münzkonvention (s. d.) die Prägung von Fünffranksstücken
in Silber einstellen, wodurch ihre Doppelwährung ebenfalls hinkend wurde. (S. Dop- pelwährung und
Währung.) Hinkiambus, s. Choliambus. Hinkmar, Erzbischof von Reims,
[* 19] geb. um 806, wurde im Kloster St. Denis bei Paris
[* 20] erzogen,
solgte 830 seinem Lehrer, dem Abt Hilduin, ins Exil nach Corvei, kehrte bei Karls des Kahlen Thronbesteigung zurück und wurde 845 zum
Erz- bischof von Reims erhoben.
Als solcher trat Hinrichtung in dem Streit des Mönchs Gottschalk (s. d.)
über die Prädestination für die Reinheit der Lehre
[* 21] ein. 860 war der Streit für Hinrichtung entfchieden. Der weltlichen Macht gegenüber
wußte er mit Erfolg die Unab- hängigkeit der Kirche zu wahren, wie er auch König Lothar II. zwang,
feine verstoßene Gattin Thietberga wieder anzunehmen. Seine streng betonten polit. Grundfätze waren: Verschmelzung von
Kirche und Staat zu einer christl. Universalmonarchie. Hinrichtung war die Seele der Regierung
Karls des Kahlen, den er zur Gewinnung Lothringens bestimmte und in Metz
[* 22] zum König salbte.
Vor allem aber war Hinrichtung darauf bedacht, die Freiheit der Landeskirche gegen die An- sprüche des röm. Stuhls
zu fchützen, weshalb er die Gültigkeit der Dekretalen des Pseudoisidor (s. d.) bezweifelte, die in diesem Kampf zum erstenmal
ver- wertet wurden. BeimEinfall der Normannen 882 floh und starb 21. Dez. 882 zu Epernay. H.s Schriften, eine
wertvolle Quelle für die Geschichte seiner Zeit, wurden hg. von Sirmond (Par. 1645).-
Vgl. von Noorden, Hinrichtung von Reims (Bonn
[* 23] 1863); Sdralek, H.s von Reims kanonistifches Gutachten über die Ehescheidung Lothars II. (Freib. i. Vr. 1881); Schroers,
Hinrichtung von Reims (ebd. 1884).
Hinlopen, s. Hindeloopen. Hinojofa (spr. inoa", Hinrichtung delDuque,
Vezirks- hauptstadt im N. der span. Provinz Cordoba,
[* 24] mit Wem- und Weizenbau sowie ansehnlicher Viehzucht,
[* 25]
hat (1887) 9470 E.
Hinric vonAlkmar,s. Alkmar. Hinrichsfche Buchhandlung, I. C., in Leip- zig, bestehend aus Verlags- und Sortimentsbuch- handlung,
im Besitz von LudwigAdolfHer- mann Rost (geb. mit seinen Söh- nen Christ. Friedr. Adolf Rost
(seit 1887; geb. für den Verlag, und Friedr. Iul. David Rost (seit 1891; geb. für das Sortiment als
Teilhabern. Sie wurde von August Leberecht Reinicke (geb. in Leipzig,
[* 26] gest. im April 1834 m
Halle)
[* 27] unter dessen Namen gegründet, der 1796 seinen Schwager Johann Conrad Hinrichs (geb. in Harburg)
[* 28] als Teilhaber
aufnahm. Letzterer wurde 1801 alleiniger Besitzer. Nach feinem Tode führte die Witwe das Geschäft fort, seit 1819 mit
ihrem Neffen, Christian Frredr.
Adolf Rost (geb. in Leipzig, gest. als Teilhaber, der 1840 alleiniger Besitzer wurde.
Ihm folgte sein Sohn und Teil- haber seit 1850, der jetzige Besitzer. Besonders verdient ist die Hinrichtung B. um die deutsche Bibliographie;
sie giebt heraus: das halbjährliche «Verzeichnis neuer Bücher, Landkarten
[* 29] u. s. w.» (Bd.
1-190, 1798-93),
das «Wöchentliche Ver- zeichnis der erschienenen und vorbereiteten Neuig- keiten
des deutschen Buchhandels» (1893 fg.; 1842- 92 u. d. T. «AllgemeineBibliographie für Deutsch- land»),
den «Fünfjahrskatalog»
(Bd. 1-8, 1856 -92), einen «Weihnachtskatalog» u. a. Daran schließen sich geographische und Reisewerke, wie Steins «Handbuch
der Geographie» (1808; 7. Aufl. 1872),
«NeuerAtlas
[* 30] der ganzen Erde» (1814; 34. Aufl. 1879) u. a. Auf
andern Gebieten wogen anfangs schünwissenschaftliche, später rechtswissen- schaftliche, philosophische und geschichtliche,
in den letztenJahrzehnten theol. Werke vor: Herzogs «Real- encyklopädie für prot. Theologie und Kirche», die «Thcol. Litteraturzeitung»
(1876 fg.),
die illustrierte «Sternbibel», Werke von Ad.
Harnack, Hauck, Schürer u. a. Dazu kommen noch Orientalia, dar- unter
große Infchriftenwerke, namentlich in der Ägyptologie (Vrugsch, Dümichen, Mariette u. a.) und Assyriologie (F. Delitzsch,
[* 31] P. Haupt). Im Er- scheinen begriffen ist eine kritische Ausgabe des hebr. Textes des'Alten Testaments, hg. von P. Haupt. Hinrichtung,
die Vollstreckung des Todes- urteils, erfolgt nach dem Deutschen Strafgesetzbuch durch Enthauptung, bei
militärischen und bei im Felde begangenen Verbrechen nach Vorschrift des Militärstrafgefetzbuches durch Erschießen, in
Öster- reich - auch nach dem Strafgesetzentwurf von 1889 - mit dem Strang. Sie wird in einem umschlosse- nen Raume vollzogen
(Intramuranhinrich- tung). Bei der Vollstreckung müssen (Deutsche
[* 32] Stra'fprozehordn. §. 486) zwei Mitglieder des
Ge- richts erster Instanz, ein Beamter der Staats- anwaltschaft, ein Gerichtsschreiber und ein Gefäng- nisbeamter zugegen
sein. Der Gemeindevorstand des Ortes, wo die Hinrichtung stattfindet, ist aufzufordern, zwölf Personen aus den Vertretern oder aus
andern achtbaren Mitgliedern der Gemeinde abzuordnen, um der Hinrichtung beizuwohnen. Die Anwesenheit dieser zwölf
Personen, welche übrigens nicht erzwungen werden kann, soll die früher übliche, wegen der dabei
beobachteten Unzuträglichkeiten abgeschaffte unbedingte Öffentlichkeit der Hinrichtung ersetzen. Außerdem
¶
forlaufend
195
ist einem Geistlichen von dem Religionsbekenntnis des Verurteilten, dem Verteidiger und nach dem Ermessen des die Hinterhaupt leitenden
Beamten auch andern Personen der Zutritt zu gestatten, über den Her- gang ist ein Protokoll aufzunehmen. Der Leichnam des Hingerichteten
ist den Angehörigen desselben auf ihr Verlangen zur einfachen, ohne Feierlich- keit vorzunehmenden Beerdigung
zu verabfolgen. Todesurteile bedürfen zu ihrer Vollstreckung nach ß.485 a. a. O. keiner Bestätigung.
Die Vollstreckung ist jedoch erst zulässig, wenn die Entschließung des Staatsoberhauptes ergangen ist, von dem Begna- digungsrechte
keinen Gebrauch machen zu wollen. An schwangern oder geisteskranken Personen darf ein Todesurteil nicht vollstreckt werden.
Die jetzt üblichen Werkzeuge
[* 34] der Enthauptung sind Beil und Fallschwert (s. Guillotine). In frühern Zeiten waren die Werkzeuge
der Hinterhaupt mannigfacher Art und die Hinterhaupt selbst oft mit Martern verbunden. Noch die Peinliche Gerichtsordnung
(s. (^i-olina) kennt die Hinterhaupt durch Feuer, Wasser (besonders bei Weibern), Vierteilung, Rad, Strang, Schwert, Le-
bendigbegraben und Pfühlen (d. h. einen Pfahl durch die Brust stoßen). Verschärft wurde die Hinterhaupt durch Schleifen, Zungen- und
Zangenreißen, durch Kumulation von Köpfen und darauf folgender Vier- teilung. - Im Staate Neuyork
[* 35] erfolgt seit 1889 gesetzlich
die Hinterhaupt mittels hochgespannten elektrischen Stromes. Hinschius, FranzKarlPaul, Kirchenrechts- lehrer, geb. zu
Berlin,
[* 36] studierte da- selbst und in Heidelberg
[* 37] die Rechte, trat dann in den preuß. Iustizdienst, habilitierte sich 1859 an der
Berliner
[* 38] Universität, wurde 1863 außerord.
Pro- fessor in Halle, 1865 in Berlin, 1868 ord. Professor in Kiel,
[* 39] 1872 in Berlin. 1872-76 arbeitete er zu- gleich im
Kultusministerium unter dem Minister Falk und beteiligte sich an der Ausarbeitung der Kirchengesetze der 1.1873-76. Im 1.1884 wurde
er zum Geh. Iustizrat ernannt. 1871 - 72 war er Vertreter der Universität Kiel im Herrenhause, 1872-78 und 1880-81 Mitglied
des Reichstags (nationalliberal) für den Wahlkreis Flensburg- Apenrade, seit 1889 vertritt er die UniversitätBerlin im Herrenhause. Er veröffentlichte: «Das landesherrliche Patronatrecht gegenüber der kath.
Kirche» (Berl. 1856),
«Deci-LwieL ^Zeuäo-Isiäo- riaiiH6 6t O3.M11I3. Xußiirklliiii» (die erste kritische Ausgabe des Pseudoisidor, 2 Tle.,
Lpz. 1863), «Die evang. Landeskirche in Preußen
[* 40] und die Ein- verleibung der neuen Provinzen» (Berl. 1867), «Das Kirchenrecht
der Katholiken und Protestanten in Deutschland»
[* 41] (Bd. 1-5, ebd. 1869-93),
«Die Orden
[* 42] und Kongregationen der tath. Kirche in Preußen»
(ebd. 1874). Ferner gab er die preuß. Kirchengesetze und das «Reichsgesetz
über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung» mit Kommentar heraus (Berl. 1875; 3. Aufl.
1880). Mit seinem VaterFranz Sales August Hinterhaupt (geb. zu Berlin, gest. als Rechtsanwalt und Geh. Iustizrat daselbst
gab er 1862-66 die «Preuß. An- waltszeitung», 1867-71 die «Zeitschrift für Gesetz-
gebung und Rechtspflege in Preußen» heraus.
Hinftorflfche Hofbuchhandlung. Die Hinterhaupt. Hinterhaupt wurde 1831 in Parchim von Detloff
Carl Hin- st orjf, geb.
in Bruel, gegründet und 1849 nach Wismar
[* 43] verlegt. 1869 wurde
der Verlag vom Sortiment getrennt und 1880 ging letzterer (Firma «Hinstorffsche
Hofbuchhandlung Sortiments- Conto») an einen Schwiegersohn des vorigen, Hein- rich Witte, über, während
der Verlag (Firma «Hinstorffsche Hofbuchhandlung Verlags-Conto») seit dem
Tode Hinstorffs für Rech- nung der Erben fortgeführt wird. Im Verlag stehen obenan die Werke Fritz Reuters (Absatz
bis 1893: rund 1720000 Bände im Bruttowert von etwa 6 Mill. M.).
Hinterbrühl, Dorf in der Brühl (s. d.) bei Wien.
[* 46] Hintereinandersetzen, Bewegung der Ele- mentartaktik, s. Ployieren. Hinterer
Wald, s. Bregenzerwald. Hintergeschirr, s. Kumtgeschirr. Hintergewicht, der Druck, den das Bodenstück eines wagerecht in seiner
Lafette liegenden Geschütz- rohrs infolge der Lage seines Schwerpunktes hinter dem Lagerpunkte auf die Richtmaschine ausübt;
es ist notwendig, wenn das Rohr mit der Richtmaschine nicht fest verbunden ist, damit das Rohr beim Richten den Bewegungen
der Richtmaschine willig folgt.
Hintergrund oder Ferne nennt man in der Malerei die scheinbar (perspektivisch) entfernteste Partie eines Bildes; insbesondere
ist Hinterhaupt da, wo Einzelfiguren oder Einzelgegenstände die Haupt- sache der Darstellung ausmachen, die Bezeichnung
für das übrige der Fläche, von der sich jene abheben. In ältern Kunstepochen ist der Hinterhaupt bloß stilistisch von den Darstellungen
unterschieden, nämlich ornamen- tiert, als Teppichmuster oder Goldgrund behandelt. Mit dem Siege des Realismus tritt dagegen
die naturwahre Ausführung des als landschaftlicher oder architektonischer an die Stelle. - Auf dem Theater
[* 47] versteht man unter Hinterhaupt den die Scene hinten abschließenden Teil der Bühnendekoration. Hinterhalt, s. Versteck. Hinterhand,
Nachhand, bei den Haustieren die hintern Extremitäten; insbesondere bei den Pferden der hintere Teil des Körpers: Kreuz,
[* 48] Schweif, Hüften, Hinterbacken, After, Scham, hintere Kniescheibe und hintere Gliedmaßen. - Über die Hinterhaupt bei
Kartenspielen s. d. Hinterhänge, Weserkähne, s.
Weser.
Hinterhaupt, der hintere Teil des Kopfes (s. d.). Seine knöcherne Grundlage bildet das Hinter- hauptsbein
(03 occipitiZ), ein stacher muschel- förmiger Knochen, von welchem ein Teil, nämlich die Hinterhauptschuppe, senkrecht steht,
wäh- rend der andere, der sog. Grundteil, sich horizontal nach vorn und
unten umbiegt. Der erstere verbin- det sich durch die Lambdanaht (Zutura. iHmdäoiäea) mit den Scheitel- und den Schläfenbeinen;
in dem letztern befindet sich das daumenstarke Hinter- hauptsloch (koranien ma^num), durch welches das Rückenmark aus der
Schädelhöhle in den Wir- belkanal austritt, die Wirbelarterien aber von außen in die Schädelhöhle
eintreten. Zu beiden Seiten des Hinterhauptslochs liegen die beiden starken kon- 13"
¶
forlaufend
196
vexen Gelenksortsätze, vermittelst deren der Kopf mit der Halswirbelsäule verbunden ist. (S. Tafel: Der Schädel des Menschen.)
Hinterindien (Indochinesische Halbinsel), die östlich? der beiden arohen ind. Halbinseln in Asien,
[* 50] mit einem Areal von etwa 2113000
hkm und 40 Mill. E., besteht aus dem Reiche Siam und den Staaten auf Malaka, die jedoch meist unter brit.
Schutz stehen, den brit. Kolonien Vritisch- Birma und Straits-Settlements und Französisch- Zndo-China. (S. Ostindien nebst Karte:
Ost- indien II, Hinterindien.) Hinterkiemer (OpiätuodrancliiI.), eine Ordnung der Schnecken
[* 51] (s. d.)
mit zahlreichen, nur das Meer bewohnenden Arten, bei denen nur selten das Ge- häuse groß genug wird, daß
sie sich in dasselbe zu- rückziehen können.
In den meisten Fällen bleibt es zart und wird von einem Mantellappen verdeckt, noch viel mehr Arten verlieren die Schale in
sehr jugendlichem Alter als Embryonen oder Larven und werden ganz nackt. Zu den Formen mit ver- stecktem Schälchen gehört
der Seehase (^pi^sia), eine plumpe Form mit vier Fühlern, von denen zwei nach rückwärts getragen werden,
ausgezeichnet durch die Menge unangenehmer grünlicher Flüssig- keit, die er zu seiner Verteidigung absondert und derentwegen
er bei den Römern zur Giftmischerei gebraucht worden sein soll.
Die nackten Hinweil erhalten einen äußerlich völlig symmetrischen Körper, bei dem indes zum
mindesten die Geschlechtsöffnung auf einer Seite gelagert ist. An Stelle der Kiemen finden sich bei ihnen meist allerlei
Hautauswüchse auf der Rückenseite. Manche leben pelagisch auf hoher See, wie die große i^tl^Z und der kleine AlaucuZ,
andere sitzen trüg am Nfer, wie die Doris arten mit ihren im Kranz um den After gestellten Kiemen- bäumchen.
Die kleinen Faden- und Bäumchen- sch necken (^oliäiäas) kriechen zumeist auf Tangen umher; auf ihrem Rücken sitzen einfache
oder ver- ästelte Warzen und Schläuche auf, in welche ein blindes Ende eines Darmzweigs sich fortsetzt, der als Leberschlauch
betrachtet werden kann; in der Spitze der Rückenwarzen sitzen Nesselorgane.
Die kleinen Schnecken sind oft sehr lebhaft und in Über- einstimmung mit den Pflanzen, Korallen
[* 52] u. s. w. gefärbt, auf welchen
sie sich umhertreiben. Die Hinweil sind Zwitter, die sich entweder gegenseitig oder in Kettenform zu drei und mehrernbegatten,fodaß
jedes mittlere Tier gegen das vordere sich als Männchen, gegen das hintere sich als Weibchen verhält.
Der Laich wird in langen Gallertbändern abgesetzt, die oft viele tausend Eier
[* 53] enthalten. Die Fortpflanzung ist enorm, der
Vertilgung entsprechend.
Hinterkopf, weicher, s. Englische Krankheit.
[* 54] Hinterlader, Feuerwaffen, deren Rohre an beiden Enden offen sind. Geschoß
[* 55] und
Ladung wer- den beim Laden durch die hintere Öffnung in das Rohr gebracht; um das Schießen
[* 56] zu gestatten,
muß diese sodann nach dem Laden durch einen besondern Verschluß (s. d.) verschlossen werden können.
Der Hauptvorteil der Hinweil bei Handfeuerwaffen
[* 57] liegt in der bedeutend erhöhten Schußgeschwindigkeit,
bei Geschützen in der
gesteigerten Treffgenauigkeit, bei beiden in dem gesicherten Gebrauch der Waffe hinter Deckungen.
Der Gegenfatz des Hinweil ist Vorderlader (s. d.). Neuerdings haben alle Artillerien grundsätz- lich nur Hinweil (S. Geschütz und Handfeuerwaffen.)
Hinterland, Bezirk im fchweiz. Kanton
[* 58] Appen- zell-Außerrhoden, hat 140,8 ykm und (1888) 23876 Hinterle-
Deposition ^Sägen.
[* 59] E., darunter 2281 Katholiken und 22 Israeliten in 7 Gemeinden. Hauptort ist Zerisau.
Hinterlassen oder Zurückbleiben sagt man von starten Hirschen und hoch- beschlagenen Tieren, wenn die Hinterlauffährte hinter
der Vor- derlauffährte steht (s. beistehende Abbildung).
Hinterlegung, gungsvertrag, s und Depositum. Hinterlochte Sägen, Hintermaschine, Sekun- därmaschine, Elektromotor, bei
einer Elektrischen Kraftüber- tragung (s. d.) diejenige Maschine,
[* 60] in welcher der von der Vorder- oder
Primär- maschine erzeugte Strom wieder in mechanische oder Arbeitsenergie umgewandelt wird. Die Be- zeichnung Elektromotor
gilt meist nur für kleinere Maschinen, wie sie an das Netz von Elektricitäts- werken angeschlossen werden.
Hintermauerung, Ausgleichung, beim Ge- wölbe das Mauerwerk, durch das die Ecken zwischen den höher geführten Widerlagsmauern
und dem Gewölberücken ausgeglichen werden. Sämtliche Gewölbarten erfordern eine Hinweil bis
auf zwei Drittel der Pfeilhöhe. Hinterpommern, s. Pommern.
[* 61] Hinterpommerfche Eisenbahn, s. BerlinStettiner Eisenbahn. Hinterpommersche
Mundarten, s. Deutsche Mundarten (Bd. 5, S. 34a). Hinterrhein, Quellfluß
des Rheins (s. d.). Hinterrhein, Bezirk im schweiz. Kanton Grau- bünden, hat 505,4 195 Katholiken, in 19 Gemeinden
und zerfällt in die 3 Kreise
[* 62] Avers (1 Gemeinde, 221 E.), Rhein- wald (5 Gemeinden, 935 E.) und Schams (13 Ge- meinden, 1667 E.).
Hauptort ist Andeer-Splügen (s. Viamala). Hintersassen, Hintersä'ttler, Hintersied- ler, auch Kossäten, hießen in älterer
Zeit die von einem Grundherrn abhängigen Bauern, ferner im Gegensatz zu den vollberechtigten Realgemeinde-
mitgliedern (Markgenossen, Hofbesitzer) die später sich ansammelnden Ansiedler, denen gar keine oder nur geringe Rechte an der
Allmende (s. d.) zuge- standen wurden. Hintersättler, s.
Hintersassen. Hinterschoner, s. Gaffelschoner.
Hintersee, Alpensee im bayr. Reg.-Bez. Ober- bayern, BezirksamtBerchtesgaden, westlich dn Namsau und südöstlich am Fuße
der Reiteralp, in 787 iu Höhe. Hinterfiedler, 1. Hintersassen. leucht. Hinterstrangsklerofe, s.
Rückenmarksschwind- Hinterwäldler nennt man die Ansiedler der amerik. Backwoods (s. d.). Hinterzange, s. Hobelbank. Hinterzeug,
s. Sattel. Hinterziehung öffentlicher Abgaben und Gefalle, s. Defraudation. Hinterzwiefel, s. Zwiesel und Bocksattel. Hinweil.
1) Bezirk im schweiz. Kanton Zürich,
hat 177,5 ylcm und (1888) 31950 E.,
darunter 3065 Katholiken, in 11 Gemeinden. - 2) Hinweil oder Hinwil, Pfarrdorf und Hauptort des Bezirks Hinweil, am nordwestl. Fuß
des Bachtel (1119 m), an der
¶
mehr
ge-197 Linie Effretikon-Hinken (23 km) der Schweiz.
[* 64] Nordostbahn, hat (1888) 2962 E., darunter 144 Katholiken; Post, Telegraph,
[* 65] hochgelegene Kirche; Baumwoll- und Seidenweberei, Stickerei, Ackerbau und Viehzucht. In der Nähe Gyrenbad (s. d.).
Georg Ernst, Geh. Oberregierungsrat, Erzieher Kaiser Wilhelms II., geb. zu Bielefeld,
[* 66] studierte 1847-50
in Halle und BerlinPhilologie und Philosophie und unterrichtete vorübergehend am Gymnasium in Bielefeld. 1866 wurde
er als Erzieher des Prinzen Wilhelm von Preußen berufen und blieb in dieser Stellung bis zur Großjährigkeit des Prinzen.
Dieser bewahrte dem Lehrer sein Vertrauen auch auf dem Throne und ließ sich 1889 von ihm über den Arbeitsausstand
der Bergarbeiter in Rheinland und Westfalen
[* 67] Bericht erstatten. An der Konferenz in Berlin, die im Dez. 1890 die Reform des höhern
Schulwesens beriet, nahm auch Hinzpeter teil und wurde zum Vorsitzenden des Ausschusses ernannt, der zur Prüfung und Weiterführung
der Konferenzbeschlüsse niedergesetzt wurde. Hinzpeter veröffentlichte: «Zum Eine
Unterhaltung am häuslichen Herd für den Tag der Silbernen Hochzeit des kronprinzlichen Paars» (Bielef. und Lpz.
1883) und «Kaiser Wilhelm II. Eine Skizze nach der Natur gezeichnet» (Bielef. 1888; 9. Aufl.
1889).
ein zu den Hagiographa (s. d.) gehörendes Buch des Alten Testaments, das nach Form und Inhalt
zu den interessantesten Überresten jüd. Litteratur gehört. Es ist kein Geschichtsbuch, sondern
ein Lehrgedicht in Form eines Zwiegesprächs mit dramat. Entwicklung. Sein Held Hiob (Job), im LandeUz ansässig, gehört der
grauen Vorzeit an, er ist einer der drei Gerechten
(Ezech. 14,14,20). Das Buch erörtert die Frage, ob die Erfüllung
des Gesetzes durch irdische Glücksgüter belohnt, die Übertretung aber durch irdische Strafen und Verluste gesühnt werde,
und bekämpft die hieraus gezogene Folgerung, daß man aus dem Unglück eines Mannes auf seine Sündhaftigkeit schließen
müsse; es führt den Gedanken durch, daß Gott auch über den Frommen Leiden
[* 68] verhängt, daß dieser darum
aber weder mit Gott hadern, noch an seiner Weisheit und Gerechtigkeit zweifeln dürfe, auch wenn er seine geheimnisvollen
Wege nicht durchschaut. Zur Veranschaulichung dieser Idee wird im Prolog (Kap. 1 u. 2) erzählt, wie Gott durch den Satan den
frommen und rechtschaffenen Hiob mit immer härtern Prüfungen heimsucht, zuletzt, nach Verlust seiner Kinder
und aller Habe, mit dem Aussatz. Als Hiob, der bis dahin standhaft ausgeharrt, endlich (Kap. 3) in wilde Klagen ausbricht, suchen
ihn seine Freunde Eliphas, Zophar und Bildad in drei Wechselgesprächen (Kap. 4–14, 15–21, 22–28) als Verteidiger des
alten Vergeltungsglaubens zu überführen, daß er nur die gerechte Strafe für frühere grobe Sünden
erleide.
Ihnen gegenüber behauptet Hiob seine Unschuld. Er fordert in einer Schlußrede (Kap. 29–31) Gott selbst heraus, ihn zu widerlegen.
Hier nun wird das Gedicht in einer dem ganzen Aufbau widersprechenden Weise unterbrochen durch die Rede eines vierten Freundes,
des Elihu, der (Kap. 32–37) ausführt, daß es keinen Reinen und daher auch keinen unschuldig Leidenden
gebe. Es folgen die Reden Gottes (Kap. 38–42) und mit einem Epilog (42,7-17) schließt das Buch. Elihus Reden sind später
eingeschoben, und zwar von jemand, dem die starke Betonung
[* 69] der Unschuld H.s anstößig war und der sie
als sträflichen Hochmut
auffaßte.
Ursprünglich folgte auf Z.s Herausforderung 31,40 sofort Gottes Auftreten 40,1. Gott erscheint im Sturm und Wetter
[* 70] und fordert
Hiob auf, die vielen Rätsel der göttlichen Schöpfung und Weltregierung zu lösen. Gottes Macht und Weisheit ist so groß,
daß sich der schwache Mensch unbedingt derselben zu unterwerfen hat. Dies thut dann Hiob. Er nimmt die heftigen
Reden zurück, die ihm in der Hitze des Streites mit seinen drei Freunden entfahren sind. Nachdem er sich also gedemütigt
hat, giebt ihm Gott gegen seine drei Freunde recht, erstattet ihm Gesundheit und Glücksgüter zurück und läßt ihm eine
Schar Kinder geboren werden.
Sonach ist nur in äußerlicher Weise durch die Erfahrung und die AnerkenntnisGottes festgestellt, daß
ein Frommer leiden kann und daher der jüd. Vergeltungsglaube nicht zu dem Rückschlüsse verleiten
darf, daß ein Unglücklicher gesündigt haben müsse. Wie dies aber möglich sei, ist nicht erklärt und konnte vom Standpunkte
der jüd. Religion nicht erklärt werden, da diese naturhafte Güter als Lohn der Frömmigkeit betrachtet
und auf der im Buche Hiob vorliegenden Stufe von einer vollgültigen Fortsetzung des Lebens nach dem Tode nichts weiß.
Die Lösung brachte erst das Christentum, dessen höchstes Gut ein rein geistiges, sittliches ist und das lehrt, auch Leiden
unter dem Gesichtspunkte eines Gutes und einer göttlichen Wohlthat zu betrachten. Das Buch Hiob, das nur in stark beschädigtem
Texte überliefert ist, gehört, was Folgerichtigkeit des Aufbaues, Feinheit der psychol. Durchführung, Kraft
[* 71] und Gewalt der
Schilderung betrifft, zu den hervorragendsten Litteraturdenkmälern aller Zeiten und Völker. Seine Abfassungszeit war, wie
die in ihm vorliegenden religiösen und ethischen Ideen und die starke Zersetzung der Sprache durch Aramaismen
beweisen, eine sehr späte. Das Buch kann nicht wohl vor der griech. Zeit entstanden sein. Kommentare lieferten Stickel (Lpz.
1842), Hirzel (ebd. 1839; 4. Aufl., von Dillmann, 1891), Schlottmann (Berl.
1851), Delitzsch (Lpz. 1864; 2. Aufl. 1876) und Hitzig
(ebd. 1874); neuere Übersetzungen Haupt (ebd. 1848), Spieß (Buchholz 1852), Ehrard (Landau
[* 72] 1858), Kamphausen (in «BunsensBibelwerk»,
Lpz. 1865), Merx (zugleich mit emendiertem Urtext, Jena
[* 73] 1871) und Joh. Georg Ernst Hoffmann (mit Anmerkungen, Kiel 1891). –
Vgl. Budde, Beiträge zur Kritik des Buches Hiob (Bonn 1876);
auch Fiogo, Hafenstadt in der japan. Provinz Setsu auf Nipon (Hondo), liegt am Nordufer des Binnenmeers, im SW.
von Kioto, und 21 km westlich von Osaka, als dessen Hafen es jetzt dient. Die Stadt ist seit 1868 dem europ.
Verkehr geöffnet und zählt mit Kobe, das sich im O. davon als eigentliche Fremdenstadt schnell entwickelt hat, (1890) 136968
E. Zwischen beiden Orten schiebt der hier mündende Minatogawa seine Ablagerungen vor. Hiogo ist eine echt
japan. Stadt, während Kobe regelmäßige Straßen, Villen und Gärten aufweist. Links am Flusse liegen die japan. Tempel.
[* 74] Der Handel
wird durch die Nähe der InselShikoku, durch den guten Ankergrund und die von Kobe ausgehenden Bahnlinien nach Osaka (seit
1874), nach Kioto¶
mehr
(1876) und den dadurch erlangten Anschluß an die größtenteils fertig gestellte Meridionalbahn
der Insel gefördert. Der auswärtige Handel von Hiogo-Kobe-Osaka erreichte (1889) in der Ausfuhr den Wert von 20,36 Mill.
Silber-Jen (= Silberdollar), d. i. 29 Proz. der Gesamtausfuhr Japans, in der Einfuhr 28,15 Mill., d. i. 42 Proz. der
Gesamteinfuhr. In der Ausfuhr stehen obenan Reis nach Deutschland, den Vereinigten Staaten,
[* 76] Holland, Italien,
[* 77] Frankreich und Australien,
[* 78] Thee (8 Mill. kg) meist nach den östl. Unionstaaten, Seide,
[* 79] Schwämme,
[* 80] Kampfer, Wachs, Zündhölzchen, Kupfer
[* 81] und Kohlen; ferner
Porzellanwaren, Fächer
[* 82] und Schirme. Eingeführt werden Baumwollgarne aus Bombay
[* 83] und Manchester,
[* 84] rohe Baumwolle aus China
[* 85] für die Spinnereien in Osaka, Metalle und Maschinen, Cement und Petroleum. Die eigene Industrie erstreckt sich auf Papierfabrikation,
[* 86] Lokomotiven- und Schiffbau. Neben engl. und amerik. Dampfern läuft auch der Norddeutsche Lloyd an.
bei den alten Griechen der Befehlshaber der Reiterei. In Athen,
[* 88] wo die Reiterei seit der Mitte des 5. Jahrh.
bis auf Demosthenes 1200 Mann zählte, bestehend aus 1000 Bürgern der beiden obersten Vermögensklassen und 200 Staatssklaven
(Hippotoxoten), die als berittene Bogenschützen dienten, führten den Oberbefehl zwei Hippárch, die ein Alter
von 30 J., ein bestimmtes Vermögen und einen mindestens zehnjährigen Sohn besitzen mußten.
Periode, s. Kalender^[= # (vom lat. Wort Calendae, der erste Tag jedes Monats, abgeleitet) ist ein Verzeichnis der nach ...] und Periode (chronologisch).
(Hipparch), der Begründer der wissenschaftlichen, auf der Beobachtung und nicht der Spekulation beruhenden
Astronomie
[* 89] und der sphärischen Trigonometrie,
[* 90] war aus Nicäa in Bithynien gebürtig und lebte um 160–125 v. Chr. Er bestimmte
zuerst die Länge des Jahres genauer und fand die bis dahin auf 365 Tage 6 Stunden angenommene Dauer des
Sonnenjahres um etwa 5 Minuten zu groß. Aus seinen Beobachtungen schloß er, daß die Größe der Excentricität der Sonnenbahn
ein Vierundzwanzigstel vom Halbmesser derselben betrage und die Sonne
[* 91] dann am entferntesten von der Erde sei, wenn sie im 24. Grade
des Zeichens der Zwillinge stehe. Er selbst berechnete die ersten Sonnen- und Mondtafeln und bestimmte
die Entfernungen und die Größe der Sonne und des Mondes genauer, als bis dahin geschehen war.
Mittels einer scharfsinnigen indirekten Methode, dem sog. Diagramm des Hippárchus, glaubte
er zu finden, daß die Entfernung der Sonne von der Erde 1200, die
des Mondes 59 Erdhalbmesser betrage,
und daß der Durchmesser der Sonne 5 ½ mal so groß als der der Erde, dieser wieder 3 ⅔ mal so groß als der des Mondes
sei. Die plötzliche Erscheinung eines neuen Sterns veranlaßte ihn, eine genaue Bestimmung der Örter der Fixsterne
[* 92] zu unternehmen
und somit das erste Fixsternverzeichnis zu entwerfen, das im «Almagest» des Ptolemäus überliefert ist und 1026 Fixsterne enthält.
Noch wichtiger war die von ihm gemachte Entdeckung des Vorrückens derNachtgleichen. Nicht geringe Verdienste erwarb er sich
auch um die Geographie, indem er die stereographische Projektion für Landkarten erfand; die mathem. Geographie
hat er gewissermaßen begründet, indem er die geogr. Längen und Breiten zur Bestimmung der Lage von Orten auf der Erdoberfläche
anzuwenden lehrte. Den größten Erdumfang bestimmte er auf 275000 Stadien, die Länge des bekannten bewohnten Landes auf 70000 Stadien,
die Breite
[* 93] vom Äquator bis Thule auf 46200 Stadien. Von seinen Werken sind nur zwei erhalten, ein Kommentar
zu dem astron. Gedicht des Aratus, herausgegeben von Victorius (Flor. 1567) und in des Petavius«Uranologium» (Par. 1630),
und das erwähnte Fixsternverzeichnis. –
Vgl. Berger, Die geogr. Fragmente des Hipparch (Lpz. 1870);
(Singular Hippeus), die griech. Bezeichnung für Reiter und Ritter, bei den Athenern auch
für die nach der Solonischen Verfassung der zweiten Vermögensklasse angehörenden Bürger und bei den
Spartanern für die königl. Ehrenwache von 300 Mann, welche ursprünglich wohl beritten, später
aber, als seit der Ausbildung der Hoplitenphalanx die Reiterei in fast allen griech. Staaten ihre Bedeutung verloren hatte,
schwer bewaffnete Fußsoldaten waren.
Theod. Gottlieb von, humoristischer Schriftsteller, geb. zu
Gerdauen in Ostpreußen,
[* 94] wo sein Vater Schulrektor war, bezog schon in seinem 16. Jahre die Universität
zu Königsberg,
[* 95] um Theologie zu studieren. Großen Einfluß auf ihn hatte eine in Begleitung eines russ. Offiziers aus vornehmer
Familie unternommene Reise nach Petersburg
[* 96] 1760, die ihm verlockende Einblicke in die große Welt und bedeutende Aussichten
eröffnete. Trotzdem kehrte er nach Königsberg zurück, wo er eine Hauslehrerstelle erhielt, sich aber bald dem Studium der
Rechte widmete. Zunächst als Rechtskonsulent thätig, wurde er 1780 dirigierender Bürgermeister in Königsberg und Polizeidirektor, 1786 Geh.
Kriegsrat und Stadtpräsident. Als solcher ließ er den Adel seiner Familie durch den Kaiser erneuern.
Er starb
H.s Leben und Charakter waren voll Sonderbarkeiten und Widersprüche. Ebenso eigentümlich bewies er sich in seinen Schriften,
die er im strengsten Inkognito auf seinem Landgute in dem Dorfe Huben bei Königsberg ausarbeitete. In allen strömt ungeachtet
ihrer mangelhaften, in seines jüngern Zeitgenossen Jean Paul Art zerflossenen Form eine reiche Ader des
Witzes und der Laune, und ein
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