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Außerdem gab er auch «Populäre Vorlesungen aus dem Gebiete der Physiologie und Psychologie» (Braunschw. 1851) heraus.
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Außerdem gab er auch «Populäre Vorlesungen aus dem Gebiete der Physiologie und Psychologie» (Braunschw. 1851) heraus.
(spr. -le), Robert und Edward, s. Oxford, [* 2] Robert Harley, Graf von.
(fries. Harns), die bedeutendste Seestadt der niederländ. Provinz Friesland, auf der Westküste an der Nordsee und an der Linie Harlingen-Leeuwarden gelegen und durch einen Kanal [* 3] mit Franeker, Leeuwarden, Groningen u. s. w. verbunden, ist regelmäßig gebaut, von Kanälen durchschnitten und hat (1891) 10110 E., eine Realschule, eine schöne reform. Kreuzkirche, einen trefflichen 1870–77 neu erbauten Hafen, Dampfschiffverbindung mit Amsterdam, [* 4] dem Nieuwediep, Hüll und London. [* 5] Sehr lebhaft ist der Handel mit England und Norwegen. [* 6] Ausgeführt werden zumeist landwirtschaftliche Erzeugnisse der Provinz. Der Ort liegt an der Stelle, wo 1134 eine ganze Stadt von den Meeresfluten verschlungen wurde; 1566 litt die Gegend abermals durch Überschwemmungen.
(Harlingia), eine nach dem Flüßchen Harle benannte, im nordöstl.
Teile des preuß. Reg.-Bez. Aurich [* 7] gelegene Landschaft, die den größten Teil des Kreises Wittmud bildet und meist aus fruchtbarem Marschlande besteht. – Das Harlingerland gehörte früher nicht zum eigentlichen Ostfriesland, sondern war ein Lehen des Herzogtums Geldern: die Verbindung mit Ostfriesland wurde erst 1745 unter preuß. Verwaltung durchgeführt.
Hauptort ist Esens.
s. Harmalin. ^[= ein Alkaloid von der Zusammensetzung C_{13}H_{14}N_{2}O, das neben einem zweiten Alkaloid, dem ...]
ein Alkaloid von der Zusammensetzung C13H14N2O, das neben einem zweiten Alkaloid, dem Harmin, C13H12N2O, in dem im Orient als Gewürz benutzten Samen [* 8] der Steppenraute, Peganum harmala L., vorkommt.
Aus denselben Samen läßt sich ein roter, im Lichte wenig beständiger und daher unwichtiger Farbstoff, das Harmalarot, gewinnen.
(spr. armáng), Francois Jules, Forschungsreisender, geb. im Okt. 1845 zu Saumur, trat in das ärztliche Korps der Marine und nahm bis 1870 an verschiedenen franz. Flottenexpeditionen teil. 1871 machte er in Algerien [* 9] den Feldzug gegen die Kabylen mit und wurde dann der wissenschaftlichen Expedition beigesellt, die unter Delaporte Kambodscha und Tongking [* 10] erforschen sollte. Da die Mitglieder der Expedition erkrankten, so ging Harmand mit Garnier allein nach Tongking, wo er den Feldzug mitmachte und eine Zeit lang Gouverneur war. 1874 kehrte er nach Frankreich zurück, unternahm aber 1875 eine neue Reise nach Kambodscha, auf der er das Strombecken des Mekong zwischen 12 und 18° nördl. Br. untersuchte und ostwärts durch Annam nach Hué gelangte. Harmand kehrte nach Paris [* 11] zurück und wurde 1882 Konservator des Musée des Colonies. –
Vgl. Maunoir und Duveyrier, Année géographique (Par. 1879).
der eigentümliche, sehr trockne, aber kühle Wind, der periodisch drei- bis viermal im Jahre 1–5 oder 14 Tage lang vom Innern Afrikas, Senegambien und der westl. Sahara nach dem Atlantischen Ocean zu weht. Er herrscht besonders in den Monaten Dezember, Januar und Februar und ist meist von einem dichten Dampf, [* 12] Nebel und mineralischem Staub begleitet, der die Sonne [* 13] oft ganze Tage verbirgt. Gewächse verdorren vor seinem Hauch, alles Holzwerk reißt auf und die Früchte erlangen die Notreife. Die Menschen leiden, während er weht, an Trockenheit im Gaumen, schälen sich bei langer Dauer desselben an Händen und im Gesicht [* 14] und fühlen sich beim Atemholen bis zum Ersticken beschwert. Während seines Wehens wird die tägliche Wärmeschwankung vergrößert; die Nächte werden kühler, die Tage heißer.
Steppenraute, s. Peganum.
Konstantin, byzant.
Jurist, geb. um 1320, war kaiserl. Rat und starb um 1380 in Konstantinopel. [* 15]
Sein «[griechischer Text]» (hg. von Heimbach, Lpz. 1851.; neueste Ausg., Athen [* 16] 1872) war das beliebteste Rechtshandbuch der spätbyzant.
Zeit.
s. Arminius, ^[= # (der Name wird vielfach, aber mit Unrecht, für die röm. Form von "Hermann" gehalten ...] Jak.
Alkaloid, s. Harmalin. ^[= ein Alkaloid von der Zusammensetzung C_{13}H_{14}N_{2}O, das neben einem zweiten Alkaloid, dem ...]
und Aristogiton (grch. Harmodios und Aristogeiton), zwei durch Freundschaft verbundene athenische Jünglinge, erdolchten 514 v. Chr. den Sohn des Pisistratus, Hipparchus (s. d.).
Harmodius wurde gleich nach vollbrachtem Morde von der Leibwache niedergestoßen, Aristogiton später ergriffen und hingerichtet.
Ihre That wurde von den demokratischen Athenern hoch gefeiert.
Die ersten ihnen zu Ehren von Antenor gefertigten Bildsäulen, die Xerxes entführte, sind verloren, dagegen sind noch Kopien in zwei Marmorstatuen (im Museum zu Neapel) [* 17] erhalten.
Tochter des Ares [* 18] und der Aphrodite. [* 19] Bei ihrer Vermählung mit Kadmos waren alle Götter zugegen. Kadmos gab ihr zum Brautgeschenk ein Gewand (Peplos) und ein von Hephaistos [* 20] verfertigtes unheilvolles Halsband. Dessen Wirkung empfanden zuerst und Kadmos (s. d.) selbst, indem beide, als sie nach einem langen unglücklichen Leben nach Illyrien gegangen waren, in Schlangen [* 21] verwandelt wurden. Hierauf empfand die Wirkung des Halsbandes Amphiaraos und seine Gattin Eriphyle, welche von ihrem Sohne Alkmaion ermordet wurde.
Dieser gab es an Phegeus’ Tochter Alphesiboia (oder Arsinoe), hernach an des Acheloos Tochter Kallirrhoe. Nachdem Alkmaion selbst sowie Phegeus und seine Söhne Opfer des Halsbandes (und Peplos) geworden waren, wurde es von Alkmaions Söhnen als Weihgeschenk zu Delphi niedergelegt. Allein auch hier soll noch Unglück von ihm ausgegangen sein, als sich die Führer im sog. Heiligen Kriege an den Kostbarkeiten in Delphi vergriffen. Harmonia ist jedenfalls ursprünglich ein ihrer Mutter Aphrodite nahe stehendes Wesen, denn sie wurde in Theben ebenso wie sonst Aphrodite Pandemos als Schützerin der bürgerlichen Gemeinschaft und Eintracht verehrt. An diese Seite ihres Wesens schließt sich die Auffassung als reine Personifikation der Ordnung und Eintracht an. Als solche ist sie Mutter der neun Musen [* 22] und der Chariten. [* 23] – Harmonia ist auch der Name des 40. Planetoiden.
evangelĭca, s. Evangelienharmonie. ^[= eine aus allen vier Evangelien zusammengearbeitete Darstellung der Geschichte Jesu. Die älteste ...]
(grch., d. i. Zusammenstimmung, Übereinstimmung), das richtige Verhältnis der Teile eines Ganzen. Über prästabilierte Harmonie s. Leibniz. In der Musik versteht man unter Harmonie den geordneten Zusammenklang mehrerer Töne. Die Regeln oder Gesetze einer solchen Verbindung bilden die Harmonielehre oder Harmonik im engern Sinne; nach der weitern Bedeutung des Wortes Harmonie gehört aber alles hierher, was die Lehre [* 24] vom Kontrapunkt (s. d.) ausmacht. Die Harmonie kann nämlich auf zweierlei Art entstehen:
1) durch begleitende Beitöne einer gesungenen oder gespielten Melodie, ¶
die sich ihr ohne künstlerische Selbständigkeit anschließen;
2) durch ein Zusammenklingen verschiedener Stimmen, die in einem kunstmäßigen Satze selbständig geführt werden. Die letztere Weise ist die der fugiert kontrapunktischen, die erstere die der einfach harmonischen Musik. Das Wort Harmonie hat im technisch-musikalischen Gebrauche eine vielfache Anwendung gefunden, worüber zahlreiche Bücher (sog. «Harmonielehren») Auskunft geben. Auf Grund neuerer Entdeckungen über die Natur und physik. Gesetze des Klanges sind im Laufe der Zeit verschiedene neue Theorien der Harmonielehre entstanden, die aber größtenteils die Wege der musikalischen Praxis verlassen haben.
Harmonielehren schrieben: Fétis, «Traité complet de la théorie et de la pratique de l'harmonie» (11. Aufl. 1875);
Hauptmann, «Die Natur der Harmonik und Metrik» (2. Aufl. 1873);
von Öttingen, «Harmoniesystem in dualer Entwicklung» (1800);
Tiersch, «System und Methode der Harmonielehre» (1868) u. a. Harmonie der Sphären ist ein Ausdruck, der sich auf kosmische Ansichten Platos und anderer alter Philosophen bezieht. Harmonie wird noch jetzt für alles gebraucht, was bei reicher Mannigfaltigkeit wohlgefällig geordnet ist;
in der Malerei spielt die Harmonie der Farben eine große Rolle.
der Evangelien, s. Evangelienharmonie. ^[= eine aus allen vier Evangelien zusammengearbeitete Darstellung der Geschichte Jesu. Die älteste ...]
s. Harmonie. ^[= (grch., d. i. Zusammenstimmung, Übereinstimmung), das richtige Verhältnis der Teile eines ...]
die nur von Blasinstrumenten ausgeführte Musik. ^[= # bei den Griechen, deren Sprache das Wort entstammt, die Gesamtheit der auf Geistes- und Gemütsbildu ...]
in Harmonie sein, zusammen-, übereinstimmen.
(grch.), s. Harmonie. ^[= (grch., d. i. Zusammenstimmung, Übereinstimmung), das richtige Verhältnis der Teile eines ...]
Glockenharmonika, Glasharmonika, Musikinstrument, besteht aus einer Walze auf einem Fußgestell, an der abgestimmte Glasglocken (gläserne Halbkugeln von regelmäßig abgestufter Größe) befestigt und so ineinander geschoben sind, daß der Rand einer jeden hervorragt. Die Intonation wird durch die Fingerspitzen bewirkt, die an die Ränder der Glasglocken gelegt werden, während die Walze durch einen Fußtritt in Umschwung gesetzt wird. Der Umfang des Instruments beträgt drei bis vier Oktaven in chromatischer Tonfolge.
Erfunden ist die Harmonika von Franklin gegen 1763, verbessert von Renaudin und Pfeifer. Der Klang hat etwas Außergewöhnliches, sentimental Überirdisches, was der Zeit der Romantiker die überschwenglichsten Vergleiche entlockte; aber die langsame Intonation des Instruments und sein allzu mystischer Klang veranlaßten in neuerer Zeit das Verschwinden desselben, das auch die Erfindung der Klavierharmonika, deren Glasglocken man nicht mehr mit den bloßen Fingern, sondern durch einen Tastenmechanismus spielte, nicht verhindern konnte. Notiert wurden die Stücke für Glasharmonika auf zwei Liniensystemen mit Violinschlüsseln. –
Vgl. Pohl, Zur Geschichte der Glasharmonika (Wien [* 26] 1802).
Eine andere Art Glasharmonika oder Glasklavier, jetzt allverbreitetes Kinderinstrument, besteht aus einem kleinen Kasten, in dem auf zwei straff angezogenen Bändern schmale Glasstreifen liegen, die mit einem kleinen Hammer [* 27] von Korkholz geschlagen und dadurch zum Tönen gebracht werden. Die Tiefe und Höhe der Töne hängt von der Länge und Kürze der Glasplatten ab, wobei zu berücksichtigen ist, daß nur der Raum zwischen den beiden tragenden Bändern, nicht aber der über diese hinausgehende an der Schwingung [* 28] teilnimmt und tönt. – In gleicher Weise wird auch die Metallstabharmonika hergestellt, nur daß die tönenden Streifen aus Stahl, Messing oder anderm Metall bestehen und nicht auf Bändern aufliegen, sondern angepflöckt oder ausgeschraubt sind. – über Mundharmonika und Ziehharmonika s. Ziehharmonika, über Holzharmonika s. Strohfiedel.
Textfigur: 1
chemische oder singende Flamme, eine von Higgins (1777) erfundene Vorrichtung zum Hervorrufen von Tönen mittels Flammen in offenen oder geschlossenen Röhren [* 29] oder andern abgegrenzten Lufträumen, z. B. in Flaschen, Retorten, Kolben u. dgl. m. Die einfachste chemische Harmonika besteht aus einer kleinen Wasserstoffflamme, die an einem durch Versuche leicht zu findenden Punkte in einer Röhre ein Tönen erzeugt, das, wie schon Chladni 1794 gefunden, der Hauptsache nach die Gesetze der Pfeifen befolgt. Als Tonerreger können auch andere brennende Gase, [* 30] am besten aber die Flamme [* 31] des Wasserstoffs oder des Leuchtgases dienen. (S. vorstehende [* 25] Fig. 1.) Das Rohr RR der chemischen Harmonika ist gewöhnlich aus Glas [* 32] und steht meist lotrecht. Hat man Röhren, die sich (wie beim Fernrohr) [* 33] verlängern und verkürzen lassen, so läßt sich zeigen, daß die Schwingungszahl steigt, wenn das Rohr kürzer wird, und umgekehrt. Schaffgotsch hat ¶
(1857) gefunden, daß ein in der Nähe einer chemischen Harmonika erregter musikalischer Ton, der mit dem der Harmonika nahezu in Einklang steht oder um eine Oktave höher ist, auf die schwingende Luftsäule im Harmonikarohr vermöge der Resonanz einen so mächtigen Einfluß übt, daß die Flamme dabei lebhafte Bewegungen zeigt und, wenn sie genügend klein ist, bei wachsender Stärke [* 35] des äußern Tones sogar erlischt. Selbst eine noch schweigende Flamme kann durch einen äußern Ton zum Singen gebracht werden. Damit dies geschehe, darf nur ein geringer Unterschied in der Tonhöhe zwischen dem erzeugenden und dem anzuregenden Tone bestehen. Der Ton der chemischen Harmonika ist die Folge einer Reihe von Explosionen. Dies hat Wheatstone (1834) durch Betrachtung der Flamme im rotierenden Spiegel [* 36] S [* 34] (Fig. 1) nachgewiesen, wobei sich das in [* 34] Fig. 2 dargestellte Bild zeigte.
Verwandt mit den Resonanzerscheinungen der chemischen Harmonika von Schaffgotsch sind die schallempfindlichen oder sensitiven Flammen von Barret und Tyndall (1865‒67). Solche brennen frei, es muß jedoch zu denselben das Leuchtgas [* 37] unter einem höhern Drucke als gewöhnlich zuströmen. Belastet man einen kleinen, Leuchtgas enthaltenden Kautschuksack derart, daß aus einem damit verbundenen Brenner das Gas durch eine enge kreisförmige Mündung mit Geräusch strömt, das angezündet eine flatternde, etwa 4 Decimeter hohe Flamme giebt, so hat man eine Flamme von der höchsten Schallempfindlichkeit. Eine solche verkürzt sich und teilt sich in Zweige, sobald aus der Entfernung hohe Töne und Zischlaute, z. B. his, bst u. dgl. m., erregt werden.
[* 38] Hand, [* 39] soviel wie Guidonische Hand. ^[= benannt nach Guido von Arezzo, ein mechan. Hilfsmittel für die Schüler der Solmisation (s. ...]
[* 38] Progression, s. Harmonische Reihe. ^[= oder harmonische Progression heißt eine Reihe (s. d.) von echten Brüchen, deren Nenner die ...]
Punkte, s. Harmonische Teilung. ^[= die Teilung einer geraden Linie AB (s. nachstehende Figur) durch einen innern Punkt C und einen ...]
Reihe oder harmonische Progression heißt eine Reihe (s. d.) von echten Brüchen, deren Nenner die natürlichen Zahlen sind, also: 1, ½, ⅓, ¼, ⅕ u. s. w. Die Harmonische Reihe ist divergent.
Mittel, s. Mittel ^[= in der Mathematik. Das arithmetische M. zweier oder mehrerer Zahlen wird gefunden, wenn man ...] und Harmonische Teilung.
Strahlen, s. Harmonische Teilung. ^[= die Teilung einer geraden Linie AB (s. nachstehende Figur) durch einen innern Punkt C und einen ...]
Teilung, die Teilung einer geraden Linie AB (s. nachstehende [* 34] Figur) durch einen innern Punkt C und einen äußern D derart, daß die Gleichung besteht: AC:CB = AD:BD. Es ist dann AB das harmonische Mittel zwischen AC und AD oder: 2/AB = 1/AC + 1/AD; ebenso ist CD das harmonische Mittel zwischen BD und AD oder: 2/CD = 1/BD + 1/AD. Die vier Punkte A, B, C, D heißen harmonische Punkte. Man erhält vier harmonische Strahlen, indem man einen beliebigen außerhalb der Geraden liegenden Punkt mit vier harmonischen Punkten verbindet. Jede beliebige neue Gerade wird von solchen harmonischen Strahlen in harmonischen Punkten geschnitten. In jedem Dreieck [* 40] sind je zwei Seiten und die Halbierungslinien der zugehörigen Innen- und Außenwinkel [* 41] harmonische Strahlen. In jedem vollständigen Vierseit wird eine Diagonale von den beiden andern harmonisch geteilt. Die Harmonische Teilung findet namentlich in der projektiven Geometrie häufige Anwendung.
[* 34] ^[Abb.]
harmonisch machen, in Einklang (Harmonie) bringen.
s. Harmoniten. ^[= die Anhänger von Georg Rapp (geb. 1757 im württemb. Dorf Iptingen), daher auch ...]
Harmonisten, die Anhänger von Georg Rapp (geb. 1757 im württemb. Dorf Iptingen), daher auch Rappisten. Rapp war ein schwärmerischer Bauer, der Staat und Kirche in der ursprünglichen Reinheit wiederherstellen und die «Harmonie», d. i. völlige Gleichheit und Einheit, herbeiführen wollte. Mit seinen Anhängern ging er 1804 nach Amerika [* 42] und gründete zunächst eine Kolonie bei Pittsburgh; 1814 siedelten sie nach Indiana über und erbauten die Stadt Harmony, die sie an Robert Owen verkauften.
Nach Pennsylvanien zurückgekehrt, gründeten sie hierauf 1824 die Stadt Economy. Rapp regierte als Patriarch, Prophet, Richter und Hoherpriester; alles Privateigentum lag in seiner Hand. Seit 1807 wurde die Ehelosigkeit in der Kolonie eingeführt; der dadurch bedingte Ausfall an Seelenzahl wird durch Zuzug aus der alten Heimat und durch Kinderadoption ersetzt. 1831 störte ein Abenteurer, den Rapp als Propheten anerkannt und aufgenommen hatte, unter dem Namen Graf Leon den Frieden der Gemeinde, indem er 300 Harmoniten der Gemeinde zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reichs entführte und die Neu-Jerusalemsgemeinde in Philippsburg stiftete.
Leon war vorher in Deutschland [* 43] unter dem Namen Proli als Begründer einer geistlichen Weltmonarchie aufgetreten und als Betrüger strafrechtlich verfolgt worden; er hieß eigentlich Müller. Nachdem er das Vermögen seiner neuen Anhänger verpraßt hatte, floh er und ließ sie im größten Elend zurück (1833). Rapp starb Die Harmoniten glauben, daß Christus bei seiner Wiederkunft in Palästina [* 44] sein Reich aufrichten werde und halten ihr Augenmerk dahin gerichtet. –
Vgl. J. Wagner, Geschichte der Harmoniegesellschaft (Vaihingen 1833);
Bonnehorst, Der Abenteurer Proli (Frankf. a. M. 1834);
Dixon und Nordhoff, The communistic societies of the U. S. (Lond. 1874);
Palmer, Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs (Tüb. 1877);
Rauscher in «Theolog. Studien aus Württemberg» [* 45] (Ludwigsburg [* 46] 1885).
(Physharmonika, Amerikanische Orgel), Tasteninstrument, eine Verbesserung des Bibalregals ^[richtig: Bibelregal] (s. d.), zu der der Professor Kratzenstein die Anregung vom chines. Tscheng erhalten haben soll und die nach einigen Versuchen anderer Grenié (s. d.) 1810 als Orgue expressif einführte. 1818 erhielt das Instrument durch Häckel den Namen Physharmonika, wurde von andern Äoline, Äolodikon, Aerophon, Melophon u. s. w., von Debain in Paris 1840 zuerst Harmonium genannt, worauf es endlich durch die Amerikaner als «American Organs» allgemeine Verbreitung erlangt hat. Die Töne des Harmonium entstehen durch früher nur aufschlagende, jetzt durchschlagende Metallzungen, die mittels eines Luftstroms in Schwingung gesetzt werden. Der Umfang beträgt vier Oktaven oder etwas darüber von C 8 Fuß an; mittels verschiedener ¶
Register kommen aber bei größern Instrumenten noch eine 16- und 4-Fußoktave hinzu, wobei die tiefen Töne durch Beschwerung der Zungen mit Bleigewichten ermöglicht werden. Die zwei Blasbälge werden vom Spieler selbst mit den Füßen regiert, und der stärkere Druck des Fußes erzeugt ein Crescendo des Tons. Die Fülle des orgelartigen Klanges ist im Verhältnis zur Kleinheit des Instruments sehr bedeutend, doch trägt der Ton weniger in die Ferne, und die Stimmung ist sehr wandelbar. Um die Intonation der Zungen präciser und rascher zu machen, verbindet man mit dem Windmechanismus häufig noch ein Hammerwerk. Vermöge dessen schlägt beim Niederdruck der Taste der Hammer sanft an die Zunge, diese schon etwas in Schwingung setzend und dem Winde [* 48] die Arbeit erleichternd. Das Harmonium eignet sich mehr zum mäßig bewegten, gebundenen Vortrag als zu schnellen Sätzen. Harmoniumschulen schrieben Sachs (1878), Mettenleiter (2 Tle., 1881-82) u. a.
hießen zuerst die Vögte in Lakonien, durch welche die dor. Herren ihre Unterthanen (die Periöken) regierten. Bekannter sind namentlich die seit Lysanders Zeit, gegen Ende des Peloponnesischen Krieges, auftretenden es sind die über ganz Griechenland [* 49] diesseit und jenseit des Ägäischen Meers verbreiteten spartan. Residenten, welche alle den Athenern entrissenen Orte überwachten und namentlich (in der Regel mit Hilfe einer lacedämonischen Besatzung) der ihnen verbündeten Oligarchie die Hand zur Unterdrückung der Demokratie boten. Diese durch den Übermut und die Willkür der Harmosten bald allgemein verhaßte Einrichtung fand erst mit dem Zusammenbruch der spartan. Hegemonie (371 v. Chr.) ein Ende; nachher nahmen sie die Thebaner in ihrem Interesse für einige Jahre wieder auf.
[* 47] oder Barytkreuzstein, zu den Zeolithen (s. d.) gehöriges, mit Phillipsit und Desmin isomorphes Mineral, krystallisiert in anscheinend rhombischen Formen, die indessen auf eine Zwillingsverwachsung monokliner Individuen zurückzuführen sind, auch in Doppelzwillingen (s. beistehende Abbildung) und in rechtwinklig gekreuzten Doppelzwillingen. Die Härte ist 4,5, das spec. Gewicht 2,44 bis 2,5; er ist farblos, meist aber weiß oder gelblichweiß, glasglänzend, wenig durchscheinend. Chemisch besteht er aus 46 Proz. Kieselsäure, 16 Thonerde, 20 Baryt, 3 Kali, 15 Wasser. Salzsäure zersetzt ihn vollkommen. Er findet sich namentlich auf Erzgängen zu Andreasberg, Kongsberg in Norwegen, Strontian in Schottland, auch seltener in Melaphyrmandelsteinen und Basalten.
[* 47] ^[Abb.]
Friedrich, philos. Schriftsteller, geb. zu Kiel, [* 50] studierte Naturwissenschaften und Philosophie zu Kiel und Berlin, [* 51] habilitierte sich 1842 zu Kiel für die philos. Disciplinen, wurde 1848 außerord., 1858 ord. Professor daselbst und folgte 1867 einem Rufe an die Universität zu Berlin, wo er 1873 Mitglied der Akademie der Wissenschaften wurde. Er starb in Berlin. Harms schrieb: «Der Anthropologismus in der Entwicklung der Philosophie seit Kant» (Lpz. 1845),
«Prolegomena zur Philosophie» (Braunschw. 1852),
«Die Philosophie Fichtes» (Kiel 1862),
«Abhandlungen zur systematischen Philosophie» (Berl. 1868),
«Zur Erinnerung an Hegels 100jährigen Geburtstag» (ebd. 1871),
«A. Schopenhauers Philosophie» (ebd. 1874),
«Über den Begriff der Psychologie» (ebd. 1874),
«Die Reform der Logik» (ebd. 1874),
«Die Philosophie seit Kant» (ebd. 1876),
«über den Begriff der Wahrheit» (ebd. 1876),
«Psychologie, Logik und Ethik» (ebd. 1877),
«Die Formen der Ethik» (ebd. 1878),
«Die Philosophie in ihrer Geschichte» (Tl. 1 u. 2, ebd. 1878-81),
«Metaphysik» (hg. von Harms Wiese, Bresl. 1885),
«Logik» (hg. von demselben, Lpz. 1886),
«Ethik» (hg. von demselben, ebd. 1889),
«Begriff, Formen und Grundlegung der Rechtsphilosophie» (ebd. 1889).
Klaus, evang. Theolog, geb. zu Fahrstedt im Süderdithmarschen, bezog, nachdem er bis dahin in dem Geschäft seines Vaters, eines Müllers, gearbeitet, 1797 das Gymnasium zu Meldorf und bereits 1799 die Universität Kiel. Er wurde 1802 Hauslehrer in Propsteierhagen, 1806 Diakonus zu Lundon im Norderdithmarschen, 1816 Archidiakonus an der Nikolaikirche in Kiel, 1835 Hauptpastor und Propst daselbst und 1841 Oberkonsistorialrat; nachdem er 1849 seine Ämter wegen Erblindung niedergelegt hatte, starb er zu Kiel. Harms ist besonders bekannt durch den sog. Harmsschen Thesenstreit.
Die Jubelfeier der Reformation 1817 veranlaßte ihn zur Veröffentlichung der Schrift: «Das sind die 95 Theses oder Streitsätze Luthers teuren Angedenkens, zum besondern Abdruck besorgt und mit andern 95 Thesen als mit einer Übersetzung aus 1517 in 1817 begleitet» (Kiel 1817; neu herausgegeben in der «Bibliothek theol. Klassiker», Bd. 7, Gotha [* 52] 1888), die in kerniger, volkstümlicher Weise gegen den Rationalismus wie gegen die Union und für die luth. Kirchenlehre eintrat.
In dem dadurch hervorgerufenen Streit erschienen etwa 200 Schriften für und wider Harms, die wichtigsten von Christoph Friedr. Ammon [* 53] (s. d.) für, von Schleiermacher gegen ihn; er selbst verteidigte sich in mehrern Entgegnungen, besonders den «Briefen zur nähern Verständigung über verschiedene, meine Thesen betreffende Punkte» (Kiel 1818). Von seinen erbaulichen Schriften seien genannt: «Winterpostille» (Kiel 1808),
«Sommerpostille» (ebd. 1811; beide in 6. Aufl., Lpz. 1871),
«Christologische Predigten» (Schlesw. 1821),
«Neue Winterpostille» (Altona [* 54] 1824),
«Neue Sommerpostille» (ebd. 1827),
«Des Christen Glauben und Leben in 28 Predigten» (Hamb. 1869; aus seinem Nachlaß); ferner schrieb er ein treffliches Volkslesebuch: «Gnomon» (Kiel 1842; 3. Aufl. 1854),
die «Pastoraltheologie in Reden an Theologie Studierende» (ebd. 1830; 3. Aufl. 1878; neu in der «Bibliothek theol. Klassiker», Bd. 5 u. 6, Gotha 1888) und seine «Lebensbeschreibung» (Kiel 1851; neu in der «Bibliothek theol. Klassiker», Bd. 7, Gotha 1888). -
Vgl. Kaftan, Klaus Harms (Bas. 1875);
Lüdemann, Erinnerung an Klaus und seine Zeit (Kiel 1878).
Ludwig, luth. Theolog, geb. zu Walsrode im Lüneburgischen, studierte in Göttingen, [* 55] war dann abwechselnd Hauslehrer und Gehilfe bei seinem Vater, dem er 1849 im Amte eines Predigers zu Hermannsburg folgte. Hier begründete er 1849 eine in streng konfessionellem Geiste geleitete Missionsanstalt. Harms starb Von seinen Schriften sind zu nennen: ¶
«Evangelienpredigten» (8. Aufl., Hermannsburg 1877),
«Epistelpredigten» (2. Aufl., ebd. 1875),
«Geistlicher Blumenstrauß» (4. Aufl., ebd. 1887),
«Brosamen aus Gottes Wort» (2 Bde., ebd. 1878-79),
«Goldene Äpfel in silbernen Schalen» (11. Aufl., ebd. 1892). Seine Lebensbeschreibung (6. Aufl., ebd. 1887) schrieb sein Bruder Theodor.
Theodor, Bruder des vorigen, geb. 1819, wurde 1849 Missionsinspektor in Hermannsburg, dann vorübergehend Pastor in Müden, 1865 nach dem Tode seines Bruders Direktor der Mission in Hermannsburg; wegen seines Widerspruchs gegen die Civilehe wurde er 1877 seines Amtes entsetzt und gründete 1878 die separierte luth. Kirche Hannovers. (S. Hermannsburger Mission und Separation.) Er starb Außer der Lebensbeschreibung seines Bruders sind von seinen zahlreichen Schriften zu nennen: «Die letzten Dinge» (2. Aufl., Hermannsburg 1873),
«Der Heilsweg» (3. Aufl., ebd. 1877),
«Die Charwoche» (2. Aufl., ebd. 1891). -
Vgl. Gerhold, Die Pastoren Ludw. und Theod. H.in ihrer Stellung zu den brennenden kirchlichen Fragen der Gegenwart (Hannov. 1884).
Thesenstreit, s. Harms, ^[= # Klaus, evang. Theolog, geb. 25. Mai 1778 zu Fahrstedt im Süderdithmarschen, bezog, nachdem ...] Klaus.
oder Urin (Urina, Lotium), die von den Nieren abgesonderte Flüssigkeit, durch welche die Verbrennungsprodukte der stickstoffhaltigen Nahrungs- und Gewebsbestandteile aus dem Körper entfernt werden. Die während des Stoffwechsels gebildeten Zersetzungsprodukte der Nahrung und der Körpersubstanz verlassen den Tierkörper größtenteils durch den Harn vermittelst der Nieren. Der Harn enthält fast alle stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte, insbesondere den Harnstoff. Da der Harn ein Produkt des Stoffwechsels und der Nahrung ist, so wird seine Beschaffenheit je nach der Art des Tiers und der Nahrung verschieden sein.
Der Harn des gesunden Menschen ist eine klare, gelbe bis gelbrote, in frischem Zustande nicht unangenehm riechende, salzig und bitter schmeckende Flüssigkeit von schwach saurer Reaktion und wechselndem (zwischen 1,005 und 1,030 schwankendem) spec. Gewicht. Der Geruch desselben wechselt mit der Nahrung; nur fauler Harn stinkt. Die Farbe des Harn ist verschieden je nach seinem Wassergehalt; sie ist am hellsten nach reichlichem Genuß von Getränken, am dunkelsten im konzentrierten Morgenharn.
Durch den Genuß gewisser Substanzen wird auch die Farbe des Urins verändert; so erscheint der letztere nach dem Gebrauch von Rhabarber, Santonin und Sennesblättern blutrot gefärbt. Bei der Gelbsucht nimmt der Harn, infolge der Beimischung von Gallenfarbstoffen, eine intensiv bräunliche, selbst schwarzbraune oder schwarzgrüne, bei Vergiftung mit Carbolsäure eine olivengrüne bis tiefschwarze Färbung an. Ein erwachsener, gutgenährter, nicht mehr als nötig trinkender Mann entleert täglich 1000-1500 ccm Urin; mit dem Genuß von Flüssigkeit sowie mit der Abgabe von Wasser auf anderm Wege als durch die Nieren (Schweiß u. s. w.) wechselt die Harnmenge.
Die Hauptmasse des Harn macht das Wasser aus. Unter den festen Bestandteilen (50 g in einem Tage) macht der Harnstoff (s. d.) die größere Menge aus (durchschnittlich 35 g in 24 Stunden) und ist zugleich der stickstoffreichste Körper im H. und das Hauptzersetzungsprodukt der Eiweißkörper im Organismus, dessen Zurückhaltung und Anhäufung im Blute bei gewissen Nierenerkrankungen die sog. Harnvergiftung des Blutes oder Urämie mit ihren schweren Folgezuständen erzeugt. (S. Harnvergiftung.) Die Menge des ausgeschiedenen Harnstoffs steigt mit der Menge der in der Nahrung zugeführten Eiweißstoffe (bis auf 80 g und darüber), während sie beim Hungern auf ein Minimum (bis auf 6 g) herabsinkt.
Andere stickstoffhaltige Substanzen, die zu etwa 0,5 g täglich entleert werden, sind die Harnsäure (s. d.), eine niedrigere Oxydationsstufe als der Harnstoff, ferner das Kreatin und Kreatinin, das Xanthin, die Hippursäure (s. d.) und andere noch niedriger oxydierte Zersetzungsprodukte. An Salzen enthält der Harn die aus der Nahrung herrührenden, wie Kochsalz, kohlensaure, schwefelsaure, phosphorsaure Salze, die Alkalien und alkalischen Erden. Die Phosphate stammen nur von den genossenen Eiweißkörpern, die schwefelsauren Salze zum Teil daher.
Auch ist der Harn reich an gelöster Kohlensäure, an Stickstoff und Sauerstoff. Die Farbstoffe des Harn sind fast ganz unbekannt, doch enthält er einen Körper, der in der Indigopflanze enthalten ist und bei der Zersetzung Indigo [* 57] liefert (Indican), sowie mehrere specifische Farbstoffe, Urobilin, Urochrom und Uroerythrin, deren Zusammensetzung noch nicht genauer erforscht ist. Bald nach der Entleerung setzt sich im H. ein Schleimwölkchen ab, welches hauptsächlich aus Blasenepithelien und Schleimkörperchen aus den Schleimdrüsen der Harnwege besteht. Die Zersetzung des an der Luft bei längerm Stehen wird durch eine Bakterienform, Micrococcus ureae Pasteur, veranlaßt, welche den Harnstoff in kohlensaures Ammoniak und Wasser umsetzt; durch die Verdunstung des Ammoniaks entsteht der stechende Geruch, durch die Vermehrung der Bakterien die Trübung des zersetzten Harn Ammoniak enthält der normale frisch gelassene Harn, wie der ganze Organismus, nur in Spuren.
Unter krankhaften Verhältnissen treten im H. noch andere Bestandteile auf, so Eiweiß (zum Teil in fester Form als Abguß der Harnkanälchen der Nieren, als sog. Harncylinder) bei Nierenleiden, insbesondere der Brightschen Krankheit (s. d.), Traubenzucker (Harnzucker) in der Zuckerharnruhr (s. Diabetes), Gallenbestandteile bei der Gelbsucht, Blutkörperchen [* 58] beim Blutharnen (s. d.), Eiter u. dgl. Die Untersuchung derartiger krankhafter Harnbestandteile ist die Aufgabe der Uroskopie, der wissenschaftlichen Harnuntersuchung, welche sich chem., Physik, und mikroskopischer Hilfsmittel bedient und für die Erkennung vieler Krankheiten von der größten Bedeutung ist.
Auch gehen in den Harn viele zufällig in den Körper gelangte Substanzen über, sofern diese nicht im Organismus zersetzt werden oder andere Verbindungen eingehen. Bei fieberhaften Krankheiten ist der Harn konzentrierter (wegen des Schwitzens) und dunkler und enthält mehr stickstoffhaltige Substanz, überhaupt mehr Stoffwechselprodukte als der Harn eines Gesunden unter den gleichen Ernährungsverhältnissen. Sehr viel Harn entleeren die an Polyurie sowie an Zuckerharnruhr Leidenden (s. Diabetes). Die Polyurie kommt vor bei Blutarmen, Nierenkranken, bei Hysterischen, bei solchen, die viel trinken. Sehr wenig Harn wird bei manchen, insbesondere entzündlichen Nierenkrankheiten ausgeschieden.
Der Harn der Säugetiere ist im ganzen so beschaffen wie der des Menschen, doch zeigt er einige von der Nahrung sowie von der Körperbeschaffenheit abhängige Verschiedenheiten. So enthält der Harn der Hunde [* 59] statt der Harnsäure und der Hippursäure ¶
eine eigentümliche Säure, die Kynurensäure. Im H. des noch saugenden Kalbes findet sich ein der Harnsäure ähnlicher Körper, das Allantoin. Der Harn der Pflanzenfresser ist reich an Hippursäure und kohlensauren Salzen (wegen der Gegenwart dieser trübe), wogegen der konsistente Harn der Vögel [* 61] und Schlangen fast nur aus sauren harnsauren Salzen, die Exkremente der meisten Insekten [* 62] aus Harnsäure und Guanin bestehen.
Der bei weitem größte Teil der Harnbestandteile ist schon in den Geweben und im Blute enthalten, wo sie zum Teil gebildet werden, und wird von der Niere aus dem Blute bloß geschieden, gewissermaßen abfiltriert. Andere Stoffe erleiden in den Nieren selbst noch eine weitere Umänderung, ehe sie abgeschieden werden. Aus den Nieren gelangt der Harn beim Menschen und den Säugetieren durch die mit trichterförmiger Mündung beginnenden Harnleiter (ureteres) in die Blase.
Die Harnleiter sind häutige, nicht sehr weite, mit Muskeln [* 63] versehene Schläuche, welche an der hintern Bauchwand zum kleinen Becken herabsteigen und durch peristaltische Bewegungen den abgesonderten Harn tropfenweise in die Harnblase befördern. Die letztere bildet einen der Aufbewahrung und zeitweisen Entleerung des Harn dienenden häutigen, dehnbaren Sack, der in der Mittellinie des Körpers im kleinen Becken hinter dem Schambeinbogen liegt. (S. Harnblase.) Der Grund der Harnblase spitzt sich trichterförmig in den Blasenhals zu, und dieser setzt sich in einen häutigen Kanal, die Harnröhre (urethra) fort. Um den Blasenhals liegt beim Manne die Vorsteherdrüse (prostata), eine kastaniengroße, aus drei Lappen bestehende Drüse, welche erst mit dem Eintritt der Geschlechtsreife ihre volle Entwicklung erreicht. (S. Prostata.) Die Harnröhre des Weibes ist kurz und weit und mündet in den vordern Teil der Scheide; die engere und längere Harnröhre des Mannes ist in dem untern Teil des männlichen Gliedes eingebettet und befördert zugleich den Samen nach außen. (S. Geschlechtsorgane, Bd. 7, S. 897 b.)
Wenn der entleerte Harn mit der Luft in Berührung kommt, so erleidet er zunächst eine saure Gärung, wobei sich Milch- und Essigsäure bilden und die saure Reaktion zunimmt, geht aber bald in Fäulnis und alkalische Gärung über, indem durch ein eigentümliches pflanzliches Ferment (Gärungspilze) der Harnstoff in kohlensaures Ammoniak zersetzt wird. Solcher Harn ist trübe, setzt Salze (namentlich die phosphorsauren Erden, Phosphate) ab (s. Harnsediment) und stinkt. Da der einmal vorhandene Gärungserreger fortwirkt, so erklärt sich, warum unreinlich gehaltene Nachtgeschirre immer einen übeln Geruch verbreiten.
Die Abscheidungen, welche der Harn außerhalb der Blase erleidet, können infolge langwieriger Katarrhe schon innerhalb der Blase vor sich gehen, und die sedimentierten Körper werden dann als solche entleert (Harngries); verbleiben sie in der Blase, so geben sie zur Steinbildung Anlaß. (S. Harnsteine.) Über die wichtigsten Störungen in der Harnentleerung s. Harnblase, ferner Harnabfluß, Harnstrenge, Harnverhaltung und Enuresis. Bei der Blasenlähmung muß der Harn mit dem Katheter [* 64] (s. d.) abgenommen werden.
Die Harnröhre, zu deren Untersuchung man sich neuerdings des Endoskops (s. d.) bedient, nimmt an den Krankheiten ihrer Nachbarschaft teil; eine häufige, ihr allein zukommende, ist der Katarrh derselben oder Tripper (s. d.), der trotz seiner anscheinend geringfügigen Bedeutung sorgsame und gewissenhafte Behandlung erfordert, weil er sonst leicht Hodenentzündungen, Impotenz, Verengungen der Harnröhre (s. Striktur) und andere schwer wiegende Störungen der Gesundheit im Gefolge hat. -
Vgl. Löbisch, Anleitung zur Harnanalyse (2. Aufl., Wien 1881);
Salkowski und Leube, Die Lehre vom Harn (Berl. 1882);
Neubauer und Vogel, Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harn (9. Aufl., Wiesb. 1890).
oder unwillkürlicher Harnfluß, soviel wie Enuresis (s. d.). ^[= (grch.), unwillkürliches Harnlassen (Incontinentia urinae), Krankheit, die darin besteht, daß ...]
Adolf, prot. Theolog, Sohn von Theodosius Harnack (s. d.), geb. zu Dorpat, [* 65] studierte daselbst 1869-72, habilitierte sich 1874 in Leipzig [* 66] für Kirchengeschichte, wurde daselbst 1876 außerord., 1879 in Gießen [* 67] ord. Professor, siedelte 1886 in gleicher Eigenschaft nach Marburg [* 68] über und wurde 1888 trotz lebhaften Widerstrebens des altpreuß. Oberkirchenrates nach Berlin berufen. 1890 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften. H.s Standpunkt ist der historisch-kritische; theologisch stimmt er meist mit Ritschl überein, zu dessen Schule er trotz aller Selbständigkeit oft gerechnet wird. Er gehört zu den anregendsten und fruchtbarsten Kirchenhistorikern der Gegenwart.
Seine Studien gelten vorzugsweise der Erforschung der ältern Kirchengeschichte. Epochemachend ist besonders sein Hauptwerk «Lehrbuch der Dogmengeschichte» (1. u. 2. Aufl., 3 Bde., Freib. i. Br. 1886-90),
worin er die Entstehung und Entwicklung des kirchlichen Dogmas darstellt und dasselbe als «eine Conception des griech. Geistes auf dem Boden des Evangeliums» erweist, welche durch die in apologetischem Interesse vollzogene Hineinstellung der kirchlichen Überlieferung in den Rahmen griech.-philos. Weltanschauung entstanden ist. Ein Auszug aus dem Lehrbuch erschien als «Grundriß der Dogmengeschichte» (Freib. i. Br. 1889; 2. Aufl. 1893). Mit von Gebhardt giebt Harnack die «Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristl. Litteratur» (Bd. 1-10, Lpz. 1882-93) heraus, eine fortlaufende Sammlung eigener Arbeiten und solcher von Gesinnungsgenossen und Schülern.
Mit von Gebhardt und Zahn veröffentlichte er: «Patrum apostoloricum opera» (3 Bde., Lpz. 1875-78; editio minor 1877),
mit von Gebhardt allein: «Evangeliorum codex graecus purpureus Rossanensis» (ebd. 1880). Die wichtigsten seiner übrigen Schriften sind: «Zur Quellenkritik der Geschichte des Gnosticismus» (Lpz. 1873),
«De Apellis gnosi monarchica» (ebd. 1874),
«Die Zeit des Ignatius und die Chronologie der antiochenischen Bischöfe» (ebd. 1878),
«Das Mönchtum, seine Ideale und Geschichte» (Gießen 1881; 3. Aufl. 1886),
«Die Überlieferung der griech. Apologeten des 2. Jahrh.» (Lpz. 1882),
«Martin Luther in seiner Bedeutung für die Geschichte der Wissenschaft und der Bildung» (Gießen 1883; 2. Aufl. 1886),
«Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts» (Lpz. 1884; neue Ausg. 1893),
«Die Quellen der sog. apostolischen Kirchenordnung, nebst einer Untersuchung über den Ursprung des Lektorats und der andern niedern Weihen» (ebd. 1886),
«Die Apostellehre und die jüd. beiden Wege» (ebd. 1886),
«Der pseudocyprianische Traktat de aleatoribus, die älteste lateinische christl. Schrift, ein Werk des röm. Bischofs Victor I.» (ebd. 1888),
«Das Neue Testament um das J. 200, Theod. Zahns Geschichte des neutestamentlichen Kanons geprüft» (Freib. i. Br. 1889), ¶