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Die nächste Verbesserung der Handfeuerwaffen [* 2] erstreckte sich auf den Schutz des Zündkrautes gegen Regen u. s. w. und wurde durch einen drehbaren Deckel bewirkt. Man ging ferner bald zum Schmieden der Läufe aus Eisen [* 3] über, indem man Platten über einen Dorn bog oder rollte. Da hierbei an beiden Enden offene Rohre entstanden, kam man auf den Gedanken der Hinterladung. Jahrhundertelang bemühten sich indessen die Waffentechniker erfolglos, einen gasdichten und beweglichen Abschluß des Laufes herzustellen.
Notgedrungen ging man daher zu dem Vorderlader zurück. In das rotglühend erhitzte Laufende wurde von hinten ein Eisenkeil eingetrieben, wodurch ein dauernder Verschluß entstand. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. wurde dieser Eisenkeil durch die Schwanzschraube ersetzt, die die Festigkeit [* 4] des Verschlusses vermehrte und gleichzeitig einen neuen Vefestigungspunkt für den Schaft abgab. Letzterer umschloß den Lauf zur Hälfte auf seiner untern Seite. Das rückwärtige Ende des Schaftes setzte sich in den meist vierkantigen Kolben fort, der beim Schusse gegen die Schulter gestützt wurde.
Ein hölzerner Ladestock fand seinen Platz in der untern Seite des Schaftes. Da die Entzündung dieser Handfeuerwaffen stets mit der in freier Hand [* 5] geführten Lunte bewirkt werden mußte, war auch durch Anbringung einer Zündpfanne nebst Deckel an der rechten Laufwand eine erhebliche Verbesserung der Handfeuerwaffen nicht zu erzielen. Die Hauptnachteile der damaligen Handfeuerwaffen waren:
1) geringe Feuerschnelligkeit;
2) Unmöglichkeit des Zielens, da der Schütze seinen Blick statt auf das zu beschießende Ziel auf die Zündpfanne richten mußte;
3) mangelhafte Trefffähigkeit infolge des schlechten Mehlpulvers, des großen Spielraums der Bleikugeln, des Festhaltens der Waffe mit nur einer Hand und des Mangels eines jeden Zielmittels. Aus diesen Gründen blieben die damaligen Fernwaffen, Bogen [* 6] und Armbrust, [* 7] noch lange und anfangs in überwiegender Zahl bestehen.
Die nächste Verbesserung, durch die Auge [* 8] und rechte Hand für den gezielten Schuß verfügbar wurden, war in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. das Luntenschloß (s. nachstehende [* 1] Fig. 1 u. 2). Mit dem an der rechten Seite der Waffe angeschraubten Schloßblech A ist drehbar verbunden der Hahn [* 9] B, zwischen dessen Lippen die Lunte eingeklemmt wird.
Fig. 2.]
Die runde Welle des Hahns geht innerhalb des Schloßblechs in ein Viereck [* 10] über und ist mit dem beweglichen Lappen der Nuß C verbunden, der einen länglichen Schlitz zeigt. In den letztern greift das aufgebogene vordere Ende der Stange D ein, die um ihre Achschraube beweglich mit dem Abzug F verbunden ist. Beim Druck gegen den Abzug geht die
Nuß infolge des Druckes der Stange abwärts und mit ihr auch die zwischen den Hahnlippen eingeklemmte Lunte auf die Zündpfanne. Die Stangenfeder N drückt beständig von unten gegen die Stange; ihr Widerstand muß bei dem Abziehen überwunden werden. Sobald der Druck gegen den Abzug aufhört, hebt die Feder die Stange und damit den Hahn von der Zündpfanne weg. Später trennte man den Abzug von der Stange und legte denselben durch einen Bügel, «Abzugsbügel», geschützt in den Schaft.
Die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gebräuchlichen Handfeuerwaffen waren: der Haken (Arkebuse) von ungefähr 5 kg Gewicht, der Kugeln von etwa 4 Lot (66 g) verfeuerte. Der Name kommt von dem an den Lauf geschweißten Haken, der zur Aufnahme des Rückstoßes beim Schusse diente. Diese Waffe wurde in Festungen gebraucht; bei der Verwendung im freien Felde bildete eine Gabel die Unterstützung.
Der Halbhaken, auch Handrohr oder Hakenbüchse [* 11] genannt, war leichter, schoß 2-2 ½ Lot (36 g) Blei [* 12] und wurde meist im Feldkriege, ohne Gabel, verwendet. Doppelhaken und doppelte Doppelhaken bildeten die Mittelglieder zwischen und Geschützen. Die Feuerbereitschaft des Luntenschlosses war von dem Vorhandensein der brennenden, gegen Regen ungeschützten Lunte abhängig. Nahm man letztere vom Hahn weg, so konnte zwar bei nächtlichen Unternehmungen das Glimmen derselben verborgen werden, dafür erforderte aber die Abgabe des ersten Schusses ziemlich viel Zeit.
Gleichzeitig mit der Erfindung des erwähnten Schlosses erscheint das Visier (s. d.). Das Korn (s. d.) wurde erst später an dem Gewehr angebracht. Es scheint vordem meist über eine ringförmige Verstärkung [* 13] gezielt worden zu sein, die die Rohre an der Mündung erhielten. Hand in Hand mit diesen Verbesserungen ging die Weiterbildung des Schaftes, der einen durch eine Dünnung getrennten Kolben erhielt. Das Zielen wurde dadurch sehr erleichtert. Die mit dem Luntenschloß versehenen Haken, die frühern Halbhaken, waren die Waffe der Hakenschützen oder Arkebusiere (s. d.). Jeder derselben führte 12 Ladungen und außerdem 30 Kugeln, eine kleine Pulverflasche zum Aufschütten des Pulvers auf die Pfanne und mehrere Klafter Lunte.
Der häufigere Gebrauch der Handfeuerwaffen führte zu einer Verstärkung der Rüstungen [* 14] der Reiterei. Damit entstand das Bedürfnis nach einer Handfeuerwaffe [* 15] mit erhöhter Wirkung. Durch Herzog Alba [* 16] wurde 1521 im span. Heere die Muskete eingeführt, die ihre Kugeln bis 300 Schritt sandte und beim Schießen [* 17] auf eine Gabel aufgelegt wurde. Moritz von Oranien setzte für das niederländ. Heer fest, daß die Muskete 10, der Haken 20 Kugeln auf das Pfund schießen sollte, wonach sich das Gewicht der Muskete auf 16, das des Hakens auf 10 Pfd. stellte. Gustav Adolf erkannte bald den großen Wert der Handfeuerwaffen, verringerte die Zahl der Pikeniere und ersetzte sie durch Musketiere. (S. Fechtart, [* 18] Bd. 6, S. 615 a.) Er führte Musketen von etwa 10 Pfd. Gewicht ein und beseitigte die Gabel. Die erleichterte Muskete schoß eine 2lötige Kugel und besaß ein Kaliber von etwa 18,35 mm.
Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. wurden von der Reiterei Papierpatronen geführt, die anfangs nur die Pulverladung enthielten. Später verband man Kugel und Ladung, indem man erstere am Gußhalse in die Patrone einschnürte. Eine solche Patrone aus der Zeit von 1586-91 zeigt [* 1] Fig. 3 (S. 761 a). Gustav Adolf führte auch bei der ¶
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Infanterie Papierpatronen ein, die zu je 12 Stück in einer Patrontasche untergebracht wurden.
Noch nach Einrichtung der stehenden Heere in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. war das Luntengewehr die allgemeine Waffe des Fußvolks. Bei don Kaiserlichen hatte man das Schloß derart verbessert, daß sich bei dem Niederschlagen des Hahns
die Pfanne öffnete. Diese Vervollkommnung entstammte dem bereits 1517 von Johann Kiefus in Nürnberg [* 20] erfundenen Deutschen oder Radschloß [* 21] (Fig. 4 u. 5). Es sollte die Lunte entbehrlich machen und eine sichere Entzündung der Patrone herbeiführen. Der Hauptteil des Schlosses ist das stählerne, an seinem Umfang gerippte Rad, das unterhalb der Zündpfanne liegt und durch einen Ausschnitt der letztern in die Pfanne hineinragt. Die Radachse ist innerhalb des Schloßblechs mit dem Kettchen B verbunden, das an dem untern Arm der Schlagfeder C befestigt ist. Auf das äußere
Ende der Radachse wird ein Schlüssel gesetzt und das Rad mehrfach umgedreht. Hierdurch wird der untere Arm der Schlagfeder dem obern genähert, also die Feder gespannt. Innerhalb des Schloßblechs liegt eine Stange D, die von einer unter ihr liegenden Doppelfeder in dem hintern Teile ein- und in dem vordern auswärts gedrückt wird. Wenn dem vordern Teil der Stange, an dem sich eine in einer Bohrung des Schlohblechs ruhende Nase [* 22] befindet, die Rast des Nades gegenüber kommt, springt die Nase in das Rad und hält dadurch die Spannung der Schlagfeder aufrecht. Sowie die Nase einge-
sprungen ist, geht der Stangenhalter E vor und legt sich mit seiner Nase in die Rast am hintern Stangenende. Bei dem Abdrücken wird der Stangenhalter zurückgedrückt, das Stangenende verliert seinen Halt. Die Nase tritt aus dem Rad zurück, das in eine rasche Rückdrehung versetzt wird. Vor dem Abdrücken war der Hahn, der zwischen seinen Lippen ein Stück Schwefelkies enthielt, auf die Zündpfanne herabgelegt worden. Durch seine Feder wird er mit dem Kies auf den gerippten Rand
des Rades gedrückt, der in die Mitte der Zündpfanne vorsteht und mit Zündpulver umgeben ist. Die bei der raschen Umdrehung des Rades entstehende Reibung [* 23] am Kies erzeugt Funken, die die Entzündung herbeiführen. Die Pfanne wird durch einen schiebbaren Deckel geschlossen, der vor dem Feuern anfänglich mit der Hand entfernt werden mußte. Späterhin richtete man das Schloß so ein, daß durch die Drehung des Rades ein selbstthätiges Öffnen der Pfanne erfolgte. Mit diesem Schlosse war vor allem eine bessere, weniger vom Regen beeinflußte Zündung erreicht. Weiterhin war die Lunte beseitigt und die Zündung beschleunigt. Auch erfolgte letztere ohne eine das Auge des Schützen störende Bewegung. Weil das Radschloß indessen kompliziert war und leicht verschmutzte, blieb seine Anwendung bei Kriegswaffen beschränkt.
Fast zu derselben Zeit wie das Radschloß tauchte das sogenannte span. Schnappschloß [* 19] (Fig. 6 u. 7) auf. Durch Aufziehen des Hahns A wird die außen am Schloßblech liegende Schlagfeder B gespannt. Der Fuß des Hahns findet beim Aufziehen zwei Rasten an der Außenseite des Schloßblechs. Die erste C, scharnierartig mit der Stange D vereinigt, dient als Ruhrast, die zweite, eine längliche Warze der Stangenfeder E, als Spannrast. Der winkelförmige Pfannendeckel F geht von der geschlossenen in die geöffnete Stellung schnellend über.
Der Druck gegen den Abzug überträgt sich auf die Stange D, wodurch diese ebenso wie die Warze von E in das Schloßblech zurücktritt. Die Schlagfeder B kann nun den Hahn vorschleudern. Bei dem Auftreffen des Feuersteins an der stählernen Pfanndeckelfläche entstehen gleichzeitig mit dem Offnen der Pfanne Funken, die das Zündpulver und durch dieses die Pulverladung im Laufe entzünden. Dem Radschloß gegenüber besaß das Schnapphahnschloß den Vorteil zuverlässigerer Ardeit. Durch Weiterbildung entwickelte sich das Batterie- oder Feuersteinschloß, welches um 1640 in Frankreich auftrat [* 19] (Fig. 8). Der Hahn H ist außen auf der vierkantigen Verlängerung [* 24] einer innerhalb angebrachten Welle, der Nuß N
befestigt, die im Schloßblech und in der Studel S ihr Lager [* 25] findet. Auf das vordere Ende der Nuß wirkt die Schlagfeder F, die durch das Aufziehen des Hahns gespannt wird. Die gespannte Feder findet Gegenhalt in der an der Studel drehbar befestigten Stange St, die mit einem Schenkel in die Rasten rr' der Nuß springt. Die vordere Rast r dient der zum Teil gespannten Feder als Ruhestellung, in r' tritt der Schnabel bei völlig aufgezogenem Hahn ein. Die Feder F''
[* 19] ^[Abb: Fig. 7.] ¶
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veranlaßt das Einfallen des Stangenschnabels in die Rasten der Nuß. Das nach innen zu vorspringende Ende der Stange wird beim Abdrücken aufwärts bewegt, der Schnabel tritt aus der Rast, die Schlagfeder dehnt sich aus und führt durch ihren starken Druck auf die Nuß das Vorschleudern des Hahns herbei. Letzterer schlägt mit dem Stein
gegen den aufgerichteten Arm des Pfanndeckels B, der «Batterie», wodurch in ähnlicher Weise wie beim Schnapphahnschloß die Entzündung der Pulverladung herbeigeführt wird. Das franz. Schloß verdrängte allmählich sämtliche andern Systeme, trotzdem es dem nachteiligen Einfluß des Regenwetters ausgesetzt war und den übelstand besaß, daß der Stein bald stumpf wurde.
An die Erfindung des Batterieschlosses reiht sich die des Bajonetts (s. d.). Mit Anfang des 18. Jahrh. kann die allgemeine Einführung der Bajonettflinte (wie anch der Papierpatrone) als durchgeführt angesehen werden. Die nun folgenden Bestrebungen richteten sich namentlich auf eine Steigerung der Feuergeschwindigkeit. Der 1730 auf Vorschlag des Fürsten Leopold von Dessau [* 27] im preuß. Heere eingeführte eiserne Ladestock gestattete ein erheblich rascheres Laden als der hölzerne, der öfters abbrach und dadurch die Gebrauchsfähigkeit der Schußwaffe zeitweise in Frage stellte.
Durch diese Erfindung war es der im raschen Laden vorzüglich ausgebildeten preuß. Infanterie möglich, 3-4 Schüsse in der Minute abzugeben. Bei dem Aufschütten des Pulvers auf die Pfanne ging ein Teil der Ladung verloren; auch war dieses Verfahren umständlich und zeitraubend. Zur Beseitigung dieser Nachteile bohrte man das Zündloch nicht mehr cylindrisch, sondern konisch, sodaß die weite Öffnung nach der Pulverkammer führte. Wurde nun bei geschlossener Pfanne das Pulver in den Lauf geschüttet, so lief dasselbe ohne weiteres auf die Pfanne, die nun nicht mehr beim Laden geöffnet zu werden brauchte. 1770 fand diese Einrichtung im preuß. Heere Annahme. Der bisherige Verschluß des schmiedeeisernen Laufs durch eine Schwanzschraube erfuhr durch die 1800 in England erfundene Patentschwanzschraube eine wesentliche Verbesserung. Da die Pulverkammer in der Schraube selbst angebracht war, wurde eine Durchbohrung des Laufs behufs Anbringung des Zündkanals entbehrlich.
Die Napoleonischen Kriege ließen den Hauptnachteil des Feuersteingewehrs, seine geringe Gebrauchsfähigkeit bei Regen und Wind mehrfach empfinden. Das Bestreben nach Abhilfe dieses Übelstandes führte zur Anwendung von Knallpräparaten, die 1786 entdeckt waren. Nachdem Egg
in England den empfindlichen Zündsatz in kleinen Kapseln [* 28] (Zündhütchen) untergebracht hatte, war die Grundlage zur Zündungsverbesserung gegeben. Das Batterieschloß ließ sich leicht für den Gebrauch der Zündhütchen einrichten: der Hahn erhielt einen entsprechend veränderten Kopf und für das Hütchen eine besondere Auflage. Die Pfanne nebst Batterie fiel weg, der innere Schloßmechanismus wurde beibehalten. Die Vorteile der Perkussionszündung lagen namentlich in der Unabhängigkeit des Infanteriefeuers von der Witterung; außerdem erreichte man eine erhebliche Einschränkung der Gasentweichungen durch das Zündloch sowie der Versager. Dementsprechend wurde die Perkussion nicht nur bei Neuanfertigungen, sondern auch bei der Umänderung der Steinschloßgewehre eingeführt. Trotzdem war die Treffgenauigkeit des glatten Infanteriegewehrs infolge des großen zum Laden notwendigen Spielraums eine so geringe, daß der beste Schütze den schlechtesten wenig überbieten konnte.
Man kam deshalb schon gegen Ende des 15. Jahrh. auf den Gedanken, Züge (s. d.) in die Laufwände einzuschneiden. Nachdem durch das Dorngewehr (s. d.) von Thouvenin noch eine, nur vorübergehend eingeführte günstigere Einrichtung der Laufseele erstrebt war, wurden die weitern Verbesserungen durch Annahme eines andern Geschosses an Stelle der Rundkugel erreicht. (S. Geschoß, [* 29] Bd. 7, S. 904 b, und Miniégewehr.) Als mit den Zügen Langgeschosse angenommen wurden, erhielt man für die letztern unter Beibehalt des Kalibers von 17,5 bis 18,5 mm Gewichte von 40 bis 50 g. Da wegen des Rückstoßes des Gewehrs keine zu großen Ladungen gewählt werden durften, war die Geschoßgeschwindigkeit nur gering und die Flugbahn stark gekrümmt.
Dabei zwang das große Gewicht der einzelnen Patrone zu der Maßregel, entweder die Belastung des Soldaten zu vergrößern oder die Zahl der von dem Manne getragenen Patronen herabzusetzen. Bei der Aufstellung neuer gezogener Waffen schritt man daher zu einer Verringerung des Kalibers. Während Österreich [* 30] und Süddeutschland 1858 bis zu dem sog. mittlern Kaliber (13,9 mm) herabgingen, setzte die Schweiz [* 31] allein für die M/51, 56 und 63 das Kaliber auf 10,5 mm fest. Bei letzterm hatte das Geschoß im Verhältnis zu seinem Querschnitt ein ziemlich großes Gewicht, trotzdem dasselbe absolut gering war.
Mit dem leichtern Geschoß konnte ein günstigeres Ladungsgewicht zur Anwendung kommen, das zugleich größere Geschoßgeschwindigkeiten lieferte. Die im engern Raum stärkere Gasspannung trug zum Wachsen der Geschwindigkeit und daher der Gestrecktheit der Bahn wesentlich bei. Gleichzeitig war ein erheblich geringeres Gewicht der Patrone erreicht. Mit dem Schweizer Gewehr M/63 war der Vorderlader auf der Höhe der erreichbaren Vollkommenheit angelangt. Gestrecktheit der Bahn, Treffgenauigkeit, Sicherheit der Zündung entsprachen hohen Anforderungen. Nur nach einer Richtung hin war dieses Gewehr, wie alle andern Vorderlader, dringend verbesserungsbedürftig: die Feuergeschwindigkeit blieb zu gering, ganz abgesehen davon, daß ein Laden im Knien, Liegen sehr erschwert war.
Daher ging aus dem Feldzuge 1866 ein Gewehr siegreich hervor, das in den letztgenannten beiden Beziehungen dem Vorderlader überlegen war, das preuß. Zündnadelgewehr (s. d.). Wenngleich sich die Geschichte der Hinterladung fast bis zu dem Ursprung der Feuerwaffe verfolgen läßt, so war ¶
1. Das preußische Zündnadelgewehr M/41, geschlossen.
2. 3. 4. Schloßteile zum preußischen Zündnadelgewehr M/41.
5. Das deutsche Infanteriegewehr 71.84; Schloß bei geöffnetem Gewehr zum Magazinfeuer gestellt.
6. Das deutsche Infanteriegewehr 71.84; das gespannte Schloß zum Magazinfeuer gestellt.
7. Das deutsche Infanteriegewehr 71.84; das gespannte Schloß, Mehrladevorrichtung abgestellt. ¶
1. Das Schweizer Repetiergewehr M/69, geschlossen und abgefeuert.
2. Das amerikanische Spencer-Gewehr, geöffnet.
3. Das österreichische Gewehr M/88, geöffnet.
4. Schloßgang des österreichischen Gewehrs M/88.
5. Das amerikanische Lee-Gewehr M/79, geöffnet. ¶
1. Durchschnitt des französischen Gewehrs M 86 kurz vor Beendigung des Öffnens.
2. Das französische Gewehr M/86 vollständig geöffnet, mit einer Patrone auf dem gehobenen Löffel.
3. Das geöffnete deutsche Gewehr 88 mit eingesetztem Patronenrahmen.
4. Das Schweizer Gewehr M/89, geöffnet. ¶
1. Schloß des Schweizer Gewehrs M/89.
2. Durchschnitt des Schlosses zum Schweizer Gewehr M/89.
3. Das englische Gewehr M/89, geöffnet (Längsschnitt).
4. Das englische Gewehr M/89, geöffnet (äußere Ansicht).
5. Gesamtansieht des englischen Gewehrs M/89.
6. Visier zum englischen Gewehr M/89. ¶
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jahrhundertelang dieser Gedanke nirgends verwertet worden. Durch Kabinettsorder vom wurde in Preußen [* 37] die Herstellung des von Dreyse (s. d.) konstruierten «leichten Perkussionsgewehrs» angeordnet. Die Einrichtung des spätern M/41 war im wesentlichen folgende. (S. Tafel: Handfeuerwaffen I, [* 36] Fig. 1-4.) Der Lauf mit 15,43 mm Kaliber und 4 Zügen, die auf 732 mm eine Drehung vollenden, endigt hinten mit einem Gewinde, auf das das Verschlußgehäuse a geschraubt ist.
Dieser Teil ist zur Bewegung des Verschlusses sowie zur Einlage der Patrone mit einem Längs- und Seitenschlitz versehen. Unten ist der zweckmäßig konstruierte Abzug befestigt. Der Verschluß wird von drei übereinander liegenden Hohlcylindern gebildet: Kammer (Verschlußkolben) b, Schlößchen c und Nadelbolzen e. Der vordere Teil der Kammer wird durch eine Wand abgeschlossen, in der das Nadelrohr zur richtigen Führung der Nadel eingeschraubt ist. Der hohle Teil um das Nadelrohr soll die Reste der verbrennbaren Patronenhülse aufnehmen.
Der hintere Kammerteil nimmt das Schlößchen c mit der Sperrfeder d auf und bietet letzterer sowohl beim Spannen wie Inruhsetzen den nötigen Stützpunkt. Für das Eintreten des Abzugsstollens ist in dem Kammerboden ein Ausschnitt bemerkbar. Das Schlößchen bewirkt mit der Kammer, Sperrfeder, Abzugsstollen und Nadelbolzen gemeinsam das Spannen der Spiralfeder und das Vorschnellen der Zündnadel f. Ebenso wie die Kammer zeigt auch das Schlößchen unten einen Einschnitt für den Eintritt des Abzugsstollens.
Die Spiralfeder lagert in der Bohrung des Schlößchens, an dessen hinterer Wand sie einen Stützpunkt findet. Ihr vorderes Widerlager bildet eine kreisförmige Verstärkung (Teller) des Nadelbolzens. Die aus einem Messingschaft und einer Stahlnadel zusammengesetzte Zündnadel wird mit ihrem Gewinde in den Nadelbolzen eingeschraubt. Die Sperrfeder d hält den Nadelbolzen und die Spiralfeder im Schlößchen, sich selbst aber mittels der beiden hintern Nasen im Schlößchen fest.
Zum Laden muß zunächst das Schlößchen zurückgezogen werden. Nach einem Druck auf die Sperrfeder tritt ihre hintere Nase aus einem Ausschnitt der Kammer, worauf sie nebst dem Schlößchen so weit zurückgezogen werden kann, bis die zweite Nase an der Kammerwand anstößt. Der Teller des Nadelbolzens gleitet mit seiner hintern Abschrägung über den Abzugsstollen. Durch Drehen des Kammerknopfs von rechts nach links wird seine Warze von der rechten Wand des Verschlußgehäuses entfernt und nach links vor den Hülsenausschnitt gebracht.
Der Verschluß kann nun zurückgezogen werden, wodurch das hintere Laufende geöffnet wird. Es folgt das Einlegen der Patrone und das Schieben derselben vorwärts in ihr Lager. Zum Schließen wird die Kammer vorgeführt und rechts gelegt. Nunmehr hat man das Schlößchen so weit vorzuschieben, bis die hintere Sperrfedernase in den Ausschnitt der Kammer eingreift. Zieht man nun den Abzug zurück, so verliert der Teller seinen Halt, die Spiralfeder schleudert den Nadelbolzen mit der Zündnadel vor; letztere sticht in die Zündpille der Patrone und bewirkt die Entzündung der Ladung. Durch Zurückziehen der Sperrfeder läßt sich das Gewehr sichern. Die 40,7 g schwere Patrone besteht aus der Papierhülse, der Pulverladung, dem Zündspiegel und dem Geschoß. Letzteres wiegt 31 g und wird von dem Spiegel [* 38] durch die Züge geführt.
Wenngleich die Schußleistungen des Zündnadelgewehrs verhältnismäßig gering waren und viele Vorderlader aus den fünfziger Jahren dieselben wesentlich übertrafen, so kam doch den Leistungen der Waffe im Schnellfeuer kein Vorderlader gleich, wie die preuß. Waffe überdies den gewaltigen Vorteil besaß, daß sie in allen Körperlagen leicht zu bedienen war. Erst die Erfahrungen des Krieges 1866 zeigten, daß überall außerhalb Preußens [* 39] der Hinterlader unterschätzt worden war und daß eine schneller schießende, in jeder Deckung brauchbare Waffe selbst einer genauer, aber langsamer feuernden gegenüber taktisch überlegen bleibt.
Die nächste Folge war die allgemeine Einführung der Hinterladung. Um dieselbe schnell bewerkstelligen zu können, wurden die Vorderlader meist nach dem Klappensystem in Hinterlader umgewandelt. Dadurch, daß man an Stelle der Papierhülse metallene Patronenhülsen anwandte, wie solche in dem amerik. Kriege (1861-65) in größerm Umfange benutzt waren, wurde die Sicherheit gegen das Ausströmen der Pulvergase nach rückwärts erhöht (s. unten). Auch in Frankreich erstrebte man eine möglichst rasche Neubewaffnung mit Hinterladern, nahm indessen wegen Mangels einer fertigen Metallpatrone das Chassepotgewehr (s. d.) mit Papierpatrone an, bei dem der gasdichte Abschluß durch einen Kautschukring erreicht werden sollte.
Die Gestrecktheit der Flugbahn wurde durch ein kleines Kaliber (11 mm) vermehrt. Nach dem Vorgänge Frankreichs führten fast alle Staaten bei Aufstellung von Neumodellen das Kaliber 11 mm, zugleich aber die gasdichte Metallpatrone ein. Zu den Modellen dieser Art gehören u. a. das österr. Werndlgewehr M/67, bayr. Werdergewehr M/69, ital. Vetterligewehr M/70, engl. Henry-Martinigewehr M/71, niederländ. Beaumontgewehr M/71, russ. Berdangewehr M/71.
In Deutschland [* 40] blieb man dem schon bei dem Zündnadelgewehr in Anwendung gekommenen Kolbenverschluß treu, der heutzutage die Alleinherrschaft auf dem Gebiet der Handfeuerwaffen errungen hat. Der Hauptgegner dieses Systems, der Blockverschluß, der aus einem viereckigen Stück bestand, das zum Laden gesenkt, zum Schießen gehoben wurde (Werder, Henry-Martini), hatte den Nachteil, daß er zum Einführen der Patrone in den Lauf einer Nachhilfe mit der Hand bedürfte, was beim Kolbenverschluß wegfiel.
Wenn auch die Feuergeschwindigkeit des Kolbenverschlusses bei den Systemen der siebziger Jahre (Vetterli M/70, Mauser M/71, Beanmont M/71, Berdan M/71) durch Vereinfachung des Schlosses und durch Anbringung einer Selbstspannvorrichtung erheblich gewachsen war, so erschien es doch taktisch vorteilhaft, diese Feuergeschwindigkeit zunächst nur für gewisse Fälle des Gefechts noch wesentlich zu steigern. Diesem Streben geben die Repetiergewehre (s. d.) Ausdruck.
Obgleich aus frühern Jahrhunderten mehrfach Konstruktionen von Repetier- oder Magazinwaffen vorliegen, mußte ihre Kriegsbrauchbarkeit so lange bezweifelt werden, als sie Papierpatronen verwendeten. Es lag hierbei die Gefahr nahe, daß der Patronenvorrat bei dem wenig gasdichten Abschluß des Laufs zur Explosion gebracht würde, was schwere Beschädigungen des Schützen zur Folge haben mußte. Die Herstellung einigermaßen brauchbarer Metallpatronen blieb Vorbedingung zur Konstruktion eines kriegsbrauchbaren Mehrladegewehrs. Nachdem um 1860 in ¶
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Amerika [* 42] die Herstellung gasdichter Metallpatronen zum erstenmal gelungen war, sehen wir auch sogleich die Konstruktion von Repetierwaffen ermöglicht und zwar sofort in solcher Vollkommenheit, daß ihr Kriegsgebrauch in ungeübter Hand stattfinden konnte. Nicht weniger als 94000 Karabiner und 12500 Gewehre des Repetiersystems Spencer waren 1861-66 seitens der Nordstaaten angekauft worden. Das System soll hier als Vertreter der Repetiergewehre mit Magazin im Kolben besprochen werden. (Vgl. Tafel: Handfeuerwaffen II, [* 41] Fig. 2.) Der Kolben ist der Länge nach mit einer Bohrung versehen, in die das aus dünnem Stahlblech hergestellte Magazinrohr r eingeschoben wird.
Zum Füllen des Magazins wird das Rohr aus dem Kolben gezogen und es werden (bei dem Karabiner 7) Patronen in das Rohr gelegt. Hierauf schiebt man das Rohr in den Kolben ein, wobei durch den Widerstand der Patronensäule die Magazinfeder gespannt wird. Durch Rechtsdrehen des vorn offenen Rohrs wird die Verbindung desselben mit dem Kolben hergestellt. Bei geschlossener Waffe verhindert der einen Block bildende Verschluß c, daß die erste Patrone und damit alle übrigen dem Drängen der Magazinfeder nachgeben und das Rohr r verlassen. Bei dem Öffnen des Gewehrs, das durch Herabziehen des Bügels b erfolgt, schiebt sich die vorderste Patrone auf den Verschlußblock c, wo ein kleiner Vorsprung ihre Vorbewegung aufhält. Bei dem Schließen durch Zurückstoßen von b faßt die rechtwinklige Kante von a die Patrone und schiebt sie in ihr Lager vor. Die Zündung erfolgt durch Schlag des Hahns auf den Zündstift, der den im Bodenrand befindlichen Zündsatz quetscht und dadurch entzündet.
Die später noch verbesserten Gewehre mit Magazin im Kolben haben infolge ihrer großen Nachteile nur geringe Verwendung für Kriegszwecke gefunden. Zunächst konnte das Magazin nur wenig Patronen aufnehmen, deren Zuleitung durch den Kolbenhals, einen schwachen Teil jedes Gewehrs, erfolgen mußte. Das Füllen des Magazins erforderte viel Zeit und konnte nur mit ruhiger Hand ausgeführt werden, selbst dann noch, als man das Rohr von seinem vordern Ende aus mit Patronen versah (System Hotchkiß). Auch konnte der Mechanismus zum Vorführen der Patronen aus dem Magazin in den Lauf nicht einfach gehalten werden.
Die nächste Klasse der Repetiergewehre ist jene, bei der sich das Magazin im Vorderschaft unter dem Lauf befindet. In dem amerik. Kriege war das hierher gehörige Henrygewehr ebenfalls vertreten. Aus demselben entwickelten sich später das System Henry-Winchester und Vetterli. Der erste Staat, in dem der Repetierer als Armeewaffe Eingang fand, war die Schweiz. 1869 ging man dort unter Annahme des Systems Vetterli fast unmittelbar vom Vorderlader zum Hinterlader-Repetiergewehr über. Die Hauptgrundzüge der Konstruktion (s. Tafel: Handfeuerwaffen II, [* 41] Fig. 1) sind folgende: unter dem Lauf ist im Vorderschaft ein langes Messingrohr angebracht, das 11 Patronen aufnimmt und in der gleichen Weise wie bei Spencer mit Bolzen und Magazinfeder versehen ist. Letztere hat bei gefüllter Röhre das Streben, rückwärts zu wirken und somit die Patrone in den Zubringer a zu schieben. Diesem fällt die Aufgabe zu, die jeweilig hinterste Patrone aus der Verlängerung des Rohrs in die Höhe des Patronenlagers zu beben, damit das Schloß beim Vorschieben die Patrone in ihr
Lager befördern kann. Zu diesem Zweck muß dem Zubringer beim Öffnen eine Aufwärts- und beim Schließen eine Abwärtsbewegung mitgeteilt werden, damit der Zubringer wieder eine neue Patrone aus dem Magazin empfangen kann. Diese Bewegungen werden dem Zubringer durch Vermittelung eines Winkelhebels b mitgeteilt. Beim Zurückziehen des Verschlusses stößt ein Ansatz des Verschlußkolbens l den kurzen Kniehebelarm b zurück und damit den langen aufwärts, welcher Bewegung der Zubringer a Folge leisten muß.
Umgekehrt trifft beim Schließen ein Ansatz des Kolbens l den kurzen Arm von hinten, drückt ihn vor und damit den langen Arm abwärts. Der Zubringer a senkt sich und empfängt aus dem Magazinrohr eine neue Patrone. Der Verschluß des Vetterlisystems gehört der Gattung der Cylinderverschlüsse an und zeichnet sich dadurch aus, daß der Rückstoß nicht einseitig wie bei den Systemen Dreyse, Chassepot, Mauser, Verdau, Gras, sondern von zwei Warzen aufgefangen wird. Letztere sind an dem drehbaren Nußhebel 2 angebracht und schieben sich beim Schließen des Gewehrs vor ihre Widerlager im Verschlußgehäuse. Beim Öffnen gelangen diese Warzen vor zwei entsprechend geformte Ausschnitte des Gehäuses, worauf ein Zurückziehen des ganzen Schlosses möglich ist. Durch Druck gegen den Abzug senkt sich der Abzugsstollen, der Schlagstift 3 verliert seinen Halt und schnellt vor, trifft auf die im Kopf des Verschlußkolbens lagernde Schlaggabel 4, die den Patronenrand trifft und den Zündsatz entflammt.
Bei allen Repetierwaffen ist eine Anordnung nötig, die das gleichzeitige Austreten zweier Patronen aus dem Magazin und damit verbundene Ladehemmungen verhütet. Bei Vetterli ist es die senkrecht gehaltene vordere Fläche des Zubringers a, die bei dem Heben desselben das Magazinrohr schließt. Ist eine Patrone durch den Rückstoß beim Schießen etwas gestaucht, so sind Ladehemmungen möglich. Bei spätern Mehrladern mit Vorderschaft-Magazin ist daher eine Anordnung bez. Sperre eingeführt worden, die die richtige Arbeit der Mehrladevorrichtung auch dann gewährleistet, wenn die längere Zeit im Magazine befindlichen Patronen durch den Rückstoß aufeinander gestaucht worden sind, d. h. an Länge verloren haben.
Bei der Vetterliwaffe ist ein Absperren des Magazins nicht möglich. Es liegt somit die Gefahr nahe, daß der Soldat sich im Gefecht nicht die Patronen des Magazins für entscheidende Augenblicke aufspart, sondern schon zu Anfang verbraucht. Da bei allen Gewehren mit Vorderschaftsmagazin das Füllen eine gewisse Zeit und ruhige Hand fordert, ist an Wiederfüllen im feindlichen Feuer nicht zu denken. Es wird daher der Mann nur für die Einleitung des Gefechts den geringen Vorteil haben, daß er eine Reihe von Patronen mit etwas größerer Geschwindigkeit abgeben kann als der mit gewöhnlichem Einlader versehene. Es sei hier bemerkt, daß für den Ernstfall ein wesentlicher Vorteil auch bei den Gewehren nicht erreicht werden kann, bei denen eine Schließung des Magazins durch besondere Vorrichtung möglich ist. Bei dem Schießen mit Einzelladung und gefülltem, abgesperrtem Magazin bleibt ferner nicht ausgeschlossen, daß die Patronen durch das heftige Aufeinanderstoßen bei dem Schusse sich entzünden. Es sind alsdann Verletzungen des Schützen möglich, jedenfalls wird die Waffe zum Schießen unbrauchbar. ¶
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Die Annahme des Mehrladers in der Schweiz blieb zunächst ohne Einfluß auf die Bewaffnung der andern Staaten. Die polit. Lage Deutschlands [* 44] verhinderte einen Wechsel der Bewaffnung, und infolgedessen mußte der Feldzug 1870-71 mit dem Zündnadelgewehr durchgekämpft werden, dessen Anfangsgeschwindigkeit sich zu der der feindlichen Waffe wie 290:420 verhielt.
Die nächste Folge der Kriegserfahrungen von 1870 bis 1871 war die allgemeine Einführung des Kalibers von 10,4 bis 11 mm in Verbindung mit der Metallpatrone. Bei den Neukonstruktionen des J. 1871 ging man zu einer Ladung von 5,6 g und einem Geschoß von 25 g über und erzielte hierbei eine Anfangsgeschwindigkeit von etwa 430 m. In England führte man sogar bei dem Henry-Martinigewehr eine Ladung von 5,6 g und ein Geschoß von 31,1 g ein. Obwohl die Anfangsgeschwindigkeit dieser Waffe verhältnismäßig gering war, mußte trotzdem dem schweren Geschoß auf den weiten Entfernungen eine Überlegenheit in der Gestrecktheit der Bahn zukommen, da dasselbe die ihm erteilte Geschwindigkeit besser bewahrte.
Als Typus eines Gewehrs mit Kolbenverschluß, das nach den Erfahrungen des Feldzuges 1870-71 hergestellt war, möge hier das deutsche Infanteriegewehr 71, System Mauser, geschildert werden: An Stelle der Papierpatrone trat eine Metallpatrone, deren abgeschossene Hülse [* 45] nach dem Schusse durch einen Auszieher aus dem Lauf gezogen wurde. In dem Boden der Patrone befand sich ein metallenes Hütchen, dessen Zündsatz durch einen starken Schlagbolzen entflammt wurde.
Zwei Löcher leiteten den Zündstrahl in die Pulverladung. Der Rückstoß wurde ähnlich wie beim Zündnadelgewehr durch eine Verstärkung des Verschlußkolbens aufgefangen, die sich gegen die rechte Wand des Verschlußgehäuses stützte. Das Spannen der Spiralfeder erfolgte beim Öffnen bez. Schließen selbstthätig. Zu diesem Zwecke besaß der Verschlußkolben einen dreieckigen, von einer Schraubenfläche begrenzten Ausschnitt. In diesem ruhte bei dem abgedrückten Gewehr ein dreieckiger, ähnlich gestalteter Ansatz des Schlößchens.
Wurde zum Offnen der Verschlußkolben nach links gedreht, so mußte das Schlößchen eine Rückwärtsbewegung machen, da es durch die beiden Seitenwände des Verschluhgehäuses an einer Drehung verhindert wurde. Beim Öffnen trat die erste Spannung der Spiralfeder ein; beim schließen wurde sie vervollständigt. Durch das Zurückziehen des Abzuges senkte sich dessen Stollen, das Schlößchen verlor seinen Halt und die Spiralfeder schleuderte die Schlagbolzenspitze gegen das Zündhütchen.
Das deutsche Gewehr 71 entsprach mit Ausnahme des Kalibers den damaligen Anforderungen an eine Kriegswaffe in hohem Maße. Das russ. Gewehr System Berdan, das niederländische M/71 Beaumont und das französische M/74 Gras kamen dem deutschen 71 in Bezug auf Konstruktion und ballistische Leistungen etwa gleich. Eine Verschiebung dieses Gleichgewichts trat Mitte der siebziger Jahre durch das Repetiergewehr ein. Wenn auch ab und zu der Mehrlader zur Einführung gelangt war, so hatte denselben doch bis zu diesem Zeitpunkt keine Großmacht angenommen. Die darauf bezüglichen, überall im Gange befindlichen Versuche wurden erst beschleunigt, nachdem die türk. Infanterie, die nur teilweise mit Repetierwaffen versehen war, 1877-78 gezeigt hatte, welche Vor-
teile mit einem zur richtigen Zeit abgegebenen Magazinfeuer zu erreichen waren. Von den Großstaaten nahm zuerst Deutschland als allgemeine Infanteriewaffe einen Mehrlader mit Magazin im Vorderschaft, das Gewehr 71/84, an und gewann durch rasche Herstellung desselben den übrigen Mächten gegenüber einen erheblichen Vorsprung.
In vielen Beziehungen besitzt das Gewehr 71.84 (vgl. Tafel: Handfeuerwaffen I, [* 43] Fig. 5-7) Ähnlichkeit [* 46] mit dem Gewehr 71. Der Schaft hat in seinem vordern Teil unterhalb des Laufs das röhrenförmige Magazin (in m der [* 43] Figuren teilweise dargestellt). Das Magazin, aus dünnem Stahlblech gezogen, hat eine lange, gewundene Drahtfeder, die hinten mit einer hutförmigen Kapsel versehen ist. Bei gefülltem Magazin liegt die Feder, auf ein sehr geringes Maß zusammengedrückt, in dem vordersten Teil des Rohrs und hat das Bestreben, die Patronen rückwärts auf den Zubringer (Löffel) zu drücken. Dieser Zubringer, der die Patronen des Magazins in Höhe des Laufs hebt, scheint in seiner Konstruktion aus den Systemen Fruhwirth und Kropatschek entstanden zu sein. Der Löffel hat im hintern Teil seine Drehachse c [* 43] (Fig. 6) und kann zwei verschiedene Lagen annehmen: die gehobene [* 43] (Fig. 5 u. 6) und die gesenkte [* 43] (Fig. 7). In letztere wird der Löffel zum Empfang einer Patrone aus dem Magazin versetzt, in erstere, um die Patrone mit deren vordern Teil a in die Höhe des Laufs zu bringen. Am vordern Teil sitzt ein Schnabel b, der in der gehobenen Stellung des Löffels das Austreten der noch im Magazin befindlichen Patronen verhindert. Bei gesenktem Löffel übernimmt die Sperrklinke diese Aufgabe. Eine Doppelfeder erhält die Sperrklinke in dieser Lage und regelt gleichzeitig die Stellungen des Löffels. Die Übergänge des letztern aus einer Lage in die andere stehen mit der Vor- und Zurückbewegung des Verschlußkolbens A [* 43] (Fig. 5) in Verbindung.
Ein Anschlagstück d kann in einem Falz [* 47] des Löffels sich um ein geringes Maß auf- und abwärts bewegen. Am Verschlußkopf B ist der langarmige Auswerfer k befestigt, der bis zum Schlößchen C reicht. Der Auswerfer drückt den Anschlag um eine kleine Strecke rückwärts, wodurch der Zubringer derartig um seine Achse gedreht wird, daß er mit seinem vordern Teil in Höhe des Laufs steigt. Um das Anschlagstück aus einer Stellung in die andere zu bringen, gebraucht der Schütze den außerhalb im Verschlußgehäuse angebrachten, um seine Achse drehbaren Stellhebel e. Befindet sich der Stellhebel in der rückwärts geneigten Lage, so ist das Gewehr zum Magazinfeuer gestellt.
Das Ausziehen der Patronenhülse nach dem Schuß bewirkt der Auszieher i, der rechts oben im Verschlußkopf angebracht ist. Im letzten Augenblick der Rückwartsbewegung des Verschlusses stößt die leere Patronenhülse an den Kopf des Auswerfers k, wodurch sie seitwärts aus der Patroneneinlage herausgeschleudert wird. An dem Verschlußkolben A, dem Schlößchen C, der Schlagbolzenmutter D sind wesentliche Veränderungen nur in Bezug auf innigere Verbindung zwischen Schlagbolzen, Schlagbolzenmutter und Schlößchen eingetreten. An Stelle der einarmigen Abzugsfeder des Gewehrs 71 ist bei Gewehr 71.84 eine kleine Spiralfeder getreten. Das füllen des Magazins geschieht bei geöffnetem Gewehr über den gesenkten Zubringer. Das Magazinrohr faßt 8 Patronen, eine neunte kann unmittelbar in den Lauf gebracht werden. ¶