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Finanzen. Der Haushaltplan (1893/94) schließt ab in Einnahme mit 3 851000 M.,
Ausgabe mit 3 851000 M. Die Schulden betragen 11 875 455,46
M., das Vermögen 17 573 157,27 M. Für Unterrichtszwecke werden aufgewendet rund 381 500 M., für Wohlthätigkeitsanstalten 28 635 M.,
für
Armen und Krankenwesen 305 957 M., für
Straßenreinigung
[* 2] und -Sprengung (400000 qm Straßenfläche,
mittels 10
Sprengwagen = 30000 cbm Wasser pro Jahr) 45 870 M., für öffentliche
Beleuchtung
[* 3] 183 460 M., für Sicherheitszwecke 193 100 M.
Behörden. H. ist Sitz des Landratsamtes des Saalkreises, eines Landgerichts (Oberlandesgericht
Naumburg)
[* 4] mit 18
Amtsgerichten
(Alsleben a. S.,Bitterfeld,
[* 5] Cönnern,
Delitzsch,
[* 6] Eisleben,
[* 7]
Ermsleben, Gerbstedt, Gräfenhainichen, H., Hettstedt,
Lauchstädt, Löbejün,
Mansfeld, Merseburg,
[* 8]
Schkeuditz, Wettin, Wippra, Zörbig) und Kammer für Handelssachen, eines Amtsgerichts,
Hauptsteueramtes, Oberbergamtes für die
ProvinzenBrandenburg,
[* 9]
Pommern
[* 10] und
Sachsen
[* 11] (7 Bergreviere, 3 Berginspektionen, 3 Salzämter, 1
Bergschule, 3
Bergvorschulen),
einer Oberpostdirektion für den Reg.-Bez. Merseburg mit 2695,62 km oberirdischen
Telegraphenlinien (12 892,91 cm Leitungen, einschließlich 1424,49 km Stadtfernsprechanlagen) und 298 Verkehrsanstalten,
eines Eisenbahnbetriebsamtes (311,28 km Bahnlinien) der königlich preuß. Eisenbahndirektion
Erfurt;
[* 12] Reichsbankstelle, Handelskammer und Schiedsgericht für 8
Berufsgenossenschaften zur
Entscheidung von Unfallversicherungsangelegenheiten.
Unterrichts-undBildungswesen. Die Gründung der
Universität ist eine Folge der Rivalität zwischen Kursachsen undBrandenburg
und des Wunsches der Hohenzollern,
[* 13] neben Königsberg
[* 14] noch eine luth. Hochschule zu besitzen. Die nächste Veranlassung zu
der Gründung gab die Flucht des Rechtsgelehrten
ChristianThomasius (s. d.) aus
Leipzig,
[* 15] dem eine Menge von Studierenden folgte.
Er hielt im Winter 1690/91 in H. Vorlesungen und zwar in deutscher
Sprache.
[* 16] 1693 wurde die
Universität
eröffnet (kaiserl. Privilegium vom 19. Okt.) und mit der seit 1688 bestehenden Ritterakademie
vereinigt.
Spener (s. d.) und
VeitLudwig von
Seckendorf (s. d.), des
Thomasius Freunde, hatten großen Einfluß auf die
Berufung
der Professoren, und so wurde die neue
Universität nebst den gleichzeitig entstandenen Franckeschen
Stiftungen (s. d.) der
Hauptsitz des
Pietismus (s.
Pietisten).
Diese
Richtung blieb die herrschende, bis
Christian von
Wolf (s. d.) die Gemüter der Studierenden für mathem.-philos. Wissenschaften
zu gewinnen wußte, zuletzt mit seiner ganzen Schule das Feld behauptete und mittelbar einem Semler (s. d.)
den Weg bahnte, der eine gelehrte histor.-philos.-kritische Behandlung der gesamten
Theologie begründete. Ende
des 17. Jahrh, zählte die
Universität bereits 765, in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. 1500
Studenten und nahm seitdem im
prot.
Deutschland
[* 17] eine leitende
Stellung ein. Im Anfange des 19. Jahrh, zu bedeutender
Blüte
[* 18] gelangt, wurde die
Universität
zweimal bis und 19. Juli bis durch Napoleon aufgelöst.
Nach dem Frieden wurde sie wiederhergestellt und durch königl. Kabinettsorder vom mit
der
Universität zu Wittenberg
[* 19] vereinigt unter dem
NamenVereinigteFriedrichsuniversitätHalle-Wittenberg. Seitdem hob sich
die
Universität wieder rasch (1827: 1330 Studierende) und
ist nach einem kurzen Rückgänge seit 1880 wieder
im Aufblühen. Die Zahl der
Docenten betrug
(Sommer 1893) 125, der Hörer 1602. Zur
Universität gehören 13 Seminare für alle
Zweige der 4
Fakultäten, zahlreiche
Institute und Kliniken, ein archäol.
Museum, eine
Sternwarte,
[* 20] eine Entbindungsanstalt und eine
Bibliothek, 1696 gegründet (178000
Bände, 800 Handschriften), vereinigt
mit der von Ponickauschen
Bibliothek (12 700
Bände, 35000
Broschüren, 1040 Handschriften, meist Litteratur
über
Sachsen und
Thüringen) und verbunden mit einem Münzkabinett und einer Kupferstichsammlung. Das zur
Universität gehörige
landwirtschaftliche
Institut ist 1863, die agrikulturtechnische Versuchsstation 1865 gegründet. -
Minerva, Jahrbuch der gelehrten Welt
(Straßb. 1893).
Ferner bestehen eine lat. Hauptschule (Gymnasium), 1697 gegründet und 1808 mit dem luth. und
reform. Gymnasium vereinigt und mit einem
Alumnat für 250
Zöglinge verbunden (Rektor Dr.
Becher,
[* 22] 32
Lehrer, 19
Klassen, 662
Schüler),
ein städtisches Gymnasium, 1861 gegründet (Direktor Dr. Friedersdorff, 29
Lehrer, 17
Klassen mit 556
Schülern, 6 Vorklassen
mit 214
Schülern), ein Realgymnasium, 1835 eröffnet
(Inspektor Dr. Strien, 17
Lehrer, 9
Klassen, 334
Schüler), eine Oberrealschule
(Direktor Dr.
Thaer, 19
Lehrer, 17
Klassen, 480
Schüler), 2 höhere Mädchenschulen und ein Lehrerinnenseminar.
In H. erscheinen 4 polit.
Zeitungen, darunter die liberale «Saale-Zeitung», die konservative
«Hallesche
Zeitung» und das socialdemokratische «Volksblatt», und Zeitschriften
wissenschaftlichen
Inhalts, darunter die «Natur».
an-680 grenzenden Staaten (1889), der Gartenbauverein (1870), der Ornithologische
Centralverein für Sachsen und Thüringen, der Verein für Insektenkunde (1889), Journalleseverein der Halleschen Ärzte (1851),
Verein der praktischen Ärzte (1860), Verein für Volkswohl mit 9 Abteilungen, der Kunstgewerbeverein sowie mehrere Musikvereine
(Singakademie, Neue Singakademie u. a.). In der städtischen Sparkasse befanden sich (Ende 1892) auf 37 859 Büchern 17 Mill.
M., in der Sparkasse des Saalkreises auf 72 287 Scheinen 12,418 Mill. M.
Die Stadt hatte (Ende 1892) 21 Orts-, 12 Betriebs-, 2 Innungskranken- und 2 freie Hilfskassen mit 13 218, 1900, 456 und 869 Mitgliedern, 219 887,
43104, 1993 und 7706 M. Einnahmen, 221 223, 37 741, 2815 und 8101 M. Ausgaben und 201 928, 73985, 1480 und 11 245 M.
Gesamtvermögen.
Wohlthätigkeitsanstalten. Es bestehen das Hospital St. Cyriaki et Antonii (14. Jahrh.) zur
Ausnahme kranker und unvermögender alter Einwohner, die Diakonissenanstalt (1857 gegründet, 120 Betten, 81 Diakonissen, 52 Hilfsschwestern),
das Martinsstift für Sieche und Einsame (80 Insassen), das städtische Siechenhaus (1892 eröffnet),
ein Kinderasyl und ein Asyl für Obdachlose.
Außerdem besitzt die Stadt eine Reinigungsstation für Schmutzwässer (bis 3000 cbm täglich) und eine Anstalt zur Desinfektion
[* 37] von Kleidungsstücken bei ansteckenden Krankheiten, welche polizeilich vorgeschrieben ist.
Industrie. Der älteste Gewerbebetrieb ist die Salzgewinnung,
[* 38] die schon im 10. Jahrh, ein Lehn der Erzbischöfe
von Magdeburg
[* 39] war. Sie war seit alters her in den Händen der Pfännerschaft, neben deren Saline durch den Großen Kurfürsten
eine staatliche Saline entstand. LautVertrag mit der Regierung 1817 lieferte die Pfännerschaft jährlich 85 498 Ctr. Salz
[* 40] an den Staat; 1868 erwarb sie die königl. Saline, und 1876 bildete sich die Konsolidierte Hallesche Pfännerschaft,
die ihr Vermögen in 6000 Kuxe geteilt hat.
Die Saline liegt auf einer Insel der Saale westlich der Stadt, die Solquellen auf der «Halle» nahe der Marienkirche. Die Arbeiter
in den Salzwerken sind unter dem Namen der Halloren (s. d.) bekannt. Die Salzwerke lieferten (1890) 8534 t
Siedesalz. Sehr alt und noch jetzt bedeutend sind die Weizenstärkefabrikation (19 Fabriken lieferten 5000 t Stärke)
[* 41] in Verbindung
mit Schweinemästerei, die Brauerei (18 Brauereien verwendeten 1890: 3600 t Gerstenmalz, brauten 40 762 hl obergäriges und 173 821 hl
untergäriges Bier und zahlten 155 282 M. Brausteuer), die Branntweinbrennerei, die Zuckerindustrie in der
Stadt (Raffinerie und Zuckersiederei) und in der Umgebung.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. haben sich entwickelt vor allen die Eisengießerei,
[* 42] Maschinenindustrie und Kesselschmiede,
namentlich der Bau von Förder- und Wasserhaltungsmaschinen für Bergbaugewerke (die älteste Fabrik, Leutert
u. Co. in Giebichenstein, ist 1856 gegründet), von Apparaten für Zuckerfabriken u. s. w. (A.L. G. Dehne; Hallesche Maschinenfabrik
und Eisengießerei, Aktiengesellschaft; Wegelin u. Hübner; A. Wernike) und Brennereien und von Dampfkesseln (Victor
Lwowsky,
F. Schmidt, Seyffert, Melzer, Wuth H Dietrich), von landwirtschaftlichen Maschinen (F. Zimmermann u. Co.), von Dampfmaschinen
[* 43] (Weiseu. Monski), von Baukonstruktionen (Otto Neitsch u. a.), im ganzen 37 größere Maschinenfabriken, wozu noch eine große
Anzahl von andern Metallbearbeitungsanstalten kommen.
Außerdem besteht Fabrikation von Chemikalien, Malz, Wagen, Farbewaren, Cigarren, Cichorien, Kakao und Schokolade, Honigkuchen
und Zuckerwaren (Davidu. Söhne), Korbwaren, Düngemitteln, Soda, Ceresin und Schmieröl, Seifen, Parfümerien, Damenmänteln,
künstlichen Blumen, Leder, Handschuhen, Papier (Cröllwitzer Papierfabrik) und Luffawaren, ferner Holzschneidereien, Tischlereien,
Wagenbauereien und bedeutende Mühlen
[* 44] in der Umgebung (in Böllberg, Döllnitz u. a.). Die
zahlreichen Braunkohlengruben in der Nähe haben eine großartige Industrie hervorgerufen.
Die A. Riebeckschen Montanwerke förderten (1890) aus 16 Kohlengruben etwa 24 Mill. hl Kohlen, aus welchen 200000
t Briquetts, 3,6 Mill. Naßpreßsteine und in 592 Schwelöfen 25000 t Teer gewonnen wurden, aus letzterm wieder 1902 t Solaröl, 875 t
helle, 10 190 t dunkle Öle
[* 45] und 3379 t Paraffin;
[* 46] die Sächsisch-ThüringischeAktiengesellschaft (1855 gegründet) förderte
5,5 Mill. hl Kohle und erzeugte in 6 Schwelereien mit 171 Chamottecylindern 7500 t Teer; die Zeitzer Paraffin-
und Solarölfabrik zu H. (1884 gegründet) erzeugte 5150 t Teer.
Handel. Der Handel ist gleich der Industrie sehr bedeutend und in lebhaftem Aufschwung begriffen. Hervorragend ist der Handel
mit Zucker,
[* 47] Getreide
[* 48] und Mühlenprodukten, der durch die Gründung der Halleschen Getreide- und Produktenbörse 1865 in der
Stadt konzentriert wurde und sich durch die Umwandlung derselben 1888 in die «Börse zu Halle a. S.» noch
mehr gehoben hat. Aufsichtsorgan der letztern ist die Handelskammer (1845 gegründet). Die Reichsbankstelle hatte (1892)
einen Umsatz von 1098 Mill. M.
Textfigur: Der Schiffsverkehr auf der Saale war schon im Mittelalter sehr bedeutend und erstreckte sich auf Salz, Getreide,
Holz, Steine, Kupferschiefer aus dem Mansfeldischen und Kohle. Besonders hob er sich nach dem Dreißigjährigen
Kriege durch den vom Großen Kurfürsten befohlenen Umbau der hölzernen Schleusen in steinerne, welcher 1698 beendet war.
Durch Regulierung in der Mitte des 19. Jahrh, ist die Saale bis H. für Kähne bis zu 300 t Ladegewicht fahrbar gemacht
und durch die Einführung der Kettenschleppschiffahrt 1884 ein regelmäßiger Verkehr hergestellt worden. Im J. 1889 wurden 1858 Frachtschiffe
mit einer Ladung von 113 956 t befördert. Durch die erste Saalschleuse bei Calbe gingen:
Eine erhebliche Förderung wird der Schiffs- und Umschlagsverkehr durch die in Angriff¶
mehr
genom-681 mene Verbindungsbahn (6 Km) zwischen dem Sophienhafen im W. der Stadt und dem Centralbahnhof erhalten.
Eisenbahnen. H. liegt an den Linien H.-Soran-Guben, H.-Bebra (210,2 km, Thüringer Eisenbahn), H.-Berlin (167,7 Km, Berlin-Anhalter
Eisenbahn), H.-Nordhausen-Cassel (217,6 km), Magdeburg-H.- Leipzig (119,1 km), H.-Vienenburg (126,9 km) der Preuß. Staatsbahnen,
[* 50] welche sämtlich in den großartigen eröffneten Centralbahnhof (Baukosten 11 Mill. M.) einmünden.
Die Zahl der täglich auf demselben ankommenden Züge beträgt etwa 300, darunter 54 Schnell- und 120 Personenzüge. 1892 wurden
in H. 1 230 404 Fahrkarten ausgegeben. Der Güterverkehr bezifferte sich in Tonnen folgendermaßen:
Der Viehverkehr wies im Versande 75 003 Stück nach.
Geplant ist, als Fortsetzung der erwähnten Hafenbahn, eine normalspurige Kleinbahn (44 km) über Nietleben (Braunkohlenwerke,
Ziegeleien, Cementfabrik), Dölau (Thonerde- und Porzellanwerke), Lieskau (Kalkwerke), Schwittersdorf und Helmsdorf
(Zuckerfabriken), Gerbstedt nach Hettstedt zur Aufschließung des landwirtschaftlich und industriell hochentwickelten Mansfelder
Seekreises.
Die Hallesche Straßenbahn (seit mit 57 Beamten, 26 Wagen und 104 Pferden führt vom Bahnhof über den Markt und
über die Poststraße nach Giebichenstein (6 km) und beförderte (1892) 2 128 902 Personen; die Stadtbahn
(seit 1889) mit elektrischem Betriebe (8,4 km) und 85 Beamten und 28 Motorwagen führt im O. der Stadt von S. nach N. (Giebichenstein
und Trotha) und in einzelnen Linien quer durch die Stadt; sie beförderte 1 942 165 Personen.
H. hat je zwei Postämter erster Klasse und Stadtpostanstalten mit Telegraphenbetrieb, ein Telegraphenamt
erster Klasse und ein Bahnpostamt; die Fernsprecheinrichtung (110,9 km Linien mit 908,6 km Leitungen) hatte (Ende 1891) 604 Teilnehmer
mit 641 End-und Zwischen-Fernsprechstellen. 1891 gingen ein (wurden aufgegeben) 9 028 942 (11 679 538) Briefe, Postkarten,
Drucksachen und Warenproben, 566 980 (470 669) Pakete ohne, 78 475 (57 807) Briefe und Pakete mit Wertangabe, 51 805 Postnachnahmesendungen
und 21 418 Postauftragsbriefe. Der Wert der ausgezahlten Postanweisungen betrug 33,378 Mill. M., der eingezahlten 22,165
Mill. M. Der Telegrammverkehr betrug 282 218 Stück, darunter 143 264 aufgegebene.
Umgebung. Südwestlich von H. die zum Teil bewaldete Rabeninsel, westlich unmittelbar an der Saale ausgedehnte
Wiesenflächen, das Stadtgut Gimritz auf der Peißnitz mit Parkanlagen, der Weinberg, die Bergschenke und das Dorf Cröllwitz,
im N. der Stadt das benachbarte Giebichenstein (s. d.) mit Ruinen und schönen
Felspartien am Ufer der Saale.
Geschichte. H. wird zuerst 806 als Burg Halla erwähnt, die damals als deutsche Grenzfestung gegen die
Slawen unter Karl d. Gr. angelegt worden war. KaiserOtto I. schenkte die Landschaften an der Saale mit Giebichenstein und den
Salzwerken 965 dem neuen Moritzkloster, und
seitdem ist das polit. Schicksal von H. mit dem des Erzbistums Magdeburg eng verbunden.
Als Stadt wird H. im J. 1064 zum erstenmal urkundlich erwähnt. Wahrscheinlich entstand schon damals
neben der befestigten Altstadt im Thale eine Oberstadt auf dem Berge (Bergstadt oder Berg genannt). 1116 gründete der Erzbischof
Adalgoz das große Augustinerkloster Neuwert. 1180-84 wurde das Moritz-, 1231 das Cisterciensernonnenkloster (in Glaucha)
und später noch mehrere andere gegründet.
Mit Anfang des 12. Jahrh. beginnt die Handelsblüte der Stadt, die dann
im 13. und 14. Jahrh, als Mitglied der Hansa ihren Territorialherren, den Erzbischöfen von Magdeburg, gegenüber sich fast
unabhängig stellte. Erbitterte Kämpfe zwischen der zünftigen Demokratie und dem Patriciat der Pfänner brachten es dann
dahin, daß Erzbischof Ernst 1478 die Stadt unterwerfen konnte. Die Reformation fand in H. schon seit 1522 Eingang,
siegte aber erst 1541. Im Dreißigjährigen Kriege wurde der Wohlstand der Stadt auf lange Zeit gänzlich zerrüttet.
Durch den Westfälischen Friedensschluß kam sie mit dem Erzstift an das Haus Brandenburg, in dessen Gebiet sie 1680 einverleibt
wurde. Im franz. Kriege wurde sie mit Sturm genommen, hierauf zum Königreich Westfalen
[* 51] geschlagen
und erst nach der Auflösung desselben 1813 wieder mit Preußen
[* 52] vereinigt. 1809 wurde ein Solbad an der Saale gegründet, welches
später wieder einging und 1846 durch Bad
[* 53] Wittekind ersetzt wurde. 1817 wurden die Städte Neumarkt und
Glaucha mit H. vereinigt und seit der Mitte des Jahrhunderts hat die schnelle Entwicklung von H. zur Großstadt begonnen,
namentlich durch den Bau der Eisenbahnen, deren erste (Magdeburg-Leipzig) 1840 erbaut wurde.
Litteratur. Dreyhaupt, Ausführliche Beschreibung des Saalkreises (2 Bde., Halle 1749-55; im Auszuge von Stiebritz, 2 Bde.,
ebd. 1771-73; fortgesetzt von Eckstein u. d. T.: Chronik der Stadt H./ebd. 1842-44);
und in der Umgebung große Kalkbrennereien und Ziegelei. Der Ort erhielt 1719 Stadtrechte. Halle, Stadt in Belgien,
[* 60] s. Hal. Halls
(fpr. alleh), Charles, Dirigent und Pianist, eigentlich Karl H alle,geb. zu Hagen in Westfalen, war Schüler Rinks
in Darmftadt und ging 1886 nach Paris,
[* 61] wo er 1846 mit Alard und Franchomme Kammermusik-Soireen einrichtete,
die bald zu hohem Ansehen gelangten. Hallein ging 1848 nach London
[* 62] und übernahm 1850 die Direktion der (F6iiU^ni6n'8 lÜ0nc6it3
zu Manchester,
[* 63] mit deren Orchester er bis heute in verschiedenen engl. Städten treffliche Aufführungen veranstaltet. Auch
als Pianist ist Hallein bis in die neueste Zeit öffentlich thätig geblieben; in den letzten Jahren in der
Regel ge- meinsam mit der Geigerin Frau Norman-Neruda, die 1888 H.s Gattin wurde. Von H.s Kompositio- nen ist wenig veröffentlicht.
Halle-Cafseler Eisenbahn (223,54 Km), von Halle a. S. über Nordhausen
[* 64] nach Hannoverfch-Mün- den mit Zweigbahn Nordhausen-Nüxei
(Teilstrecke der Bahn Nordhausen-Northeim), ehemalige, der Magdeburg-Cöthen-Halle-Leipziger Eisenbahn-Ge-
sellschaft 1863 bez. 1869 genehmigte Privatbahn, wurde 1876 vom preusi.
Staate erworben; die Hauptlinie untersteht der kö'nigl. Eisenbahndirektion zn Frankfurt
[* 65] a. M., die Zweigbahn nach Nüxei mit
ihrer Fortfetzung nach Northcim der zu Hannover.
[* 66] (S. auch Preußische Eisenbahnen.) Halleck,Fitz-Greene, amerik. Dichter,
geb. zu Guilford (Staat Connecticut), trat 1811 als Commis in ein Neuyorker Bankhaus ein, war
von 1832 bis 1849 im Gefchäft des Joh. Jak. Astor thätig und zog sich, als er nach dessen Tode eine Jahresrente von 200 Doll.
erhalten hatte, nach seinem Geburtsorte zurück, wo er starb. 1818 erschienen in der «^6^
^or1 Uvsmn^ Io3t» die von ihm und Nooman Drake gemeinsam verfaßten «Oi'oaksrl'HpOi'»" und 1819 veröffentlichte
er sein längstes Gedicht die Moden, Narrheiten und Tagesberühmtheiten, die großen Erfolg hatte. 1825 erfchien das herrliche
Griechenlied «Narco Lo^arig» und 1827 «^w^viek
(a8ti6 Huä l)t!i6i- P06M8»; aber feit jener Zeit fchricb er nur wenig, wie das Gedicht
«^ounecti^nt» und «^ouu^inLi'ica»
(1864, fein letztes Gedicht). Seine poet. Werke erschienen zuerst 1847, zuletzt 1869 («I^oe- tical ^i'itiuFL») hg. von James
Grant Wilson. Die mit Drake gemeinsam verfaßten Gedichte wurden u. d. T. «^tis
^i-oakoi-Z» 1860 vom Vradford-Club herausgegeben. -
Vgl. Wilson, ^N6 lit" anäleUßi" c)f1^t^-^i'66U6
Hallein (Neuyork
[* 67] 1869) und den Artikel von BayardTaylor in der «Mnii ^Iii»iic^n Ro- vis^v", 1877. Halleck, Henry Wager,
amerik.
General, geb. zu Westcrnville sNcuyort), befuchte die Militärakademie zu Westpoint
und wurde 1839 HilfsProfessor daselbst. Während des mexik. Krieges wurde er 1847 Kapitän und fungierte dann
bis 1849 als Staatssekretär von Kalifornien. Nachdem er 1854 feine Entlassung genommen hatte, ließ er sich in San Francisco
als Advokat, Gefchäftsagent und Bergwerksdirektor nieder. BeimAusbruch des Bürgerkrieges erhielt er als Generalmajor an Frc-
monts Stelle den Befehl in Misfouri, dann wurden ihm alle Truppen an: Mississippi unterstellt,
wo er über eine Armee von etwa 100000 Mann gebot; doch wußte er seine Überlegenheit wegen seiner allzu großen Vorsicht
nicht zu benutzen. Nach kurzer, von ihm persönlich geleiteter
Ve- lagerung von Corinth zwang er die Konföderierten30. Mai, den
Ort aufzugeben. Er nahm 15. Juni die Stadt Chattanooga und wurde 11. Juli zum Oberbefehlshaber sämtlicher
Streitkräfte ernannt, zerfplitterte jedoch feine Heeresmacht und störte den Verlauf der Operationen durch beständige Eingriffe
in die von den Generalen getroffenen Anordnungen, fodaß dem General Grant der Ober- befehl übertragen wurde, wogegen
an die spitze des militär. Stabes des Präsidenten Lincoln trat und im April 1865 zum Chef des Militärbezirks
von Nichmond ernannt wurde. Im Aug. 1865 übernahm er den Militärbezirk des Stillen Oceans in San Francisco und im März 1869 den
des Südens in Louisville, wo er starb. Hallein schrieb «Ni6M6nt8
ol militar^ ai-t a.nä ä^ience» (Neuyork 1846; 2. vermehrte Aufl.
1861),
«Intei-- national 1a^» (San Francisco 1861; 2. Aufl., hg. vonBaker, Lond. 1878),
«I^iks ot' Xapoleoii I.» (eine Übersetzung
von Iominis «Vis Politikus et iniiitaii-6 äo ^».poikon 1^", 4 Bde.,
Neuyort 186!; neue Aufl. 1885),
«UloinentL ol international Ilnv anä Ilnvs ol ^ai'»
(Philad. 1866).
Häfleflinta (fchwed., «Felsenfcuerstem»),
dichtes, anscheinend homogenes, aber unter dem Mikroskop
[* 68] feintrystallinifchcs
Gestein von felsitartigem Aus- sehen, das, aus innig miteinander verwachsenen mikroskopisch kleinen Feldspat- und Quarzkörnchen,
zum Teil auch feinen Glimmer- und Chloritschüpp- chen besteht. Nur hier und da wird die Hallein durch größere hervortretende
Krystalle porphyrartig. Die Hallein wird meist als ein Gneisgestein, dessen Gemcng- teile
äußerst feinkörnig sind, betrachtet. IhreFarben sind sehr verschieden und wechseln oft in bandartiger Streifung miteinander
ab. Die Analysen ergeben einen hohen Kieselsäuregehalt von 75 bis 80, einen Alkaliengehalt von 5 bis 8 Proz.
mit bisweilen vorherrfchendem Natron, was auf eine Beteiligung von albitartigem Feldspat schließen läßt.
In den Gneisgebieten namentlich Schwedens (Gegend von Dannemora und Npsala in Upland, in Westman- land und Dalarne) spielen die
oft mächtigen Ein- lagerungen von Hallein eine große^ Rolle, ebenfo im Gneis des Eulengebirges in Schlesien.
[* 69] Anderer- feits werden
aber auch mit dein Namen Hallein in der fchwed. Provinz Smaland Gesteine
[* 70] bezeichnet, die auf Grund ihrer Lagerungsverhä'ltnisfe
und mikro- fkopifchen Struktur als zu den eruptiven Quarz- porphyren gehörig gelten muffen.
Hallein, Stadt in der österr. Vezirkshauptmann- fchaft Salzburg
[* 71] in Salzburg, links der Salzach, in 443 m Höhe, am Fuße des
falzreichcn Dürnbergs (s. d.) an der bayr.
Grenze und an der Linie Salz- burg-Wörgl der Qstcrr. Staatsbahnen, Sitz eines Bezirksgerichts (131,73 schaften, 10432 deutsche
kath. E.)und einer Salinen- verwaltung, hat (1890) 3945 E., ein Solbad, eine Cigarren-, eine
Cement-, eine großeHolzwarcnfabrik, eine Holzfchnitzfchule und berühmte Salzsiedereien (405 Arbeiter), welche (1891) 19386 t
Sudsalz und 300 t Industriefalz im Werte von 1855393 Fl. er- zeugten. Die Sole wird in großen Röhren
[* 72] vom
Dürn- berg hergeleitet. Hallein entstand bereits im 10. Jahrh.; lebhafter wurde
der Bergbau
[* 73] erst 1123, als es dem Salzburger Domkapitel gefchenkt wurde. Am hatten die Tiroler unter Haspinger Gefechte
mit den Franzosen unter Lefebvre bei und dem in der Nähe gelegenen Dorfe Oberalm (1098 E.),
¶
forlaufend
683
das Glashütte, chem. Produktenfabrik und große! Marmorwarenfabrik besitzt. Bei 5. liegt Adnet
(1295 E.) mit großen Marmorbrüchen. Halleluja (d. h. Lobet Iahwe!), ein in die Bibel- übersetzungen übernommener feierlicher
Ausruf der hevr. Poesie. Sein Gebrauch ging aus dem jüd. Gottesdienste in den christlichen über. In der
morgen- land. Kirche sang man das Haller zu allen Zeiteil, die abendländische ließ es schon im 5. Jahrh,
in der Fastenzeit weg und stimmte es erst Ostern zum Zei- chen der Freude wieder an. Die Juden nennen die Psalmen 113 bis 118 das
große Haller, weil bier be- sondere Wohlthaten Gottes gegen das jüd. Volk ge- priesen werden, und singen
diesen Lobgesang beson- ders am Passah- und Laubhüttenfeste.
Hallölt, Andreas, schwed. Komponist, geb. zu Göteborg,
[* 75] studierte in Leipzig, München
[* 76] und Dresden,
[* 77] dirigierte seit 1872 mit
geringen Unterbrechungen die Musikvereinskonzerte in Göteborg und lebt seit 1884 in Stockholm
[* 78] als Dirigent der Philharmonischen
Gesellschaft, seit 1892 als Kapellmeister der königl. Oper. H.s Kom- positionen - eine Oper «Harald der Wiking» (1881), die
Orchester-Chorwerke «Vom Pagen und der Königstochter», «Traumkönig und sein Lieb»,
«Vi- neta»; nordische Rhapsodien und sinfonische Dich- tungen sür Orchester,
schwed. und deutsche Lieder, eine Violinromanze, «Das
Llhrenfeld» für Frauen- chor und Klavieru. s. w. - haben bis jetzt wenig Verbreitung gefunden. Sie machen
sich durch das Streben nach besondern Klangwirkungen bemerkbar. Hallenberg, Stadt im KreisBrilon des preuß. Neg.-Vez. Arnsberg,
[* 79] 35 km
im SSO. von Olsberg, in 425 m .höhe, an der Nuhne, hat (1890) 1085 E., darunter 28 Evangelische und 34 Israeliten,
Post, Telegraph, reichhaltige Schieferlager und vorzüg- liche Pflastersteinbrüche.
Westlich davon der veide- lops (698 m). Hallenkirche, eine Kirche, bei der die Neben- schiffe des Langhauses gleiche oder
doch annähernd gleiche Höhe erhielten wie das Mittelschiff, sodaß ein Dach
[* 80] das ganze Langhaus überdeckt. Die Haller gehören
in erster Linie Deutschland an, erscheinen in Westfalen schon im roman. Stil. Die Elisabeth- tirche zu
Marburg
[* 81] in Hessen
[* 82] (1235) ist die erste K. mit got. Anlage. In der spätern Zeit herrschen dieß. vor. Haller, Albr. von, Anatom,
Physiolog, Bota- niker, Arzt und Dichter, geb. zu Bern,
[* 83] aus einer schweiz.
Patricierfamilie stammend, ver- lebte einen großen Teil der Jugend auf dem fchönen einsamen Hasligute, wo sich seine Naturandacht
berausbildete, und bezog 1721 das Gymnasium zu Bern.
Seit 1723 studierte er in Tübingen
[* 84] Medizin.
Voerhaaves Ruf zog ihn 1725 nach Leiden,
[* 85] wo er 1727 die Doktorwürde erwarb. Nach einer wissen- schaftlichen
Reise durch England und Frankreich studierte er in Basel
[* 86] unter Bernoulli die höhere Mathematik. (Vgl. Albrecht H.s Tagebücher seiuer
Reisen nach Deutschland, Holland und England 1723 - 27, hg. vonL. Hirzel, Lpz. 1883.) Aus einem Ausflug in die Alpen,
[* 87] den er
mit feinem Freunde Joh. Gehner 1728 unternahm, legte er den Grund zu seinem großen botan. Werke und zu
seinem Lehrgedicht «Die Alpen». 1729 ließ er sich in Bern
als Arzt nieder, aber erst 1734 er- laubte man ihm, der durch satir.
Dichtungen Anstoß erregt hatte, anatom. Vorlesungen an dem neu- gegründeten anatom.
Theater
[* 88] zu halten. 1735 wurde er Stadtarzt und Stadtbibliothekar. Auch bereiste er jährlich die
Alpen und sammelte zu seiner «Nnuineratio ätirpiuin llslvsticaruin »,
die erst in Göttingen
[* 89] 1742 erschien. Sein «Versuch schweiz.
Gedichte» (Bern
1732 u. ö.; neu hg. von Frey in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur») erregte trotz mancher Anfechtungen Aufsehen,
besonders da Vodmer sich dafür erklärte. Im 1.1736 wurde als Professor der Medi.nn, Anatomie, Botanik
und (Chirurgie an die neuerrich- tete Universität zu Göttingen berufen, wo er 1738 ein anatom. Theater und 1739 einen botan.
Garten
[* 90] anlegte, auch ein anatom. Kabinett errichtete und 1750 eine Entbindungsanstalt gründete. In dem- selben Jahre arbeitete
er den Plan zur königl. So- cietät der Wissenschaften aus, die er nach vollstän-
diger Genehmigung des Planes als deren immer- wahrender Präsident 1751 eröffnete. In dieser Zeit wurde er von KaiserFranz 1. in
den Adel- stand erhoben, nach Utrecht,
[* 91] Oxford,
[* 92] Berlin,
[* 93] halle und Petersburg
[* 94] berufen, vom König von Eng- land zum Staatsrat
und Leibarzt ernannt und 1745 von seiner Vaterstadt als Mitglied in den GroßenRat aufgenommen. Diese Auszeichnung veranlaßte
ihn, 1753 seine Amter, mit Ausnahme der Präsidentschaft der königl. Societät, niederzu- legen und sich nach Bern
zurückzuziehen,
wo er zum Rathaus-Ammann erwählt wurde. Er nahm teil an den Staatsgeschäften, indem er die Einrichtung
dcr Salzwerke zu Ber und Aigle, die Anstalten der Akademie zu Laufanne und die mediz. Polizei ver- besserte, den Ackerbau beförderte,
das Waisenhaus zu Bern
begründete, die Grenzstreitigkeitcn zwischen Bern
und Wallis
schlichtete u. s. w.
Von seiner, wissenschaftlichen Arbeiten in dieser Zeit sind seine epochemachenden Beobachtungen über die Entwick-
lung des tierischen Keims im Ei,
[* 95] über das Wachs- tum der Knochen,
[* 96] besonders seine «N1»in6ntli pk)'- ssiolo^iiik coi-poi'iä
nuuiani" (8 Bde., Lausanne
[* 97] 1757 - 66),
und von seinen belletristischen Pro- duktionen seine drei lehrhaft polit. Romane «Usong»
(Bern
1771 u. ö.),
«Alfred» (ebd. 1773) und «Fa- bius und Cato» (Gott. und Bern
1774) über die despotische, monarchische
und republikanisch-aristo- kratische Rcgierungsform zu erwähnen. Außerdem erschienen von ihm mehrere Werke, zu denen er
seit langer Zeit gesammelt hatte, die «LidliotQecll. do- t^nica» (2 Bde.,
Zür. 1771-72),
«Lidliotukc^ aniitoiniciv) (2 Bde.,
ebd. 1774-77), »Vidliotuec^ cIiii'ui'FicI." (2 Bde., Bern
1774-75) und der
An- fang der «Lid1i0tn6cain6äicinll6pi'3ctic3.6)) (4 Bde.,
Bas. 1776-87). Von den gegen 1200 Recensionen, die er für die »Göttinger Gelehrten Anzeigen» schrieb, wurden die wichtigern
mitgeteilt in «Sammlung kleiner K.scher Schriften» (2. Aufl., 3 Bde.,
Bern
1772). Seit 1773 fortwährend kränklich und schwer- mütig, starb er Die Medizin und die
Naturwissenschaft verdanken Haller sehr viel, namentlich aber sind es die Botanil und die Physiologie in ihrem ganzen Umfange,
welche er mit rastlosem Eifer durchforschte. In der Physiologie machte er Epoche durch seine Lehre
[* 98] von der Irritabilität. Außer
den bereits ange- führten sind von feinen größern Werken noch zu erwähnen: «Iconen anatomicas» (Gott.
1743), «?riina6 lineae pIi^ioloAi'aö» (2. Aufl., ebd.
1780), «D6 snnctioinIinZ coipoi'iZ I^uinkni pi'a^ciMHvuin pln-tiuin» (4 Bde.,
Bern
1777-78). Als Dichter war Haller durch seine edle pathetische Sprache, die Größe seiner poet. Anschauungen und den heil.
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forlaufend
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Ernst, der ihn beseelte, geradezu ein Vorläufer Klop- stocks; zu dem hohen Aufschwünge, den die deutfche Poesie in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrh, nahm, hat er bedeutend beigetragen; noch Schiller verrät seinen Einfluß. Seine reflektierenden Poesien
stehen dicrch Klarheit und Tiefe der Gedanken wohl am höchsten; sein berühmtestes Gedicht, «Die
Alpen», das in fast Rousseauscher Weise die grandiose Schön- heit des Hochgebirges und die unschuldige Sitten- einsalt seiner
Bewohner schildert, leidet für uns doch unter dem Übermaß des beschreibenden Ele- ments.
H.s Sprache zeigt härten, Überladungen und schweiz. Idiotismen, ringt sich aber doch aus
dem Schwulst früherer Zeit zu knapper, feierlicher Gedrungenheit durch, dank der unermüdlichen Feile,
[* 100] dieH. übte. H.s «Gedichte», die zuerst ohne seinen Namen erschienen (kritische Ausgabe mit umfasfen- der BiographievonL.
Hirzel, Frauenscld 1882), wurden in fast alle neuern Sprachen übersetzt. ^
Vgl. Zimmermann, Das Leben des von Hallier (Zür. 1755);
Haller, Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller und über sich selbst (2 Bde.,
Bern
1787); A. Frey, A. von und seine Bedeutung sür die deutscheLitteratur(Lpz. 1879);
E.Vodemann, Von und über A. von Hallier (uugedruckte
Briefe uud Gedichte, Hannov. 1885);
Vgl. Pestalozzi, Vertold Hallier («Leben und ausgewählte
Schriften der Väter und Begründer der reform. Kirche», 9. Bd., 2. Hälfte, Elberf.
1861).
Hallermund (Hallermündel, frühere kleine Reichsgrafschaft im hannov. Fürstentum Calenberg, kam 119 l, nach dem Erlöschen
der Grafen von Hallier im Mannsstamm, an die Grafen von Käfernburg, nach deren Aussterben 1436 an Vrauufchweig, end- lich 1707 an
die Grafen Platen. Hallersches Sauer, Hallcrsche Säure (^lixtura Luit'liricü, aciäa,), ist uach dem
DeutschenArzneibuch ein Gemisch von 1 Teil Schwefelsäure
[* 105] und 3 TeilenWeingeist. Es wird, mit Wasser ver- dünnt, innerlich
bei Blutungen, Kongestionen, Herz- klopfen, auch als Einreibung bei Hautjucken benutzt.
Halley (spr. halle), Edmund, Mathematiker und
Astronom, geb. zu
Haggerston bei London (jetzt ein TeilLondons), widmete sich an- fangs der Litteratur und den Sprachen, nachher der
Mathematik und Astronomie.
[* 109] Bereits in seinem 17. Jahre bezog er die Universität Oxford; 19 I. alt, veröffentlichte er eine
Abhandlung aus der Planetcntheorie. 1676 schickte ihn die engl. Regie- rung nach St. Helena,
um die Örter der Sterne des südl. Himmels zu bestimmen. Nach seiner Rückkehr nahm ihn die Königliche
[* 110] Gesellschaft zu London als Mitglied auf. Im Auftrag derselben ging er nach Danzig,
[* 111] um den zwischen Hooke und Hevelius ent- standenen
wissenschaftlichen Streit über den Ge- branch der Fernrohre an Meßinstrumenten auszu- gleichen, und später nach Frankreich
und Italien.
[* 112]
Auf diefer Reife entdeckte er den uach ihm benann- ten großen periodifchen Kometen.
[* 113] Von 1698 bis 1700 machte
er als Kapitän Reisen an der engl. Küste und im Atlantischen Meere bis zu 52° südl. Vr., um die Abweichungen der Magnetnadel
zu bestimmen, und verfertigte eine Karte von den Küsten des Kanals. 1703 wnrde er Professor der Geometrie zu Oxford und 1720 königl.
Astronom zu Greenwich. Hier bearbeitete er die Theorie des Mondes, um sie bis zur Anwendung auf Längen- bestimmungen zur
(^ee zu vervollkommnen. Auch machte er auf den 1761 bevorstehenden Vorüber- gang der Venusvor der ^onne aufmerksam und lehrte
aus dessen Beobachtung an verschiedenen Orten der Erde die Parallaxe
[* 114] der Sonne
[* 115] bestim- men. Er starb Sein
Hauptwerk sind die «^Ixil^u 3,8tr0Q0micii6», die erst nach sei- nem Tode (Lond. 1749) erschienen und später in franz. Übersetzung
(1. Tl. von Chappe d'Auteroche, Par. 1754; 2. Tl. vonLalande, 1759) herausgegeben wurden; außerdem veröffentlichte er «OawloFUZ
8t6i1aruin ansti-aimin» (Lond. 1679). Hallier berechnete nach
Newtons
[* 116] Vorfchriften die Bahnen von 24 Ko- meten, die von 1337 bis 1698 genau beobachtet worden waren.
Dies führte ihn auch zu der Ent- deckung, daß der Komet von 1682 bereits 1456, 1531 und 1607 erschienen war, woraus er auf
feine Wiederkehr nach je 76 Jahren fchloh. Auf das Vor- handenfein vonEigenbcwegungen bei den Fixsternen
wies er schon 1718 hin. Halleyfche Periode, s. Chaldäifche Periode. Hallier, Ernst, Botaniker und Philofoph, geb. zu
Hamburg,
[* 117] trat 1848 als Gärtner in dem BotanischenGarten zu Jena
[* 118] in die Lehre, arbei- tete dann als Gehilfe in verschiedenen Gärtnereien
und widmete sich feit 1854 zu Berlin, Jena und Göt- tingen den Naturwissenschaften und der Philofophie. 1860 habilitierte
er sich zu Jena und wurde 1864 außerord. Professor. Hallier schrieb: «Pharmaceutische Naturgefchichte und Warenkunde» (Mainz
[* 119] 1865),
«Die pflanzlichen Parasiten des menschlichen Kör- pers» (Lpz. 1866),
«Gärungserscheinungen» (ebd. 1867),
«Das Cholcrakontagium»
(ebd. 1868),
«Phyto- pathologie» (ebd. 1868) u. s. w. Ferner besorgte Hallier ! die
Umarbeitung von Kochs «Taschenbuch der deut- ! schen und schweiz. Flora» (ebd. 1878) und die Neube- ! arbeitung der «Flora von
Deutschland» von Schlech- l tendal, Langethal und Schenk (5. Aufl., 30 Bde.,
z Gera
[* 120] 1880-88). Seit 1883 hat sich Hallier fast ganz auf die Philosophie beschränkt. Seine Hauptwerte darüber
sind: «Die Weltanschauung des Natur- forschers» (Jena 1875),