seiner Kunst gewinnen, als man sie von irgend einem der andern griech.
Maler hat. (Vgl. Robert, Die Nekyia des Polygnot,
Halle
[* 2] 1892.) Er stellte die
[* 1]
Figuren reihenweise übereinander und verstand es, durch geschickte
Anordnung und indem er die einzelnen
Gruppen in strenge Entsprechung zueinander setzte, die
Masse des
Stoffes zusammenzuhalten. Sein Versuch,
das Landschaftliche im
Bilde mit darzustellen, kann wohl nur auf eine zeichnerische Andeutung beschränkt gewesen sein, wie
denn überhaupt eine eigentlich malerische Wirkung von ihm ebensowenig erreicht sein wird, wie etwa von
Giotto, den man passend
mit Polygnot verglichen hat.
In der stilistischen Darstellungsweise scheint er bei einer noch altertümlichen Formenbehandlung denselben
herben und strengen
Naturalismus vertreten zu haben, der gleichzeitig in der Plastik vorherrschte. Aber alles Einzelne trat
zurück gegen den Gesamteindruck seiner
Kompositionen, der so erhaben war, daß ihren Anblick vor allem
Aristoteles der heranwachsenden
Jugend gewünscht hat. Polygnot war hauptsächlich in
Athen
[* 3] thätig. Hier hatte er in Mikon und Panänus
Genossen, die gemeinsam die
Schlacht von
Marathon malten. Aus der Perikleischen Zeit werden Pauson, der sich in einer rücksichtslosen
Wiedergabe des Wirklichen, selbst des Häßlichen gefiel, und Agatharchos genannt.
Dem 5. Jahrh.
v. Chr. gehört auch noch
Apollodorus an, den
Plinius als den ersten bedeutendenMaler ausführt.
Sein Verdienst scheint in der
Begründung einer eigentlich malerischen Kunstrichtung im Gegensatz zu der namentlich durch
Polygnot vertretenen mehr zeichnerischen bestanden zu haben. An die
Stelle des Wandgemäldes tritt nun das
Tafelbild, bei dem
alles auf die Feinheit der Einzelausführung ankommt. An ihn schließen sich die großen
Meister des 4. Jahrh.
v. Chr. an, Zeuxis von Heraklea, Parrhasius von Ephesus,
Timanthes, Pamphilus, Pausias,
Nikias, Euphranor, über deren Kunst
aus den erhaltenen Nachrichten wenig zu entnehmen ist.
Nur von
Timanthes läßt sich eine bestimmte
Vorstellung aus einem pompejanischen Wandbilde gewinnen, welches die Opferung
der
Iphigenia darstellt und wahrscheinlich dem berühmten Iphigenienbilde des
Timanthes nachgebildet ist.
Luft und Landschaft sind in sehr hellen
Tönen gemalt, sodaß sich die
[* 1]
Figuren scharf abheben. Bei diesen fällt die flächenhafte
Behandlung auf. Die Schatten
[* 4] sind mit dunkelbrauner, die Lichter mit weißlichgelber
Farbe aufgesetzt und die Einzelheiten,
wie Gewandfalten,
Haar,
[* 5]
Augenu. dgl. mit spitzem Pinsel in Strichmanier ausgeführt,
ohne daß die einzelnen
Farbentöne ineinander vertrieben wären.
Eine ähnliche
Technik zeigen polychrome
Vasen
[* 6] des 4. Jahrh.
v. Chr.; sie scheint also wirklich dieser Zeit eigentümlich gewesen
zu sein. Ein weiteres Hilfsmittel, um von der Malerei eine
Vorstellung zu gewinnen, bieten die erhaltenen Marmorskulpturen,
vor allem der sog. Alexandersarkophag von Sidon in seinem leuchtenden, wohlerhaltenen
Farbenschmuck, und die bemalten
Terrakotten.
[* 7] Von Zeuxis wird berichtet, daß er auch in
Thon gebildet habe, und von manchen
der gefundenen anmutigen Tanagrafiguren (s.
Tanagra) möchte man geradezu annehmen, daß sie aus der
Hand
[* 8] eines solchen
Meisters
hervorgegangen sind. Es treten im 4. Jahrh.v. Chr. zwei Malerschulen hervor, die eine ist die sikyonische,
an deren
Spitze Eupompos stand und zu der die erwähnten
Maler Pamphilus und Pausias gehörten,
die andere die thebanisch-attische,
die in Nikomachus,
Aristides, Euphranor und
Nikias ihre bedeutendsten
Vertreter hat.
Die Bestrebungen waren im wesentlichen auf Verfeinerung der Zeichnung und des
Kolorits gerichtet. Aber
so
Großes auch hierin, namentlich von Parrhasius, geleistet wurde, so trat doch alles gegen die Kunst des
Apelles (s. d.)
zurück. Er malte eine
Allegorie der
Verleumdung, eine jagende
Artemis,
[* 9] dann
Aphrodite,
[* 10] aus dem
Meer aufsteigend, an welch letzterm
Bilde man bewunderte, wie das allmähliche Verschwinden des Unterkörpers im Wasser dargestellt war.
Einer Erzählung zufolge wollte
Alexander d. Gr. nur von ihm gemalt sein, wie er nur von
Lysippus plastisch dargestellt sein
wollte. Unter den übrigen Malern aus dem Ende des 4. Jahrh. traten
Aetion (s. d.) und
Timomachus hervor.
Jener malte die
HochzeitAlexanders d. Gr. und der
Roxane, aus deren
BeschreibungSodoma den
Stoff zu seinem Gemälde in der Farnesina
schöpfte; von dem
Bilde des
Timomachus:
Medea auf den
Tod ihrer
Kinder sinnend, sind Nachbildungen in Herculanum und
Pompeji
[* 11] erhalten.
Wie für die Plastik, so bietet auch für die Malerei der hellenistischen Zeit die litterar. Überlieferung des
Altertums nur ein dürftiges Material; Ersatz gewähren die in
Rom,
[* 12] Herculanum,
Pompeji und
Stabiä gefundenen Wandmalereien
sowie die neuerdings in
Ägypten,
[* 13] in den Gräbern von
Fajum, gefundenen Mumienporträte (s.
Alexandrinische Kunst und die daselbst
beigefügte
Tafel).
Liebe, euphemistische Bezeichnung für
Päderastie (s. d.). ^[= (grch.), Knabenliebe, euphemistisch auch griechische Liebe genannt, die widernatürliche Unzucht ...]
Litteratur.I.Periode. Die Geschichte der vorhomerischen Litteratur liegt für uns
in tiefem Dunkel; die Gestalten eines Orpheus,
[* 14]
Musäus, Eumolpus,
Thamyris u. a., welche das
Altertum als
VorläuferHomers bezeichnete,
sind durchaus mystisch und die unter ihrem
Namen laufenden teilweise noch erhaltenen Gedichte Fälschungen. Sicher ist nur,
daß schon sehr früh, lange vor
Homer, von griech.
Stämmen diePoesie, namentlich im Dienste
[* 15] der
Religion
(Hymnen, Päane) und bei den mit ihr verbundenen ernsten und heitern Anlässen - Todtenklage, Hochzeitslied - gepflegt
wurde.
Auch die daneben bestehende erzählende
Poesie - Sagenpoesie - giebt durch ihre
Helden, die ja
Götter und Göttersöhne sind,
ihren religiösen Ursprung zu erkennen. Aber auchAnsätze zu einem frühen weltlichen
Volkslied und einer
volkstümlichen Spruchweisheit sind schon bei
Homer erkennbar, wie auch die Orakel bereits vor
Homer in metrischer Form erklungen
sein mögen. Aus solchen Anfängen entwickelte sich dann nach den
Stürmen der Wanderzeit, zunächst bei den Griechen in
Kleinasien,
die große nationale, an denNamenHomers geknüpfte Heldendichtung (s. Epos), die durch fortgesetzte
Geiste
verschiedener
Stämme vermehrt, durch wandernde «Sänger» (Aöden, wie Phemios und
Temodokos in der Odyssee) verbreitet und von Nachdichtern nach einheitlichem Princip gestaltet, endlich ihren
Abschluß fanden.
Dieser Heldendichtung gegenüber steht, wenn auch nicht ganz gleichzeitig, die formell gleiche, nach
Inhalt und
Heimat verschiedene Gattung der (besonders in
Böotien geübten) religiös-lehrhaften
Poesie, als deren hauptsächlicher
Vertreter
Hesiod erscheint.
Beim Vortrag dieser Gedichte ist, im Gegensatz zu den Homerischen, die musikalische Zuthat auf ein Minimum
beschränkt gewesen.
¶
mehr
II. Periode (vom Ende des 8. vorchristl. Jahrhunderts bis zum Ende der Perserkriege). In dieser setzt sich die epische Dichtung
fort; als Nachahmer und SchülerHomers treten uns die sog. Cyklischen Dichter (s. d.) entgegen, und auch das religiöse, ethische
und didaktische Gedicht findet bei den sog. Orphikern (s. Orpheus), d. h. bewußten oder
unbewußten Mystikern, als deren Hanptvertreter der am Hofe des Pisistratus lebende Onomakritus anzusehen ist, Nachahmung und
Pflege.
Aber bereits fing man auch an, die Resultate philos. Denkens in der Form der epischen Dichtung zu behandeln (Xenophanes von
Kolophon), daneben entwickelt sich eine formell und inhaltlich neue Gattung von Poesie, die Lyrik im weitesten
Sinn, das echte Kind einer Zeit, welche nun auch der Subjektivität zu ihrem Recht verhelfen wollte. Letztere war während der
epischen Periode völlig hinter den Stoff zurückgetreten, regte sich aber und trat bewußt, sogar stürmisch in den Vordergrund,
als auch in der Politik eine Änderung eingetreten und unter republikanischen Staatsformen das Selbstgefühl
des Einzelnen durch fortgesetzte persönliche Teilnahme an staatlichen Dingen und Fragen gesteigert worden war. Da sich nun
diese Subjektivität nach den verschiedensten Seiten hin geltend machte, entstanden auf diesem Gebiete, gegenüber der Gleichmäßigkeit
der epischen Produkte, mehrere Unterarten.
Zuerst entwickelt sich bei den IoniernKleinasiens, den Übergang vom Epos zur eigentlichen Lyrik bildend,
die elegische Poesie, die im Distichon, dessen Erfindung gewöhnlich dem Kallinus von Ephesus, von andern dem Archilochus von
Paros zugeschrieben wird, den Anfang der Strophenbildung aufweist. Ihrem Inhalt nach war die Elegie teils politisch-kriegerisch,
zum Kampfe fürs Vaterland anfeuernd (Kallinus, Archilochus, der Spartaner Tyrtäus), teils gab sie den
Empfindungen der Liebe, des heitern Lebensgenusses wie der wehmütigen Trauer über die Kürze und Vergänglichkeit des Menschenlebens
Ausdruck (Mimnermus von Kolophon), teils enthielt sie allgemeine Lehren
[* 17] (Gnomen) sowie praktische Regeln für die verschiedensten
Verhältnisse des öffentlichen und häuslichen Lebens (Solon von Athen, Theognis von Megara, Phokylides
von Milet u. a.). Neben der Elegie ward die hauptsächlich zu Spottversen gebrauchte iambische
Poesie ausgebildet, ebenfalls ein Produkt des ion. Volksgeistes, zuerst durch Archilochus in die Litteratur eingeführt, dann
von Simonides von Amorgos auf allgemeinere Stoffe (z. B. Charakteristik der Frauen) angewandt, von Hipponax aus Ephesus wieder
zu heftigen Schmähungen gegen einzelne ihm verfeindete Persönlichkeiten benutzt. In diesen iambischen Dichtungen finden
sich auch (bei Archilochus und Simonides) Versuche in der Tierfabel; der meist als Erfinder dieser Gattung bezeichnete Äsopus
ist wahrscheinlich eine sagenhafte Persönlichkeit.
Die Lyrik im engern Sinne, die melische Poesie, deren Ausbildung mit der Entwicklung der Musik in nahem Zusammenhange
steht, teilt sich in zwei Hauptgattungen: die eigentliche melische Dichtung (Liederdichtung, von melos «Lied» benannt), die
von den Äoliern, und die chorische Poesie, die von den Doriern hauptsächlich gepflegt wurde. Die erstere ist die Poesie heiterer
Geselligkeit und frohen Lebensgenusses, aber auch des tiefsten, feurigsten Gefühlslebens. Ihre Erzeugnisse
sind fast durchgängig kleinere Lieder in
kurzen, meist vierzeiligen Strophen, größtenteils (mit Ausnahme etwa der Hymenäen
und Epithalamien) von einzelnen Personen zur Zither vorgetragen.
Ihr Hauptsitz ist die InselLesbos, wo der leidenschaftlich ungestüme Alcäus und die schwärmerisch begeisterte Sappho diese
Dichtgattung zur höchsten Blüte
[* 18] brachten, nachdem schon vorher Terpander den Nomos, den von Einzelnen,
aber gleich den chorischen Liedern bei Götterfesten vorgetragenen religiösen Gesang, kunstmäßig ausgebildet und die Zithermusik
vervollkommnet hatte. Dem Vorbild jener folgte der IonierAnakreon in seinen leichten, heitern Liedern.
Die Produkte der chorischen Lyrik wurden von Chören unter tanzartigen Bewegungen und der Begleitung von
Saiten- und Blasinstrumenten hauptsächlich an öffentlichen Festen vorgetragen, wodurch sowohl ihre kunstreichere Form, als
auch ihr ernsterer, zum Teil geradezu religiöser Charakter bedingt wurde. (S. Chor.) Alkman und Stesichorus dichteten Strophen
von größerm Umfange und mannigfacherm Wechsel der Rhythmen und führten die Gliederung der Gedichte in Strophe, Antistrophe
und Epode durch.
Der letztere gab seinen Chorgesängen durch Verwertung mythischer Stoffe einen dem Epos verwandten Inhalt, während Ibykus
die chorische Form zum Ausdruck der Empfindungen leidenschaftlicher Liebe anwandte. Ihre höchste Vollendung nach Form und
Inhalt und einen gewissermaßen universalen Charakter erreichte dann die chorische Lyrik am Ende dieser und
am Anfang der folgenden Periode durch Dichter wie Simonides auf Keos und dessen Neffen Bacchylides, besonders aber durch Pindar,
dessen erhaltene Epinikien für uns die einzigen Muster dieser ganzen Dichtgattung sind.
Eine außerordentlich fruchtbare Entwicklung hat ein besonderer Zweig der chorischen Lyrik durchgemacht, der Dithyrambus. Ursprünglich
ein volkstümliches Lied zum Preise des Dionysos,
[* 19] wurde er durch Arion aus Lesbos künstlerisch ausgebildet,
sein Inhalt durch andere Dichter erweitert und zugleich der rhythmischen und musikalischen Form größere Freiheit und Mannigfaltigkeit
gegeben. Bald aber schuf der TragikerThespis aus ihm eine ganz neue Dichtgattung, indem er dem Chor einen Einzelnen gegenüberstellte
und mit dem Chorführer Wechselgesänge und Zwiegespräche führen ließ. Da dieser Einzelne nicht nur
eine, sondern mehrere Rollen
[* 20] nacheinander - mit Hilfe entsprechender Masken
[* 21] - darzustellen hatte, so war damit die mimische
Darstellung einer von mehrern Personen durchgeführten Handlung (das Drama) gegeben.
Die aus solchen Anfängen hervorgegangene Tragödie wurde von den Athenern mit Beifall aufgenommen und
erhob sich, als Schmuck der öffentlichen Dionysosfeste, zu immer höherer Würde und tieferm Ernste, besonders seit Pratinas
das Satyrspiel von der ernstern Tragödie ausgeschieden hatte. Phrynichus wagte sich bereits, neben den mythischen, an die Behandlung
geschichtlicher, nationaler Stoffe, und Äschylus, dessen Hauptthätigkeit freilich bereits der folgenden
Periode angehört, brachte durch die Verbindung von vier Dramen (Tetralogie), durch Kühnheit und Erhabenheit des Ausdrucks, Reichtum
der musikalischen Form und reichere Ausstattung der Bühne und der Schauspieler (deren Zahl er auf zwei vermehrte) die Tragödie
ihrer Vollendung nahe.
Aus dem Kultus des Dionysos entwickelte sich auch die andere Hauptgattung des Dramas, die
¶
mehr
Komödie. An den ländlichen Festen der Weinlese und des Kelterns wurden seit alter Zeit Umzüge, Komoi genannt, von zum Teil
vermummten Personen gehalten und dabei ausgelassene Lieder gesungen. Daraus ging zunächst in Megara eine Art von Possen und
Schwanken hervor, die angeblich durch Susarion von Tripodiscus nach Attika gebracht wurde. Eine von der
attischen Komödie verschiedene Dichtgattung wurde in Sicilien am Hofe des Hiero durch Epicharmus und nächst ihm durch Phormis
ausgebildet, deren Komödien teils Travestien von Göttersagen, teils realistische Bilder aus dem Volksleben enthielten.
Endlich gehören in diese Periode auch die Anfänge der Prosa, die durch den sich immer weiter verbreitenden
Gebrauch der Schrift sowie durch die Einführung eines zum Bücherschreiben bequemen Materials, des ägypt.
Papyrus, vorbereitet war. Auch auf diesem Gebiete gingen die Ionier den übrigen Griechen voran. Unter ihnen lebten die sog.
Logographen, deren Schriften die Anfänge der Geschichtschreibung bildeten. Ionier waren auch die ersten, die kosmologische
und philos. Spekulationen über die Entstehung der Welt aufzeichneten (Pherekydes, Anaximander und Anaximenes).
III. Periode (vom Ende der Perserkriege bis zum TodeAlexanders d. Gr.). Sie kann man als die attische bezeichnen; denn Athen ist
Mittelpunkt aller litterar. Bestrebungen und Leistungen. Sie ist aber zugleich auch die klassische Periode; denn in
ihr sind hauptsächlich jene Schriftwerke entstanden, die als für alle Zeiten mustergültige zu betrachten sind. In der Poesie
tritt vor allem das Drama in den Vordergrund und stellt alle andern Dichtgattungen in den Schatten.
Die Tragödie durchläuft unter den Händen der drei großen MeisterÄschylus, Sophokles und Euripides die Stufenleiter
ihrer Entwicklung von großartigem Ernst und würdevoller Erhabenheit zu maßvoller, rein menschlicher Schönheit und endlich
zur erschütternden Darstellung der gewaltigsten Leidenschaften in rhetorisch geschmücktem Ausdruck. Neben diesem glänzenden
Dreigestirn erscheinen zahlreiche Sterne zweiten Ranges, Ion, Agathon, Theodektes, Chäremon u. a. -
Die Schauspielkunst feiert in den Zeiten Philipps und Alexanders von Macedonien ihre höchsten Triumphe,
artet aber bald in ein nach Effekt haschendes Virtuosentum aus. Die Komödie, die bei den DoriernSiciliens keine weitere Pflege
findet und später durch die in Prosa abgefaßten Mimen der Syrakusaner Sophron und Xenarchus Ersatz erhält, wird in Attika
durch Chionides und Magnes ausgebildet und erreicht schnell durch die Schöpfungen des Kratinus, Eupolis
und Aristophanes ihre höchste Vollendung; sie ist der ungezügeltste Ausdruck des athen. Volksgeistes, wie er sich unter der
reinen Demokratie entwickelt hatte, reich an treffendem, wenn auch oft schmutzigem Witz und kühner Phantasie, voll Parteileidenschaft,
ein Werkzeug der heftigsten polit. und litterar.
Befehdung, aber zugleich ein beredtes Zeugnis des alle Schichten der athen.
Gesellschaft durchdringenden regen Interesses an allen öffentlichen Angelegenheiten. Als nach dem Ende des PeloponnesischenKrieges die Macht Athens und damit die alte Thatkraft des Volks gebrochen, das frühere großartige polit. Leben erstorben war,
bildete sich eine andere Form, die sog. neuere attische Komödie, in der
das polit. Interesse ganz in den Hintergrund tritt und
litterar.
Anekdoten, parodierte Göttersagen und Verhältnisse des Privatlebens den Hauptinhalt der auch äußerlich (durch Verschwinden
der Chorgesänge) unansehnlicher gewordenen Stücke bilden. Unter den zahlreichen Vertretern dieser neuern Komödie sind Antiphanes,
Eubulus, Anaxandrides und Alexis, aus etwas späterer Zeit die dem Ausgange dieser und den ersten Zeiten
der nächsten Periode angehörenden Dichter Menander, Philemon, Diphilus, Apollodorus, Philippides und Posidippus hervorzuheben.
Das hauptsächlich aus den Nachbildungen röm. Dichter (Plautus und Terentius) bekannte neuere Lustspiel stellt in kunstvoll
verwickelter Handlung (Intriguenstücke) charakteristische Typen aus den mittlern und niedern Klassen der
bürgerlichen Gesellschaft (polternde und gutmütige Väter, leichtsinnige Söhne, schlaue Sklaven, Hetären, Schmarotzer, militär.
Prahlhänse u. dgl.) mit feiner Beobachtungsgabe dar. - Von den übrigen Dichtungsgattungen ist die eigentliche Lyrik jetzt
fast ganz auf den Dithyrambus beschränkt. Dieser nimmt im Wetteifer mit der Tragödie mehr und mehr einen mimetischen Charakter
an, und zugleich erreicht das musikalische Element unter der Pflege ausgezeichneter Musiker, wie Melanippides,
Philoxenus und Thimotheus, eine Höhe virtuosenhafter Ausbildung, welche den Inhalt hinter die Form zurücktreten läßt.
- Die Elegie wird eifrig teils nebenbei von den Tragödiendichtern (Äschylus, Sophokles, Ion), dem Politiker Kritias, sowie
auch von Philosophen (Plato und Aristoteles), teils als Hauptsache von andern Dichtern (Dionysius Chalcus,
Euenus von Paros u. a.) gepflegt. Das Epos endlich erscheint teils als künstliche Nachahmung
der alten volksmäßigen Sagenpoesie (Panyassis, Antimachus, Chörilus), teils als Parodie des alten Volksepos, indem die würdevolle
epische Form mit beabsichtigtem komischem Kontrast für die Behandlung niedriger und gemeiner Gegenstände
verwendet wird (Archestratus). Die Form des Epos erhielten auch philos. Lehrgedichte (Parmenides, Empedokles).
Neben die Poesie tritt in dieser Periode ebenbürtig die Prosa. Die Großthaten der Befreiungskämpfe gegen die Perser lieferten
der Geschichtschreibung einen bedeutenden nationalen Stoff, den Herodot, in Verbindung mit der Geschichte und Sittenschilderung
der geschichtlich bedeutenden VölkerAsiens und der Ägypter, in anziehender Darstellung behandelte, während
Hellanicus u. a. noch auf der von den ältern Logographen betretenen Bahn genealog.-chronol.
Stammgeschichten fortgingen. Dann gab Thucydides in seiner (unvollendeten) «Geschichte des PeloponnesischenKrieges», an welche
sich Fortsetzungen von Xenophon und von Kratippus anschlossen, das erste Muster einer mit histor. Kritik
ausgeführten polit. Geschichtschreibung. Die Geschichte Persiens wurde durch Ktesias, die Siciliens durch Antiochus, Philistus
und Athanas von Syrakus
[* 23] behandelt. Am Ende dieser Periode traten Historiker auf, die, in den Schulen der Rhetoren, besonders
des Isokrates gebildet, durch Anwendung der rhetorischen Kunst auf die Geschichtschreibung einen neuen histor. Stil schufen;
so Theopompus und Ephorus, dessen 30 Bücher Historien das erste Beispiel einer allgemeinen Weltgeschichte waren. - Die Beredsamkeit,
hervorgerufen durch das Bedürfnis überzeugender und gewinnender Rede in den Volksversammlungen und Gerichten, wurde
¶
mehr
nun zu einer nach festen Regeln geübten Kunst ausgebildet, deren erste Lehrer in Athen die Syrakusaner Korax und Tisias, dann
die sog. Sophisten waren. Seit dem PeloponnesischenKriege bis zum Untergang der Selbständigkeit Athens trat dann eine Reihe
hervorragender Männer teils selbst als Redner bei polit. wie gerichtlichen Verhandlungen, teils als Lehrer
der Redekunst und Verfasser von Anklage- oder Verteidigungsreden auf, unter denen folgende zehn nach dem Urteil der Alten die
bedeutendsten sind: Antiphon, Andocides, Lysias, Isokrates, Isäus, Lykurgus, Hyperides, Demosthenes, Äschines, Dinarchus. (S.
Rhetoren.) Auf dem Gebiete der Philosophie endlich wurde durch die Schüler des Sokrates die Form des Dialogs
in die Litteratur eingeführt und durch Plato zur höchsten Vollendung gebracht, während Aristoteles den Dialog nur für seine
populären Schriften beibehielt, sonst aber die systematische Darstellungsweise wählte. Auf dem mehr praktischen Gebiete
der wissenschaftlichen Thätigkeit sind Hippokrates mit seinen Genossen als Begründer einer wissenschaftlichen Arzneikunde,
und Archytas, Meton, Eudoxus als Mathematiker und Astronomen hervorzuheben.
IV. Periode (vom TodeAlexanders bis auf Augustus). Man kann diese als die alexandrinische oder hellenistische bezeichnen; denn
Alexandria ist jetzt, dank dem wissenschaftlichen Eifer der ersten Fürsten aus dem Hause der Ptolemäer, die in der
Alexandrinischen Bibliothek einen Mittelpunkt gelehrter Studien aller Art schufen, der Hauptsitz aller
litterar. Bestrebungen; aber der eigentliche national-hellenische Charakter der Litteratur geht verloren, sie nimmt stattdessen
den sog. hellenistischen an, durch den sie sich freilich zu der Stellung einer Weltlitteratur erhoben hat. (S. Hellenisten.)
Die Schriftsteller schrieben nicht mehr für ihre Stammgenossen, sondern für den weiten Kreis
[* 25] der Gebildeten,
die der Bücher- und Hofsprache (denn diese Stellung nahm jetzt die griech. Sprache
[* 26] außerhalb Griechenlands ein) mächtig waren.
(S. Alexandrinisches Zeitalter.) Auf dem Gebiete der Poesie geht fast alle Produktion von der gelehrten Beschäftigung mit
den Werken der ältern Dichter, die jetzt mehr und mehr mit philol.
Methode behandelt werden, aus; so die epischen Dichtungen des Apollonius und des Rhianus, die Lehrgedichte
des Aratus und Nikander, die Hymnen des Kallimachus, die Elegien des Philetas, Hermesianax, Kallimachus, Euphorion, Parthenius
u. a., und die Tragödien und Satyrspiele der gewöhnlich unter dem Namen des Siebengestirns (Pleias) zusammengefaßten Dichter.
Ein frischer Geist weht nur noch in den Schöpfungen der neuern Komödie. Gleichwohl entsteht und gedeiht
in dieser Periode eine neue Dichtgattung, die bukolische Poesie des Theokrit und seiner Nachahmer Bion und Moschus, die in kleinen
epischen Bildern (Eidyllia) das Leben der sicil.
Hirten mit frischer Naturwahrheit, daneben auch Scenen aus dem Volksleben der Städte zeichnet, deren
dramat. Lebendigkeit trotz der mehr epischen Form (meist Hexameter, aber doch Dialog!) an die
Mimen des Sophron erinnert. Das Entstehen einer solchen Gattung erklärt sich leicht in einer Zeit, die von Einfachheit und
Natürlichkeit weit entfernt war und daher auf künstlichem Wege sich in eine recht naturwüchsige Umgebung zu
versetzen liebte. Darum auch das Wohlgefallen dieser Zeit an parodisierenden Dichtungen aller Art (die Sillen
des Timon, die
Kinäden des Sotades und des Alexander von Ätolien, die Satiren des Menippus, in Prosa mit eingestreuten Versen), sowie an dem
fein ausgearbeiteten Epigramm, das von jetzt an die beliebteste und am eifrigsten gepflegte Dichtgattung
wird. (S. Anthologie.)
Die Prosalitteratur dieses Zeitalters trägt, wenigstens soweit sie von Alexandria und seinen gelehrten Anstalten ausgeht,
den Charakter einer die verschiedensten Zweige des menschlichen Wissens in systematischer Gliederung umfassenden Gelehrsamkeit.
Der beste Vertreter dieser Richtung ist Eratosthenes. Namentlich die Philologie oder, wie sie damals hieß, die
Grammatik, und die Mathematik machten in Alexandria die gewaltigsten Fortschritte. (S. Grammatiker.) Die Mathematik, bisher
meist nur als ein Zweig der Philosophie betrieben, wurde durch eine ganze Anzahl von Geistern ersten Ranges (Euklides, Archimedes,
Heron, die Astronomen Aristarchus von Samos und Hipparchus von Nicäa, den HarmonikerAristoxenus) rasch aus den
Elementen zu bedeutender wissenschaftlicher Höhe erhoben und durch die Anwendung auf Mechanik, Astronomie,
[* 27] Optik, Musik zur
größten praktischen Bedeutung gebracht. In der Naturgeschichte wurde durch Theophrast, in der Medizin durch Herophilus und
Erasistratus, die zwei ersten großen Anatomen des Altertums, beide Begründer eigener mediz. Schulen, Bedeutendes geleistet.
- Die Philosophie (s. Griechische Philosophie) fand in den geschlossenen Schulen der Akademiker und Peripatetiker,
der Stoiker, Epikureer und Skeptiker eifrige und allseitige Pflege; Athen blieb auch in dieser sowie in der folgenden Periode
ihr Hauptsitz; ebenso für die Rhetorik. - Der Geschichtschreibung lieferten zunächst die Feldzüge Alexanders einen reichen
und vielfach ausgebeuteten Stoff, und auch in der Folgezeit wurde besonders die zeitgenössische Geschichte
eifrig behandelt. Es ist nur ein Denkmal der Geschichtschreibung dieser Periode erhalten in dem nur unvollständig überlieferten
Werke des Polybius, das den völligen Untergang der polit. FreiheitGriechenlands und den mächtigen Aufschwung Roms in der Zeit
von Anfang des zweiten PunischenKrieges bis zum Sturz des macedon. Königtums mit staatsmännischem Geiste
schildert.
V. Periode (von Augustus bis Justinian). Die Griechische Litteratur tritt ganz in den Dienst des röm.
Weltreichs. Rom wird der Mittelpunkt der Wissenschaft wie der Kunst, daher auch der Sammelplatz der griech.
Schriftsteller, die sich mehr und mehr dem Geschmack ihrer Herren, insbesondere des den Ton angebenden
kaiserl. Hofs, fügen müßen; daneben bleibt noch Athen eine Art hoher Schule für Philosophie und Rhetorik, bis durch die
Schließung seiner Schulen durch Justinian auch der letzte Schimmer des alten Glanzes der heidn.-griech. Bildung erlischt.
Die Poesie war, abgesehen von dem leichten Spiel des Epigramms, in den beiden ersten Jahrhunderten unserer
Zeitrechnung fast ganz verschwunden; in der Prosa aber trat, ähnlich wie in der bildenden Kunst dieser Zeit, durch engen
Anschluß an die klassischen Muster eine Art Restauration ein, die in der Korrektheit der Form und in einer allerdings etwas
künstlichen Eleganz besteht. Den Vorrang behaupten zunächst die Geschichtschreibung und die Rhetorik. Auf jenem Felde sind
Männer thätig wie Diodorus, Strabo (bekannter als Verfasser eines großen, noch erhaltenen geogr.
¶
mehr
Werkes), Dionysius von Halikarnassus, Flavius Josephus, Plutarch, FlaviusArrianus, Appianus, Dio Cassius, Herodianus u. a. Die
Theorie der Beredsamkeit und des rhetorischen Stils behandeln Dionysius von Halikarnassus, Apollodorus von Pergamon,
[* 29] Theodorus von
Gadara (beide Gründer besonderer rhetorischer Schulen, die sich nach ihren Meistern Apollodoreer und Theodoreer nannten) u. a.
Aus der hohen Bedeutung, die der rhetorischen Bildung in dieser Zeit beigelegt wurde, entwickelte sich
seit dem 2. Jahrh. n. Chr. die Schule der sog.
(neuern) Sophisten, geistreicher Männer, die namentlich auch als eine Art Improvisatoren in Prosa Vorträge hielten über die
verschiedensten Gegenstände, als Muster des guten Geschmacks und glänzender, geistreicher Darstellung. So
hoch aber auch in gewisser BeziehungMänner wie ÄliusAristides, Dio Chrysostomus u. a. zu schätzen sind, so bedingte doch
die ganze Richtung ein völliges Überwiegen der Form über den Stoff, das mehr und mehr zu bloßen geistreichen Spielereien
führte. Am wenigsten ist letzteres der Fall bei dem hervorragendsten Geist in diesem ganzen Kreise,
[* 30] Lucian.
An die Sophistik schlossen sich die Romanschriftsteller an, die als eine Art Ersatz für das verklungene Epos ihren Lesern
zum Teil wunderbare und abenteuerliche, zum Teil idyllisch-zärtliche Geschichten darboten. (S. Erotiker.) Ernstere Studien findet
man auch jetzt noch, insbesondere in Alexandria, auf dem Felde der Kritik und Exegese der ältern Schriftsteller,
besonders der Dichter und namentlich der Grammatik im engern Sinne und der Lexikographie, der Metrik (Heliodorus und Hephästion),
dann der Mathematik und Astronomie (Theon, ClaudiusPtolemäus, Kleomedes, Diophantus, Pappus), endlich auf dem Gebiete der
Heilkunde (Dioskurides, Rufus von Ephesus, Soranus, Aretäus, Galenus, Oribasius).
Seit dem Ende des 2. und dem Anfang des 3. Jahrh. treten auch die ersten
christl. Schriftsteller auf; ihrer Polemik gegenüber versuchte das Heidentum sich neu zu kräftigen und zu verjüngen durch
die mystisch-theosophischen Philosopheme der Neupythagoreer und Neuplatoniker. Seit dem 4. Jahrh. gelangt zwar das
Christentum zur Herrschaft, allein die Litteratur bewahrt noch geraume Zeit den heidn. Charakter;
ja es tritt noch am Anfang des 5. Jahrh. eine neue Schule mytholog. Epiker auf, an deren Spitze Nonnus steht, ein Dichter ohne
ursprüngliche gestaltende Kraft;
[* 31] noch lebloser sind Tryphiodorus und Kolluthus sowie der wohl ältere Quintus Smyrnäus.
In der Regel schließt man die Geschichte der antikenGriechische Litteratur mit der Zeit Justinians
(527-565) ab und rechnet von da an die Byzantinische Litteratur (s. Byzantiner).
Vgl. K. O. Müller, Geschichte derGriechische Litteratur bis auf das Zeitalter Alexanders d. Gr. (Bresl. 1841; 4. Aufl.,
mit Anmerkungen und Fortsetzung bearbeitet von E. Heitz, 2 Bde.,
Stuttg. 1882-84);
Bernhardy, Grundriß derGriechische Litteratur (Bd.
1, 4. Bearbeitung, Halle 1876; Bd. 2, Tl. 1 u. 2, 3. Bearbeitung, 1877-80; Tl. 1 in 5. Bearbeitung von R. Volkmann, ebd. 1892);
Munk, Geschichte derGriechische Litteratur (mit vielen Auszügen in Übersetzung, 3. Aufl., besorgt von Volkmann, 2 Bde.,
ebd. 1880);
Mähly, Geschichte der antiken Litteratur (2 Bde., Lpz.
1880);
Mahaffy, History of classical Greek
literature (2 Bde., 2. Aufl.,
Lond. 1890);
Burnouf, Histoire de la littérature grecque (2 Bde., 2. Aufl.,
Par. 1885);
Sittl, Geschichte derGriechische Litteratur bis auf Alexander d. Gr. (3 Bde.,
Münch. 1884-87);
W. Christ, Geschichte derGriechische Litteratur (Bd. 7 vom
«Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft», hg. von I. Müller, Nördl. 1888; 2. Aufl., Münch. 1890);
Musik. Die Grundlage des griech. Tonsystems ist ein Komplex von vier Tönen, Tetrachord
(Viersaiter) genannt. Zwei solcher Tetrachorde e, f, g, a unda, b, c', d' bilden die dor. siebensaitige Lyra.
[* 32] Obgleich bereits
Terpander von Lesbos (7. Jahrh. v. Chr.) eine hohe e'-Saite kannte, behalf man sich doch lange Zeit der heiligen Siebenzahl
zuliebe in der obern Hälfte der Oktave mit einer unvollständigen Tonreihe, und erst die am Hofe des Hipparch (um 520 v. Chr.)
in Athen thätigen Musiker Lasos und Simonides scheinen die Oktave vervollständigt zu haben. Die Tetrachorde waren nun: e, f,
g, a und h, c', d', e'; Grundton war das in der Mitte liegende a. Während
dieser Umfang in den mit einfacher Lyra begleiteten Skolien (Rundgesängen) der griech. Jugend niemals überschritten wurde,
spannten die Künstler auf ihrer Kithar auch tiefere Saiten auf. In der Blütezeit griech. Dichtung und Sangeskunst besteht
das Tonsystem aus folgenden Klängen:
Die um 400 v. Chr. in Athen thätigen Dithyrambendichter brachten dazu eine hohe f-Saite in Aufnahme und später wurde den drei
Tetrachorden noch ein viertes, das der überhohen Tönea', g', f', e' (von oben nach unten) beigefügt.
Den Weisen, die man von alters her zum Trankopfer blies oder sang, lag indes eine noch einfachere Tonreihe als das Tetrachord
zu Grunde. Man übersprang den Ton g und ließ die Stimme nach dem lange und vielgebrauchten Ton a gleich
auf f hinabsinken; endlich löste sich dieser als Vorhalt gebrauchte Ton in das tiefe e auf. (Plutarch, «Musik», Kap. 11; Aristoteles,
«Probleme», 19, 3 und 4). Diese Tonweise hieß die enharmonische. Das Überspringen
des Tones g blieb in dieser Sangesart stets Sitte; wollte man noch eine vierte Saite im Tetrachord verwenden,
so stimmte man die ehemalige g-Saite auf f herab und legte zwischen den Leiteton f und die Schlußnote e noch einen Zwischenton
ein. In diesem Falle hatte das enharmonische Klanggeschlecht von oben nach unten gerechnet erst eine große Terz (a-f), dann
zwei Vierteltöne (f-e). Das chromatische Geschlecht, von dem die theoretischen Schriftsteller auch gern
reden, war wohl nie recht in Übung. Es soll erst eine kleine Terz, dann zwei halbe Töne umfaßt haben: a ges f e.
man, wie es scheint, fast immer im Einklang gespielt; dagegen war das Spiel auf der Doppelflöte zweistimmig. Dabei wurde
neben der Oktave nur die Quinte und Quarte als Konsonanz angesehen, die Terzen galten in der Theorie wie in der Praxis als Dissonanzen.
Daß sie also jemals zu einem Schlußaccord verwendet worden wären, ist völlig undenkbar.
Was die Tonarten betrifft, so bestand von alten Zeiten her neben der bisher besprochenen dor. Tonleiter (e a e') eine phrygische
und eine lydische. Die Eigentümlichkeit der phrygischen bestand darin, daß der halbe Ton jedesmal die Mitte des Tetrachords
einnahm, also:
Schon die von Ptolemäus in seiner «Harmonik», 2, Kap. 11 angestellte Erwägung, daß für den Gesang in jeder Tonart ein und dieselbe
Oktave am bequemsten sei, weil die Stimme sonst zu hoch geschraubt oder zu tief gedrückt werde, legt uns den
Gedanken nahe, auch die phrygische und lydische Tonart von e bis e' anzusetzen. Für die achtsaitige Lyra hatte man ohnehin keine
andere Wahl; überdies wird nur durch diese Annahme der Umstand erklärlich, daß später bestimmte Versetzungen der dor. Grundskala
als phrygisch oder lydisch bezeichnet werden. Thatsächlich heißt die um einen ganzen Ton höher laufende,
im übrigen dem dor. Grundsystem nachgebildete Tonleiter bei allen Schriftstellern eine phrygische. Die Sache wird erklärlich,
wenn man sich die oben angeführte phrygische Oktave e fis g a u. s. w. zu einem ähnlichen
System wie das oben angegebene erweitert denkt: H cis d e, fis g a h, cis' d' e' fis'.
Der stets nach seinen heimatlichen Begriffen rechnende Grieche hatte sich offenbar auf seiner Lyra das Phrygische
[* 36] durch Erhöhung
der f-und c-Saite hergestellt; dann aber konstruierte er sich aus dieser fremdländischen Tonreihe wieder ein System H cis
u. s. w., welches seinem nationalen Grundsystem A h c d u. s. w. aufs Haar glich, nur um einen Ton höher
gestimmt war. Der Ausdruck tonos phrygios, phrygische Stimmungsart, ursprünglich von der Art gebraucht, in der man sich eine
Lyra phrygisch stimmen konnte, bezeichnet in der spätern Zeit eine Tonreihe, die einen Ton höher steht als das Grundsystem.
Ebenso erwuchs aus der Reihe e fis gis a h cis' dis' e' (aus der der Lyra angepaßten lydischen Oktave
mit Höherstimmung von vier Saiten) eine Nachbildung des dor. Grundsystems, die um eine große Terz höher stand als dieses
und mithin cis zum Grundton hatte.
Die bis zur Quinte abwärts verlängerte Tonreihe enthielt neben der dor. Grundoktave e-e' mit Grundton
a in der Mitte noch eine eng verwandte als hypodorisch oder halbdorisch bezeichnete Oktave A-a. Auch der mit zwei Erhöhungen
gebildeten phrygischen Tonleiter ging eine ebenso zusammengesetzte Reihe von A-a als hypophrygische Tonart mit Halbton an dritter
und sechster Stelle zur Seite, und ein Gleiches war wiederum mit der lydischen Tonart der Fall: hypolydisch
A-a mit vier erhöhten Stufen.
Übertrug man aber auch diese Nebenoktaven auf den Umfang e-e' der Lyra, so bekam man:
Wie
aus den drei Hauptskalen Nachbildungen des Grundsystems (transponierte Skalen) entstanden waren in A-, H- und Cis-moll,
so erwuchsen aus den drei Nebenoktaven eben solche Versetzungen in E-, Fis- und Gis-moll.
In röm. Zeit änderte sich das System. Normaloktave war nicht mehr e-e', sondern f-f'. Aus dieser Periode
haben wir die Notenverzeichnisse des Alypios, in denen die nie gebrauchte hypolydische Skala die einfachste, während die
dorische einer künstlich abgeleiteten Tonart mit 5 b ^[vgl. Abb] gleich sieht.
Der durch Terpander von Lesbos begründete kitharodische Nomos (Sologesang eines Virtuosen, von ihm selbst
auf der großen, zum Konzert geeigneten Kithar begleitet), dessen Inhalt Lobpreis und Anrufung einer Gottheit bildete, blieb
allezeit die am meisten bewunderte, bei allen Gesangsfesten am höchsten geehrte Leistung musischer Kunst. Auf derselben
äol. Insel bildete sich durch Alcäus und Sappho um 600 v. Chr. eine mehr auf persönliches Empfinden gerichtete
Sangesart aus, die man sich auf der jedem Griechen vertrauten Lyra begleitete, und die leichtlebigen Bewohner der gesegneten
ion. Kolonialstädte machten sich diese lyrische Poesie gern zu eigen (Anakreon 530). Rein instrumentales Zitherspiel, in Argos
um 570 v. Chr. aufgebracht und später regelmäßig zur Preisbewerbung bei Musikfesten zugelassen, konnte
sich dem Gesang gegenüber nie zu großer Bedeutung erheben.
Dem lange Zeit als ungriechisch gehaßten Aulos, einem nach Art der Klarinette gebauten Doppelinstrument, hat dagegen Sakadas
um 580 v. Chr. nicht nur dauernde Zulassung zur Preisbewerbung an dem pythischen Normalfeste verschafft, indem er den Kitharoden
zum Trotz Apollos Kampf und Sieg über den delphischen Drachen in einem mehrteiligen Konzertstück mit malender
Programm-Musik darzustellen wußte (pythischer Nomos). Die den Saiteninstrumenten an Schallkraft weit überlegene Doppelflöte
errang sich sogar mit der Zeit immer steigenden Einfluß auf das musikalische Leben in Griechenland. Im dor.
Peloponnes war die Flöte von Anfang an geduldet gewesen; für den dort aufblühenden Chorgesang
war sie ja ohnehin kaum zu entbehren. Nachdem man nämlich von jeher Götter und Heroen durch festliche Reigen und Prozessionen
geehrt hatte, ließ sich besonders der dor. Stamm die Ausbildung dieser mit Gesang verbundenen Chortänze angelegen sein, indem
Alkman (um 640 v. Chr.) die Spartaner, Stesichoros (um 580 v. Chr.) die Bewohner der sicil. Kolonien mit
solchen Liedern versorgte. In ihre Fußstapfen tretend, hat der thebanische Pindar den Ruhm olympischer und pythischer Sieger
mit seinen Chorhymnen verherrlicht. Als sodann im 5. Jahrh. v. Chr. an dem großen Dionysosfeste zu Athen Äschylos und Sophokles
ihre Dramen zur Aufführung brachten, da stand hinter der Tiefe ihrer Gedanken und der Schönheit ihrer
Sprache die melodische und rhythmische Gestaltung ihrer Chorgesänge keineswegs zurück. Athens Blütezeit war zugleich der
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