Jagello von
Polen Hofmarschall von
Litauen und
Starost von Bielsk. Er hatte 12 Jahre in Westeuropa zugebracht und an den
Kriegen
des
Kaisers Maximilian I. teilgenommen. 1506 rettete er
Litauen durch einen kühnen Handstreich vor einem Tatareneinfalle.
Aber sein stolzes und gewaltthätiges Auftreten gegen die
Großen des
Reichs und Verdächtigungen bei König
Sigismund, dem Nachfolger
Alexanders, daß er sich der Gewalt bemächtigen und das
Land der Herrschaft
Moskaus unterwerfen wolle,
brachten ihn in
Ungnade.
Aus
Rache trat er in die Dienste
[* 2] des
ZarenWassilij Iwanowitsch von
Moskau,
[* 3] drang 1507 mit einem russ.
Heere in
Litauen ein, wurde
aber von Sigismund geschlagen. Der
Zar schloß 1508 mit
Polen Frieden. Glinskij lebte nun, aller seiner
Güter
beraubt, in
Moskau und wurde später sogar ins
InnereRußlands verbannt. Erst durch die Fürsprache des
KaisersKarl V. und der
Nichte G.s, Helene, welche 1526 die Gemahlin des
Zaren geworden war, befreit, wurde Glinskij 1533 zum Vormund
des minderjährigen
ZarewitschIwan ernannt.
Als er jedoch das ausschweifende Leben Helenens tadelte, ließ ihn diese blenden
und ins Gefängnis werfen, wo er 1534 starb. –
Vgl. Warnka,Deducis M. Glinscii contra Sigismundum regemPol. rebellione
(Bresl. 1868).
(Glioma, vom grch. glia,d. i. Leim oder Kitt), weiche, markähnliche, erbsen- bis faustgroße
Geschwulst, die sich am häufigsten im
Gehirn,
[* 4] bisweilen auch im Rückenmark und im Innern des
Augapfels findet, durch Wucherung
der normalen Nervenkittsubstanz oder
Neuroglia (s.
Gehirn, Bd. 6, S. 678b) (Anmerkung des Editors:
Band
[* 5] 7 ) entsteht und, wie
diese, aus rundlichen
Kernen und Zellen und einer außerordentlich zierlichen feinmaschigen Zwischenzellsubstanz
zusammengesetzt erscheint. Das Gliom des
Gehirns entwickelt sich gewöhnlich im mittlern
Lebensalter und verursacht meist die
Symptome der
Gehirnerweichung (s. d.); das des
Augapfels kommt vorzugsweise bei
Kindern vor, führt unrettbar zur
Erblindung und
erfordert rechtzeitige Entfernung des erkrankten
Auges.
nannte Linné die Ordnung der Nagetiere
[* 6] (s. d.). ^[= # Das A. des Menschen hat fast die Form einer Kugel (Augapfel) und liegt in der knöchernen Augenhöhl ...]
(auch glissāto,glissicāto,glissicando), von dem franz. glisser, gleiten,
abgeleitet) bezeichnet bei
Streichinstrumenten einen glatten Vortrag ohne Accentuation (bei Passagen), auf demKlavier
das sehr schnelle
Spielen einer auf den Untertasten auf- oder abwärts laufenden Passage in der
Weise, daß mit einem Finger
(Nagelseite) schnell über die
Tasten gestrichen wird.
(spr. gliss'n),Francis, engl. Anatom, geb. 1597 zu
Rampisham in Dorsetshire, war Professor der
Medizin und
Anatomie in
Cambridge und ließ sich später in
London
[* 8] nieder, wo er 1677 als Professor der
Anatomie und Präsident des Kollegiums der
Ärzte starb. Nach ihm ist die GlissonscheKapsel der
Leber benannt; durch seine
Lehre
[* 9] von der
Irritabilität der belebten Faser erscheint er als der Vorgänger Hallers.
Er schrieb: «Derhachitide» (Lond. 1660),
Bezeichnung für einige Eiweißarten, die dadurch charakterisiert sind, daß sie, im
Gegensatz zu den eigentlichen
Albuminen, in Wasser unlöslich, dagegen in verdünnter Kochsalzlösung löslich sind. Bringt
man z. B. Blutserum in den Dialysator, so diffundieren die
Salze fort, die Globuline scheiden sich als feinflockige
Massen ab, während
Serumalbumin im reinen Wasser gelöst bleibt.
Beim Erhitzen koagulieren die Globuline. Zu ihnen gehören das
Globulin
in der Linse
[* 13] des
Auges, das
Fibrinogen oder
Metaglobulin und
Paraglobulin im
Blut, die
Phytoglobuline in den
Pflanzen.
tartăriferrati,Globŭlimartiāles
(Stahlkugeln), ein jetzt nicht mehr offizinelles
Eisenpräparat (zu
Kugeln
geformter Eisenweinstein), wurde früher vielfach zur Anfertigung von künstlichen Stahlbädern verwandt.
mikroskopisch kleine, optisch isotrope sphäroidale Gebilde, die, zu den sog.
Krystalliten gehörend, die primitive Form darstellen, in der ein krystallisationsfähiger Körper sich aus einem
Medium ausscheidet,
das ihm einen gewissen
Widerstand entgegensetzt. Die rundlichen Globuliten reihen sich mitunter durch gegenseitige
Anziehung in einer
linearen oder etwas gekrümmten
Richtung kettenförmig aneinander und erzeugen so die Margariten; verschwimmen
sie durch direkte Berührung dabei zu länglichen
Nadeln,
[* 14] so entstehen die sog. Longuliten. Globuliten des Schwefels können z. B.
beobachtet werden, wenn man eine Mischung aus zwei Lösungen bereitet, deren eine aus Schwefel in Schwefelkohlenstoff, deren
andere aus
Canadabalsam, ebenfalls in Schwefelkohlenstoff gelöst, besteht, und dann einen
Tropfen einer
solchen Mischung auf einem Glastäfelchen unter dem Mikroskop
[* 15] verdunsten läßt.
Andere aus Silikaten bestehende Globuliten scheiden sich in reicher Menge in den künstlichen Hochofenschlacken
aus. Auch die rundlichen, meist gelblich oder bräunlich gefärbten Körnchen, die sich oft in unendlicher Anzahl als
unvollkommen gebildete Ausscheidungsprodukte in der Glasbasis z. B. der
Basalte und mancher
Melaphyre finden, werden wohl mit
Recht zu den Globuliten gerechnet, ebenso wie die rundlichen winzigen Partikel, aus denen so viele kieselige Kügelchen
zusammengesetzt erscheinen. –
in der Geographie und
Astronomie
[* 17] eine
Kugel, auf deren Oberfläche ein natürlich sehr stark
verkleinertes, aber getreues Abbild der Erdoberfläche oder der scheinbaren
Himmelskugel gegeben wird. Man unterscheidet hiernach
¶
mehr
Erd- und Himmelsglobus. Der große Vorzug der Globen vor den aus einer ebenen Papierfläche entworfenen Erd- oder Sternkarten
ist darin begründet, daß diese letztern die gegenseitigen Lagen- und Größenverhältnisse notwendig verzerren müssen (s.
Kartenprojektion), daß dagegen die auf die Kugel gezeichneten Bilder alle Raumverhältnisse geometrisch ähnlich wiedergeben.
Damit alle topogr. Einzelheiten an ihre richtige Stelle gezeichnet werden können, sowie zur Orientierung
ist es vor allem nötig, die Globusfläche mit dem Gradnetz zu überziehen.
Während die ältesten Globen ganz durch Handmalerei hergestellt wurden, werden jetzt im Interesse der schnellen und billigern
Herstellbarkeit sphärische Zweiecke zwischen zwei Meridianen im Längenabstand von 10 bis 30° gedruckt
und diese Meridianstreifen nebeneinander auf die Globusunterlage aufgeklebt. Der mathem. Entwurf dieser ebenen Zweiecke erfordert
sorgfältige Rücksicht auf die Kugelwölbung. –
Vgl. hierüber Steinhauser, Grundzüge der mathem.
Geographie und Landkartenprojektion
(2. Aufl., Wien
[* 19] 1880).
Als Erfinder des Erdglobus gilt Anaximander (s. d.) von Milet, als der des Himmelsglobus Eudoxus (s. d.).
Ptolemäus (s. d.) befaßte sich mit Globenherstellung und Krates von Mallos in Cilicien entwarf zuerst um 150 v. Chr. einen
Globus, auf dem er ein Bild der gesamten Erdoberfläche mit vier halbkreisförmigen Erdinseln gab, die durch einen äquatorialen
und einen meridionalen Gürtelocean geschieden waren. Er ließ den Globus zu Pergamon
[* 20] aufstellen.
Das symmetrische Bild dieses Globus wurde später ornamental und symbolisch verwendet.
In der christl.-byzant. Zeit bekam dieser Erdapfel, der das Symbol der Weltherrschaft war, ein Kreuz
[* 21] als Schmuck und wurde
so zum Reichsapfel. Im 13. Jahrh. entstanden arab. Himmelsgloben:
der berühmteste, weil im Zeitalter der Entdeckungen so wichtig gewordene Globus ist der 1492 von
Martin Behaim (s. d.) entworfene und in Nürnberg
[* 22] aufbewahrte (s. Karten zur Geschichte der Geographie Id, Bd. 7, S. 804);
nur
ein Jahr jünger ist der Globus coelestis von J. Stöffler in der Konstanzer Gymnasiumsbibliothek;
ebenfalls aus dem J. 1493 stammt
der Erdglobus von Laon.
Weiter sind zu nennen ein Globus von 1507 oder 1509, wahrscheinlich von Waldseemüller,
der den NamenAmerika
[* 23] enthält, der von Globus Lenox, 1510–12, und vonL. Boulenger, zwischen 1514 und 1518;
die Globen des Nürnberger Astronomen Schöner von 1515, 1520 (s. Karten
zur Geschichte der Geographie Ie) und 1533;
ein Globus vielleicht von 1518 mit dem NamenIngolstadt
[* 24] in der Sammlung des Fürsten
Liechtenstein
[* 25] (früher Hauslab): der vergoldete Globus. Von 1528 in Paris;
[* 26]
von Vopel, 1542. Diese ältern Globen
sind fast ausnahmslos von großer Bedeutung, weil sie im Zeitalter der großen Entdeckungen entstanden und wie die gleichzeitigen
Karten die Fortschritte in unsern Kenntnissen von den räumlichen Verhältnissen der Erde erkennen lassen. Im 17. Jahrh.
waren die niederländ. Globen von W. Blaeu (s. d.) und die italienischen von Coronelli (s. d.)
sehr geschätzt.
Der berühmteste Himmelsglobus ist der sog. Gottorp, den HerzogFriedrich von Holstein 1656–64 durch Adam
Olearius und den MechanikerAndr. Busch aus Limburg
[* 28] ausführen und in Gottorp aufstellen ließ,
der sich aber seit 1713 in
Petersburg
[* 29] befindet. Er ist von Kupferblech und die Gestirne sind durch kleine Löcher dargestellt.
Gegenwärtig setzt man allgemein die sehr großen Erdgloben früherer Zeit, weil unbequem und kostspielig, den kleinen bis
zu etwa 80 cm Durchmesser nach, da diese letztern, ja auch noch kleinere, bei guter Ausführung allen Anforderungen durchaus
genügen. Doch sind auch heute noch die im 18. Jahrh. insbesondere in
Nürnberg in der Homannschen Offizin hergestellten Himmels- und Erdkugeln namentlich in Deutschland
[* 30] ziemlich verbreitet, nach
ihnen zeichneten sich die von Rode besorgten Himmelsgloben aus, die seit 1790 zu Nürnberg, später auch in Berlin
[* 31] verfertigt
wurden und sich durch Genauigkeit und Schönheit des Stichs empfahlen. 1827 konstruierte E. Garthe einen
Kosmoglobus, d. h. einen aus zwei die Sternbilder darstellenden Glashalbkugeln hergestellten Himmelsglobus, in dessen Innerm
er eine hölzerne Erdkugel anbrachte.
Sehr brauchbare Globen von verschiedener Größe, auch Reliefgloben werden in Deutschland, namentlich in Leipzig,
[* 32] Weimar,
[* 33] Berlin,
Prag
[* 34] und Wien verfertigt. Bei den Reliefgloben müssen ihrer Kleinheit wegen die Höhenverhältnisse stark
übertrieben werden, wenn man die Bodenplastik der Erdoberfläche auch nur annähernd zum Ausdruck bringen will, deshalb ist
ihr wissenschaftlicher und didaktischer Wert nicht so groß, als er vielfach gilt. Die Erdabglattung zu berücksichtigen,
ist bei Globen gewöhnlicher Größe durchaus überflüssig; denn sogar ein Globus von 1 m Äquatorialdurchmesser
hätte eine Polarachse, die nur um etwa 3,5 mm verkürzt werden müßte, welcher Längenunterschied dem Auge
[* 35] völlig unbemerkbar
wäre. Eine eigentümliche und kolossale Art von Erdgloben ist das Georama, ein hohler in dessen Innerm Galerien angebracht
sind, von denen aus man die auf der Oberfläche in erhabener Arbeit und koloriert dargestellten Länder,
Berge, Meere, Flüsse
[* 36] u. s. w. gleichsam umgekehrt erblickt.
Je nach der Ausstattung eines Globus ist seine Verwendbarkeit eine sehr ungleiche. Steht die Polarachse senkrecht und ist
sie unbeweglich, so beschränkt sich der Wert eines Erdglobus darauf, ein geometrisch richtiges Bild der Oberflächentopographie
und nach allen Richtungen hin die wahren Entfernungen zu geben, die sich durch einen halbkreisförmig
gebogenen Metallstreifen mit Maßstab
[* 37] direkt abmessen lassen. Ein auf seinem Stativ drehbarer Globus gestattet, die Wirkung der
täglichen Umdrehung der Erde auf Zeit- und Längenunterschiede anschaulich zu machen, besonders wenn ein Äquatorialring
mit Grad- und Stundenteilung vorhanden ist.
Wird die Erdachse der Wirklichkeit entsprechend gegen die Horizontalebene (Ekliptik) um 66 ½° geneigt,
so gestattet ein solcher Globus mit Meridionalring, Stundenkreis, Zeiger, etwa auch Kompaß,
[* 38] die Lösung der meisten Aufgaben der
mathem. Geographie. Auch ein kleiner Mond
[* 39] ist oft dem Globus beigegeben, sodaß dann auch die Mondphasen leicht anschaulich
gemacht werden können. In ähnlicher Weise läßt der Himmelsglobus das Anbringen einer Reihe von Nebenapparaten
zu, sodaß er ebenfalls geeignet gemacht wird, die Hauptbegriffe der Astronomie an ihm zu entwickeln. –
Vgl. Wollweber,
Globuskunde (2. Aufl., Freib. i. Br. 1885).
hysterĭcus (lat.), die hysterische Kugel, s. Hysterie. ^[= (vom grch. hystéra, Gebärmutter), Mutterplage, Mutterstaupe, eine eigentümliche, unter sehr ...]
(aus mittellat. clocca), ein hohles metallenes Gerät in Gestalt eines
stumpfen, unten auswärts gebogenen Kegels, mit einem Klöppel versehen, welcher durch Anschlagen an die Glockenwand einen
Schall
[* 41] hervorbringt. Das zu den meisten Glocke und fast immer zu größern Kirchenglocken benutzte Metall, Glockenmetall, Glockengut
oder Glockenspeise genannt, ist meist eine Legierung aus ungefähr 80 Teilen Kupfer
[* 42] mit 20 Teilen Zinn, also
eine ziemlich zinnreiche und deshalb harte Bronze.
[* 43]
Sonstige Metalle, der Legierung zugesetzt, vermögen niemals eine Veredelung derselben zu bewirken, erzeugen aber fast immer
erhöhte Sprödigkeit. Da in ältern Zeiten die Meinung verbreitet war, daß durch einen Zusatz von Silber
zur Glockenspeise der Klang der ein schönerer und reinerer werde, pflegte das gläubige Volk beim Gießen
[* 44] einer Kirchenglocke
Silbergegenstände gleichsam als Opfergabe darzubringen. In neuerer Zeit hat man jedoch in England durch Gießen von vier
Glocke aus verschiedenen Legierungen (die erste aus reinem Glockengut, die andern mit steigendem Silberzusatz)
bewiesen, daß das Silber den Ton der Glocke keinesfalls verbessert, sondern verschlechtert. Da ferner trotz der sorgfältigsten
Analysen in alten Glocke sich kein Silber nachweisen ließ, ist anzunehmen, daß die Öffnung des Schmelzofens, in welche die gläubige
Menge ihr Silber hineinwarf, gar nicht zu der eigentlichen Schmelzmasse führte. Über das Gießen der
Glocken s. Formerei.
[* 45]
Jede größere hat oben einen Kreuzhenkel, die sog. Krone, mit welchem sie im Glockenstuhl (s. d.) befestigt wird. Gewöhnlich
ist für die zu gießende Glocke das Gewicht und die Tonhöhe vorgeschrieben und die Abmessungen der Glocke müssen
dieser Vorschrift entsprechen. Die Tonhöhe wird durch die Größe der Glocke und durch die Stärke
[* 46] des Schlagrings
(desjenigen Teils, an den der Klöppel schlägt) bestimmt. Je größer die Glocke ist, desto tiefer ist im allgemeinen ihr
Ton. Meist sind auf den Kirchtürmen ganze Geläute, d. h. eine größere Anzahl von Glocke, vorhanden,
die untereinander in einem bestimmten Tonverhältnis stehen, sodaß das Geläute aller Glocke harmonisch
zusammenklingt. Die Glocke eines vierstimmigen Geläuts geben den Grundton, die Terz, Quinte und Oktave an; ihre Durchmesser verhalten
sich wie die Zahlen 2, 1 3/5, 1 ⅓, 1; ihre Gewichte ungefähr wie 8, 4 1/10, 2 4/10, 1.
Stahlglocken, zuerst von der Bochumer Gußstahlfabrik geliefert, haben in neuerer Zeit in Fabriken eine
nicht seltene, für Kirchenbauten aber nur vereinzelte Anwendung gefunden. Bronzeglocken bleiben jahrhundertelang brauchbar;
Stahlglocken sind dem Rosten unterworfen. Dieser Umstand muß Bedenken gegen ihre Anwendung für kirchliche Zwecke erwecken.
Stahlstabgeläute, billiger als Glocke, sind in Nordamerika
[* 47] und England vereinzelt angewendet
worden, in Deutschland nur in Bergwerken. Ihr Ton ist zwar sehr rein und hell, aber nicht weit genug vernehmbar.
Geschichtliches. Schon früh bediente man sich der Cymbeln, Schellen und Handklingeln zu religiösen Gebräuchen.
In Ägypten
[* 53] wurde das Osirisfest durch Glockenspiel verkündet; bronzene
Glöckchen wurden in Assyrien gefunden, solche von Gold
[* 54] trugen Aaron und die Hohenpriester der Juden am Saum des Oberkleides ihrer Amtstracht, und in Athen
[* 55] bedienten sich der Glocke die
Kybelepriester bei ihren Opfern. Auch die Römer
[* 56] kannten für die Ankündigung öffentlicher Versammlungen
den Gebrauch von Glocke (tintinnabula) und nach Sueton ließ Augustus eine solche vor dem Tempel
[* 57] des Jupiter aufhängen.
Für die christl. Kirche lag eine gleiche Verwendung sehr nahe. Doch ist nicht bekannt, daß in den ersten Jahrhunderten die
gottesdienstlichen Versammlungen der Christen durch irgend ein tönendes Zeichen angekündigt worden wären.
In Klöstern bediente man sich wohl, um die Gebetsstunden (s. Horacanonica) anzusagen, der Tuben oder mit dem Hammer
[* 58] zu schlagender
Holz- oder Metallplatten. Erst im 6. Jahrh. werden Glocke ausdrücklich erwähnt im
Frankenreiche und auf den brit. Inseln. Zur Zeit Karls d. Gr. waren sie schon ziemlich verbreitet, auch
bestand bereits ein Ritus der Glockenweihe (s. d.).
Die ältesten Glocke waren von geringem Umfang, wurden nicht gegossen, sondern geschmiedet. Das älteste Exemplar ist wohl der
sog. «Saufang» im städtischen Museum zu Köln.
[* 59] Erst seit dem Anfang des 14. Jahrh. wuchsen sie zu mächtiger Größe an, nachdem man schon vorher zum
Guß übergegangen war. Die berühmten Glockengießerfamilien zu Nürnberg und Augsburg datieren aus dem 14. Jahrh.; im 15. Jahrh.
war Ghert van Wou aus Kämpen in Holland, desgleichen die Familie Klinge (Klinghe), die vorzüglich im nordwestl.
Deutschland thätig war, berühmt. Die älteste datierte Glocke ist die des Doms zu Siena von 1159 und in Deutschland
die der St. Burkardskirche in Würzburg von 1249. Zu den größten Glocke gehört die des Kreml zu Moskau von 1533, 4320 Ctr. schwer,
welche beim Brande herunterfiel und in der Erde lag, bis sie 1836 auf einen 1 m hohen Granitsockel neben dem «IwanWelikij»
genannten Glockenturm gehoben wurde;
ferner die auf dem TurmeIwanWelikij selbst, 1000 Ctr. schwer und 1819 gegossen;
die Kaiserglocke auf dem südlichen der beiden Westtürme des Kölner
[* 60] Doms, 543 Ctr. schwer;
die Hauptglocke der Peterskirche
zu Rom,
[* 61] 380 Ctr. schwer;
die Glocke auf dem mittlern Domturme zu Olmütz
[* 62] in Mähren,
[* 63] 358 Ctr. schwer;
die Josephinische
Glocke des Stephansdoms zu Wien, 354 Ctr. schwer;
die große Glocke Maria gloriosa,
des Doms in Erfurt,
[* 64] 275 Ctr. schwer.
Inschriften und Ornamente,
[* 65] zuweilen auch Bildwerke, wurden schon in roman. Zeit auf den
Glocke angebracht. Jene sind fast ausnahmslos religiösen Inhalts oder sie geben Auskunft über den Gießer
und den Guß. –
Vgl. Otte, Glockenkunde (Lpz. 1858);
Zehe, Histor. Notizen über die Glockengießerkunst des Mittelalters
(Münster
[* 66] 1857);
Schönermark, Die Altersbestimmung der Glocke (Berl. 1889).
(als Zeitwort), ein Verfahren, durch das mittels eines erhitzten messingenen Kegels (Glockeisen
genannt) faltenreiche Krausen und Besetzungen an Kleidern so geplättet werden, daß eine Reihe halbrunder Bogen
[* 67] entsteht.
alte Volkssage, nach der Mittwoch vor Ostern die Kirchenglocken nach Rom zum Papst fliegen und am Sonnabend
darauf an ihre Stellen zurückkehren, oder vielmehr ihre Geister, denn die Glocken selbst sieht man in den Türmen hängen.
Die
Meinung knüpft an das Schweigen der Glocken vom Gründonnerstag bis Karsonnabend an.
das Eigentumsrecht an den Kirchenglocken. Es ist unzweifelhaft, daß die Glocken
seit uralter Zeit zwar Pertinenzen der Kirchen sind und vorzugsweise zu religiösen Zwecken verwendet werden, daß von ihnen
aber daneben auch in den verschiedensten Fällen, die mit dem Gottesdienste gar keinen Zusammenhang haben, Gebrauch gemacht
wird. Die ursprüngliche Bestimmung der Glocken ist die, Personen zusammenzurufen, und zwar nicht bloß zum
Gottesdienst oder zu irgend einer feierlichen Kultushandlung, sondern auch zu weltlichen Versammlungen (Bürgersprachen,
Gerichtstagen, Innungsberatungen u. dgl.) oder zur Hilfeleistung in der Not (Sturmglocke, Feuerglocke) oder zur Verfolgung
von Flüchtlingen u. s. w.
Da die Glocken im liturgischen Apparat einen Platz einnahmen, so schrieb sich die Kirche eine besondere Kompetenz darüber zu;
die Kirchenglocken wurden eingesegnet und sogar geweiht (s. Glockenweihe);
sie wurden zu den kirchlichen Sachen (res sacrae)
gerechnet;
den Pfarrern wurde die Aufsicht und Verfügung über dieselben zugewiesen und ihnen die Anstellung der Glöckner
und die Dienstgewalt über dieselben übertragen. In sehr vielen Gemeinden dienen dieselben Glocken kirchlichen und profanen
Zwecken, und zwar sind sie regelmäßig in dem Kirchturm angebracht.
Hier entstehen häufig Konflikte über den Gebrauch der
Glocken, indem die Pfarrer auf Grund des kath. Kirchenrechts die ausschließliche Verfügung darüber beanspruchen, die Gemeindebehörden
dagegen die Befugnis des Gebrauchs der Glocken auch für sich beanspruchen.
Glockenrecht (frz. Droit surles cloches) war sonst auch die Bezeichnung
für ein altes Herkommen, nach welchem die Glocken einer eroberten Festung
[* 71] dem Kommandanten der Artillerie des Belagerers gehörten,
von welchem sie die städtischen Behörden zurückerkaufen mußten. Einen Teil dieser Summe behielt der Kommandant für sich,
den Rest verteilte er unter die Mannschaft. Noch 1807 verfuhr Napoleon I. nach der Eroberung von Danzig
[* 72] dem Glockenrecht gemäß, und auf ausdrückliche Verordnung des Kaisers erhielt jeder Mann des Belagerungskorps einen Teil des Erlöses
ausgezahlt.
(Glöckchen),
der Ton, welcher entsteht, wenn man auf einer Violine oder Viola eine freie Saite kräftig
anstreicht, den Bogen aufhebt und die Tonbildung durch sanftes Reißen der Saite mit einem Finger unterstützt.
elektrisches, s. Elektrisches Glockenspiel. ^[= ein Spielzeug, das auf der elektrischen Anziehung und nachfolgenden Abstoßung beruht, durch ...]
[* 73]
sind Zusammenstellungen von Glocken verschiedener Größe, die nach der diatonischen oder diatonisch-chromatischen
Tonleiter gestimmt sind, um vermittelst Klaviatur
[* 74] oder Walze durch bewegliche Hämmer zum Erklingen in Melodien gebracht
zu werden. Anfänge von solchen finden sich schon in frühen Zeiten, so im 5. Jahrh. das bombulum, bestehend aus einer metallenen
Stange mit wagerechtem Kreuzbalken, an dem die Glocken hingen, auch nolae und tintinnabula genannt.
Aus dem 10. bis 12. Jahrh. sind Beschreibungen und Abbildungen von solchen Glockenspiele erhalten. Klavierinstrumente
größerer Art, Carillons genannt, kommen seit dem 16. Jahrh. auf Türmen und öffentlichen Gebäuden besonders in den Niederlanden
vor. In Deutschland vermochten sie sich weniger einzubürgern, kommen aber in niederdeutschen Gegenden hier und da vor (z. B.
im GrauenKloster zu Berlin, Garnisonkirche zu Potsdam).
[* 75] Während in den Niederlanden 115, in Belgien
[* 76] 97 in
Gebrauch sind, weist Deutschland deren nur 8 auf; das erste kam 1487 mit nur wenigen Glocken und sehr einfachem Mechanismus
in Aelst in Flandern in Anwendung.
Zur leichten Handhabe dient eine Erfindung des Holländers Smulders. Ein Tastenapparat ermöglicht es, getragene Tonstücke
aller Art zur Ausführung zu bringen. Nach diesem System ist das neue Glockenspiele der St. Petrikirche in Hamburg
[* 77] mit 40 Glocken eingerichtet. Kleinere Glockenspiele mit besondern Tasten waren auch in den alten Orgeln. Bei Militärmusiken und festlichen
Aufzügen hatte man tragbare Carillons, die mit Klöppeln geschlagen wurden. An die Stelle dieser trat in neuerer Zeit
die Lyra
[* 78] oder das Stahlspiel, bestehend aus abgestimmten, auf einem lyraförmigen Rahmen befestigten Stahlstäben, die mit einem
Hammer geschlagen werden.
eine Vorrichtung, in welcher die größern Glocken aufgehängt werden und schwingen. Da
durch das Schwingen der Glocken eine Schwingung
[* 79] des ganzen Turms hervorgerufen wird, muß der Glockenstuhl möglichst fest stehen; er
soll daher auch mit den Mauern des Turms nicht in fester Verbindung stehen. Die Glocken werden durch schmiedeeiserne Bänder mit
ihren Kronen
[* 80] an starke eichene Riegel befestigt. Diese tragen an ihren Stirnseiten eiserne Lagerzapfen,
mittels deren sie in den im eigentlichen Glockenstuhl angebrachten Lagern ruhen und in diesen drehbar sind. Der Glockenstuhl selbst
ist ein aus Winkel- und
¶
mehr
Flacheisen, wie in umstehenden
[* 81]
Fig. 1 u. 2 (Vorder- und Seitenansicht), oder aus starken Eichenbalken gebildetes Gerüst, welches
auf einer Balkenlage
[* 82] im Glockenturm aufgestellt wird. Die Bewegung der Glocke geschieht durch ein Hebelwerk, welches von unten
angezogen wird.
(ital. nota sostenuta), eine Gesangsmanier, die in dem
schnellen Wechsel von Crescendo (s. d.) und Decrescendo auf einem und demselben Tone besteht und in der Wirkung dem Tone der
Glocke nahe kommt.
Nürnberger Künstlerfamilie, deren Mitglieder als Miniaturmaler berühmt waren. Das älteste war Georg
der Ältere (gest. 1515); sein Sohn Albrecht soll eine große poet. Begabung besessen und auch als Formschneider
sich ausgezeichnet haben. Den größten Namen aber erwarb sich NikolausGlockenton (gest. 1534), der das berühmte Meßbuch für Albrecht
von Mainz
[* 83] 1524 ausführte, das jetzt in Aschaffenburg
[* 84] aufbewahrt wird, wo auch ein von ihm illustriertes Gebetbuch sich befindet.
Die Bibliothek zu Wolfenbüttel
[* 85] besitzt von ihm eine Bibel
[* 86] mit Miniaturen nach Dürers Holzschnitten.
(Chasmorhynchus), Gattung der Fruchtvögel (s. d.). die in vier Arten das tropische kontinentale Amerika
bewohnt. Die Tiere haben einen platten, niedergedrückten, weit gespaltenen Schnabel, sind an der Kehle und den Wangen nackt.
Die Geschlechter sind in der Färbung sehr verschieden. Eine der bekanntern Arten ist der Schmied oder
Glöckner (ChasmorhynchusnudicollisTemm., s. beistehende
[* 81]
Figur), bei der das Männchen schneeweiß ist, das
Weibchen aber graugrün, unten heller mit dunkeln Längsstreifen, mit schwarzem Scheitel und schwarzer Kehle. Länge 25 cm,
wovon auf den Schwanz 7 cm entfallen. Die Tiere haben einen außerordentlich lauten, Glockengeläute vergleichbaren
Ruf, den sie nach Sonnenuntergang erschallen lassen.
Glockentaufe, Feierlichkeit bei Einweihung einer Glocke. Die in der kath. Kirche noch gegenwärtig gebräuchliche
Glockenweihe ist erst seit dem 8. Jahrh. üblich geworden. Sie ist
nicht überall gleich;
wesentlich besteht sie darin, daß unter dem Gesange des Miserere und des 28. Psalms die Glocke mit geweihtem
Wasser besprengt, mit heiligem Öl gesalbt, bekreuzigt, mit der Taufformel geweiht und beräuchert wird. Die Glocke erhält
eine heilige Person als Paten und führt deren Namen. Die Reformation hat die Glockenweihe als einen Mißbrauch verworfen; doch findet
auch in der prot. Kirche bei der Einführung neuer Glocken eine angemessene kirchliche Feier statt. –
Vgl. Steffens, Kirchenweihe
und Glockensegnung aus dem röm. Pontifikale (Essen
[* 88] 1893).
oder Großglockner, nächst dem Ortler (3902 m) und dem Königsspitz (3857 m) der höchste Gipfel des österr.
Alpengebietes, der zehnthöchste in den Ostalpen (s. d.),
erhebt sich in den Hohen Tauern an der Grenze von Tirol
[* 89] und Kärnten zu 3798 m Höhe. Der Berg, eine der schlanksten Eispyramiden,
gehört nicht dem Hauptkamme an, sondern entsteigt dem 11 km langen Grat, der sich vom Eiskögele (3439 m) südöstlich bis
zur Mündung des Leiterbachs in die Möll unweit Heiligenblut (s. d.)
erstreckt.
Die Ostseite dieses Grats, in dem sich zum letztenmal gegen O. die ganze Großartigkeit der Hochalpen entfaltet, fällt gegen
den mächtigen Gletscher der Pasterze (s. d.) ab; südwestlich gegen die Oberstufe des Kalserthals
senken sich vom Schneewinkelkopf (3412 m), dem Romariswandkopf (3547 m) und der Glocknerwand (3721 m)
das Laperwitz-, Frusnitz- und Teischnitzkees; südlich hangen vom Glockner und der Adlersruhe (3463 m) das Ködnitz-
und das Leiterkees gegen die gleichnamigen Thäler hinab.
Der Grat besteht aus Chloritschiefer, der an der Ostseite von gelblichweißem Kalkglimmerschiefer unterteuft wird. Der Gipfel
besteht aus zwei durch eine bald felsige, bald übereiste Scharte getrennten Spitzen, dem Kleinglockner
und dem etwas höhern Großglockner, mit einem 2 m hohen Kreuz. Die Aussicht erstreckt sich über den ganzen Kranz der Alpen
[* 90] vom Ortler bis zum Triglav, nordwärts bis zum Böhmerwald, südwärts bis zum AdriatischenMeer. Die Besteigung ist durch Erbauung
von 5 Schutzhütten jetzt sehr erleichtert; es sind dies: das Glocknerhaus auf der Elisabethruhe (2101
m), die Hofmannshütte an der Pasterze (2438 m), die Salmhütte im Leiterthal (2805), an Stelle der alten, verfallenen Hütte
errichtet, die Stüdlhütte auf der Vanitscharte (2800 m) und die Erzherzog Johannhütte auf der Adlersruhe (3464 m);
Die ersten Versuche zur Besteigung wurden aus Anregung des Kardinals und Fürstbischofs von Gurk,
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Fürst Salm-Reifferscheid, unternommen. Zwei Heiligenbluter Bauern gelangten bis zur Adlersruhe und 23. Juni bis dicht
unter den Kleinglockner. Am 19. Aug. bezog eine Expedition von 30 Personen unter Leitung des Fürstbischofs selbst eine Unterkunftshütte
im Leiterthal. Die Gesellschaft drang bis zur Adlersruhe, 4 Bauern(24. Aug.) bis zum Kleinglockner vor, wurden
jedoch durch Unwetter zur Umkehr genötigt. Endlich25. Aug. wurde der Kleinglockner (3765 m) von einigen Bauern bestiegen. Am
abermals unter Salms Leitung, wurde eine zweite Expedition unternommen (62 Personen).
Diesmal wurde, 28. Juli, die Spitze des Großglockners selbst von den Heiligenbluter Bauern und Pfarrer Horrasch
aus Dellach erreicht und am folgenden Tage von den Bauern und dem jungen Mathematiker Valentin Stanig nochmals bestiegen. Kurz
nachher gelangte auch der Naturforscher Dr. Schwägrichen auf die höchste Spitze; 1802 fand die dritte Salmsche Expedition
statt, wobei auch der Fürstbischof den Kleinglockner bestieg. Seitdem wurde der Glockner häufiger
bestiegen, unter andern von FranzKeil, der ein Relief, und von Markus Pernhart, der ein Panorama des Berges entwarf. - Mit der
Ausarbeitung eines Glockner-Reliefs in dem großen Maßstabe von 1:2000, wobei der Großglockner ohne Überhöhung eine Höbe
von 1,9 m erhalten wird, ist der Geoplast P. Oberlercher in Klagenfurt
[* 92] beschäftigt. Das Relief wird
eine Länge von 7 m und eine Breite
[* 93] von 3 m besitzen und wird im Landesmuseum zu Klagenfurt aufgestellt sein; es soll 1893 vollendet
werden.
2) Glogau, auch Großglogau, zum Unterschied von Oberglogau (s. d.), Kreisstadt im Kreis Glogau und Festung zweiten Ranges (s. Deutsches Festungssystem),
links an der Oder und an den Linien Breslau-Stettin und Lissa-Hansdorf der Preuß. Staatsbahnen,
[* 97] ist Sitz des Landratsamtes,
eines Landgerichts (Oberlandesgericht Breslau)
[* 98] mit 15 Amtsgerichten (Beuthen
[* 99] a.O., Carolath, Freistadt, Glogau, Grünberg,
[* 100] Guhrau,
Halbau, Herrnstadt, Kontopp, Neusalz a.O., Polkwitz, Priebus, Sagan,
[* 101] Sprottau,
[* 102] Steinau a.O.), eines Amtsgerichts, Hauptsteueramtes,
Eisenbahnbetriebsamtes (423,14 km Bahnlinien) der Eisenbahndirektion Breslau, einer Reichsbankstelle (Umsatz
1892: 377,926 Mill. M.), Wasserbauinspektion, Fortifikation, eines Artilleriedepots, Proviantamtes, der Kommandos der 9. Division,
der 17. und 18. Infanterie- und der 9. Kavalleriebrigade und hat (1890) 20529 (11165 männl., 9364 weibl.)
E., darunter 5989 Katholiken und 863 Israeliten, in Garnison (3171 Mann) das 58. Infanterieregiment,
die 1. Abteilung des 5. Feldartillerieregiments von Podbielski, das 1. Bataillon des 6. Fußartillerieregiments von Dieskau
und das 5. Pionierbataillon; Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, Telegraph,
[* 103] Fernsprecheinrichtung, städtische Feuerwehr,
Wasserleitung
[* 104] (seit 1442), Kanalisation, Gasanstalt der
Schlesischen Gasaktiengesellschaft.
Die Stadt ist im O., S. und W. mit Festungswerken umgeben, die 1881 nach Osten zu erweitert wurden und eine
Ausdehnung
[* 105] der Stadt zur Folge hatten. Über die Oder im Norden
[* 106] führt eine große hölzerne Brücke
[* 107] nach der befestigten Dominsel.
Die Stadt hat je drei evang. und kath. Kirchen, unter letztern der Dom auf einer Oderinsel, ferner zwei Synagogen, ein königl.
Schloß, jetzt Sitz der Behörden, mit dem Hungerturm zur Erinnerung an den Hungertod der von HerzogJohann II. eingesperrten
Magistratspersonen, ein Rathaus mit Turm
[* 108] (80 m), neues Postgebäude, Garnisonlazarett; an Unterrichtsanstalten ein königlich
evang. Gymnasium, 1708 als Seminarium gestiftet, seit 1812 Gymnasium (Direktor Dr.
Langen, 16 Lehrer, 8 Klassen, 172 Schüler), königlich kath. Gymnasium, 1626 von den Jesuiten gegründet
(Direktor Jungels, 15 Lehrer, 7 Klassen, 190 Schüler), eine Kriegsschule, simultane höhere Mädchenschule, Knaben- und Mädchenmittel-,
Handwerkerfortbildungsschule; ferner zwei Freimaurerlogen, Stadttheater, städtische Krankenanstalt mit Siechenhaus und Bürgerspital,
Diakonissenanstalt, Kloster und Krankenhaus
[* 109] der Grauen Schwestern zur heil. Elisabeth, Domhospital, Armen-, Waisenhaus, israel.
HeiligesStift. – Die Industrie (25 Fabriken mit etwa 1000 Arbeitern) erstreckt sich auf Fabrikation von Zucker
[* 110] (die Raffinerie
Glogau ist eine Zweiganstalt der Zuckerfabrik Fraustadt),
[* 111] Stärke, Sirup und Dextrin, Thonwaren,
[* 112] Maschinen und Turmuhren, Eisengießerei,
[* 113] Dampfstellmacherei, große Eisenbahnwerkstätten. Bedeutend ist das geogr. Institut von Carl Flemming (s. d.) sowie der Weinhandel.
Neben der Reichsbankstelle bestehen Kommanditen des Schlesischen Bankvereins und der Breslauer Wechslerbank, ein Vorschußverein,
eine Kreis- und eine städtische Sparkasse. Glogau ist der Geburtsort des Dichters Gryphius und des Fürstbischofs Heinr.
Förster. – Ehedem war Glogau Hauptstadt des Fürstentums Glogau, welches der dritte Sohn des niederschles.
HerzogsHeinrich II. oder des Frommen, Konrad II., in dem Teilungsvertrag von 1252 erhielt. Es begriff
damals den ganzen nördl. Teil von Niederschlesien oder Glogau, Sagan und Crossen
[* 114] in sich. Durch Herzog Konrad, der viele deutsche
Kolonisten ins Land zog, wurde die Stadt ansehnlich erweitert und erhielt Deutsches Recht. Sein Sohn HerzogHeinrich III.
erweiterte sein Besitztum durch Erwerbung des größten Teils des Fürstentums Breslau; doch zerfiel es unter dessen Söhnen 1309 wieder
in vier Teile.
Die damals von Przemislaw gestiftete Sonderlinie Glogau starb mit demselben 1331 wieder aus, worauf die beiden andern
glogauischen Sonderlinien, die von Sagan und von Steinau, das Land, jedoch jetzt unter böhm. Hoheit,
geteilt in Besitz nahmen. Das nunmehr unter HerzogHeinrich IV. neugebildete Herzogtum Glogau wurde bald wieder in mehrere Teile
zersplittert, deren Fürsten 1476 ausstarben, worauf nach langen Streitigkeiten 1481 der HerzogJohann von Sagan mit Glogau, jedoch
mit Ausnahme von Schwiebus,
[* 115] Züllichau und Crossen, die an den Kurfürsten AlbrechtAchilles von Brandenburg
[* 116] kamen, belehnt wurde. Mit seinem gewaltthätigen SohneJohann II., der 1489 seiner Länder verlustig wurde, starb der piastische
Stamm der Herzöge von Glogau völlig aus, und seit 1506 hörte Glogau auf, ein eigenes Herzogtum
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