Einprägung war die Hauptsache. Gegen dieses
Verfahren erhob sich im 17. Jahrh. eine Reaktion.
Ratke Ratichius, gest.
1635) stellte den Grundsatz auf: «Nichts soll auswendig gelernt werden; es ist
ein Zwang der Natur, man thut dem Verstand Gewalt an.»
Comenius (gest. 1670) wollte, «daß der
Schüler nichts lerne, was er
nicht begriffen habe». Ebenso erklärte sich
Rousseau entschieden gegen dieses
Auswendiglernen, und eine ähnliche
Stellung
nahmen
Basedow und die Philanthropisten ein. In neuerer Zeit hat sich die
Anschauung durchgebildet, daß besser ein Mittelweg
einzuschlagen und daß auch die Stärkung des Gedächtnisses als eine hochwichtige
Aufgabe des Unterrichts zu betrachten sei.
Dazu bietet jeder Gegenstand reichlichen
Stoff. Was zum Verständnis gebracht ist, soll auch befestigt werden; doch nicht
bloß in einer Form, sondern es soll durch vielfache Verknüpfungen mit den übrigen geistigen Elementen zum vollständigen
Eigentume des
Geistes gemacht werden. Es macht sich daher das Bestreben geltend, die schriftlichen, namentlich stenographischen
Notizen der
Schüler im Unterricht einzuschränken und durch geeignete Gedächtnisübungen zu ersetzen. Aber auch der wörtlichen
Einprägung solcher
Stoffe, die durch
Inhalt und Form wertvoll sind, z. B.
Sprüche, Sentenzen, klassische
Dichtungen, ist ihr
Recht zuzugestehen. Diese müssen aber planmäßig, im Anschluß an den übrigen Unterricht, ausgewählt, auf das rechte
Maß beschränkt werden und vor dem Lernen zum Verständnis gebracht sein.
Auswendiglernen bloß zum Zwecke
der Gedächtnisübung ohne Rücksichtnahme auf den übrigen Unterricht und ohne daß vorher ein klares Verständnis herbeigeführt
ist, ist jedenfalls zu verwerfen.
(d. h. gedeckt), Bezeichnung der gedeckten, d. h.
der an ihrer Mündung verschlossenen Labialpfeifen der Orgel, namentlich für tiefe
Stimmen im Gebrauch.
mürber
Bernstein,
[* 3] ein unter dem Ostseebernstein vorkommendes fossiles Harz, das sich
vom
Bernstein durch geringere Härte und dem
Mangel an
Bernsteinsäure unterscheidet;
Gedanit findet bisweilen wie
Bernstein Verwendung.
(engl. thought-reading ooder mind-reading), die angebliche Kunst, durch
«psychische Strahlung» oder «magnetischen
Rapport» dieGedanken anderer zu erraten, ward bereits in den
«Makamen» des
Hariri erwähnt und schon vor
Jahrhunderten von den türk.
Derwischen und den ind.
Fakirs geübt. Aber erst seit 1875, als in Neuyork
[* 5] der Amerikaner
Brown
zuerst öffentlich als «Gedankenleser» auftrat und etwas später der Engländer
IrvingBishop sowie der AntispiritistStuartCumberland oder, wie er eigentlich heißt, Charles Garner öffentliche
Schaustellungen über das in fast allen Großstädten des Kontinents
gaben, wurde die
Aufmerksamkeit der Gebildeten sowie
das Interesse der Physiologen und
Philosophen auf die anscheinend so wunderbare Kunst gelenkt.
Die gewöhnlichste Form des Gedankenlesen besteht darin, daß in
Abwesenheit des Gedankenlesers ein beliebiger Gegenstand
versteckt oder eine bestimmte
Person, Zahl,
Silbeu. dgl. in
Gedanken genommen wird, worauf der Gedankenleser in die Gesellschaft
zurückkehrt und sich einige
Wissende zu «Medien» erwählt; mit verbundenen
Augen erfaßt er sodann das
Medium, dessen
Gedanken
er erraten soll, bei der
Hand,
[* 6] fordert es laut auf, seine
Gedanken auf die zu suchende
Person oder Sache
fest zu konzentrieren und führt es sodann nach längerm oder kürzerm Suchen auf den gedachten Gegenstand zu.
SollenZahlen
oder Worte erraten werden, so führt er die
Hand des
Mediums wiederholt über ein
Blatt
[* 7] oder eine
Tafel, auf welcher die
Buchstaben des
Alphabets oder die zehn Zahlzeichen vorgezeichnet sind, und zeigt mit verbundenen
Augen auf die gedachte Zahl
oder
Silbe; auf ähnliche
Weise werden gedachte
[* 1]
Figuren, Melodien
u. dgl. erraten. Bei geübten Gedankenlesern erfolgt das Finden
und Erraten der gedachten
Person, Zahl oder Sache gewöhnlich ziemlich schnell und sicher; doch kommt
es nicht selten vor, daß erst ein zweites oder drittes
Medium zu Hilfe genommen werden muß, das seine
Gedanken «besser zu
konzentrieren» versteht.
Die richtige Erklärung des Gedankenlesen gab zuerst der amerik. Nervenarzt Gedankenlesen M.
Beard, indem er in seiner
Abhandlung«Physiologie des
Gedankenlesens» (1877) den Nachweis führte, daß die Manipulationen
des Gedankenlesers auf leicht verständliche
Weise durch gewisse unbewußt erfolgende Muskelbewegungen des sog.
Mediums zu
stande kommen. Den direkten experimentellen
Beweis hierfür lieferte sodann der Physiolog William Preyer, der 1886 eine Reihe
geistvoller Untersuchungen über das Gedankenlesen veröffentlichte.
Danach steht fest, daß die allermeisten
Menschen, wenn sie scharf und unverwandt an einen Gegenstand
denken, mit ihren
Händen völlig unbewußt gewisse Muskelbewegungen ausführen, die zwar äußerst schwach, aber doch immerhin
noch kräftig genug sind, um von einem geübten Gedankenleser gefühlt zu werden. Das Vorhandensein derartiger minimaler
Muskelkontraktionen hat Preyer durch einen eigens von ihm konstruierten, sehr empfindlichen
Apparat, den
Palmographen, nachgewiesen, welcher die schwächsten
Bewegungen graphisch darzustellen gestattet.
Nun besteht zwischen der
Richtung, in welcher diese kleinen Muskelstöße erfolgen, und dem fixierten
Gedanken die einfache
Relation, daß der Gedankenleser nur der
Richtung der
Stöße zu folgen braucht, um zum Ziele zu gelangen. Wenn also z. B.
eine
Stecknadel versteckt wurde und diese vom Gedankenleser gesucht werden soll, so wird dieser durch
die unbewußten Muskelbewegungen des
Mediums dorthin geführt, wo sich die
Nadel befindet, und soll eine bestimmte Zahl geschrieben
oder der
Umriß eines
Tieres gezeichnet werden, so führt der an die Zahl oder an das
Tier beständig Denkende dem Gedankenleser
gewissermaßen die
Hand, ähnlich wie die
Mutter dem
Kinde bei den ersten Schreibversuchen. Natürlich sind die fraglichen Muskelbewegungen
des
Mediums außerordentlich schwach und kurzdauernd, und es gehört ein besonderes Geschick und eine gewisse Feinfühligkeit
dazu, um sie in genügender
Weise wahrzunehmen. Der
Name Gedankenlesen würde sonach besser durch
¶
mehr
«Muskellesen» ersetzt; denn der Gedankenleser liest in Wahrheit nicht in
den Gedanken des Mediums, sondern dieses wird durch seine unwillkürlichen und unbewußt bleibenden Muskelbewegungen und durch
seine Aufregung selbst zum Verräter seines Gedankens; das Medium wird beim Suchen nicht, wie es den Anschein hat, von dem
Gedankenleser geführt, sondern ist im Gegenteil der eigentlich führende Teil.
Ohne eine direkte Berührung zwischen Medium und Gedankenleser fällt die Möglichkeit des Gedankenlesen ohne weiteres fort. Zwar hat
neuerdings der Pariser Physiolog Charles Richet auf Grund zahlreicher von ihm und andern angestellter Experimente zu beweisen
versucht, daß eine Fernwirkung menschlicher Vorstellungen, also eine unmittelbare Gedankenübertragung
(frz. Suggestion mentale; engl. Thought-transference) von einem Gehirn
[* 9] auf ein anderes ohne wahrnehmbare physische Vermittelung
möglich sei; doch hat Prever nachgewiesen, daß bei den Richetschen Experimenten Zufall und Selbsttäuschung eine große
Rolle spielen.
Richet, in der Revue philosophique", 1884, S. 609-671; Preyer, Die Erklärung des Gedankenlesen (Lpz.
1886);
Richet, Experimentelle Studien auf dem Gebiet der Gedankenübertragung und des sog. Hellsehens (deutsch von Freiherr
von Schrenck-Rotzing, Stuttg. 1891).
Interpunktionszeichen (-), bezeichnet eine längere Pause im Lesen und steht deshalb hauptsächlich
am Schlusse eines Satzes nach dem Punkt, wird aber auch statt der Parenthese (s. d.) - vor
und hinter eingeschobenen Sätzen - wie hier angewendet.
Weg, bei gemauerten Befestigungen ein vor derKontereskarpe befindlicher und vor unmittelbarem feindlichen
Feuer geschützter Raum, der dadurch gebildet ist, daß die Anschüttung der Glacis sich nicht unmittelbar
an die Kontereskarpe anschließt, sondern in ihrer ganzen Länge, 5-10 m, von der letztern entfernt bleibt. Der Gedeckter Weg dient:
1) als gesicherter Verkehrsweg jenseit des Grabens rings um die Festung;
[* 12]
2) zur geschützten Aufstellung von Wachen und Posten jenseit des Grabens;
3) zur niedern Bestreichung des nächsten Vorgeländes;
4) als Sammelort und Ausnahmestellung für Ausfalltruppen. In den aus den allgemeinen Grundrißformen sich ergebenden ein-
und ausspringenden Winkeln wird der Gedeckter Weg dadurch erweitert, daß im einspringenden Winkel
[* 13] die Glaciskante
nach außen gebrochen, im ausspringenden Winkel die Kontereskarpe abgerundet wird; die hierdurch entstehenden
Erweiterungen heißen einspringende und ausspringende Waffenplätze
[* 14] (s. d.) und
werden besonders zur Verteidigung eingerichtet.
Als Verbindungen zum Gedeckter Weg dienen die großen Friedensthore, welche in Thorpoternen oder offenen Einschnitten
durch den Wall und auf Brücken
[* 15] oder
Dämmen über den Graben führen, auch benutzt man Rampen oder Treppen,
[* 16] um von der Grabensohle
aus die Kontereskarpe zu ersteigen. In das Vorgelände gelangt man aus dem Gedeckter Weg durch Einschnitte im Glacis, sog. Sorties. Detachierte
Werke erhalten bisweilen keinen Gedeckter Weg in der vorbeschriebenen Einrichtung, sondern nur einen 1-2 m breiten
Rondengang, der von Posten und Patrouillen und auch zur Infanterieverteidigung benutzt werden kann.
Friedr., Pädagog, geb. zu Boberow in der Mark Brandenburg, studierte in Frankfurt
[* 20] a. O. Theologie und
Philologie, wurde 1776 Subrektor des Friedrich-Werderschen Gymnasiums in Berlin,
[* 21] 1778 Prorektor und 1779 Direktor desselben. 1784 wurde
er zum Oberkonsistorialrat, 1787 zum Oberschulrat und Mitglied des Oberschulkollegiums, 1790 zum Mitglied der Königl. Akademie
der Wissenschaften und 1791 zum Doktor der Theologie ernannt. Nachdem er seit 1791 Mitdirektor des Köllnischen Gymnasiums
gewesen, wurde er nach BüschingsTode (1793) Direktor desselben und der beiden davon abhängenden Schulen.
Er starb in Berlin. Auf G.s Anregung ist die Gründung des Berliner
[* 22] Seminars für Gelehrtenschulen (1787) und die
Einführung der Reifeprüfung an den Gymnasien sowie die Anlegung von Schulbibliotheken an den Berliner Schulen zurückzuführen.
Eine Sammlung seiner «Schulschriften» (2 Bde.,
Berl. 1789-95) hat er selbst veranstaltet. Mit seinem Freunde Biester begann er 1783 die «Berlinische
Monatsschrift».
oder (poln.) Gedymin, Großfürst von Litauen(1315-25), kämpfte mit dem DeutschenOrden
[* 23] und befreite Samogitien
von demselben. Sodann eroberte er Wladimir, Luck, Shitomir, endlich auch Kiew,
[* 24] den alten Hauptsitz der Großfürsten von Rußland,
und ward dadurch der Begründer des litauisch-russ. Reichs. 1320 gründete Gedimin die Stadt Wilna
[* 25] auf den
Rat des Erzpriesters Lezdejko, den Papst Johann XXII. zu ihm gesandt hatte, um ihn zur kath. Kirche zu bekehren. Allein Gedimin blieb
Heide bis zu seinem Tode, der 1337 bei der Belagerung der Ordensfestung Bajerburg durch ein feindliches Geschoß
[* 26] erfolgte. Seine
Tochter Aldona verheiratete er 1325 an den poln. Thronfolger Kazimir, eine
zweite, Danmilla, an den Fürsten Waclaw von Masowien. Das neue litauisch-russ. Reich wurde unter seine sechs Söhne (die Gedimine
oder Gediminowitsche) geteilt.
uraltes deutsches Wort für Vertrag, heutzutage noch üblich als Verabredung von Akkordarbeit und in Zusammensetzungen,
wie Strafgeding statt Konventionalstrafe.
Die Eventualbelehnung (s. d.) wurde im Mittelalter Geding genannt,
der bedingt Beliehene hieß Gedingsmann, der Lehnsherr, der die Belehnung mit Geding erteilt hatte, Gedingsherr.
(auch Sarabat, der Hermus der Alten), Fluß in Kleinasien, entspringt 15 km
¶
forlaufend
638
im NNW. von der Stadt Gedis im Wilajet Khoda- wendikjar, fließt zuerst durch tiefe Schluchten, dann vorwiegend in
westl. Richtung durch die Sandschaks Saruchan und Smyrna des Wilajets Aidin und ergießt sich nach einem Laufe von 300 km in
den Golf von Smyrna.
In der Regenzeit hat der Geer 5-6 m Tiefe, im Sommer, mit Ausnahme des Unterlauss, nur
wenig und zwar ungenießbares Wasser.
Bei Manissa ist er 30 m breit.
Sein Thal
[* 28] benutzt zum Teil die Bahnlinie Smyrna-Alaschehr.
Gedrittschein, s. Aspekten. Gedrosia oder Gadrosia, auch Cedrosia, bei den Alten das an Indien grenzende nördlichere Küstenland
am Eingang des PersischenMeerbusens, das sich beinahe gänzlich mit dem heutigen Velu- tschistan deckt.
Geer ist namentlich durch den Rückzug Alexanders aus Indien bekannt.
Bei Herodot und den Altern kommt der Name Geer nicht vor.
Das
Land wird als unwirtbar geschildert, voll hoher Kugel und tiefen Sandes unter glühender Sonnen- hitze.
Vor
Alexander foll nur Semiramis und Cyrus dasselbe mit einem Heer durchzogen haben: erstere sei nur mit zwanzig, letzterer nur
mit sieben Män- nern entkommen.
Von seinen Werken sind hervorzuheben: das Standbild des ArztesAndr. Vesalius in Brüssel
[* 31] (1847),
das des ersten belg. Buch- druckers Maertens in Alost (1856), das bronzene Reiterstandbild des Königs
Leopold 1. in Antwerpen (1868), Der gefallene Engel (eins seiner bekanntesten Werke, im ?a1ai8 äes d6aux-art8 zu Brüssel).
Geefs (spr. chehfs), Willem, belg. Bildhauer, geb. zu
Antwerpen, studierte daselbst und in Paris
[* 32] und kehrte 1830 nach Belgien
[* 33] zurück. Er ließ sich anfangs in
Brüssel nieder, wurde 1834 Professor an der Akademie zu Antwerpen und 1845 Mitglied der BelgischenAkademie.
Seine Haupt- werke
in Brüssel sind: das Marmorstandbild des Generals Velliard (1836), das Marmordenkmal des GrafenFriedrich von Merode in der
Kathedrale (1837), das Monument für die in der Revolution von 1830 Gefallenen auf der Place des
Martyrs, das Standbild Verhaegens im Vorhof der Univer- sität, das des Königs Leopold I. auf der Kongreß- säule (1859),
das Denkmal desselben Herrschers in Laeken (1880);
ferner die eherne Kolossalstatue des Rubens in Antwerpen (1840; s. Tafel:
Nieder- ländische Kunst IV, Fi.q. 2), die des Kompo- nisten Gre'try in Lüttich
[* 34] (1842), eine holzgeschnitzte
Kanzel mit fünf Marmorsiguren in der dortigen Paulskirche (1844), das Standbild König Leopolds 1. in Namur
[* 35] (1869).
Diefe
Arbeiten zeigen die Vor- züge der franz. Schule und eine meisterhafte Indi- vidualisierung sowie einen hohen Adel der Darstel-
lung, während andere Arbeiten, wie: Francescada Rimini, Der verliebte Löwe (1851; Museum zu Brüssel), Paul und Virginie (1851
für die Königin von England ausgeführt), zugleich eine große In- nigkeit des Gefühls und Zartheit der Behandlung bekunden.
Geer starb in Brüssel. - Seine Gemahlin, Fanny Geer (geb. 1814, gest.
1883), geborene Corr,
eine Schülerin von Navez, hat sich als Malerin im Bildnis- und Genrefach einen Namen gemacht. Geel (spr.
chehl), Stadt, s. Gheel. Geel (spr. chehl), Jak., Holland.
Philolog, geb. 1789 zu Amsterdam,
[* 36] erhielt seine klassische Bildung
auf dem dortigen Athenäum, namentlich unter van Lennep,
[* 37] lebte seit 1811 als Hauslehrer im Haag
[* 38] und wurde 1823 zweiter
Bibliothekar, dann 1833 Ober- bibliothekar und Honorarprofessor in Leiden,
[* 39] wo er starb.
Seine philol. Arbeiten sind
die Ausgaben des Theokrit mit den Scholien (Amsterd. 1820), der «^.useäotg.
H6in8t6i-Ku8i3,u3,» (Leid. 1826),
der «Zclwlia, in suetouium» von Ruhnken (ebd. 1838),
der «Excerpts. VaticauH»
aus Polybius (ebd. 1829),
In der «H^wi-ia critica 80p1n8t9.ruin (irascoruin» (Iltr. 1823) bearbeitete
er einen damals noch wenig berücksichtigten Gegen- stand. Geer verfaßte auch einen Katalog der Leidener
[* 40] Bibliothek (1852) und
trug mit Bake, Peerlkamp und Hamaker durch Gründung der «Zidliotksca.
critica nova.» (Leid. 1825 fg.) zur Wiederbelebung der klassischen Studien in den Niederlanden bei. Geel (spr. chehl), Jan Franciscus
van, belg. Bildhauer, geb. zu Mecheln,
[* 41] Schüler von Pieter de Valck, wurde 1817 Professor an der Akademie in Antwerpen
und starb daselbst In seiner Vaterstadt befindet sich die Mehr- zahl seiner Werke, so: Maria
Magdalena im Dome und drei Apostelstandbilder in der Liebfrauenkirche.
Sein Sohn, Jan Ludwigvan Geer, geb. 1787 zu Mecheln, studierte
1809-13 in Paris, bildete sich dann in Rom weiter aus und ward 1816 Bild- hauer des Königs der Niederlande.
Von seiner Hand sind: das Löwenmonument auf dem Schlacht- felde von Waterloo,
[* 42] das Standbild des Prinzen Karl von Lothringen
und des Claudius Civilis. ^ Geer starb in Brüssel. ! Geelong (spr. dschihlöng), Seestadt in der brit.
Kolonie Victoria
[* 43] in Australien,
[* 44] amGeelong - Har - bour, der westl. Seitenbucht der Port-Phillipbai, in sehr
fruchtbarer Umgebung, hat (1891) mit den Vorstädten 24210 E., gerade Straßen, viele an- sehnliche Gebäude, zahlreiche Schulen,
ein Kranken-, ein Waisenhaus, Handelskammer, Handwerkerinsti- tut, Schisfswerfte, Banken;
Kammgarnspinnerei, i Weberei und Wollwäscherei.
Geer ist Hauptstapelplatz ' und Ausfuhrhafen für Wolle, Leder und Getreide.
[* 45] ! Geelvink-Bai (fpr. chehl-),
große Bucht an , der westl. Nordküste des niederländ. Neuguinea,
! greift 500 km weit in das Land ein, ist durch fchmale Landengen von der Mac(5lure-Bai ge- trennt, empfängt an der nordöstl.
Ecke mehrere Arme des bedeutenden Amberno- oder Rochussen- flusses, hat bewaldete und sumpfige Küsten, aber
gute Häfen, besonders Doreh an der Nordwestecke, und ist bekannt als Ausgangspunkt wichtiger For- schungsexpeditionen und
als Centralstation nieder- länd. und deutscher Missionen. Die Inseln in und vor der Geer bedecken insgesamt 6927 ykm. Geelvink
Ehannel (spr. chehl- tschännel), Meeresstrahe zwischen der Westküste Westaustra- liens und den
Rissen und Klippen
[* 46] der Houtman- Rocks oder Abrolhos. Geer (spr. chehr) oder Ieker, Fluß in Belgien, entspringt
in der Provinz Lüttich, berührt Waremme und Tongern und mündet bei Mastricht von links in die Maas.
¶
forlaufend
639
Geer (spr. jehr),Karl, Baron de, s. Degeer. Geer af Ginfpäng (spr. jehr -pong), Louis Gerhard, Freiherr de, schwed. Staatsmann,
geb. zu Finspäng, stammt ab von einer alten brabantischen Familie, aus der Louis Geestemünde (geb.
1587, gest. 1652) nach Schweden
[* 48] kam, sich hier bedeutende Güter erwarb und 1641 geadelt wurde. ! Späterhin
teilte sich diese Familie in die gräfl.
Linie ^ von Leufsta und Terwik (in Finland), in die srei- ^ herrliche von Leufsta
und ssinspang und in die adlige de Geer.
Louis Gerbard de Geestemünde wurde 1836 Student zu Upsala
[* 49] und veröffentlichte in dieser ^eit unter ^ der Signatur
1^. I).
(^., außer verschiedenen kleinen Aufsätzen ästhetischen Inhalts, auch ein paar ^ Novellen, wie «HM'tki^pninFmi
M Diilvik» ! (Stockh. 1841),
«3. U. '1'.» (ebd. 1843) und "
(ari ! äen 'I0M68 ?a^6» (ebd. 1847).
1845 trat er in den Iustizdienst, ward 1855 zum Präsidenten des Göta-
Hofgerichts zu Iönköping ernannt und 1856 nach Stockholm
[* 50] berufen, wo der König ^skar I. ihm das Amt als Justiz staatsminister
antrug.
Damals lehnte er diesen Posten ab, übernahm ihn aber Am nahm er seinen Abschied und wurde zum
Präsidenten des (Svea-)Hofgerichts in Stockholm ernannt.
Seine Thätigkeit als Staats- mann ist für Schweden
höchst wichtig gewesen und hat ihm als Gesetzgeber einen geachteten Namen er- worben. Ihm gebührt vorzugsweise die 1866 erfolgte
Einführung einer durchgreifend neuen Reichstags- oder Repräsentationsordnung mit zwei jammern mit vom Volke gewählten Mitgliedern
anstatt der ^ srühern vier Stände. (S. Schweden.) Geestemünde trat 11. Mai ! 1875 wieder in seiner vorigen Stellung
in die Re- l gierung ein und wurde im folgenden Jahre Minister- ! Präsident, ging aber infolge der vorgeschlagenen, jedoch
abgelehnten Umbildung des Heerwesens wieder ab;
1881-88 fungierte er als Kanzler der schwed. Universitäten. 1892 gab
er seine sehr interessanten «Minnen» (Memoiren) in 2 Bän- den heraus. Geeren, im Seewesen diejenigen Taue
an Bord, welche die äußern Enden der Gaffeln (s. d.) nach der Seite und nach unten stützen und sie
in ihrer Stellung Geerfalke, s. Gierfalke. ^festhalten.
Geertsbergen (fpr. chehrtsberchen),
G eraerds- bergen (frz. Grammont), Hauptstadt des Kan- tons Geestemünde (26387 E.) im Arrondissement Oudenaarde
der belg. Provinz Oststandern, an der Tender, die den Ort in eine Ober- und Unterstadt teilt, und an den Linien Braine-le-Comte-Gent
und Denderleeuw- Ath der Staatsbahnen,
[* 51] hat (1891) 10680 E., St. Barthelemykirche, ein Rathaus, Fabrikation von Spitzen,Schwefelhölzchen,Baumwoll-und
Wollzeug. Geertz, Julius, Genremaler, geb. in Hamburg,
[* 52] bildete sich zuerst unter Leitung der
Gebrüder Gensler daselbst, besuchte dann 1856 -60 die Kunstschule in Karlsruhe
[* 53] und ging nack einem kurzen Aufenthalt in München
[* 54] nach Düssel- dorf, wo er JordansSchüler wurde. Geestemünde verweilte 1864 in Paris, machte eine Studienreise in
die Bre- tagne und ließ sich dann dauernd in Düsseldorf
[* 55] nie- der. Unter seinen großenteils dem Kinderleben ent- nommenen
Genrebildern sind zu nennen: Sauer und Süß (im Schloß von Vabelsberg), Mütterliche Zärtlichkeit, Folgen des Schularrestes,
Eerniert, Die Wacht am Rhein, Kapituliert, Mädchen mit dem Vogelnest, Der Dorfheld (1884).
Sehr
entgegen-
gesetzten Inhaltes sind.' Nach der Verurteilung (1873), Kampf des Wilderers mit dem Förster (1883)
u. s. w. In neuester Zeit hat sich Geestemünde auch derVild- msmalerei gewidmet;
Geest, in Nordwestdeutschland und den
Nieder- landen, Bezeichnung für das im Gegensatz zum Marschland (s. d.) höher gelegene minder fruchtbare Land aus einem Gemisch
von Grus, Sand und Ge- rölle, auch Mergel undLehm. Die Geestemünde ist teils mit Heide bedeckt, teils bewaldet und, namentlich
am Rande der Marsch, bebaut. Geeste, rechter Nebenfluß der untern Weser in dem preuß. Reg.-Bez.
Stade,
[* 56] entspringt westlicy von Bremervörde und mündet zwischen Geestemünde und Vremerhaven.
Die untere Strecke (1,8 km) kann
bei Flutwasser von Seeschiffen bis zu 4,6 m Tiefgang, weitere 24,5 km von kleinern Fluhschiffen von 1,7 km
Tiefgang befahren werden.
Die Zweigbahn nach Vegesack ist von einer
Privatgesell- schaft bis Farge fortgesetzt worden (eröffnet und wird von der Eisenbahndirektion
zu Han- nover für Rechnung der Gesellschaft betrieben.
Eine Fortsetzung der Geestemünde nach Curhaven mit Abzweigung nach Bederkesa
(60,4 Km) für Rechnung des preuß. Staates ist genehmigt und gegenwär- tig 11893) im Bau;
außerdem ist unterm 6. Juni 1892
eine Scbienenverbindung zwischen Geeste- münde und Stade (69,2 km) genehmigt worden. Gecstekanal, s.
Geeste. Geestemünde. 1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Stade, bat 629,"? mäunl., 17 39? weibl.) E., 1 Stadt und 76 Land- gemeinden.
- 2) Kreisstadt im Kreis Geestemünde, von Bremerbaven, mit dem sie durch Pferdebahn ver- bunden ist, nur durch
die mit einer Drehbrücke ver- sehene Geeste getrennt (s. Plan: Bremerhaven, Bd. 3, ^. 490), die hier in die 1400 m breite,
von svlut und Ebbe bewegte Weser mündet, und an den Linien Brcmen-Geestemünde (61,8 km), Geestemünde-Lehe-Curhaven lim Bau) und der Nebenlinie
Geestemünde. - Bremervörde- Stade (im Bau) der Preuß.
Staatsbahnen, durch ! Vereinigung der beiden Landgemein-
! den Geestemünde und Geestendorf entstanden, ist Sitz I des Landratsamtes, eines Amtsgerichts (Landge- ! richt Verden),
[* 59] einer Land- und
Wasserbau-Inspek- tion, eines Hauptzotl-, Hafen- und Seeamtes, einer Fortifikation, eines Artillerie- und Minendepots der Kaiserl.
Marine (37 Militärpersonen), eines Lootsenkommandos sowie einer Handelskammer für i die Kreise
[* 60] Blumcnthal,
Geestemünde,. Lebe und Osterholz, hat ! (1890) 15452 (8007 männl., 7445 weibl.) E., dar- ! unter 1115 Katholiken und 143 Israeliten,
Post erster Klasse, Telegraph;
Von industriellen Anlagen uehmen die Schiffswerfte (Joh. C. Tecklen- borg mit 1099 Arbeitern
und Rickmers bauen groftc eiserne Schisse, D. B.
Oltmann und Gefahr Seebect höl- zerne und Fischdampfer) den ersten Platz ein;
sie besitzen 3 Trockendocks zum Ausbessern großer
Schisse.
Daneben bestehen Kesselsabriten, Holzin- dustriewerke mit Dampfbetrieb, Segelmachereienund Seilereibetriebe mit
Drahtseilfabrik, eine Schiffs- zwiebackfabrikmit Dampfmühle und eine nach amerik. Muster eingerichtete Fabrik für Petroleumfässer
l täglich 2000 Fässer).
Große Eisgewinnungsanlagen und -Speicher dienen der Hochseefischerei, die Petro-
leum-Tantanlagen der Teutsch-AmerikanischenPe- troleumgesellschaft der Petroleumeinfuhr.
Der be- deutende Handel erstreckt
sich besonders auf Petro- leum, Reis (Firma R. C. Rickmers), Holz
[* 66] (Pundt & Kohn, (5H. Külken), Kohlen, Baumwolle,
[* 67] Getreide
und Seesifche.
In den städtischen Fischauktionshallen werden wöchentlich etwa 75 t Fische
[* 68] versteigert.
Gefahr ist Heimatshafen von 53 Seeschissen mit 43192 Negistertons Gehalt, darunter 28 Dampser (13 Fisch- und 10 Petroleumtankdampfer).
Nach dem jenseit der Weser liegenden oldenb. Norden- hamm führt eine Dampffähre,
mit Bremen, Norder- ney und Helgoland
[* 69] besteht Dampfschiffahrtsverbin- dung.
Geestendorf ist sehr alt, Gefahr erst um 1846 ent-
standen durch die Hasenanlagen, deren Mittelpunkt das eröffnete Haupt - Hafenbafsin (538 in lang, 117 in breit, 7 m
tiej) bildet.
Die Verbindung mit der Geeste bez. Weser wird im N. durch eine Kammerschleuse (73 m lang, 23 in breit, 7,6 m
tief) fowie durch einen Vorhafen vermittelt. An das Bassin schließt sich nach S. der 1875 eröffnete
Petroleumhafen (234 m lang, 44 m breit) an, wäh- rend sich nach O. der die l^tadt in zwei Teile tei- lende und durch zwei
Brücken überbrückte Haupt- kanal (358 m lang, 44 in breit, 6 m tief) abzweigt, welcher in den
Holzhafen einmündet und nach N. in den Querkanal (462 m lang, 33 m breit, 6 m tief) ausläuft.
Der Hafen ist einer der größten
künstlichen Deutschlands
[* 70] und immer eisfrei', die Anlagen werden durch vier in und an der Wefer- ^ mündung erbaute Forts geschützt
und liegen außer- halb der Zollgrenze.
Geestendorf, s. Geestemünde. ^ Geeftlande, s. Hamburg 1. Geez,
andere Bezeichnung der äthiop. Sprache,
[* 71] s. Äthiopische Sprache, Schrift und Litteratur.
Gefahr hcißt ein drohendes Übel.
Sie liesst vor, wenn einzelne oder mehrere, aber noch nicht alle Bedingungen für den Eintritt des Übels gegeben sind.
Objektiv
wird dadurch der Eintritt des Übels nicht näher gerückt.
Für den, welcher die Gestal- tung der Zukunft
kennt, bleibt der Eintritt des Übels gleichweit entfernt, wenn er weiß, daß die noch fehlende Bedingung niemals eintreten
wird, wie wenn auch die andern Bedingungen nicht ein- getreten wären.
Aber der Mensch, welcher die Zu-
kunft nicht kennt, rechnet mit Wahrscheinlichkeiten und handelt danach.
Ihm erscheint der Eintritt des Übels näher gerückt
durch die Gefahr, welche seine Furcht erweckt.
Deshalb hat auch das Necht die in den Kreis seiner Bestimmungen gezogen. Soweit
übel
durch menschliche Handlungen schuldhaft herbeigeführt werden, tritt eine Bestra- fung und ein
Anspruch auf Schadenersatz für die ! Regel erst zufolge der eingetretenen Rechtsverletzung ein.
Aber jene Beunruhigung des
menschlichen Ge- - müts und die Erwägung, daß zwar die That, aber nicht der Erfolg in der Hand des Menschen liegt, rechtfertigen
es, daß die Gesetzgebung Repressiv- maßregeln durch Strafandrohungen ergreift, damit dem schädlichen
Erfolg nicht durch eine schuldvolle Handlung die Thür geöffnet werde, - wenn er dann auch im einzelnen Fall nicht eintritt.
Obschon es nur bei der Gefahr geblieben ist, wird bei jedem be- absichtigten Verbrechen und Vergehen der Versuch (s. d.) bestraft,
bei einzelnen defonders gefährlichen Verbrechen, wie Hochverrat (s. d.)
und Landesver- rat (s.d.), der Thatbestand so weit gefaßt, daß schon das eine Gefahr herbeiführende Unternehmen als vollen-
detes Verbrechen charakterisiert wird.
Bei den ge- meingefährlichen Verbrechen und Vergeben (s. d.) ist die strafe
nicht nach der Größe der eingetrete- nen Verletzung, sondern wesentlich nach der durch dieselbe hervorgerufenen gemeinen
Gefahr bemessen. ÜberDrohung s. d. Bei den polizeilichen Über- tretungen (s. d.) ist eben dieser Gesichtspunkt der Gefährdung
dafür maßgebend, um gewisse Hand- lungen und Unterlassungen unter Strafe zu stellen, auch wenn ein benachteiligender Erfolg
nicht einge- treten ist, und damit jene Handlungen und Unter- lassungen zu verbieten.
Denn indem das Polizei- gesetz gewisse Handlungen bei Eintritt von Gefahr ge- bietet oder gefährliche
Handlungen verbietet, macht dasselbe denjenigen, an welche es sich wendet, zur Rechtspflicht, jene Handlungen vorzunehmen
oder diese zu unterlassen.
Handeln diese Personen gegen das Verbot oder gegen das Gebot und entsteht dadurch
Schaden, so haben sie diesen verschuldet.
Ein Hauseigentümer, welcher der Polizewerord- nung zuwider bei Glatteis nicht Sand
streut, bei eingetretener Dunkelheit die Treppe
[* 72] nicht erleuchtet, eine Grube unbedeckt läßt, ein Betriebsunterneh- mer, welcher
trotz der Polizeiverordnung ein gefähr- liches Werkzeug nicht bedeckt, wird, wenn infolge- dessen Menschen zu
Schaden kommen, wegen seiner Fahrlässigkeit zum Schadenersatz verurteilt.
Zur Verhütung des Eintritts von Schaden bei drohen-
der Gefahr dienen prozessuale Maßnahmen (s. Arrest und Einstweilige Verfügung).
Im übrigen ist die moderne Gesetzgebung und
Staatsverwaltung be- strebt, allgemeine Gefahr für Leben und Gesundheit thunlichst einzuschränken (s.
Seuchengesetze) und die Einhaltung der desfallsigen Gebote und Verbote durch Strafsatzungen gegen gefährdende
menschliche Handlungen zu sichern. Die moderne Gesetzgebung und Rechtsprechung gehen noch weiter, indem sie selbst ohne schuld-
volle Gefährdung aus gewissen thatsächlichen Gefährdungen Schadenersatzansprüche entstehen lassen.
Darauf ist es zurückzuführen,
daß die Eisenbahnverwaltungen für den durch den gefähr- lichen, aber konzessionierten Betrieb, z. B.
durch Inbrandsetzung mittels Lokomotivfunken verur- sachten Schaden auch dann für haftbar erklärt sind, wenn eine Verschuldung
ihrer Bediensteten nicht nachzuweisen ist.
Das Hastpflichtgesetz (s. d.) erklärt den Betriebsunternehmer einer Eisenbahn
für den Schaden verantwortlich, welcher durch eine bei deren Betrieb erfolgte Tötung oder körperliche
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forlaufend
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letzung eines Menschen entstanden ist, es sei denn, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des
Getöteten oder Verletzten verursacht ist.
Damit hängt es serner zusammen, daß der Vetriebsunternehmer einer Fabrik oder
eines Bergwerts für die durch Verschuldung eines Bevollmächtigten oder Aufsehers verursachte Tötung oder Körperverletzung
schadenersatzpflichtig ist, auch wenn er selbst ohne Schuld ist: und die weitgehende Haftung aus Verschulden der Gehilfen.
(S. Delikt.) Umgekehrt gereicht es dem, welcher zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahrentarif eine sonst für
rechts- widrig erachtete Handlung vorgenommen hat, zur Entschuldigung, wenn er in Notwehr (s. d.) oder im Notstande (s. d.)
gehandelt hat.
Das gilt so- wohl für die Frage der Strafbarkeit als des Scha- denersatzes.
Sonst gilt die Regel, daß für
Befchädigungen Verletzungen, Entwertungen, welche nicht auf die Verschuldung eines Menschen zurückzuführen sind, nicht
gehaftet wird.
Ein jeder muß den Schaden, welchen er an feinem Vermögen infolge von Er- eignissen oder
unverschuldeten Handlungen von Menschen in seinen eigenen Angelegenheiten erlei- det, selbst tragen.
Solchen schadenstiftenden
Zufall nennen die Juristen keit einer derartigen Schädigung Gefahrentarif (periculum).
Richtig verstanden giebt den vorstehenden
Satz die Regel wieder: c^uui sentit äominuL, oder in einer andern Formulierung: ^oinmoäum (s. d.)
68t Hus, cu^n8 jx'riculuin 68t. Es ist eine einfache Anwen- dung diefer Regeln, daß, wenn jemand fremdes
Geld als Darlehn annimmt, er von der kontrahierten Schuld nicht befreit wird, wenn er das geliehene Geld, welches fein Eigentum
geworden ist, verliert, bevor er es verwendet.
Umgekehrt aber: Wer seine Sache zum Gebrauch verliehen, verpfändet, zur Auf-
bewahrung anvertraut hat, trägt die Gefahrentarif einer ohne Verschulden seines Schuldners eintretenden Be- schädigung, Vernichtung
oder eines Verlustes seiner Sache.
Nur wird es mit dem Beweise der Schuld - losigkeit hier streng genommen (f. Oulpa).
über
die Tragung der Gefahrentarif bei generischen Obligationen s. Gattung; beim Kauf f. d. und Distanzkanf;
über den
Einfluß, den der Verzug auf das Tragen der hat, f. Verzug.
Für die offene Handelsgefellfchaft bestimmt das Deutsche
[* 74] Handelsgefetzbuch
Art. 93, daß die Gefellschaft dcm Gesellschafter für die Verluste haftet, welche er aus Gefahrentarif erleidet,
die von feiner GefchäftZführung unzer- trennlich sind.
Das Sächs. Bürgert.
Gesetzbuch hat in §. 1376 die Bestimmung:
Hat ein Gesellschafter bei Beforgung einer gemeinfchaftlichen Angelegen- heit einen Schaden erlitten, welchen er nicht erlitten
haben würde, wenn er die Besorgung nicht über- nommen hätte, so kann er von den übrigen Gesell schaftern
verhältnismäßigen Ersatz verlangen. Die Gefahrentarif einer gewerblichen Unternehmung, also ob sie Gewinn oder Verlust bringt, trägt
der Unternehmer. Es ist deshalb gerechtfertigt, daß sich dcr Unternehmer dieses Risiko, wenn das Unter- nehmen gelingt,
durch Ansetzung eines höhern Preises bezahlen läßt, um die Verluste mißglückender Unter- nehmungen
zu übertragen.
Ein Mittel teilweiser Entlastung von der Gefahrentarif oieten die verschiedenen For- men der Handelsgesellschaft dar;
freilich wird dabei auch der Nutzen für den einzelnen Teilnehmer ge- Brockliaus' Konvorsations-Lexikou. 14. Allst.. VII.
ringer.
Jede Gewähr eines Kredits ist mit der Gefahrentarif verbunden, daß der Schuldner nicht zahlen
kann oder sich der Zahlung geflissentlich entzieht;
deshalb sind bei Barzahlung oder (durch Bürgschaft oder Pfand) gedecktem
Kredit leicht billigere Preise zu erlangen als bei einfachem Kredit zumal eines zahlungsun- kräftigen Schuldners.
Daraus
erklärt es sich, daß bei geringer entwickelten Kreditverhältnissen vornehm- lich Gesellschaften und Genossenschaften mit
solida- rifcher Verpflichtung ihrer Mitglieder oder Aktien- gefellschaften mit reicher Kapitaldotation entstehen. Mehren sich
die flüssigen Kapitalien innerhalb eines Volts, und wird infolgedessen leichter Kredit gewährt, so entstehen zum Vorteil
der Schuldner und des Kredits überhaupt Genossenschaften mit befchränkter Haftung, und auch bei geringerer Kapitaldotation
Gesellschaften mit befchränkter Haftung (s. d.).
Es ist nicht möglich, daß sich der Geschäftsmann
gegen alle Gefahrentarif feines Gewerbebetriebes im voraus sichert; aber gegen eine Anzahl von Gefahrentarif bieten die Versiche- rungen (s. Versicherungswesen)
zahlungskräftiger Versicherungsgesellschaften oder von Gegenseitig- keitsgesellschaften ls. d.) dadurch eine Garantie, daß
die Tragung der Gefahrentarif auf eine große Zahl von Teil- nehmern verteilt wird.
Hierher gehört auch die Un-
fallversicherung (s. d.), bei welcherdie Berufsgenossen- schaft (s. d.) Träger
[* 75] der Gefahrentarif ist. Gefährdeeid, s. Eid (Bd. 5, S. 771 a).
Gefahrdeiche, s. Deich
[* 76] (Bd. 4, S. 879a).
Gefahrenklassen heißen bei den Versicherungen Klassen mit verschieden hohen, durch den Gefahren- taris (s.d.) bestimmten
Beitragssätzen.
Die Gefahren- klasse wird durch die Gefahrenziffer (1,0; 1,i; 1,2; 1,3 u. s. w.) zahlenmäßig
ausgedrückt.
Bei der Unfallversicherung sowie bei der Invaliditäts- und Altersversicherung sind die einzelnen Betriebe nach
der Größe der mit ihnen verbundenen Gefahr ver- anlagt.
Die Bildung von Gefahrentarif ist nach dem industriellen Unfallversicherungsgesetz
obligatorisch (§.28 des Un- fallversicherungsgesetzes), beiderlandwirtschaftlichen und See-Unfallversicherung
sowie bei der Invalidi- täts- und Altersversicherung fakultativ Gefahrentarif 24 des Invaliditätsgesetzes).
Die Veranlagung der einzelnen
Betriebe zu den Gefahrentarif erfolgt bei der Unfallversicherung durch die berufsgenossenschaftlichen Organe, vorbehaltlich
der Befcl)werde an das Reichs-(Landes-) Versicherungs- amt (s. Rcichsvcrsicherungsamt).
Unabhängig von der Einschätzung
in die Gefahrentarif besteht die Befugnis der ()enofsenschaftsversammlung zur Vermeidung von Unbilligkeiten
einzelner Unternehmer nach Maßgabe der Zahl der in ihren Betrieben thatsächlich vor- gekommenen Unfälle für die nächste
Periode Zu- schläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen l§. 28, Abs. 5 des Unfallversicherungsgesetzes).
Bei der Invaliditäts-
und Altersversicherung dürfen Gefahrentarif nur nach Verufszweigen gebildet werden; hierin liegt ein bewußter Anklang
an berufsge- nossenschaftliche Regelung auch bei diesem Zweige der Arbeiterversicherung.
Mangels zuverlässiger Unterlagen
ist von der Bildung von Gefahrentarif bei der In- validitäts- und Altersversicherung bisher Abstand genommen worden.
Werden Gefahrentarif gebildet,
so muß für jede derselben innerhalb jeder Versicherungsanstalt eine besondere neue Beitragsmarke bestimmt
wer- den, wodurch die Gesamtzahl dieser Marken erheb- lich wachsen würde. Gefahrentarif, bestimmt bei der Versicherung die
Höhe der Beiträge, welche dei den einzelnen Ge- , 41
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