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337 er sah, wie der Prinz nur allzu sehr seiner Umgebung nachgab, so griff er mit Härte und Gewalt ein, um den Sohn auf den richtigen Weg zu führen. Dadurch wurde der Prinz dem Könige immer mehr entfremdet. Reicher und vielseitiger beanlagt als der Vater, widerstrebte er dem ihm auferlegten Zwang und der pedantischen, einseitig praktischen und militär. Erziehung. Die litterar. und die heimlich gepflegten künstlerischen Neigungen des Prinzen, seine Vorliebe für die Musik, für die Dichtkunst und franz. Litteratur wurden genährt und gestärkt durch den Einfluß, den die Mutter, die ältere Schwester Wilhelmine und sein Lehrer Duhan gewannen.
Allem hingegen, was von dem Könige ausging, brachte der Prinz eine unverhohlene Abneigung entgegen. So wuchs die Spannung von Jahr zu Jahr. Sie erreichte ihren Höhepunkt, als das Projekt, Friedrich mit einer engl. Prinzessin zu vermählen, scheiterte und der Kronprinz nun seine letzte Hoffnung, aus dem Druck des väterlichen Hauses befreit zu werden, geschwunden sah. Er und seine Freunde unterhielten eine höchst bedenkliche Verbindung mit den engl. und franz. Gesandten, mit den Gegnern der Politik des Vaters.
Als neue Mißhandlungen von seiten des Vaters erfolgten, entschloß sich der Kronprinz zur Flucht. Seine Jugendfreunde, die Lieutenants von Katte und von Keith, wußten um das Geheimnis und betrieben die Vorbereitungen. Die Flucht sollte auf einer Reise ins Werk gesetzt werden, die der König mit dem Kronprinzen im Sommer 1730 nach Süddeutschland und nach dem Rhein unternahm. In einem Dorfe bei Mannheim [* 2] wurde der Versuch durch die Wachsamkeit des Oberstlieutenants von Rochow vereitelt; der ins Vertrauen gezogene Page Keith, ein Bruder des genannten, legte dem Könige ein Geständnis ab. Friedrich wurde als Deserteur verhaftet, erst in Wesel, [* 3] dann in Cüstrin [* 4] strengem Verhör unterworfen.
Katte wurde in Berlin [* 5] festgenommen und dann auf besondern Befehl des Königs unter den Fenstern des Kronprinzen in Cüstrin hingerichtet.
Auch Friedrich fürchtete für sein Leben. Indessen ist es eine Fabel, daß der König anfänglich die Absicht gehabt haben soll, den Sohn mit dem Tode zu bestrafen; vielmehr dachte er nur daran, ihn von der Thronfolge auszuschließen. Auch ist unrichtig, daß erst auf Fürsprache des kaiserl. Hofs Friedrich Wilhelm für Begnadigung des Prinzen sich entschieden habe. Aber immerhin hatten die Vorgänge dazu geführt, daß die österr. Partei, die Partei des Gesandten Grafen Seckendorff und des Generals Grumbkow, am Berliner [* 6] Hofe vollständig die Oberhand gewann.
Nach einigem Sträuben entschloß sich Friedrich die Vermittelung seines Feindes Grumbkow anzurufen. Seine anfänglich sehr strenge Haft wurde gemildert; im Dezember trat er als jüngster Kriegsrat bei der neumark. Kammer ein und wurde von dem Kammerdirektor Hille in Finanz- und Handelssachen unterrichtet. Bei der Hochzeit der Prinzessin Wilhelmine im Nov. 1731 erschien der Kronprinz zum erstenmal wieder am Hofe in Berlin, im nächsten Jahre erhielt er als Chef das Infanterieregiment in Ruppin.
Nach dem rücksichtslosen Willen des Vaters mußte er sich ganz wider seine Neigung 1733 mit der Prinzessin Elisabeth Christine (s. d.) von Braunschweig-Bevern vermählen. Unter dem Prinzen Eugen von Savoyen wohnte er 1734 dem Rheinfeldzug im Polnischen Thronfolgekrieg bei. Im Herbst 1736 bezog Friedrich mit seiner Gemahlin das neue, von Knobelsdorff ausgebaute Schloß zu Rheinsberg. Ungestört konnte er jetzt seinen Lieblingsneigungen, der Musik, dem Studium der Philosophie und der franz. Klassiker sich widmen, von gleichgesinnten Freunden umgeben ein heiteres und geselliges Leben führen und sich auch in ernster Weise auf seinen Herrscherberuf vorbereiten.
Ein reger Briefwechsel ward mit Voltaire angeknüpft, unter dessen Einfluß sich Friedrich allmählich von der Philosophie Christian Wolffs ab- und derjenigen Lockes zuwandte. Wie regen Anteil der Kronprinz an der Politik nahm und wie hohe Anforderungen er an den Fürsten stellte, beweisen seine ersten größern Schriften, die «Considérations sur l'état présent de l'Europe», eine gegen Frankreich gerichtete Flugschrift, sowie der Antimachiavel, gleichsam das Regierungsprogramm F.s. Auch für das Wirken Friedrich Wilhelms I., für seine Militär, und ökonomischen Bestrebungen gewann Friedrich jetzt Verständnis. Vater und Sohn waren vollständig ausgesöhnt, als jener aus dem Leben schied.
Am bestieg Friedrich den Thron [* 7] Preußens. [* 8] Mit Feuereifer übernahm er die Regierungsgeschäfte, auf allen Gebieten gleich rastlos thätig. Die Akademie der Wissenschaften wurde neu hergestellt, der vertriebene Philosoph Wolfs zurückberufen, Maupertuis und andere führende Geister nach Berlin gezogen, Knobelsdorff mit dem Bau eines Opernhauses beauftragt, eine neue Zeitung in Berlin ins Leben gerufen;
auch der König selbst scheute sich nicht, seine gewandte Feder in den Dienst der öffentlichen Meinung zu stellen;
Preßfreiheit ward, wenigstens für litterar. und wissenschaftliche Fragen, verkündet;
auf kirchlichem Gebiete wurde für die christl. Konfessionen [* 9] Religionsfreiheit proklamiert.
Sein Interesse für die Handelspolitik bethätigte Friedrich, indem er jetzt ein eigenes Handelsdepartement im Generaldirektorium errichtete. Die Justizverbesserung wurde sogleich in die Hand [* 10] genommen, das grausame Strafrecht gemildert, die Tortur aufgehoben. Wenn in der Verwaltung allenthalben ein freierer Geist sich geltend machte, so blieb doch im Grunde und dem Wesen nach die Verwaltung des Vaters bestehen. Auch in der Besetzung der Beamten- und Offiziersstellen trat fast keinerlei Änderung ein.
Eine der ersten Regierungshandlungen war, daß 17 neue Bataillone, ein Husarenregiment und das Regiment Garde-du-Corps errichtet wurden. Persönliche Ruhmbegierde sowie der Wunsch, dem preuß. Staate auch im Ausland Ansehen und Achtung zu verschaffen, lenkten Friedrich auf das Gebiet der großen Politik und auf das der kriegerischen Aktion. Vorerst schloß er sich keiner der großen Mächte an. In den ersten Monaten richtete sich F.s Politik auf die Erwerbung von Berg, um die Friedrich Wilhelm I. sich seit 15 Jahren vergeblich bemüht hatte. Dem Fürstbischof von Lüttich, [* 11] der sich schon seit längerer Zeit Hoheitsrechte über die in Belgien [* 12] gelegene preuß. Herrschaft Herstall angemaßt und dem Einspruch Friedrich Wilhelms I. Trotz geboten hatte, wurde jetzt in brüskem Ton eine Bedenkzeit von 2 Tagen gestellt; darauf rückten drei Bataillone und eine Dragonerschwadron in das Lütticher Gebiet und zwangen ihn schnell, dem Willen des Königs nachzugeben.
Bald sollte sich ein weit größerer Schauplatz eröffnen , auf dem Friedrich die Kraft [* 13] seines Genius voll entfalten konnte. 1740 starb der letzte Habsburger, Kaiser Karl VI. Sogleich erhob sich der Streit um das österr. Erbe; dem preuß. Könige bot sich die ¶
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Aussicht, für seinen Staat die große, reiche und trefflich gelegene Provinz Schlesien [* 15] zu gewinnen. Friedrich begann im Dez. 1740 den Ersten Schlesischen Krieg, besetzte ganz Schlesien und schloß nach mehrfachen Siegen [* 16] unter engl. Vermittelung den Frieden von Breslau, [* 17] durch den er Schlesien bis zur Oppa sowie die Grafschaft Glatz [* 18] erhielt (s. Schlesische Kriege). Dem Präliminarfrieden von Breslau folgte 28. Juli der definitive Friede von Berlin. Ein Gebiet von 600 Quadratmeilen und 1 200000 E. war erworben, der preuß. Staat um die Hälfte seines bisherigen Bestandes vergrößert.
Die Verwaltung Schlesiens richtete Friedrich sogleich auf preuß. Fuße ein;
er schuf zwei Oberamtsregierungen (Justizkollegien) sowie zwei Kriegs- und Domänenkammern in Breslau und Glogau; [* 19]
Schlesien erhielt einen eigenen, in Breslau residierenden Minister gleichsam als Statthalter;
auf dem Lande wurde die Kontribution auf Grund eines neuen Katasters eingeführt, in den Städten die Accise nach dem Muster der alten Provinzen geordnet.
Bald kam zu dem neuen Besitz eine Erwerbung im äußersten Nordwesten Deutschlands. [* 20] 1744 starb das Fürstenhaus in Ostfriesland aus, und Friedrich nahm auf Grund einer Anwartschaft, die sein Großvater von Leopold I. erlangt hatte, sofort Besitz von dem Lande, trotz der Einsprüche, die seitens der Hannoveraner erhoben wurden.
Inzwischen hatte Maria Theresia, von ihrem thatkräftigsten Gegner befreit, in Verbindung mit England glänzende Erfolge errungen (s. Österreichischer Erbfolgekrieg). Mit Besorgnis sah Friedrich die Fortschritte der österr. Waffen [* 21] und die völlige Niederwerfung des Deutschen Kaisers Karl VII., dem er zum Kaiserthron verholfen hatte. Um dem Reiche Frieden zu schaffen und die fremden Heere aus Deutschland [* 22] zu verjagen, schlug Friedrich eine Verbindung aller Reichsstände unter militär. Führung Preußens vor und forderte für sich den Titel eines immerwährenden Generallieutenants der Reichstruppen.
Allein auch diese Pläne zerschlugen sich damals bei der Furchtsamkeit und bei dem Eigennutz der kleinen deutschen Fürstenhöfe, sodaß Friedrich nun suchen mußte, im Bunde mit dem Auslande, mit Frankreich, die Übergriffe Österreichs und Englands im Reiche zu hindern. Der Wormser Vertrag, den Österreich, [* 23] England, Sachsen [* 24] und Sardinien [* 25] zur Garantie der Pragmatischen Sanktion abgeschlossen hatten (Sept. 1743), erschien dem Könige als eine direkte Bedrohung Preußens, er argwöhnte einen Anschlag auf Schlesien.
Deswegen ward ein neues Bündnis mit Frankreich unterzeichnet und zugleich mit Bayern, [* 26] Pfalz und Hessen-Cassel 22. Mai die Frankfurter Union (s. d.) geschlossen. Im Aug. 1744 drang Friedrich als Bundesgenosse des Kaisers in Böhmen [* 27] ein, gewann anfänglich schnelle Erfolge, ward dann aber nach Schlesien zurückgeworfen und in eine höchst gefährdete Lage versetzt, aus der erst der Sieg von Hohenfriedberg ihn wieder befreite. Der 25. Dez. geschlossene Friede von Dresden [* 28] brachte keine territoriale Veränderung; doch hatte der Zweite Schlesische Krieg das wichtige Ergebnis, daß Bayern, welches Maria Theresia im Frieden von Füssen an den Sohn Karls VII. zurückgegeben hatte, vor der Einverleibung in die österr. Monarchie bewahrt wurde. Der Besitz von Schlesien, den Maria Theresia in Dresden dem Könige von neuem zuerkannte, ward 1746 von England, im Aachener Frieden 1748 von den übrigen Mächten gewährleistet.
Die folgenden Friedensjahre benutzte Friedrich, um den Wohlstand seines Landes zu heben und die Verwaltung des Staates zu verbessern. Zwar mußte das Heer, angesichts der feindseligen Haltung der Nachbarn, noch weiter verstärkt werden, bis aus 150000 Mann; die Mittel zur Erhaltung dieser unverhältnismäßig großen Militärmacht suchte der König nicht durch Erhöhung der Steuern zu gewinnen, sondern dadurch, daß das Aufblühen des Landes in jeder Weise gefördert und so indirekt auch die Einkünfte des Staates vermehrt wurden.
Neue Industrien wurden eingeführt, der innere Verkehr durch Anlegen von Kanälen erleichtert, in Pommern [* 29] und im Oderbruch zahlreiche Dörfer begründet und Kolonisten angesetzt. Im einzelnen wurde die Staatsverwaltung verbessert; doch blieb sie auch jetzt wesentlich in den Bahnen, die Friedrich Wilhelm I. gewiesen; hingegen wurde in der Justiz mit umfassenden Reformen begonnen, hier entfaltete in diesen Jahren der Großkanzler von Cocceji eine rege Thätigkeit. Friedrich selbst, der 1747 das neue Schloß Sanssouci bei Potsdam [* 30] bezog, widmete sich neben den Regierungsgeschäften den wissenschaftlichen Studien, der Pflege der Künste und dem Verkehr mit den hervorragendsten Geistern der Zeit; auch Voltaire weilte mehrere Jahre (1750-53) an dem Hofe des «Philosophen von Sanssouci». Friedrich verfaßte in diefem Jahrzehnt die Memoiren zur Geschichte des Hauses Brandenburg [* 31] und die «Histoire de mon temps», d. h. die Geschichte der zwei schles. Kriege, zahlreiche Oden, Episteln und Satiren sowie mehrere militärwissenschaftliche und philos.
Schriften, 1752 auch ein «Polit. Testament». Nach außen hin war die Politik des Königs 1746-56 eine durchaus friedliche. Dagegen wurde das Kriegsfeuer eifrig in Petersburg [* 32] geschürt. Österreich und Rußland schlossen 1746 ein Defensivbündnis, bei welchem in einem geheimen Artikel ein Revanchekrieg wider Preußen [* 33] ins Auge [* 34] gefaßt wurde. Indes wußte Friedrich durch geschickte diplomat. Unterhandlungen die Krisis im Norden [* 35] abzuwenden. Erst als bei dem amerik. Konflikt zwischen Frankreich und England Friedrich mit König Georg II. den Neutralitätsvertrag von Westminster abschloß und nun der Lieblingswunsch Maria Theresias und des Grafen Kaunitz, die franz.-österr.
Allianz, verwirklicht wurde, entwickelte sich eine Kriegsgefahr, die bald derart anwuchs, daß Friedrich, um seinen Staat zu retten, sich dazu entschließen mußte, dem drohenden Angriff der Österreicher und Russen zuvorzukommen. Nur von England und einigen kleinern norddeutschen Fürsten unterstützt, führte er sieben Jahre hindurch den ungleichen Kampf gegen eine Koalition fast des gesamten festländischen Europas. (S. Siebenjähriger Krieg.) Vor allem ihm persönlich, seiner Ausdauer und seinem Pflichteifer ist die Rettung und Erhaltung des preuß. Staates in dieser schwersten Krisis zu verdanken. Preußen ward nunmehr allerseits als eine führende europ. Macht, als eine zweite deutsche Großmacht anerkannt.
Die vielen schweren Wunden zu heilen, die der Krieg dem Lande geschlagen, war von 1763 an die nächste Aufgabe des Königs. Da Friedrich am Schluß des Krieges noch über 30 Mill. Thlr. verfügte, so konnte er diese Summen sogleich für die Herstellung des Landes verwenden. Die eingeäscherten Dörfer wurden auf Staatskosten wieder aufgebaut (in Schlesien sind binnen 3 Jahren 8000 Häuser, in der Neumark 6500 durch den König neu errichtet ¶
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worden), Kolonen wurden angelegt und die verödeten Landstriche durch Zuzug aus dem Reiche neu bevölkert. Schlesien erhielt auf 6 Monate, die Neumark und Pommern auf 2 Jahre Befreiung von allen Abgaben. Um den schwer geschädigten Rittergutsbesitzern aufzuhelfen, wurden, zuerst in Schlesien, die landwirtschaftlichen Kreditinstitute, die Landschaften, eingerichtet, die für niedrigen Zinsfuß dem Adel das zur Herstellung der Güter notwendige Geld vorschossen. Friedrich sah nicht mehr, wie sein Vater, in dem Adel einen Feind der Krone, er hatte das adlige Offizierkorps im Kriege als seine beste Stütze schätzen gelernt.
Daher hörten unter Friedrich die Kämpfe mit den Ständen auf; er räumte dem Adel sogar manche ihm früher beschränkte Rechte wieder ein. Die Scheidung zwischen den drei Ständen, Adel, Bürger und Bauern, wurde streng festgehalten, in verschiedener Hinsicht noch verschärft. Mit einer erstaunlichen Arbeitskraft ausgerüstet, hat Friedrich auch in die innern Angelegenheiten des Staates allenthalben persönlich eingegriffen. In der Handels- und Gewerbepolitik huldigte er im allgemeinen den Lehren [* 37] des Merkantilismus. Er faßte Preußen zusammen als ein wirtschaftliches Ganzes, schloß es gegen außen ab, um es von dem wirtschaftlichen Übergewicht der Fremden zu befreien und um die preuß. Volkswirtschaft auf eigene Füße zu stellen. Es wurden mit Unterstützung der Regierung Handelscompagnien begründet, die teilweise schnell und glänzend sich entfalteten; ein staatliches Monopol bildete der Getreidehandel, durch dessen umsichtige Handhabung Preußen vor Teuerungen und Hungersnöten bewahrt blieb.
Durch Handelsverträge, durch Schaffung von Absatzgebieten suchte der König insbesondere dem von der österr. Regierung schwer geschädigten schles. Leinenhandel wieder aufzuhelfen. Auch mit den nordamerik. Freistaaten trat Friedrich in handelspolit. Beziehungen. Einen bedeutenden Aufschwung nahmen die staatlichen Fabriken, so die Seidenfabriken und die Spinnereien, die Glashütten, die Tuch- und Tabakfabriken, der staatliche Bergbau [* 38] und die Hüttenindustrie.
Nicht minder sorgte Friedrich für das Aufblühen der Landwirtschaft und die Kolonisation der wüst liegenden Landstriche. In einer möglichst großen Vermehrung der Bevölkerung [* 39] sah er ein Hauptmittel zur Hebung [* 40] des Landes. Der Niedergang während des Siebenjährigen Krieges wurde durch systematische Beförderung der Einwanderung aus Sachsen, aus Süd- und Westdeutschland wieder ausgeglichen. Die unter der poln. Wirtschaft ganz heruntergekommene Provinz Westpreußen [* 41] rettete Friedrich für die deutsche Kultur, indem er deutsche Bauern, insbesondere aus Schwaben, dort ansiedelte, den poln. Einfluß zurückdrängte, zahlreiche deutsche Schulen und Kirchen erbaute.
Auch die im östl. Deutschland noch sehr umfangreichen Flußbrüche und versumpften Seen wurden ausgetrocknet und nach Ableitung des Wassers in fruchtbares Ackerland verwandelt. So wurde das reiche Land des Oderbruchs gewonnen, ebenso der Warthebruch, der Netzebruch, der Maduesee, die Plöneniederung trocken gelegt. Havel und Oder wurden durch den Finowkanal, Havel und Elbe durch den Plauenschen, Warthe und Weichsel durch den Netzekanal verbunden, die Swine wurde schiffbar gemacht und der Hafen von Swinemünde angelegt. Um den Bauernstand zu heben, fuhr Friedrich fort, die Leibeigenschaft wenigstens auf den königl. Domänen zu beseitigen. Die gleiche segensreiche Reform auf die ritterschaftlichen Güter auszudehnen, war der König nicht im stande, obwohl er einigemal, z. B. in Pommern, einen Anlauf [* 42] dazu machte.
In der Verwaltung ist Friedrich der Schüler seines Vaters, der diese und die Behördenorganisation so vortrefflich gestaltet hatte, daß große principielle Änderungen jetzt nicht mehr notwendig erschienen. Nur die oberste Centralbehörde, das Generaldirektorium, bedürfte teilweise einer Umgestaltung, da die Ausdehnung [* 43] des Staates bedeutend gewachsen war. Bei der immer steigenden Vermehrung der Geschäfte war die von Friedrich Wilhelm I. eingerichtete kollegialische Behandlung aller Angelegenheiten nicht mehr durchführbar, es mußte notwendig wenigstens auf manchen Hauptgebieten eine Arbeitsteilung eintreten. Friedrich brach nicht völlig mit dem Provinzialsystem, das sein Vater eingeführt hatte, die alten vier Provinzialministerien des Generaldirektoriums blieben bestehen, aber neben sie stellte der König eine Reihe von Realdepartements, indem er mehrere wichtige Verwaltungszweige aus der provinziellen Scheidung loslöste, sie einheitlich zusammenfaßte und an die Spitze dieser Fachdepartements einen eigenen Fachminister berief. So entstand 1740 ein eigenes Handelsdepartement, 1746 das Kriegsdepartement, später das Bergwerks und das Forstdepartement.
Außerdem wurden noch gewisse Verwaltungen dem Generaldirektorium gänzlich entzogen und außerhalb desselben besondern Beamten unterstellt, so 1750 das Münzwesen [* 44] und vor allem 1766 die Verwaltung der gesamten indirekten Steuern und Zölle, die der sog. Regie untergeordnet wurden, und weiter wurden auch ganze Provinzen von dem Generaldirektorium getrennt. Schlesien sowohl wie Westpreußen erhielten ihren eigenen Provinzialstatthalter, der direkt unter dem Könige stand; in Schlesien mit dem Namen eines Ministers, in Westpreußen mit dem eines Oberpräsidenten.
Allerdings konnte bei dieser Scheidung die Einheit der obersten Verwaltung verloren gehen, doch wurde diese Gefahr, solange Friedrich regierte, noch nicht dringend, da der König persönlich die gesamte Verwaltung übersah und einheitlich von seinem Kabinett aus regelte. Die Regierung F.s war eine durchaus persönliche, auf allen Gebieten gingen die wichtigsten Entscheidungen und die leitenden Gedanken vom König selbst aus; die Minister blieben nur noch die ausführenden Organe des königl. Willens. - Durch die Regie wurden jetzt zum erstenmal alle die verschiedenartigen indirekten Abgaben und Zölle in eine einheitliche Verwaltung zusammengefaßt, der ganze Staat mit einer Zolllinie und einer sichern Grenzkontrolle umgeben, dem massenhaften Schmuggel, der bisher die Einnahmen herabgedrückt hatte, ward Einhalt gethan.
Nur eine bessere Verwaltung, nicht aber eine Erhöhung der Steuern war mit der Regie geplant; weit entfernt nach fiskalischen Rücksichten zu verfahren, gedachte der König vielmehr, die Lasten der niedern Bevölkerungsklassen zu vermindern. Auch bei der Regelung der direkten Abgaben in den neuen Provinzen ward eine gerechtere Verteilung der Steuern angestrebt; wie es in Ostpreußen, dessen «Generalhufenschoß» als Muster diente, bereits der Fall war, so wurde nun auch in den neuen Provinzen, Schlesien und Westpreußen, der Adel zu der «Kontribution», der direkten ländlichen Steuer mit herangezogen. Die Preußische Bank in Berlin und ebenso die Seehandlung wurden ¶
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von Friedrich begründet. Das Tabaksmonopol führte in vieler Hinsicht zu günstigen Ergebnissen, ebenso auch die staatliche Lotterie; während das ungeschickt gehandhabte Monopol des Kaffeehandels und der Kaffeebrennerei das Volk sehr belästigte und dazu beitrug, die ganze Finanzpolitik des Königs in Mißkredit zu bringen. Seinem Nachfolger hinterließ Friedrich einen Staatsschatz von über 50 Mill. Thlrn.
Die preuß. Armee wurde durch Friedrich von 80000 bis auf 195000 Mann vermehrt. Besonders verdankte ihm die preuß. Kavallerie ihre treffliche Ausbildung. Neu errichtet wurden die Husarenregimenter, im Siebenjährigen Kriege die reitende Artillerie und, nur für die Kriegszeit, die Landmilizen; eine vorübergehende Einrichtung waren auch die Freikorps. Für die Generale des Heers schrieb Friedrich selbst kriegswissenschaftliche Werke, die das ganze Militärwesen in weitester Ausdehnung umfaßten. Nach dem Siebenjährigen Kriege wurden die Eremtionen von der Kantonpflicht immer mehr ausgedehnt: erst jetzt schloß sich das Offizierkorps kastenmäßig ab. Gegen Ende der Regierung F.s war die preuß. Armee bereits im Rückgang begriffen.
Höchst glänzend entfaltete sich dagegen und zwar besonders in den letzten Jahren die Wirksamkeit F.s auf dem Gebiet des Justizwesens. Zunächst erwirkte Friedrich 1746 vom Kaiser Karl VII. ein Privilegium de non appellando für sämtliche preuß. Provinzen. Durch den Großkanzler von Cocceji wurde zuerst in Pommern 1747, dann auch in den andern Provinzen die Gerichtsverfassung und das Prozeßverfahren neu geordnet; vor allem wurde der Richterstand reformiert durch Ausmerzung der vielen schlechten Elemente, durch Einführung von Prüfungen und von praktischem Vorbereitungsdienst.
Das von Cocceji verfaßte Corpus juris Fridericiani von 1749, das ganz auf dem Naturrecht und dem röm. Recht beruhte, gelangte jedoch nicht zur Einführung. Erst als nach dem Arnoldschen Prozeß (s. Arnold, Joh.) 1779 der Großkanzler von Carmer an die die Spitze des Justizwesens berufen wurde, nahm die Reform des preuß. Rechts einen erfolgreichen Fortgang. Carmer und Suarez arbeiteten das Allg. Preuß. Landrecht aus, das für die damaligen preuß. Provinzen ein einheitliches Recht herstellte und als ein wahres Muster der Gesetzgebung gelten kann.
Für die Kirchen- und Schulangelegenheiten war der Minister von Zedlitz thätig. Während seiner liberalen und aufgeklärten Verwaltung wurden zahlreiche ländliche Schulen begründet, die Gymnasien und die Universitäten in der verschiedensten Hinsicht verbessert. Den bestehenden christl. Konfessionen, insbesondere der kath. Kirche gegenüber war Friedrich zu großer Duldsamkeit geneigt; doch hielt er auch andererseits streng darauf, daß sein staatliches Aufsichtsrecht über die Kirche nicht verkümmert wurde.
Für die Verbreitung von Bildung, von Wissenschaft und Kunst war der König durch sein eigenes Beispiel thätig. Histor., philos.-polit., volkswirtschaftliche und kriegswissenschaftliche Arbeiten sowie zahlreiche poet. Werke und musikalische Kompositionen sind aus seiner Feder hervorgegangen. Dazu kam ferner die sehr ausgedehnte Korrespondenz, sowohl litterar. Natur mit Gelehrten und Schriftstellern, insbesondere mit Voltaire, d'Argens, d'Alembert, Algarotti, als auch die geschäftliche, politisch-militärische, mit den Ministern, Gesandten, Verwaltungsbeamten, Generalen und Offizieren.
Friedrich schrieb fast ausschließlich französisch; für die deutsche Litteratur vermochte er, der von Jugend auf an den franz. Klassikern und von franz. Lehrern gebildet war, im Alter kein Verständnis mehr zu gewinnen.
In der auswärtigen Politik suchte der König nach dem Hubertusburger Frieden, da Frankreich und dann auch England ihn verlassen hatten, eine Anlehnung bei Rußland und schloß 1704 mit der Kaiserin Katharina eine Allianz, infolge deren Katharina nach dem Tode König Augusts von Polen ihren Günstling Stanislaus Poniatowsky zum König von Polen wählen ließ und für die Dissidenten, die Griechisch-Katholischen und die Protestanten Gleichberechtigung erwirkte.
Gegen die russenfreundliche Konföderation von Radom und die in Polen sich einnistenden russ. Truppen bildete sich die röm.-kath. nationale Barer Konföderation. Aus dem poln. Bürgerkrieg erwuchs, da die Pforte Partei ergriff, ein russ.-türk. Krieg, und dieser wiederum drohte zu einem allgemeinen europ. Kriege zu führen. Friedrich, der den Frieden zu erhalten wünschte, suchte die Zarin von der Türkei [* 47] abzulenken und forderte sie auf, sich in Polen schadlos zu halten.
Das sog. «Projekt Lynar», das Friedrich 1769 nach Petersburg sandte, nahm zugleich auch für Österreich und Preußen poln. Erwerbungen in Aussicht, um das Gleichgewicht [* 48] im Osten aufrecht zu erhalten. Der Petersburger Hof [* 49] wollte nicht in eine Teilung Polens einwilligen, da Polen doch in kurzer Zeit vollständig an Rußland fallen mußte. Nun kam Friedrich den Österreichern einen Schritt entgegen, sodaß Kaiser Joseph im Herbst 1770 von Ungarn [* 50] her Truppen in Polen einrücken und das Zipfer Land in Besitz nehmen ließ. Nach diesem entschiedenen Vorgehen Josephs zeigte sich endlich Katharina bereit, auf die Vermittelungsvorschläge F.s einzugeben; so kam es nach schwierigen Unterhandlungen zu einem Vertrag, durch den die drei Großmächte sich über die Teilung poln. Landes einigten.- Eine kleinere Erwerbung machte Friedrich noch 1780, indem nach dem Aussterben der Grafen von Mansfeld diese Grafschaft zwischen Preußen und Sachsen geteilt wurde.
Als nach dem Tode des Kurfürsten Marimilian III. Joseph im Sommer 1778 der Bayrische Erbfolgekrieg (s. d.) zwischen Preußen und Sachsen einerseits und Osterreich andererseits ausbrach, rückten Friedrich und sein Bruder Heinrich in Böhmen ein, doch kam es zu keiner entscheidenden Schlacht. Unter franz.-russ. Vermittelung ward 1779 in Teschen eine Einigung erzielt und für Preußen die Nachfolge in Ansbach [* 51] und Bayreuth [* 52] anerkannt. Kaiser Joseph gab jedoch seine Pläne auf Erwerbung von Bayern noch keineswegs auf; er erklärte der Zarin, den Russen in der Türkei freie Hand zu lassen, wogegen Katharina verhieß, in Deutschland die Pläne des Kaisers zu unterstützen. Da kam Friedrich auf seine alten Gedanken zurück, einen deutschen Fürstenbund (s. d.) mit preuß. Hegemonie zu stiften, und fand jetzt bei den Fürsten auch bereitwilliges Entgegenkommen; denn durch das Bündnis mit Rußland gesichert, trat Kaiser Joseph im Reiche herrisch auf und erregte durch seine Vergrößerungsgelüste in ganz Deutschland die lebhafteste Unruhe. So gelang es Friedrich am Abend seines Lebens die meisten der deutschen Staaten unter Preußens Führung zu einer großen Allianz zu vereinen, durch die Deutschland vor der Übermacht Österreichs gesichert wurde. Von der Gicht und zuletzt von der Wassersucht schwer geplagt, starb ¶
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Friedrich Da seine Ehe kinderlos blieb, folgte ihm sein Neffe Friedrich Wilhelm II.
Friedrich ist der Hauptvertreter des aufgeklärten Despotismus; zwar ein vollkommener Selbstherrscher, aber ein Selbstherrscher, der seinen Fürstenberuf als eine ernste heilige Pflicht, als ein Aufgehen im Dienste [* 54] des Volks ansieht; wie er sich selbst als «den ersten Diener des Staates» bezeichnet hat, so hat er auch in der That all sein Wirken und Handeln einem obersten Grundsatz, der Pflege des Allgemeinwohls, untergeordnet. Der Umfang des preuß. Staates wuchs unter der Regierung des Königs von etwa 121000 qkm auf fast 199000; die Zahl der Einwohner stieg von 3,5 Mill. auf 5,5 Mill.
Abgesehen von der polit. Bedeutung der militär. Erfolge F.s ist die Periode, welche seiner militär. Thätigkeit das charakteristische Gepräge verliehen hat, für die Gesamtentwicklung der Kriegsmacht von hervorragender Bedeutung. Einerseits bildet die Fridericianische Zeit den Abschluß eines Entwicklungsabschnittes, in welchem sich unter Einfluß der Wirkung der Feuerwaffen aus den tiefen Kolonnenformationen allmählich die Linie als die für die Feuerwirkung am besten geeignete Form herausbildete. Andererseits aber hat Friedrich die Anschauung, daß die Vernichtung der feindlichen Streitmittel Endzweck aller Operationen sei, daß also der Kampf um seiner selbst willen gesucht werden müsse und nicht nur als Mittel um alle möglichen strategischen Zwecke zu erreichen, daß also die Offensive Grundbedingung jedes Erfolges sei, nach langer Zeit zuerst wieder zur Geltung gebracht.
Wenn auch äußerlich die Kriegführung F.s im allgemeinen noch den Charakter der vorhergegangenen Zeit trug, indem sie durch die Rücksichten auf Magazinverpflegung, Beziehen der Winterquartiere und ähnliches vielfach bestimmt wurde, so wußte er doch, wenn möglich, sich von diesen Rücksichten los zu machen, und dann trugen seine strategischen Entwürfe auch in ihrem äußern Gewände bereits den Charakter der neuern Kriegführung, während dies moderne Element in der taktischen Ausbildung und Verwendung feiner Truppen und der Anlage seiner Schlachten [* 55] noch mehr hervortrat.
Das eigentliche Wesen der Fridericianischen Kriegführung tritt in den beiden ersten Schlesischen Kriegen und in den ersten Feldzügen des Siebenjährigen Krieges zu tage, als seine Armee noch ihren vollen Wert besaß, den sie während der langen Dauer des Krieges allmählich verlieren mußte. In jener Zeit tritt das Princip der Offensive, das Zusammenwirken der Kriegführung mit der Politik in klaren Zügen hervor. Später konnte Friedrich seinen Truppen nicht mehr das Gleiche zumuten und durfte sie nicht mehr so rücksichtslos einsetzen wie früher, da ihm die Möglichkeit ausreichenden Ersatzes fehlte und von der Erhaltung der Armee das Bestehen des Staates abhing.
Von den Standbildern, die dem Könige errichtet worden sind, verdienen besondere Erwähnung das in Stettin, [* 56] von Schadow gearbeitet und 1793 enthüllt, sowie das von Christian Rauch Unter den Linden in Berlin (s. d., Bd. 2, S. 797 a), 1851 enthüllt (s. Tafel: Friedrich der Große). F.s Namen führt jetzt das 3. ostpreuß. Grenadierregiment Nr. 4.
Die litterar. Werke des Königs erschienen teilweise schon zu seinen Lebzeiten, die Hauptmasse wurde 1788-89 als «Œvres posthumes» (15 Bde., Berlin, und Suppl., 6 Bde.) veröffentlicht, aber in sehr oberflächlicher Weise. Zu einer kritischen Gesamtausgabe, zu einer Scheidung des Echten und Unechten, kam es erst 1840-57; unter den Auspizien der Akademie wurden die sämtlichen Werke sowie die litterar. und freundschaftliche Korrespondenz durch Preuß veröffentlicht : «Œvres de Frederic le Grand» (30 Bde. und ein Band [* 57] mit einer chronol. Übersicht der Schriften). Seit 1879 begann die Berliner Akademie eine zweite große Sammlung, die Publikationen der «Polit. Korrespondenz F.s d. Gr.», in der für den Siebenjährigen Krieg auch die militär. Korrespondenz enthalten ist; bis 1892 19 Bde., hg. von Koser und Naudé (Berlin). Dazu kam ferner die Sammlung der «Preuß. Staatsschriften aus der Regierungszeit F.s d. Gr.», 3 Bände, bis 1756, hg. von Koser und Krauske (Berl. 1877-92),
die Publikation der «Histoire de mon temps», in der Redaktion von 1746, durch Posner (Lpz. 1879),
des «Militär. Testaments» durch Taysen in den «Miscellaneen zur Geschichte F.s d. Gr.» (Berl. 1878); in derselben Sammlung ein vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm (Kaiser Friedrich III.) veranstaltetes «Verzeichnis sämtlicher Ausgaben von Übersetzungen der Werke F.s d. Gr.». Von den Übersetzungen der ausgewählten Werke ist die von Merkens (3 Bde., Würzb. 1873-78) erwähnenswert. F.s «Musikalische Werke» gab Spitta heraus (4 Bde. in 5 Tln., Lpz. 1889).
Vgl. Preuß, Friedrich d. Gr. (4 Bde. Text und 5 Teile Urkunden, Berl. 1832-34);
Carlyle, History of Frederick II. (6 Bde., Lond. 1858-66; neue Ausg., 10 Bde., 1874 und 1888; deutsch von Neuberg und Althaus, 6 Bde., Berl. 1858-70);
Ranke, 12 Bücher preuß. Geschichte, Buch 7-12 (bis 1750; Lpz. 1879);
Droysen, Geschichte der preuß. Politik.
Teil 5: Friedrich d. Gr. (4 Bde., bis 1756, ebd. 1879-86);
Oncken, Zeitalter F.s d. Gr. (2 Bde., Berl. 1881 -83);
Dove, Deutsche [* 58] Geschichte im Zeitalter F.s d. Gr. und Josepbs ll., erste Hälfte: 1740-45 (Gotha [* 59] 1883);
Reimann, Neuere Geschichte des preuß. Staates vom Hubertusburger Frieden bis zum Wiener Kongreß (2 Bde., ebd. 1882 u. 1888);
ders., Abhandlungen zur Geschichte F.s (ebd. 1892);
Kugler, Geschichte F.s d. Gr. (12. Aufl., Lpz. 1887; illustrierte Volksausgabe, 3. Aufl., ebd. 1887);
Philippson, Friedrich II. (im «Neuen Plutarch», Bd. 11, ebd. 1885);
Friedrich d. Gr. Denkwürdigkeiten seines Lebens nach seinen Schriften, seinem Briefwechsel und den Berichten seiner Zeitgenossen (2 Bde., ebd. 1886);
Koser, Friedrich d. Gr. als Kronprinz (Stuttg. 1886);
ders., Friedrich d. Gr. (ebd. 1890 fg.);
von Bernhardi, Friedrich d. Gr. als Feldherr (2 Bde., Berl. 1881);
Zeller, Friedrich d. Gr. als Philosoph (ebd. 1886);
Delbrück, Strategie F.s und Napoleons (in den «Histor. und polit. Aufsätzen», Abteil. 3, ebd. 1887);
Becher, [* 60] Der Kronprinz Friedrich als Regimentschef in Neu-Ruppin von 1732 bis 1740 (ebd. 1892);
Schmoller, Studien über die wirtschaftliche Politik F.s d. Gr. (im «Jahrbuch für Gesetzgebung», Lpz. 1884, 1886, 1887);
ders., Einführung der franz. Regie (in den «Sitzungsberichten» der Berliner Akademie, 1888);
Mommsen, Die Wirtschaftspolitik F.s d. Gr. (in den «Sitzungsberichten» der Berliner Akademie, 1891);
Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur, Bd. 2 (in den «Publikationen aus den preuß. Staatsarchiven», Bd. 11, Lpz. 1882);
Acta Borussia. Denkmäler der preuß. Staatsverwaltung im 18. Jahrh. (Berl. 1892 hg., bisher 3 Bde.);
Lavisse, La jeunesse du Grand Frédéric, Par. ¶
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1891); die Kriege F.s d. Gr., hg. vom Großen Generalstab (Berl. 1890 fg.); s. außerdem Schlesische Kriege, Siebenjähriger Krieg, Bayrischer Erbfolge- krieg, Fürstendund. Eine Übersicht bietet Wiessand, Friedrich d. Gr. im Urteil der Nachwelt (Straßb. 1888). Friedrich Wilhelm II., König von Preußen (1786-97), geb. ältester Sohn des Prinzen August Wilhelm, des Bruders Friedrichs des Großen, wurde nach dem Tode des Vaters (1758) zum Prinzen von Preußen ernannt. Obschon er gute Erzieher und Lehrer erhielt, bot seine Lebensweise doch bald Anlaß zu berechtigten Klagen; das Ver- hältnis zu dem Könige verschlechterte sich, der Prinz überließ sich mehr und mebr seinen starken sinnlichen Neigungen. Die Thronbesteigung Friedrich Wilhelm II.s wurde vom Volke mit lebhafter Freude be- grüßt; das persönlich so liebenswürdige Auftreten des Prinzen, seine Geneigtheit, die Härten der vori- gen Regierung zu mildern, erwarben ihm allseitige Zuneigung.
Die Lage des Staates war bei seinem Regierungsantritt eine sehr günstige. Durch den Fürstenbund, dessen sich Friedrich Wilhelm II. als Thronfolger leb- haft angenommen hatte, hatte Preußen die Führung in Deutschland gewonnen, bei den großen europ. Höfett wirkte das Ausehen Friedrichs noch fort, der Friede war nach allen leiten gesichert, der Staats- schatz mit über 50 Mill. Thlrn. gefüllt, die preuß. Armee galt noch immer als die erste Europas. Der Leiter der auswärtigen Politik, Minister von .Hertz- berg, glaubte jetzt den Augenblick gekommen, um eine große europ. Politik durchzuführen und für Preußen eine ausfchlaggebende Stellung zu erwerben.
Als Schüler Friedrichs d. Gr. ein entschiedener Gegner Österreichs, gedachte Hertzberg dem Bunde der südl. Mächte, dem Bunde von Osterreich, Frankreich und Spanien [* 62] einen Nordbund entgegenzustellen, zu dem unter Preußens Führuug Rußland, England und Holland sich vereinigen sollten. Eine Handhabe, um diese Absichten einzuleiten, schienen die Holland. Wirren zu bieten (s. Niederlande). [* 63] Allein Friedrich Wilhelm II. blieb zunächst den weitausschauenden Plänen seines Ministers abgeneigt.
Erst als seine Schwester in Holland sich persönlichen Beleidigungen ausgesetzt sah, entschied sich Friedrich Wilhelm II. 1787 zu einem bewaffneten Eingreifen. Diepreuß.Truppen drangen bis Amster- dam vor, die Macht des Erbstatthalters wurde wiederhergestellt. 1788 ward zwischen Preußen, Holland und England ein Schutzbündnis geschlossen. Jedoch der weitere Fortgang zeigte bald, wie wenig Hertzberg mit den thatsächlichen Verhältnissen ge- rechnet hatte. Die Briten gewannen ihm bald im Haag [* 64] den Vorsprung ab. Um Rußland auf seine Seite zu ziehen, plante Hertzberg, den Türkenkricg der beiden Kaisermächte durch preuß. Vermittelung zu beenden; aber sowohl die Pforte wie die beiden Kaiscrmächte lehnten die Einmischung Preußens ab. Nun verband sich Friedrich Wilhelm II. 1790 mit der Türkei sowie mit Polen und knüpfte mit Schweden [* 65] nähere Be- ziehungen an. An der Spitze dieser von Rußland bedrängten Mittelstaaten trat Preußen der weitern Entfaltung der russ. Macht und ihres Verbündeten Joseph II. entgegen. Friedrich Wilhelm II. drängte auf Waffen- entfcheidung. Da brachte der plötzliche Tod Jo- sephs II. der österr.
Monarchie Rettung. Sein Nach- folger Leopold II. wußte durch kluges Nachgeben die Differenzen im Innern wie nach außen alsbald zu lösen. Es kam zum Ncichenbacher Vertrage. Nach der Forderung Friedrich Wilhelm II.s wurde der ßtawL huo angenommen, die poln. Erwerbungspläne Hertzbergs verwarf der König. Unter preuß. Ver- mittelung ward darauf zwischen Österreich und der Türkei der Friede von Sistowa abgeschlossen (1791). Aber jetzt löste sich nicht bloß die Tripelallianz mit Holland und England auf, auch das Bündnis mit Polen und der Türkei fowie die Verbindung mit den deutschen Fürsten ward hinfällig.
Die weitere An- näherung Österreichs und Preußens infolge der Französischen Revolution bezeichnete den gänzlichen Bruch mit der Fridericianischen, antihabsburg. Po- litik Preußens. Im Juli 1791 schied Hcrtzberg aus dem Amte; sein Nachfolger Bischoffwerder suchte eine engere Verbindung der beiden deutschen Mächte anzubahnen. Im Aug. 1791 trafen deren beide Monarchen in Pillnitz (s. d.) zusammen und unter- zeichneten 27. Aug. eine Deklaration gegen die Fran- zösische Revolution. Am ward ein De- fensivbündnis in Berlin abgeschlossen.
Nachdem im April Frankreich an Österreich den Krieg erklärt batte, ließ ein Friedrich Wilhelm II.ein Heer in Frankreich einrücken (s. Fran- zösische Rcvolutionskriege), wurde aber von Anfang an in seiner Kriegführung gegen Frankreich durch die bedrohliche Haltung der Zarin gehemmt, die jetzt in Polen freie Hand zu bekommen hoffte, fowie durch die ergebnislosen Unterhandlungen, die zwi- schen Friedrich Wilhelm II. und Kaiser Franz II. geführt wurden. Am 20. Sept. traten die Preußen den Rückzug aus der Ehampagne an. Friedrich Wilhelm II. war genötigt, seine Aufmerksamkeit dem Osten zuzuwenden.
Durch das Bündnis von 1790 war er zur Verteidigung Polens verpflichtet; auch hatte er die von der poln. National- partei 1791 durchgesetzte neue Verfassung, die Um- wandlung des Wahlrcichs in eine Erbmonarchie, die Erblichkeit der poln. Krone im Hause Sacksen an- erkannt. Trotzdem konnte er sich nicht entschließen, den Kampf wider Rußland aufzunehmen und seine poln. Bundesgenossen mit den Waffen zu schützen. Er ließ sich vielmehr bewegen, mit Rußland eine neue Teilung Polens vorzunehmen (Jan. 1793). Am Rhein währte indessen der Kampf fort und wandte sich zeitweise entschieden zu Gunsten der Verbündeten.
Das Verhältnis der beiden deutschen Verbündeten aber verschlechterte sich immer mehr. Kaiser Franz, voll Verdruß, von der zweiten Teilung Polens aus- geschlossen zu sein, berief Thugut, einen der entschie- densten Gegner Preußens, zum Minister. Dieser näherte sich der Zarin, die gegen Friedrich Wilhelm II. erbittert war, weil er ihr durch seine Dazwischenkamst die poln. Beute erheblich geschmälert hatte. Zum vollen Bruch zwischen Preußen und Österreich kam es in- folge der neuen Händel in Polen (s. d.). Nackdem sich die Zarin zur Herrin der Lage gemacht hatte, traten die beiden Kaisermächte vereint den Forde- rungen des preuß. Hofs entgegen; sie bestimmten im Vertrage vom über den Rest der poln. Lande, Preußens Anteil verhältnismäßig gering bemessend.
Der Zwiespalt ging so weit, daß zwi- schen Wien [* 66] und Petersburg ein geheimes Bündnis geschlossen wurde, um Preußen mit bewaffneter Hand zur Annahme des Teilungsplancs zu zwin- gen. Friedrich Wilhelm II., im Osten und im Westen zugleich be- droht, fügte sich dem Willen der beiden Kaiscrhöfe. Eine Folge dieser dem Könige aufgedrungenen dritten Teilung Polens war der Baseler Friede (s. d.). Bei der schlechten Finanzverwaltung, die unter Friedrich Wilhelm II. herrschte, war der von Friedrich II. überkommene Schatz schon Ende 1793 erschöpft. Den Feldzug von 1794 konnte Preußen nur im Solde Englands führen gegen hohe Subsidienzahlungen. ¶