herausgegeben (16 Bde., 1877‒82). Larroumet, der Verfasser
eines bemerkenswerten
Buches über Marivaux, schrieb «La comédie de Molière» (1886)
und von Edmond Scherer erschien eine fleißige
Arbeit: «Melchior
Grimm, l’homme de lettres, le factotum, le diplomate» (1887).
–
EdouardNoël und Edmond Stoullig, Les annales
du théâtre (1875‒93);
K.
Sachs,
Über die neuern franz. Litteraturbestrebungen (in der «Zeitschrift
für franz.
Sprache
[* 2] und Litteratur», Bd. 15, 1893).
Litteratur.Unter den allgemeinen Werken über die Geschichte der sind zu nennen: Histoire littéraire de la
France, Bd.
1‒31 (Par. 1733‒1893; reicht erst bis ins 14. Jahrh.);
Laharpe, Le
[* 3] lycée ou cours de littérature
ancienne et moderne (17 Bde., ebd. 1799 u. ö.);
Nisard, Histoire de la littérature française (4 Bde., ebd.
1844‒61);
Demogeot, Histoire de la littérature française (24. Aufl., ebd. 1892);
Géruzez, Histoire de la littérature
française, depuis ses orgines ^[richtig: origines] jusqu’à la Révolution (2 Bde., 15. Aufl.
1882);
ders., Histoire de la littérature française, du
moyen âge aux temps modernes (1852);
Villemain,
Cours de littérature
française (5 Bde., ebd. 1828‒29; neue Ausg., 6 Bde.,
1864);
Godefroy, Histoire de la littérature française depuis le XVIe siècle jusqu’à nos jours (2. Aufl., 10 Bde.,
ebd. 1878‒81);
PaulAlbert, La littérature française des origines au XVIIe siècle (1872);
La littérature
française au XVIIe siècle (1873), XVIIIe siècle (1875), XIXe siècle
(2 Bde., 1882‒85).
Ferner sind zu erwähnen: Kreyssig, Geschichte der franz. Nationallitteratur (6. Aufl.,
von Kreßner und Sarrazin, 2 Bde., Berl.
1889);
Honegger, Kritische Geschichte der franz. Kultureinflüsse in den letzten
Jahrhunderten (Berl. 1875);
H. P.
Junker, Grundriß der Geschichte der (Münst.
1889).
Musik. Die
Musik der
Franzosen ist zu verschiedenen
Zeiten unter den abendländ. Völkern
tonangebend gewesen. Von den
Kelten haben die
Franzosen den heftigen, leidenschaftlichen
Accent, von den
Normannen den künstlerischen
Ernst, von den Provençalen den sinnlichen Liebreiz und die ästhetische Feinheit überkommen und diese Eigenschaften verschmelzend
den hohen virtuosen Kunst- und Formensinn ausgebildet, der sie noch heute auszeichnet. Die Reste erhaltener
Nationalmusik aus der vorchristl.
Zeit sind nicht so bedeutend wie die auf den brit.
Inseln. Die
Franzosen bildeten sich in den durch
Karl d. Gr. begründeten
Musikschulen schneller und eifriger aus als die
Deutschen; dies kam ihnen dann zu gute bei der Entstehung der
Harmonie und der
Mensuralmusik. Mit Engländern und den rhein.
Deutschen gemeinsam waren sie die Führer in dieser Kunst,
wie gleichzeitig in der
Baukunst,
[* 4] bis die
Niederländer im 15. Jahrh. die Oberhand bekamen. Zur Zeit jener ersten
Bildungen
der dem
Abendlande eigentümlichen
Musik, vom 11. bis 13. Jahrh., erblühte in Südfrankreich eine Kunst, die der harmonischen
der
Normandie gerade entgegengesetzt war, die der
Troubadours (s. d.) oder des provençal.
Liedes.
Wenn auch der Schwerpunkt
[* 5] derselben in der
Dichtung lag, so hatte doch die
Musik bedeutenden
Teil daran und Gewinn davon; die
feinsten Liedermelodien der
damaligen Zeit entstanden in diesem
Kreise,
[* 6] und die
Ausdrücke Ménestrier, Jongleur u. a. verbreiteten
sich von hier als allgemein gültige Bezeichnungen für Sänger und
Spielleute im ganzen
Abendlande. Beide
Richtungen, die des gelehrten Harmonikers und des anmutigen Melodisten, waren schon Ende des 13. Jahrh.
zu einem fruchtbaren
Bunde miteinander verschmolzen; dies zeigt sich zunächst an
Adam de la
Hale (s. d.), der mehrstimmige
Kompositionen und zugleich einstimmige Liederspiele voll reizender Melodien schrieb.
Seine Liederspiele, Pastourellen genannt, haben in den gleichzeitigen Passions- und sonstigen biblischen Gesangspielen und
Moralitäten geistliche Nebenläufer erhalten, die gewöhnlich
Mysterien genannt werden und ebenfalls reichlich mit
Musik ausgestattet
waren. Auch in England und
Deutschland
[* 7] war dies der Fall, aber die franz.
Stücke beider Art hatten die
größere Durchbildung vor denen ihrer Nachbarn voraus, wie auch die
Pariser Gesellschaften, durch die sie aufgeführt wurden,
von allen die angesehensten waren.
Durch diese
Spiele, weltliche wie geistliche, ernste wie scherzhafte, wurde das eigentümliche franz.
Lied, die Chanson (s. d.), völlig ausgebildet und in größter Fülle über
ganz
Frankreich verbreitet. Bis zum 16. Jahrh. waren dann die musikalischen Leistungen der
Franzosen unbedeutend; nur ihre prächtigen
Ballette, die sie den
Italienern nachgebildet hatten, erregten damals Aufsehen.
An der kontrapunktischen Kunst, in der das Jahrhundert
Palestrinas hervorragte, nahmen sie in geringem
Gradeteil. ^[]
Die
Oper, an die sich seit dem 17. Jahrh. fast alles knüpft, was die
Französische Musik geleistet hat, entstand in
Frankreich nicht, wie in
Italien
[* 8] und später in
Deutschland, an vielen Orten in bunter Mannigfaltigkeit,
sondern, entsprechend der Natur eines stark centralisierten
Staates, nur in der Hauptstadt und gleichsam auf
Befehl der regierenden
Gewalt. Nachdem Mazarin schon seit 1645 in
Paris
[* 9] einige Opernaufführungen einer ital.
Truppe hatte zu
stande kommen lassen, versuchte sich
Cambert (s. d.) unter dichterischer
Beihilfe des
Abbé Perrin in franz. Singstücken für
den
Hof,
[* 10] worauf 1669 eine ständige
Oper in
Paris gegründet wurde, deren Privilegium
Cambert und Perrin erhielten, wie Ballard
ein solches schon seit hundert Jahren für den Druck der
Musik besaß.
Seit dieser Zeit steht die
Académie nationale de musique (gewöhnlich
Opéra genannt) da als das stabilste und in seinem Gesamtwirken
bedeutendste Musikinstitut der Welt. Erhöht wird die Bedeutung dieser Opernbühne noch durch den Umstand, daß die
Musik
von Anfang an (von Ballard) gedruckt wurde, nicht in unvollständigen
Auszügen wie anderswo, sondern
in den
Partituren, die nun eine ununterbrochene Folge durch zwei Jahrhunderte bilden. Hierdurch blieben diese Produkte der
Nation stets vor
Augen und traten in ihren Haupterzeugnissen nach allen Schwankungen der Mode immer wieder auf den Schauplatz;
daher die geschlossene Geschichte der franz.
Oper, ihre lückenlose
Entwicklung und entschieden nationale
Haltung. Nach den ersten Anfängen trat in
Giovanni Battista
Lully (s. d.) sofort die Hauptgestalt auf den Platz, der, mit
dem Dichter Quinault vereint, 1672‒89
Opern und
Ballette produzierte, von denen namentlich die
Ballette im
Auslande nachgeahmt
wurden, und dessen Werke insgesamt für die franz.
Bühne maßgebend blieben.
¶
mehr
Unter Lullys Nachfolgern ragt Campra hervor; ital. Musik verdrängte diese Oper eine Zeit lang, bis um 1740 Jean Philippe Rameau
(s. d.) mit Werken, die den Lullyschen ebenbürtig sind, aufs neue dem Französischen die Bahn brach. In Rameaus spätern Tagen,
um 1750, drang die MusikItaliens
[* 12] abermals mit erneuerter Macht in Paris ein, und jetzt bewies Jean Jacques
Rousseau, im Einverständnis mit den Encyklopädisten, in einem berühmt gewordenen Sendschreiben, daß die Franzosen keine
Musik hätten, noch haben könnten.
Die hier den Italienern zuerkannte Überlegenheit wurde von den Anhängern der als Französische Musikals eine Beleidigung der Nationalehre aufgefaßt;
ein erbitterter Kampf folgte, an dem alle teilnahmen bis zum Hofe hinauf, und der, wenn er auch anscheinend
resultatlos verlief, doch die schlummernden musikalischen Kräfte der Nation aufs tiefste erregte. Die Folgen waren nach
zwei Seiten hin höchst bedeutend. Hauptsächlich war es die Opera buffa Dunis und anderer Italiener, die den Streit entfacht
hatte; die Franzosen lernten schnell in dieser Schule, nahmen ihre Kräfte zusammen und schufen jene zahlreichen
und köstlichen Gebilde der komischen Oper, die sich von hier über die Welt verbreitet haben.
Der eigentlich franz. Geist, die leichte graziöse Beweglichkeit, kommt in diesen Stücken zum Vorschein; sie sind nicht burlesk,
wie die ihnen voraufgegangenen italienischen, sondern aus ernsten und heitern Situationen gemischt, aber
nicht im Sinne der engl. Tragödie, sondern des damals aufkommenden rührenden bürgerlichen Schauspiels. Als unverkennbar
nationales Eigentum hauptsächlich von Grétry bis Auber in vielen glücklichen Werken zu Tage getreten, bilden sie die eigentümlichsten
Erzeugnisse der franz. Oper.
Die zweite Folge der Streitigkeiten um den Vorrang der franz. oder der
ital. Musik war die Umgestaltung der GroßenOper. Lully und Rameau behaupteten sich zwar standhaft, neben ihnen fanden aber die
neuern Italiener leichten Zugang, und die Werke beider standen unvermittelt nebeneinander. Da trat der Deutsche
[* 13] Christoph Wilibald
Gluck (s. d.) 1774 in Paris auf, dessen Kunst die Werke der alten Franzosen mit den Produkten der neuern
Italiener auf einer höhern Stufe vereinigte, ebendeshalb aber von beiden Seiten angefochten wurde. Am heftigsten entbrannte
der Kampf gegen die Italiener, die in Nicola Piccini (s. d.) ihren besten Opernkomponisten nach
Paris gezogen hatten, endete aber endlich mit dem SiegeGlucks und durch ihn mit dem Triumph der franz. Bühnenmusik.
Die Verschmelzung des Französischen und Italienischen auf nationalem Grunde, die das Endresultat der langen Kämpfe war, zeigt
sich ebensosehr in den Werken der aus Italien stammenden Cherubini und Spontini, als in denen der geborenen Franzosen Méhul,
Boieldieu u. a. Später (um 1830) waren es wieder ein Italiener und ein Deutscher, Rossini und Meyerbeer, welche die franz. Oper
und durch diese alle Opernbühnen der Welt in Bewegung setzten, aber mehr in friedlichem Wetteifer als in aufreibenden Kämpfen.
Von ihren Werken zehrt die PariserGroßeOper, die seit 1874 auch das größte und prächtigste aller vorhandenen
Theater
[* 14] besitzt, noch gegenwärtig; die neuern Komponisten für diese Bühne sind sämtlich geborene Franzosen. Unter ihnen sind
Charles François Gounod, GeorgesBizet und Massenet die hervorragendsten. Dagegen ist derjenige der neuern franz. Komponisten,
der durch
die Ausbildung der komischen Oper zur Burleske von allen Zeitgenossen den größten Bühnenerfolg
gehabt hat, J. ^[Jacques] Offenbach
[* 15] (aus Köln),
[* 16] wieder ein Ausländer.
Mit der GroßenOper kann sich an Bedeutung unter sämtlichen musikalischen InstitutenFrankreichs nur allenfalls das 1795 gegründete
Conservatoire vergleichen, das für die europ. Musikschulen lange Zeit Normalinstitut gewesen ist. In der Instrumentalmusik
wird Bedeutendes geleistet, aber mehr im virtuosen Solo- und Orchesterspiel als in der Komposition. Das
Haupt der jetzigen Instrumentalkomponisten in Frankreich ist nach H. Berlioz' Tod C. Saint-Saëns geworden.
Tonangebend auf diesem instrumentalen Gebiete waren die Franzosen nur einmal, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh., zur Zeit
der Entstehung ihrer Oper, wo selbst alle deutschen Kapellen mit franz. Instrumentisten besetzt waren.
In der Kirchenmusik ist verhältnismäßig wenig geleistet; seit Cherubini werden aber die besten ausländischen Meister dieses
Fachs mehr als früher beachtet. Noch ärmlicher ist es um die Pflege des Oratoriums bestellt, obwohl das Pariser Concert
spirituel zu Anfang des 18. Jahrh. die großen Werke dieser Gattung zum
Teil angeregt hat.
Neuerdings sind auch in dieser Hinsicht allerlei Versuche gemacht, namentlich in der Popularisierung der Konzertmusik für
große Massen. In der Gesangskunst ist Paris fast im ganzen 19. Jahrh. deshalb so bedeutend gewesen, weil die ital.
Größen des Gesangs fast sämtlich hier ihren bleibenden Wirkungskreis hatten. Auch in der Musikwissenschaft
haben die Franzosen Hervorragendes geleistet; sowohl die Theorie wie die Geschichte der Musik sind mit Geist und gründlichem
Ernst von ihnen behandelt worden. Über das Charakteristische der Französische Musik gegenüber der musikalischen Kunst der Italiener und
der Deutschen sowie über die Litteratur s. Musik.
OstindischeCompagnie. Die Französische Ostindische Compagnie wurde unter Colberts Antrieb 1664 gestiftet, hat aber, da ihre Verwaltung
weder selbständig noch straff staatlich wurde und sich Frankreichs Kraft
[* 17] nie mit voller Sammlung auf die Kolonien warf, niemals
besondere Bedeutung gehabt. Sie versuchte sich in Madagaskar,
[* 18] dann in Ceylon
[* 19] festzusetzen und errichtete
darauf 1675 eine Niederlassung zu Surate. Vier Jahre nachher gelang es ihr, auf der Küste Koromandel eine kleine Territorialbesitzung
zu erwerben, daselbst (1683) Pondichéry zu gründen und zum Hauptort zu bestimmen. Es wurden mit China,
[* 20] Siam u. s. w. Handelsverbindungen
angeknüpft, deren Vorteile jedoch insgesamt wieder in dem KriegeLudwigs XIV. mit den Holländern verloren gingen.
Wenige Jahre darauf erlitt die Französische Ostindische Compagnie durch die Spekulationen des Financiers Law nach kurzem ungesunden Aufschwunge neue
Verluste, von denen sie sich nur mit großer Mühe wieder erholte. Zuletzt verursachten die Verluste der
Compagnie infolge der für den Weltbesitz entscheidenden Kriege der Engländer mit den Franzosen ihre Auflösung durch den Finanzminister
Terrai 1769, wobei die Krone ihr Eigentum an sich nahm und den Handel nach Ostindien
[* 21] freigab. Reste dieser ind. Besitzungen sind
Pondichéry, Chandarnagar u. a.
Philosophie. In denZeiten der Scholastik, von Anfang des 12. bis in die Mitte des 14. Jahrh., war Paris der Mittelpunkt einer
weitgreifenden philos. Regsamkeit; dort hauptsächlich wurden die großen Kämpfe zwischen der Scholastik und Mystik, dem
Nominalismus und Realismus, dem Kirchenglauben und der nach Freiheit und Selbständigkeit strebenden Forschung
gekämpft, und die Repräsentanten dieser Kämpfe, Roscellin (s. d.), Wilh. von
Champeaux, Abälard (s. d.), Hugound Rich.
von Saint-Victor, Thomas von Aquino u. a., waren entweder selbst Franzosen oder lernten und lehrten in Paris.
Während in der Folgezeit die PariserUniversität der Herd der orthodox-kath. Philosophie blieb und die auflösenden Elemente
des scholastischen Denkens, die besonders in England ihren Sitz hatten, ablehnte, diente doch zur Erschütterung
des mittelalterlichen Denkens auch hier einerseits die durch Lefèbre (Faber) und Bouillé (Bovillus) geförderte Erneuerung
der Studien des klassischen Altertums, andererseits die von Calvin hervorgerufene religiöse Reformation.
Durch beide gleichmäßig angeregt, entwickelte Pierre de la Rameé (Petrus Ramus, s. d.) im ausgesprochenen
Gegensatze gegen den Aristotelismus der Scholastiker eine «neue», jedoch
wesentlich rhetorische und formalistische Logik, die aber in der Bewegung der Zeit, auch außerhalb Frankreichs, eine große
Rolle spielte. In der so gewonnenen Freiheit des Denkens trat JeanBodin (s. d.) als Verteidiger der Toleranz und Begründer
einer von der Kirchenlehre unabhängigen Rechtsphilosophie auf; in derselben Zeit begann Montaigne (s. d.)
jene feinsinnig skeptische Litteratur, die eine specifische Eigentümlichkeit der Franzosen geblieben ist, mit seinen geistreichen
Essays, welche Welt- und Menschenkenntnis mit liebenswürdigster Darstellungsgabe verbinden. Dadurch gewann die franz.
Bildung den skeptischen Grundzug, obwohl die folgenden Skeptiker, Charron (s. d.),
Sanchez, de la Motte le Vayer, Huet (s. d.), diese Skepsis mehr oder minder für
den Offenbarungsglauben ausnutzten, sodaß sich später sowohl die orthodoxen Kirchenlehrer, wie Bossuet (s. d.), als auch
die Mystiker, wie Pascal (s. d.) und Poiret, darauf stützen konnten.
Von dieser skeptischen Stimmung (de omnibus dubitandum) ging dann auch das größte philos. GenieFrankreichs,
Descartes (s. d.), aus, aber nur um sie zu überwinden, indem er in der Gewißheit
der mathem. Erkenntnis die Rettung fand und nach diesem Ideale auch die Philosophie umzugestalten und zu einer Universalwissenschaft
zu machen suchte. Wie die Mathematik von der Anschauung des Raums, so sollte diese Philosophie vom Selbstbewußtsein
(cogito, ergo sum) ausgehen, um von da aus auf synthetischem Wege alle gewisse Erkenntnis zu deduzieren, eine Methode,
die sich von der empirischen Induktion
[* 23] ebenso weit wie von der Aristotelischen Syllogistik entfernt hielt.
Der Entwurf dieses Systems sowie die lebhafte Korrespondenz, welche Descartes mit den gleichzeitigen Gelehrten
unterhielt, brachte eine ausgedehnte wissenschaftliche Bewegung in Frankreich und in den Niederlanden hervor. Es war vor allem
auch die Frage über den Zusammenhang von Leib und Seele, die bei dem schroffen Dualismus von ausgedehnten und denkenden
Substanzen in der Lehre
[* 24] des Cartesius offen geblieben war und nun mannigfache Diskussionen anregte; es mischten
sich endlich die religiösen Debatten zwischen Jansenismus und Jesuitismus
in diese Verhandlungen hinein.
Von den dem Cartesianismus näher stehenden Männern sind Louis de la Forge (Arztzu Saumur),Ant. Arnauld und PierreNicole (beides
Theologen von Port-Royal) zu erwähnen, während Nicole Malebranche (s. d.), ähnlich wie in HollandArnold
Geulincx (s. d.) und Spinoza (s. d.), die Cartesianische Methode konsequenter durchzuführen suchte
und dabei zu einem dem Mysticismus nahestehenden Intellektualismus gelangte. Der bedeutendste Gegner von Descartes war jedoch
Gassendi (s. d.), der den antiken Atomismus erneuerte und durch den großen Einfluß, den er in Frankreich und in England gewann,
den Grund für die materialistische Richtung des 18. Jahrh. legte.
Mit beiden Richtungen gleichmäßig verbanden sich die mathem. und naturwissenschaftlichen Studien, denen Fontanelle das Interesse
der höhern Stände zugewandt hatte, wie denn überhaupt um diese Zeit am franz. Hofe jene Salonphilosophie herrschend wurde,
die zwar geistreich und graziös, aber doch meistens flach und ohne wissenschaftlichen Ernst Welt und
Leben, Moral und Politik mit spielender Skepsis zersetzte und die Quelle
[* 25] ihrer Anschauungen in Larochefoucaulds (s. d.) «Maximen»
fand.
Um so segensreicher war es, daß die große Verbreitung von Bayles (s. d.) Lexikon nicht nur einen Schatz realer Bildung, sondern
auch den ernsten moralischen Sinn in weite Kreise trug, mit dem er, den Widerspruch zwischen dem religiösen
Dogma und der Wissenschaft überall hervorkehrend, das religiöse Leben auf das sittliche Ziel zu lenken suchte und, die
Unabhängigkeit des moralischen Wertes von theoretischen Glaubensmeinungen betonend, für sociale wie polit. Verhältnisse
die edelste Toleranz predigte.
Was das 17. Jahrh. begonnen, setzte das 18. fort, mit dem Unterschiede
jedoch, daß, während in jenem die Engländer ihre Bildung zum Teil aus Frankreich gezogen hatten, nun in diesem der Einfluß
der engl. Philosophie in Frankreich bemerkbar wurde. Dabei wurden aber die Gedanken, die in England einem exklusiven Kreise der
höhern Gesellschaft angehörten, auf franz. Boden zu leidenschaftlich benutzten Agitationsmitteln in der
wachsenden Opposition gegen die argen Übelstände auf staatlichem und kirchlichem Gebiet, sodaß die Französische Philosophie des 18. Jahrh.
auf das innigste mit dem Werden der Französischen Revolution verknüpft ist.
Einerseits war es die Newtonsche Naturphilosophie, die, durch Voltaire den Franzosen übermittelt, ihrer
mathem. Richtung sympathisch war und die mechan. Naturauffassung, wie Maupertuis beweist, in den
Vordergrund rückte. Damit verband sich ganz im Sinne Newtons
[* 26] eine teleologische Naturbetrachtung, die gerade in der mechan.
Vollkommenheit des Universums den Beweis für die göttliche Urheberschaft desselben finden wollte, und so konnte Voltaire zugleich
der weithin wirkende Apostel des Deismus und der charakteristische Vertreter der Aufklärungsphilosophie
sein.
Andererseits fanden die materialistischen Principien von Hobbes in dem Vaterlande Gassendis ein lebhaftes Echo, und Lamettrie
(s. d.) sprach sie mit völliger Rücksichtslosigkeit aus. Diese Weltanschauung
fand denn auch ihre Erkenntnistheorie, als Condillac (s. d.) die empiristische
Psychologie Lockes in Frankreich bekannt machte und zum Sensualismus umbildete. Dieser wurde bald das allgemeine
Dogma der franz. Denker;
auch Männer wie Bonnet und Robinet, die über die mechanistische Naturlehre hinauszugehen strebten; er war auch die Grundlage
für die gleichfalls von den engl. Lehren
[* 28] abhängige Entwicklung der Moralphilosophie, deren VertreterHelvétius (s. d.) den
Egoismus als die Grundlage alles moralischen Lebens aufstellte und die Tugendnur für diejenige Art desselben
erklärte, die mit dem Wohl des einzelnen auch das der Gesellschaft fördert. Doch ist es schwer, die Fülle dieser Gedankenbeziehungen
auf die einzelnen Vertreter zu verteilen; die Pariser Gesellschaft der Mitte des 18. Jahrh. ist vielmehr wie ein einziges philosophierendes
Individuum, in dem sich Gedanke auf Gedanke in schneller Entfaltung drängt. Am wirksamsten zeigt sich
diese Konzentration in dem Kreise der sog. Encyklopädisten, aus dem unter der Leitung der beiden bedeutendsten, Diderot (s. d.)
und d'Alembert (s. d.), die «Encyklopädie» hervorging, ein Werk, das dem Geiste der Aufklärung weit über die Grenzen
[* 29] Frankreichs
hinaus zahllose Jünger geworben hat.
Zum Teil dieselben Männer bildeten etwas später den Kreis,
[* 30] der sich in dem Hause des Barons von Holbach
(s. d.) versammelte; hier wurde das «Système de la nature» entworfen, die «Bibel
[* 31] des Naturalismus», worin, Dogma gegen Dogma,
der konsequente Materialismus der Kirchenlehre gegenübergestellt wurde. Auf dem polit. Gebiete war schon früh durch Montesquieu
(s. d.) die Lockesche Theorie der Repräsentativverfassung den Franzosen geläufig geworden; je mehr sich
später die Gegensätze des wirklichen Lebens verschärfen, um so radikaler werden auch die Theorien; der Moralphilosophie
des Egoismus tritt in Männern wie Morelly und Mably (s. d.) der kommunistische
Gedanke gegenüber, daß im Privateigentum der Grund aller gesellschaftlichen Zerrüttung liege, und am
eindringlichsten erhebt endlich J. J. Rousseau (s. d.) seine Stimme, indem er aus der entarteten Kultur die Rückkehr zur Natur
und damit den Bruch mit der Geschichte, den später die Revolution vollzog, predigt.
Im 19. Jahrh. hat die Französische Philosophie den Charakter der engen Beziehung zu den Fragen des öffentlichen Lebens und
namentlich den socialen Bewegungen nicht nur festgehalten, sondern womöglich noch schärfer ausgeprägt. Anfänglich herrschte
noch fast unumschränkt die sensualistische Schule, die in der Revolutionszeit durch Moralpolitiker wie Saint-Lambert (s. d.),
Volney (s. d.), Condorcet (s. d.) vertreten war, auf theoretischem Gebiete aber in Cabanis den großen Fortschritt machte, daß
an die Stelle der mechan. Bewegungen, worauf das «Système de la nature» auch die geistigen Thätigkeiten
zurückgeführt hatte, die chem. und organischen Vorgänge gesetzt wurden.
Der Widerspruch, den sie fand, erwuchs aus religiösen Tendenzen, teils in der Form des von Saint-Martin (s. d.) mit Anknüpfung
an JakobBöhme neu erweckten Mysticismus, teils in der Form des Orthodoxismus und der hierarchischen Propaganda.
Nachdem hier Châteaubriand vorgearbeitet, erfolgte der Hauptangriff durch Jos. de Maistre (s. d.) und de Bonald (s. d.), denen
sich später Bautain (s. d.) und Maret anschlossen. Seitdem ist der Gegensatz zwischen
der katholisierenden, hierarchischen Partei und den Verteidigern einer unabhängigen Forschung immer stärker
hervorgetreten und namentlich in den Kämpfen um den öffentlichen Unterricht wichtig geworden. An die Stelle der sensualistischen
Schule trat die sog. spiritualistische, die sich an die schott.
Philosophie anlehnte und
durch Maine de Biran (s. d.), Th. S. Jouffroy und Royer-Collard (s. d.) vertreten war.
IhreTendenz ging dahin, aus der Selbstbeobachtung die Gewißheit der sittlichen und religiösen Weltauffassung
unabhängig von kirchlichen Lehren zu begründen. In eine neue Phase trat diese Richtung durch V. Cousin (s. d.), der auch mit
der deutschen Philosophie vertraut war und der spiritualistischen Richtung den Charakter des Eklekticismus aufprägte. Das wesentlichste
Verdienst dieser eklektischen Schule, zu der neben Cousin selbst Jul. Simon (s. d.), François Rémusat
(s. d.), Damiron, Emile Saisset, Ravaisson, Hauréau, Paul Janet, Levêque, Bouillier, Lemoine, Caro (s. d.) gehören, besteht
in ihrer umfassenden und vielseitigen Bearbeitung der Geschichte der Philosophie und in dem Bestreben, die Methoden und die
Ansichten der verschiedenen Systeme der deutschen Philosophie in Frankreich bekannt zu machen. Der Einfluß
Kants zeigt sich besonders in den Werken von Renouvier und Vacherot (s. d.), während Michelets empfindungswarme Gedanken vielfach
an andere deutsche Systeme erinnern.
Während nun diese eklektische histor. Richtung sich bis nach der Revolution von 1848 kräftig erhielt und z. B. noch in dem
von Franck redigierten «Dictionnaire des sciences philosophiques»
ihr spiritualistisches Glaubensbekenntnis niederlegte, breiteten sich zugleich die socialistischen Theorien aus, die mit ihren
Ursprüngen in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrh. zurückweisen, wo Fourier seine Theorie von der Organisation der Arbeit
entwickelte, wo Saint-Simon die Emporhebung des Proletariats zu Wohlstand und Bildung auf seine Fahne schrieb
und Proudhon seine neue Lehre von der Verteilung des Eigentums entwickelte.
Die Anhänger Fouriers, wie Considérant (s. d.), Cabet (s. d.), Louis Blanc (s. d.), waren radikal in jeder Beziehung; bei den
Saint-Simonisten zeigt sich eine eigentümliche Verschmelzung der socialistischen Theorie mit katholisierender Metaphysik; zu
ihnen gehören Buchez (s. d.), Leroux (s. d.),
Jean Reynaud (s. d.), Lazare Hippolite Carnot (s. d.) u. a., die in der «Nouvelle Encyclopédie» ihre Ansichten
niedergelegt haben. Ja, mit der vollen Kirchengläubigkeit und der Richtung de Maistres erscheint der radikale Demokratismus
versöhnt in dem interessanten Entwicklungsgange von Lamennais (s. d.). Aus der
Schule Saint-Simons hervorgegangen ist auch Auguste Comte (s. d.). Von dem schon von d'Alembert geäußerten
Grundgedanken ausgebend, daß alles menschliche Denken vom mythologischen zum metaphysischen und von diesem zum empirischen
oder «positiven» Stadium fortschreitet, hat er sein System des Positivismus aufgestellt, das die «Sociologie», die Lehre von
der Gesellschaft, auf die Psychologie und diese auf die experimentelle Naturwissenschaft gründen will. Bekannt wurde
diese Lehre zunächst in England, erst später fand sie in Frankreich zahlreiche Schüler. Ihr bedeutendster Vertreter ist Littré
(s. d.), unter den übrigen ragen Th. Ribot (s. d.), der Herausgeber der «Revue philosophique», und der freilich eklektischen
Einflüssen ebenfalls zugängliche Taine hervor.
Vgl. Damiron, Mémoires pour servir à l'histoire de la philosophie au XVIIIe siècle (3 Bde.,
Par. 1858-64);
ders., Essai sur l'histoire de la philosophie en France au XIXe siècle (2 Bde., ebd. 1846);
Taine, Les philosophes
classiques français du XIXe siècle (ebd. 1857; 3. Aufl. 1868);
Janet,
¶
forlaufend
186 1^3. pki1 li'^n^lii86 C0Ut0N11)01'HiU6 (ebd. 1879); Ravaisson, I^a pliiloänplii" cu I^ranc" ini XIX" siecw (2. Aufl.,
ebd. 1885). FranzösischeRente, Bezeichnung für den Hauptteil der franz. Staatsschuld, mit Rücksicht darauf, daß bei der
Zusammenziehung der ältern Staatsschulden in eine einheitliche konsolidierte Schuld (d^tt" con8oli(i60) im I. 179? den Gläu-
bigern für ihre Darlehen ein immerwährender Zins- genuß (uli6 !'6nt0 P6i'i)6w0l!6) und nicht du: Rück- zahlung des Kapitals
versprochen wurde, seitdem sind bis 1878 alle festen Staatsschulden in dieser Form gemacht worden, und andere Staaten sind
dem BeispielFrankreichs gefolgt.
Demgemäß wird in das durch Gesetz vom begründete Staatsschuldbuch (6i-aiiä livre äe 1a
ä^tte Mdiisiuch nicht die Kapitalsumme, sondern nur die von den Gläubigern zu beziehenden Rentcnbeträge inskri- biert (s.
Einschreibesystcm), und die über letztere aus- gegebenen Titel führen den Namen liizcriptioiin ä6 I'6nto8 P01'MU61108.
Von dieser Rentenart ist man aber neuerdings insofern abgewichen, als 1878-84 Rentcnschulden geschaffen
wurden, deren Kapitalsnmmen durch Auslosung ai paii getilgt werden sollen (sog. i'0iite8 mnoi'ti33lü)Io3).
Die Emissionskurse dieser Rente, welche einen Ertrag von 3284580886 Frs. brachte, waren 79,5.0,80,50, 85 und 87,50. seitdem
ist man aber bei den fol- genden Anlehen wieder zu der erstern Form zurück- gekehrt. Die Ausgabe von 870 Mill.
Frs. 3prozen- tigcr Rente im Jan. 1891 erfolgte znm Kurs von 92,5.5 Frs. Im ganzen giebt es jetzt nur noch drei Typen der 'Rentenschuld:
1) die 3prozentige per- petuclle Rente (w 3"/ ^c;i'i)^w"I),
für welche kein Rückzahlungstermin besteht;
2) die 3prozentige amortisable Rente, welche mit 500 Frs. per Zins- abschnitt von 15 Frs. bis 1953 eingelüst
werden soll;
3) die ^prozentigc 1894er Rente, welche aus der 1883er 4'/.2prozentigen hervorging und einer Til- gung nicht vor dem unterworfen
wer- den kann. - DerJahresdurchschnittskurs der wich- tigsten Rentenart - der 3prozentigen perpetuellen Rente - betrug in
Paris 1887 81,07, 1888 82,03, 1889 85,77, 1890 91,69, 1891 95,23. 1892 erreichte sie den Parikurs,
siel infolge des Panamastandals und erholte sich seitdem wieder bis über den Pari- stand. Von deutschen Börsenplätzen
notiert nur Frankfurt
[* 33] a. M. die 4^prozentige Rente. Der hohe Kurs der Französische Revolutionskriege erklärt sich hauptsächlich dar- aus, daß
die franz. Sparkassen denHauptteil ihrer Gelder in derselben anzulegen verpflichtet sind. - Über die Höhe der franz. Staatsschuld
französische Frankreich, Finanzwesen lS. 73 d). Md fg. Französische Revolution, s. Frankreich, S. FranzösischeNevolutionskriege.
Frankreich erklärte an das mit Preußen
[* 34] durch Vertrag verbundene Osterreich den Krieg (s. Frank- reich, rücken,
wo man die Österreicher (35000 Mann unter dem HerzogAlbrecht von Sachsen-Teschen) unvor- bereitet zu finden meinte. Die franz.
Nordarmee (35000 Mann unter Rochambcau) rückte von Va- lenciennev, die zweite (28000 Mann unter Lafayette) von Sedan
[* 35] und
Givet her über die Grenze, beide kehrten jedoch bald ziemlich aufgelöst wieder auf franz.
Gebiet zurück.
Die Preußen nahmen 23. Aug. Longwy, 2. Sept.Verdun
[* 38] und standen 20. Sept. bei Valmy (s. d.) Dumouriez, der Lafayette im Oberbefehl
abgelöst hatte, gegenüber, traten je- doch, anstatt das durch vorhergegangene Gefechte erschütterte
feiudliche Heer mit Nachdruck anzugrei- fen, nach einer crfolglofen Kanonade und mehrtägi- gen Verhandlungen mit dem franz.
Oberbefehls- haber 30. Sept. den Rückzug an, obschon die zurück- gebliebenen Österreicher und Emigranten inzwischen nahe herangekommen
waren.
Dumouriez ließ das preuß. Heer durch Kcllermann verfolgen, zog Ver- stärkungen an sich und rückte an der spitze von 52000'Mann 21. Okt. nach
Valeneiennes, schlug das Heer des Herzogs von ^achsen-Teschen6. Nov. bei Iemappes (s. d.) und besetzte hierauf ganz Bel- gien.
Am 14. Nov. übernahm Clerfayt den Ober- befehl über die kaiserl. Truppen in den Niederlan- den. Euftine war unterdessen mit
der Rheinarmee in die Pfalz eingerückt, hatte sich Speiers bemächtigt und im Oktober Mainz
[* 42] und Frankfurt
a. M. besetzt, das aber 2. Dez. durch Hess.
Truppen wieder genom- men wurde. Zur selben Zeit hatte eine franz. Süd- armcc, 40000 Mann unter Montesquieu, ohne Kriegserklärung
im September die ital. Grenze über- schritten und Savoyen besetzt, das 27. Nov. als Departement
du Montblanc mit Frankreich vereinigt wurde; wurde auch Nizza
[* 43] annektiert. ImI. 1793 verbanden
sich England, Holland und Sardinien
[* 44] mit Österreich
[* 45] und Preußen (ersteKoali - tion), auch Spanien
[* 46] nahm am Kriege gegen Frank- reich
teil, und in der Vendee (s. d.) entbrannte der Bürgerkrieg.
Die franz. Nordarmee rückte im Fe- bruar in Holland ein und belagerte Mastricht; doch überschritt 1. März ein 42000 Mann
starkes österr. Heer unter Prinz Iosias von Coburg
[* 47] die Roer, ent- setzte Mastricht, schlug Dumouriez, der mit dem Rest seiner
Truppen herbeigeeilt war, 18. März bei Neerwinden (s. d.) und 22. März bei Löwen,
[* 48] worauf die Nordarmee über die franz. Grenze zurückging und Dumouriez
in das österr. Lager flüchtete. Prinz Iosias von Coburg, anstatt nun rasch vorzu- stoßen, glaubte die engl.
und Holland. Hilfstruppen abwarten zu müssen, und mußte sich schließlich mit der Eroberung der Festungen Conde 13. Juli und
Valenciennes 28. Juli begnügen, da die Engländer gegen seinen Willen auf Düntirchcn marschiert wa- ren.
Sie wurden von t cm herbeigeeiltcn Houchard 6. Sept. bei Hondschooie mit großem Verlust ge- schlagen. Bald darauf war Prinz Iosias
zur Be- lagerung von Maubeuge geschritten, die er aber aufgeben mußte, als die gegen Iourdan gelieferte
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forlaufend
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Schlacht bei Wattignics 15. bis 16. Okt. unent- schieden blieb. Während dies im Norden
[* 50] geschah, hatte 26. März ein 63000 Mann
starkes .Heer (Preußen und 9000 Hessen) bei Vacharach den Rhein überschritten, .'N.März Mainz eingeschlossen und Ni.Iunidie
förm- liche Belagerung der Festung
[* 51] eröffnet, die 22. Juli kapitulierte. Der Herzog von Braunschweig
[* 52] schlug
hierauf die frauz. Rhcinarmee 14. Sept. bei Pir- mascns (s. d.) und 28. bis 30. Nov. bei
Kaiserslau- tern (s. d.) und schloß im Oktober Landau
[* 53] ein; doch mußte die Belagerung dieser Festung aufgehoben werden, nachdem
das östcrr.
Hilf^korps, das sich unter Wurmser auf eigene Faust im Elsaß vorge- schoben hatte, 26. Dez. bei Weißenburg
[* 54] von der franz. Moselarmee unter Hoche geschlagen worden war. Der Herzog von Braunschweig führte darauf sein Heer auf das rechte
Rheinufer zurück, ebenfo Wurmser das seinigc, und die franz. Rheinarmec unter Pichegru rückte
vor Mainz. Im südl. Frank- reich war der Kriegshafen Toulon
[* 55] 29. Aug. durch die Royalisten an die Engländer
übergeben worden; doch erschien alsbald ein franz. Heer vor dem Platze, der nach längerer Belagerung18. Dez. kapitulieren mußte;
bei dieser Belagerung zeichnete sich der ArtillerieoffizierBonaparte (s. Napoleon I.) hervor- ragend aus und lenkte zuerst
die Aufmerksamkeit der leitenden Kreise auf seine außergewöhnliche militär. Begabung.
Frankreich hatte 7. März an SpanienKrieg erklärt und 30000 Mann unter Servan bei Bayonne, Perpignan und Toulouse
[* 56] auf- gestellt.
Aus Catalonien, Aragon und Navarra drangen span. Truppen (30000 Mann unter AntonioRicardo, Prinz Castelfranco und Don Ventura Caro)
in den Pyrenäen vor und schlugen die Franzosen in vielen kleinen Gefechten. An der ital. Grenze hatten
in diesem Jahre 30000 Franzosen unter Kellermann in Savoyen und 20000 Mann unter Biron in Nizza gestanden, ihnen gegenüber
bei Avita, Suea und (^aluzzo ein sardinisches, durch österr. Truppen ver- stärktes Heer. Entscheidende Kämpfe fanden auch
auf diesem Kriegstheatcr nicht statt. Kcllermann mußte einen Teil seinerTruppen zur Unterdrückung des
Auf- standes nach der Provence entsenden. Die Verbün- deten rückten im Juni in Savoyen ein, gingen jedoch, als Kellermann
wiedergekehrt war, nach den Pässen des Mont- Cenis und St. Bernhard zurück. Bivher hatten die franz. Heere aus Linientruppcn
und Freiwilligen bestanden, doch hatten sich die aus (einjährigen) Freiwilligen gebildeten Truppen allent-
halben als wenig brauchbar für den Feldkrieg er- wiesen.
Das machte eine Armeereform dringend nötig, und die drakonische Energie des jakobinischen Wohlfahrtsausschusses erklärte
durch ein Gesetz vom die Wehrpflicht für allgemein. Dann vereinfachte man das Eadresystem, indem man
die alten Regimenter auflöste und aus drei Bataillonen und vier Eskadrons die Halbbrigadc als taktische Einheit bildete. Die
neuen Aufhebun- gen ergaben Ende 1793 ein Heer von 650000, im Juni darauf von 730000 Mann verfügbarer Feld- ttuppen.
An der franz. Nordgrenze standen 270000 Mann unter Pichegru, davon 27000 Mann unter
Charbonnier in den Aroennen, gegen 140000 Ver- bündete (Österreicher, Engländer, Holländer). Oster- reich stellte in den
Niederlanden und am Rhein überhaupt 200000 Mann aus, Preußen (mit engl. und Holland. Subsidien) 62 400, England 26000, Hannover
[* 57] 18000, Hessen 12000, Braunschweig 2000;
die hannov., Hess. und braunschw. Truppen sowie einige Emigrantcnkorps wurden
von England besoldet.
KaiserFranz II. tras Anfang April 1794 beim Heere in Belgien ein, worauf der Vormarsch gegen die franz. Festung Landrecies begann.
Das verschanzte Lager bei Eateau wurde 17. April er- obert und am folgenden Tage die Belagerung er- öffnet, worauf die Festung 30. April kapitulierte.
Aber auch jetzt wurde zu langsam vorgegangen. Die Verbündeten erlitten bei Tourcoing18. MaiVerluste, die
sie allerdings durch eine siegreiche Ak- tion beiTournay 22. Mai wieder wettmachten; aöcr unterdessen war Jourdan mit einer
Armee von der Mosel gegen die Tambre herangerückt, und 26. Juni verlor Eoburg die Schlacht bei Fleurus. Er mußte
hinter die Maas und bald nachher hinter die Roer zurück.
Bisher hatten sich die Franzosen mehr in der Defensive gehalten, nun ergriffen sie die Offen- sive. Jourdan konnte mit 60000 Mann
Brügge und Mons
[* 58] erobern, und als Elerfayt, an den Coburg das Kommando abgegeben hatte, im Oktober über den Rhein
zurückging, auch ganz Belgien und die nördl. Partie des linken Rheinufers mit Köln, Bonn
[* 59] und Koblenz
[* 60] in seine Gewalt bringen.
Am 4. Nov. siel Mastricht in seine Hände. Pichegru dagegen war nordwärts marschierend dem Herzog von 'Zork, der das engl. HilfsHeer
befehligte, gefolgt, hatte Erevecoeur, Herzogenbusch und Venloo genommen, sich 3. Nov. der Festung Nimwegen
[* 61] bemächtigt und das ganze Land bis zur Waal besetzt.
Der Herzog von Zork stand zwischen Waal und Leck, glaubte den Feldzug beendigt und begab sich nach England, das Kommando dem
hannoo. General Walmoden überlassend. Da übernahm Moreau den Oberbefehl über die franz. Nordarmee an Stelle
des erkrankten Pichegru und setzte die Operationen weiter fort. Zwar wurde 12. Dez. sein Angriff auf die InselBommel abgewiesen,
doch nahm Pichegru 27. Dez. die Insel, nachdem Waal und Leck auf dem Eise überschritten waren, und sprengte die Holland.
Trup- pen auseinander. Am führte Wal- moden das anf 23000 Mann herabgekommene Heer über den
Leck und zog dann über die Ems
[* 62] nach Deutschland. Pichegru eroberte ohne Widerstand ganz Holland; die bei Terel von Eis
[* 63] umschlossene
Holland. Flotte ergab sich der franz. Kavallerie. Im Mai 1794 hatte, als Jourdan nach Belgien zog, Morcau den Befehl über die 30000 Mann
starke Moselarmee übernommen, und am Rhein standen 36000 Mann unter Michaud. Die Ver- bündeten hatten die Rheinlinie von
Basel
[* 64] bis Mannheim
[* 65] mit 85000 Österreichern, Reichstrup- pen und Emigranten unter dem HerzogAlbrecht von Sachsen-Teschen besetzt; bei
Mainz stand Ield- marschall Möllendorf mit 50000 Preußen und 5000 wachsen, bei Trier
[* 66] Feldmarschalllieutenant
Vlan- kenstein mit 9000 Österreichern.
Möllendorf griff 23. Mai an und drängte die Franzosen bei Kaisers- lautern zurück, wies auch ihre Angriffe 2. und 3. Juni ab,
zog sich jedoch wieder zurück, als 12. und 13. Juni ueue Vorstöße erfolgten, und stellte sich, verstärkt durch 10000 Österreicher,
vor Mainz auf. Inzwischen hatte Blankenstein auch Trier auf- gegeben. In der zweiten Hälfte des September
drang Möllendorf im Hunsrück vor, mußte jedoch wieder zurückgehen, da Elerfayt auf das rechte Rheinufer zurückgewichen
war, und ging ebenfalls über den Strom. Am 2. Nov. nahmen die Franzosen den Rheinfels und 25. Dez. den Brückenkopf
von
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