Wasserstoff entwickelnden Mischung, z. B.
Zink und verdünnte Schwefelsäure
[* 2] oder
Aluminium und Kalihydratlösung, so werden
diese
Salze sofort derartig zersetzt, daß der durch die chem. Wirkung jener
Stoffe entstehende
Wasserstoff sich sowohl mit
dem Sauerstoff wie mit dem
Stickstoff der Salpetersäure verbindet
und sie in Wasser und
Ammoniak verwandelt. Es zeigt
daher der
Wasserstoff hier ganz verschiedenes Verhalten. Als freier
Wasserstoff ist er indifferent, im andern Falle von großer
chem.
Energie.
Diese Reaktionsfähigkeit wurde früher dem Entstehungszustand zugeschrieben. Die neuere Zeit fand dafür folgende
Erklärung: Das Wasserstoffgas besteht aus Wasserstoffmolekülen, die aus je zwei untereinander chemisch verbundenen Wasserstoffatomen
bestehen, demnach einen
Teil der den
Atomen innewohnenden chem.
Energie eingebüßt haben. Infolgedessen
ist der freie oder molekulare
Wasserstoff wenig reaktionsfähig, weil erst eine
Trennung der Wasserstoffatome des Moleküls
stattgefunden haben muß, um dieselben fähig zu machen, andere
Verbindungen einzugehen. Wird aber
Wasserstoff aus feinen
Verbindungen
abgeschieden, z. B. durch das
Zink aus der Schwefelsäure oder durch das
Aluminium aus dem Kalihydrat,
so besteht ein, zwar verschwindend kurzes, Zeitintervall, in dem der
Wasserstoff noch in Form von nicht zu
Molekülen verbundenen
freien
Atomen vorhanden ist, und dieser atomistische
Wasserstoff besitzt die große chem.
Energie, die jene
Zersetzung bewirkt.
Entwehrung oder Eviktion, die Entziehung des
Besitzes einer von einem andern erworbenen Sache zu Gunsten
eines besser berechtigten Dritten. Der Verkäufer ist verpflichtet, dem
Käufer den dauernden
Besitz der verkauften Sache zu
verschaffen. Hat er die Sache dem
Käufer übergeben, der
Besitz wird demselben aber wegen eines bessern,
schon zur Zeit des
Kaufs begründeten
Rechts eines Dritten von diesem wieder entzogen, namentlich infolge rechtskräftigen
Urteils, so haftet der Verkäufer auf
Schadenersatz.
Das
Urteil muß der Verkäufer gegen sich gelten lassen, wenn ihm vom
Käufer der Streit verkündet war, sofern die Streitverkündigung
so zeitig erfolgte, daß dem Verkäufer noch die volle Verteidigung seines
Rechts möglich war. Hat der
Käufer den Streit nicht verkündet, so hat er den
Beweis zu führen, daß dem Verkäufer das
Recht, welches er dem
Käufer zu
übertragen verpflichtet war, nicht zustand. Führt er diesen
Beweis, so hat er den Entwährungsanspruch auch dann,
wenn er die Sache ohne Prozeß hingegeben hat; ebenso, wenn der
Käufer den Eigentümer beerbte, oder wenn er sie von dem
Eigentümer geschenkt erhalten oder denselben wegen seiner
Ansprüche abgefunden hat.
Der Entwährungsanspruch steht auch zu, wenn dem
Käufer die Sache von einem Pfand- oder Hypothekengläubiger entzogen ist.
Wegen Entziehung von
Teilen der Sache, wegen Erstreiten eines
Miteigentums kann Ersatz des dadurch erlittenen
Nachteils gefordert werden. Werden gegen den
Käufer Grunddienstbarkeiten erstritten, so haftet der Verkäufer nach Gemeinem
Recht nur, wenn er dem
Käufer deren
Abwesenheit garantiert oder wenn er sie arglistig verschwiegen hat; nach Sächs.
Gesetzbuch gilt dies wegen Grunddienstbarkeiten, welche ortsüblich sind oder sich aus der äußern
Lage
oder Beschaffenheit des Grundstücks
ergeben; das
Preuß.
Landrecht läßt auch wegen Grundgerechtigkeiteit haften. Der Verkäufer
haftet nicht, wenn der
Käufer zur Zeit des
Kaufs das bessere
Recht des Dritten kannte; doch schadet die Kenntnis von nicht
übernommenen
Hypotheken nicht nach
Preuß.
Landrecht; ebensowenig haftet der Verkäufer, wenn er ohne
Arglist
frei von
Verbindlichkeit verkaufte.
Der Entwährungsanspruch geht auf Erstattung des vollen
Schadenersatzes, nicht bloß auf Rückgabe des Kaufpreises. So will
es auch der Deutsche
[* 3]
Entwurf §. 277, der
Code civil Art. 1630 fg. und das Sächs. Gesetzb. §. 941. NachPreuß.
Allg. Landr. 1,11, §§. 154 fg. und I, 5, §. 323, im Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 932 und im
SchweizerObligationenrecht
Art. 211 ist der
Anspruch abgestuft, je nach dem
Grade der Verschuldung des Verkäufers. Bei teilweiser Eviktion gestatten
die neuern Gesetze dem
Käufer vielfach Rücktritt vom
Vertrage.
Ist die Sache durch mehrere
Hände gegangen, so muß sich der einzelne
Käufer immer an seinen Verkäufer
halten; es giebt keinen sog. springenden Regreß.
Anders nachPreuß. Allg.
Landrecht, wenn der unmittelbare
Vormann in Konkurs
verfallen ist, das
Deutsche Reich verlassen hat oder wenn sein Aufenthalt unbestimmt ist. Derselbe
Anspruch wie
dem
Käufer steht im Falle der Entwährung jedem Erwerber aus entgeltlichem
Vertrage (s. EntgeltlicheVerträge) zu. So auch nach Sächs.
Gesetzb. §. 930, Österr. Gesetzb. §§. 922, 923. Nach dem
DeutschenEntwurf, §. 370, soll jeder auf Gewährleistung haften,
wer sich durch
Vertrag zur
Veräußerung einer Sache oder einesRechts verpflichtet.
In neuester Zeit braucht man den
Ausdruck Entwährung auch für Demonetisierung eines Währungsmetalls oder einer Münze (s.
Demonetisieren).
ein
Verfahren, das in der
Technik wie im chem. Laboratorium
[* 4] vielfach vorgenommen wird, um
Substanzen von
chemisch gebundenem oder nur mechanisch anhängendem Wasser zu befreien.
In den meisten Fällen läßt
sich das Entwässern durch Erwärmung (s.
Abdampfen) bewirken, wobei die nicht zu überschreitende
Temperatur durch die Beschaffenheit
der zu entwässernden
Substanz bedingt ist.
Pottasche,
Soda,
Glaubersalz bringt man bis zur Rotglut und zerstört damit zugleich
organische
Substanzen, die als Verunreinigungen den
Salzen anhängen können.
Organische
Verbindungen entwässert man in der Regel bei nicht über 100° C. liegenden
Temperaturen, manche
derselben ertragen aber selbst diese
Temperatur nicht und sind nur zu entwässern, indem man sie im luftleeren Raume über
konzentrierter Schwefelsäure längere Zeit verweilen läßt. (S. Exsiccator.) Mit Wasser mischbare flüchtige Flüssigkeiten
lassen sich vielfach durch
Destillation
[* 5] vom Wasser befreien. Häufig ist dies aber nicht thunlich. Man
ist dann gezwungen, wasserbindende Körper zu Hilfe zu nehmen.
Spiritus
[* 6] läßt sich z. B. durch
Destillation nur bis zu einem Alkoholgehalt von 96 Proz. anreichern. Will man ihn weiter entwässern,
so läßt man ihn mit gebranntem Kalk, geschmolzenem
Chlorcalcium, entwässertem Kupfervitriol längere Zeit stehen, wobei
diese
Substanzen das Wasser chemisch binden, worauf man durch eine nochmalige Rektifikation absoluten
Alkohol erhält. Flüssigkeiten,
die durch konzentrierte Schwefelsäure nicht zersetzt werden, können durch
Destillation mit dieser Säure entwässert werden.
Um geringe Mengen von Wasser andern Flüssigkeiten zu entziehen, kann man sich
¶
mehr
endlich mitunter vorteilhaft des metallischen Natriums bedienen, das man drahtförmig oder in feine Späne zerschnitten einträgt
und so lange mit der Flüssigkeit in Berührung läßt, bis die durch Wasserzersetzung bewirkte Entwicklung von Wasserstoffgas
aufhört. - der Grundstücke, eine im Bauwesen notwendige Vorkehrung, um dem Baugründe seine Feuchtigkeit zu nehmen.
Es giebt ein Entwässern für die Grundwässer und ein solches für Regen- und Hauswässer. Ersteres geschieht durch offene oder verdeckte
Abzugskanäle nach dem Straßenkanal oder andern tiefer gelegenen Stellen, wobei zu beachten ist, daß der Kanal
[* 8] beim Steigen
der Grundwässer (Hochwasser, Stauungen) nicht gerade den Zufluß herbeiführt. Die aus den Brunnen,
[* 9] Dachtraufen
und vom Regen zusammenlaufenden Wasser führt man am besten in gepflasterten, gesenkten Rinnen vom Haus und Grundstück fort.
- Über der Äcker und Wiesen s. Drainierung.
Der Ausdruck wird insbesondere da angewendet,
wo es sich um geringfügige Diebstähle handelt, z. B. im Falle des Mundraubes (s. d.),
des Feldfrevels (s. d.).
(Evolutio), in der Physiologie die allmähliche Ausbildung eines Organismus vom formlosen Keim bis zu seiner
Vollendung (s. Entwicklungsgeschichte), insbesondere die in gewissen Lebensperioden stärker hervortretende Ausbildung des
menschlichen Körpers und Geistes. In diesem Sinne unterscheidet man drei Hauptperioden der Entwicklung (Entwicklungsstufen oder Entwicklungsperioden),
von denen die erste das Kindesalter vom ersten Zahnen bis zum 8. Jahre umfaßt, die zweite vom 8. bis zum 14. Jahre reicht,
die dritte das 14. bis 20. oder 24. Jahr in sich begreift. Die letzte Periode wird vorzugsweise als Entwicklungsperiode
bezeichnet, weil während dieser Zeit mit der Ausbildung der Geschlechtsorgane und deren Funktionen die Entwicklung des
Körpers und Geistes ihren Abschluß erreicht. Während dieser Epochen ist der Mensch auch zu besondern Krankheiten geneigt,
die als Entwicklungskrankheiten (s. d.) bezeichnet werden, über die Entwicklungsstufen
s. Embryo, Säugling, Kind, Jüngling und Jungfrau.
die Lehre
[* 11] von der Entwicklung der pflanzlichen oder tierischen Organismen; ihr Endziel ist die
Darlegung der Gesetze und Bedingungen, unter denen die Gestaltung der pflanzlichen und tierischen Organismen entstanden ist.
Die der Tiere zerfällt in zwei Hauptabschnitte, in die Ontogenie oder Embryologie, das ist die der Einzelwesen,
deren Aufgabe es ist, die allmähliche Entstehung eines jeden organischen Wesens sowie die aller seiner Formelemente und Organe
von den ersten Anfängen an bis zu ihrer Vollendung in ihren Formverhältnissen genau zu verfolgen und darzulegen, und in
die Phylogenie oder Zoogenie, die Lehre von der Entwicklung der gesamten Tierwelt, welche die Umgestaltungen
der einzelnen Tierformen ineinander und die Veränderungen, welche die Reihe der Vorfahren einer jeden Tierart im Laufe der
Zeiten erlitt, zu erforschen sucht (s. Biogenetisches Grundgesetz). Die Entwicklungsgeschichte ist deshalb nicht nur ein wichtiger und wesentlicher
Teil der Lehre von der Fortpflanzung und Zeugung (s. d.), sondern
bietet auch wertvolle Aufschlüsse für die gesamten
biologischen Wissenschaften und hat deshalb schon frühzeitig das Interesse
der Naturforscher in Anspruch genommen.
Schon bei Aristoteles finden sich eine Menge feiner Beobachtungen über die Zeugung und Entwicklung der Tiere, und auch die großen
Anatomen der neuern Zeit, vor allen Fallopia, Fabricius, Harvey, Graaf, Swammerdam, Malpighi u. a. haben
sich eingehend mit entwicklungsgeschichtlichen Fragen beschäftigt. Als eigentlicher Begründer der heutigen Entwicklungsgeschichte ist
indessen Kaspar Friedr. Wolff (s. d.) zu nennen,
der 1759 in seiner berühmten Dissertation «Theoria generationis» den wichtigen
und epochemachenden Nachweis führte, daß der Embryo (s. d.) nur ganz allmählich durch eine Reihe
langsam aufeinanderfolgender Veränderungen aus einer einfachen Anlage entsteht (Theorie der Epigenese), nicht aber, wie man
bis dahin annahm, durch einfache Enthüllung schon im Ei
[* 12] von Haus aus vorhandener Teile (Lehre der Evolution).
Von größter Bedeutung für den weitern Aufschwung der Entwicklungsgeschichte waren die Arbeiten von Christian Pander, der 1817 die
Entstehung und weitern Umänderungen der Keimblätter beschrieb, und von Karl Ernst vonBaer (s. d.), der die erste vollständige
und bis ins einzelne durchgeführte Untersuchung über die Entwicklung des Hühnchens veröffentlichte und als der eigentliche
Schöpfer der vergleichenden Embryologie zu betrachten ist. Die Vorgänge, welche man als Entwicklungsvorgänge
bezeichnet, finden durch die Geburt des Tieres oder Menschen keineswegs ihren Abschluß, es setzen sich dieselben vielmehr bis
zum Eintritt der rückschreitenden Metamorphose (Involution) fort, und man hat somit eine intra- und extrauterine Entwicklung
zu unterscheiden.
Die wichtigsten Vorgänge der letztern sind beim Menschen die Weiterentwicklung des Gebisses (erste und
zweite Dentition) sowie die zur Ausbildung des Geschlechtslebens gehörigen Vorgänge. Die Geburt selbst bildet allerdings
einen tiefen Einschnitt in dem Entwicklungsgange des Tieres, bezeichnet indes keineswegs eine bestimmte Etappe desselben,
indem sie bei verschiedenen Gattungen mit sehr verschiedenen Stufen der Entwicklung zusammenfällt. So entspricht das Neugeborene
der Beutler dem menschlichen Fötus etwa des 3. bis 4. Monats; manche Tiere (z. B. Nage- und Raubtiere)
[* 13] werden
in einem hilflosen und wenig entwickelten Zustand geboren, während andere, wie Wiederkäuer,
[* 14] Pferde,
[* 15] eine bereits vorgeschrittenere
Ausbildung besitzen. (S. auch Ei, Embryo, Furchung und Metamorphose.)
In neuester Zeit haben sich um die Ausbildung der Entwicklungsgeschichte in Deutschland
[* 16] Bischoff, Rathke, Reichert, Johs. Müller,
Remak, Kölliker, Haeckel und His, in Frankreich Coste sowie Prévost und Dumas, welche den Furchungsprozeß entdeckten, in
England endlich Wharton Jones, AllenThomson, Huxley und Balfour große Verdienste erworben. -
Vgl. vonBaer, Über der Tiere (2
Bde., Königsb. 1828-37);
Haeckel, Anthropogenie. Entwicklungsgeschichte des Menschen (Lpz. 1874; 4. Aufl., ebd. 1891);
ders.,
Ziele und Wege der heutigen Entwicklungsgeschichte (Jena
[* 17] 1875);
His, Unsere Körperform und das physiol. Problem ihrer Entstehung (Lpz.
1875);
Krankheiten, deren Zustandekommen durch die körperliche und geistige
Entwicklung und ihre verschiedenen Perioden (s. Lebensalter) begünstigt wird. Manche der hierhergehörenden Krankheiten sind
nur der betreffenden Entwicklungsperiode eigentümlich, wie z. B. die Kopfblutgeschwulst und die Nabelkrankheiten der Neugeborenen,
die Rhachitis oder Englische Krankheit;
[* 20] andere kommen zwar auch in den spätern Lebensaltern vor, nehmen
aber während des Entwicklungsstadiums einen eigentümlichen und abweichenden Verlauf an. So sind während des Kindesalters
die Knochen
[* 21] infolge ihres intensiven Wachstums viel blutreicher, weicher und weniger widerstandsfähig und werden deshalb
häufig von entzündlichen und tuberkulösen Affektionen befallen.
Während des Schulalters können unzweckmäßige Schulverhältnisse auf die körperliche und geistige Entwicklung in der
mannigfachsten Weise schädigend und hemmend einwirken (s. Schulhygieine). Im Jünglings- und Jungfrauenalter giebt der Eintritt
der geschlechtlichen Entwicklung bei verkehrter Erziehung vielfach Anlaß zu Erkrankungen: beim weiblichen Geschlecht zu Bleichsucht
und Menstruationsstörungen, bei beiden Geschlechtern zu extravaganter Stimmung, zu Schwärmerei, selbst zu wirklicher Geistesstörung
in der Form der Melancholie, des erotischen und religiösen Wahnsinns. Aus diesem Grunde ist während der
Entwicklungsperioden eine sorgfältige Überwachung der körperlichen und psychischen Funktionen sowie die Fernhaltung
aller schädigenden Einflüsse ganz unerläßlich. (S. Säugling, Kind, Jüngling und Jungfrau.)
die Entziehung der Mutter- oder Ammenbrust und die hierdurch bedingte Gewöhnung des
Säuglings an eine andere Nahrungsweise; sie sollte als wichtiger Eingriff in den Organismus nur vorgenommen werden, wenn
sich das Kind vollkommen wohl befindet, am besten, wenn die zwei untern und die vier obern Schneidezähne durchgebrochen sind,
was etwa im zehnten oder elften Lebensmonat der Fall ist. Man verfährt am zweckmäßigsten dabei so,
daß man zur Zeit der beginnenden Entwöhnung die Brust dem Kinde während der Nacht gar nicht und während des Tags einmal weniger als
gewöhnlich giebt und dafür mittags ein Süppchen von Gries mit entfetteter, schwach gesalzener Fleischbrühe, oder einen
Zwieback (in Wasser gut ausgekocht und mit Milch und ein wenig Zucker
[* 22] oder mit schwacher Fleischbrühe
versetzt) darreicht.
In der zweiten Woche der Entwöhnung giebt man diese Mahlzeiten häufiger, die Brust seltener, schließlich nur noch zwei- bis dreimal
des Tags, bietet dem Kinde auch Kuhmilch an und reicht endlich die Brust nur noch einmal am Tage, worauf
man sie sehr bald ganz entziehen kann. Diese Art zu entwöhnen ist der plötzlichen Entziehung der Muttermilch, wobei die
Kinder leicht infolge anhaltenden Schreiens in ihrer Ernährung sehr herunterkommen, vorzuziehen, auch der Mutter selbst weit
zuträglicher. Bei allen Unregelmäßigkeiten
und Verdauungsstörungen während des Entwöhnens verabsäume man nicht, den
Rat eines erfahrenen Arztes einzuholen, da eine unpassende Ernährung des Kindes während und nach dieser
Zeit leicht den Grund zu Blutarmut, Englischer Krankheit, Skrofulose und anderm Siechtum legen kann.
in der Kunst die erste zeichnerische oder bildnerische Darstellung eines Gedankens. In ihm stellt sich also
unmittelbar das vom Künstler geistig Erschaute im vorläufigen Bilde dar, während die Skizze nur eine
flüchtige vorbereitende Darstellung des geistig noch nicht fertigen Gedankens oder eines erschauten Gegenstandes ist. In der
Baukunst
[* 23] nennt man Entwurf die in allen Teilen wohl durchdachte und dem spätern Bau zu Grunde zu legende Darstellung eines Gebäudes
in verjüngtem Maßstabe.
Der Entwurf wird auf Grund der dem Bauherrn vorgelegten und mit ihm durchberatenen Skizzen in streng fachmäßiger Weise im Grundriß
für alle Stockwerke, Ansichten und Schnitte derart durchgearbeitet, daß nach ihm alsbald die Werkzeichnungen und Kostenanschläge
gemacht werden können. Die gesamte Anlage, das Verhältnis der einzelnen Räume zueinander, die Gestaltung
der Façaden, der Höfe, Nebenanlagen (Aborte, Küchen, Wasseranlagen) beruhen also auf der richtigen, umsichtigen und kunstvollen
Durchbildung des Entwurf. Die Kosten eines solchen Entwurf für die Bauherren werden nach einer vom Verband Deutscher
[* 24] Architekten und Ingenieurvereine
aufgestellten und jetzt fast allgemein anerkannten Norm berechnet.
Auch in litterarischer Hinsicht spricht man von einem Entwurf. Man meint damit einerseits die erste schriftliche
Skizze einer wissenschaftlichen oder belletristischen Arbeit, in der nur die Disposition des Ganzen und der wesentliche Inhalt
aller einzelnen Teile kurz angegeben ist. So enthält der Entwurf eines Dramas in der Hauptsache nur das Scenarium, d. h. die Einteilung
in Akte und Scenen mit Angabe der in den einzelnen Scenen auftretenden Personen und Andeutung des Inhalts
ihrer Gespräche, ohne daß die einzelnen Reden schon wörtlich ausgeführt wären. Andererseits versteht man unter Entwurf auch
solche Arbeiten, die zwar in allen ihren Teilen schon ausgeführt, insofern aber noch nicht als fertig anzusehen sind,
als bis zu ihrer endgültigen Gestaltung nach Befinden noch wesentliche Änderungen vorbehalten sind. In diesem Sinne spricht
man besonders von dem Entwurf eines Gesetzes oder Gesetzbuches. So bezeichnet man z. B.
als Deutschen den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich.
(Inflammatio, Phlogosis), einer der häufigsten und wichtigsten krankhaften Prozesse
des menschlichen und tierischen Körpers, spielt bei der Entstehung und Heilung der meisten innern und chirurg. Krankheiten
eine hervorragende Rolle, weshalb die Lehre von der Entzündung eins der wichtigsten Kapitel der gesamten Pathologie darstellt und von
alters her das Interesse der Ärzte und Chirurgen in ganz besonderm Grade erregt hat. Man versteht unter
Entzündung im allgemeinen denjenigen krankhaften Zustand eines Körperteils oder Organs, bei welchem dessen Haargefäße erweitert
und mit stockenden Blutkörperchen
[* 25] überfüllt sind und infolgedessen gerinnbare, faserstoffhaltige (sog. plastische)
Bestandteile ausschwitzen, welche, in die Gewebe
[* 26] gelagert, daselbst mannigfachen weitern
¶
mehr
Veränderungen unterliegen können. Das Entzündetsein eines Organs giebt sich vor allem durch gesteigerte Wärme,
[* 28] Rötung,
Schwellung und Schmerzen in demselben zu erkennen, wozu sich sehr bald auch mehr oder minder auffallende Störungen in den
Verrichtungen des entzündeten Organs, unter Umständen auch Fieber und eine allgemeine Zurückhaltung der Absonderungen (Durst,
Trockenheit der Haut,
[* 29] sparsamer dunkler Harnu. dgl.) hinzugesellen. Jede Entzündung geht aus einer Kongestion, d. h.
aus der Überfüllung von gewissen Haargefäßen hervor und besteht ihrem Wesen nach aus einer örtlichen Ernährungsstörung
der Gewebe mit dem Charakter des beschleunigten und gesteigerten Stoffwechsels, durch welche die verschiedenartigen, von außen
auf den Körper einwirkenden Schädlichkeiten möglichst eliminiert und unschädlich gemacht werden.
Wenn man sich einen Splitter tief in das Fleisch einsticht, so entsteht sehr bald, wenn derselbe nicht herausgezogen wird,
in seinem Umkreise eine entzündliche Anschoppung und Ausschwitzung, welche entweder den Splitter mit einer aus neugebildetem
Bindegewebe bestehenden Kapsel umgiebt und so unschädlich macht, oder die benachbarten Gewebe eiterig
erweicht und so dem Splitter mitsamt dem entstandenen Eiter einen Ausweg nach außen bahnt. Auf die gleiche oder ähnliche
Weise werden die meisten krankhaften Veränderungen innerhalb unsers Körpers durch entzündliche Prozesse vollständig oder
doch teilweise wieder aufgehoben und ausgeglichen.
Die feinern Vorgänge bei der Entzündung bestehen nach den Untersuchungen von Cohnheim darin,
daß nach der Einwirkung einer das betreffende Organ berührenden Schädlichkeit, des sog. Entzündungsreizes, zuerst eine
Erweiterung der Arterien, später auch der Venen eintritt, wodurch die Geschwindigkeit des Blutstroms bald beträchtlich herabgesetzt
wird, und daß, begünstigt durch diese Blutstockung, zahllose farblose Blutkörperchen durch die unversehrten
Gefäßwände nach außen in die umliegenden Gewebe auswandern und hier als sog. Eiterkörperchen
das weitere Schicksal der Entzündung bestimmen; verschwinden sie nach einiger Zeit wieder, indem sie aus den Hohlräumen
des Bindegewebes in die Lymphgefäße und so wieder in die Blutmasse zurückgelangen, so wird die Entzündung wieder rückgängig
(zerteilt), während sie bei andauernder Anhäufung in dem umgebenden Gewebe den Übergang der Entzündung in Eiterung bedingen. (S.
Eiter.) Dieser neuern Ansicht über den eigentlichen Entzündungsvorgang (der Einwanderungstheorie) steht eine andere ältere
(die Proliferationstheorie) gegenüber, nach welcher die Eiterkörperchen nicht ausgewanderte farblose Blutkörperchen, sondern
in den Geweben selbst entstanden seien, indem in den epithelialen Geweben die Epithel- oder Drüsenzellen,
in bindegewebigen Organen die Bindegewebszellen unter dem Einfluß des Entzündungsreizes eine lebhafte Wucherung und wiederholte
Teilung erfahren und sich so direkt in Eiterkörperchen verwandeln. Neuere Untersuchungen haben bewiesen, daß in der
That, entsprechend der ältern Anschauung, die Gewebszellen sich ebenfalls durch Teilung an dem Entzündungsprozeß
lebhaft beteiligen und daß auch aus ihnen Eiterkörperchen entstehen. Ferner spielen die Nerven,
[* 30] durch die die Blut- und Lymphgefäße
erweitert und verengt werden, bei der Entzündung eine große Rolle.
Jedes Lebensalter, Geschlecht, Temperament und jedes Klima
[* 31] ist den Entzündung ausgesetzt; besonders begünstigt werden sie
aber von
dem Kindes-, Jugend- und Mannesalter, den kalten Klimaten und Jahreszeiten.
[* 32] Ebenso ist jedes Organ der Entzündung zugänglich,
ausgenommen diejenigen Organe, welche weder Blutgefäße noch Nerven besitzen, wie die Oberhaut, die Haare
[* 33] und Nägel
[* 34] und zum
Teil die Knorpel;
[* 35] besonders häufig werden diejenigen Organe von G. befallen, welche der Einwirkung schädlicher
Einflüsse am meisten ausgesetzt sind, wie die Augen, die Luftröhre und die Lungen.
Wiederholte Entzündung mancher Organe erhöht die Disposition für die gleiche Erkrankung desselben Organs; wer wiederholt von Luftröhrenkatarrhen
befallen wurde, erkrankt bei der geringsten Veranlassung wieder an Luftröhrenkatarrh. Bisweilen entzünden sich einzelne
Teile der Organe leichter als andere, ohne daß die Ursachen hierfür bekannt sind; so betreffen erfahrungsgemäß
Lungenentzündungen häufiger die untern Lappen als die obern. Die nächsten oder Gelegenheitsursachen der Entzündung, die
sog. Entzündungsreize, müssen einen gewissen, je nach der Individualität verschiedenen Grad besitzen;
als solche wirken
mechan. Verletzungen der Organe (Schnitt, Stich, Stoß, Reibung,
[* 36] Quetschung), fremde Körper (Staub, Splitter,
Flintenkugeln, wandernde Parasiten) in oder an denselben, allzuheftige Anstrengung, hohe Hitze- und Kältegrade sowie schneller
Wechsel der Temperatur;
ferner chem. Einwirkungen, wie die der Säuren, Alkalien, scharfer Stoffe und mancher ätherischen Öle;
[* 37]
endlich können den Organen direkt oder vom Blut und von der Lymphe aus gewisse, nach Art eines Giftes wirkende
Ansteckungsstoffe zugeführt werden, welche entweder in demselben Organismus oder in andern Organismen entstanden sind und
als heftige Entzündungsreize wirken können;
Die Tendenz einer jeden Entzündung ist die Aussonderung eines gerinnbaren Krankheitsprodukts, welches in vielen Fällen fähig ist,
neue Gewebe zu bilden (sog. plastische Lymphe). Diese Ausschwitzung oder Exsudation ist der wichtigste Vorgang bei der Entzündung und
fehlt nie, wenn das Exsudat häufig auch nur mikroskopisch wahrnehmbar ist. Sie ist nicht selten die erste und bei Entzündung innerer
Organe die einzig nachweisbare Veränderung des Entzündungsprozesses und kommt in gleicher Weise an gefäßhaltigen und an
gefäßlosen, in festen und weichen Teilen, in Häuten und im Innern der Organe vor.
Das Exsudat findet sich entweder auf den freien Oberflächen und in den natürlichen Höhlen des Körpers oder zwischen den
Geweben und Gewebsteilen; seine Menge ist je nach der Intensität der Entzündung, nach seinem Sitze und nach der
Art der betreffenden Gewebe sehr verschieden, von kaum wahrnehmbaren Mengen bis zu vielen Litern wechselnd;
am wichtigsten sind die freien Exsudate seröser Häute und gewisser Schleimhäute. Hinsichtlich ihrer Beschaffenheit zerfallen
die entzündlichen Exsudate in seröse, schleimige, faserstoffige, hämorrhagische, kruppöse und diphtheritische (s.
Ausschwitzung), und diese Unterschiede in der Art und Beschaffenheit der ausgeschwitzten Substanz sind für den weitern Verlauf
und Ausgang der Entzündung von nicht geringer Bedeutung. Durch die Ausschwitzung plastischer
¶
mehr
Lymphe werden bei Entzündung, die durch Verwundung herbeigeführt wurden, die getrennten Teile wieder verlötet und durch neugebildetes
Gewebe miteinander wieder vereinigt (sog. adhäsive Entzündung) und dadurch in vielen
Fällen in kurzer Zeit die Wundheilung vollendet; freilich kann derselbe Vorgang bei der Entzündung innerer Organe
die Ursache von Verwachsungen, Verschließungen von Kanälen, Verhärtungen und zahlreichen andern nachteiligen
Ausgängen werden, sodaß hier schädlich wirkt, was dort heilsam ist.
Der günstigste Ausgang der Entzündung ist die Zerteilung, wobei sich unter allmählichem Nachlassen aller Symptome nach und nach
der vorige Zustand des Organismus wiederherstellt, entweder weil sich die vorhandene Blutstockung zerteilte und der überschüssige
Gewebesaft durch die Lymphgefäße wieder abgeführt wurde (discussio) oder weil die ausgeschwitzten Exsudatmassen wieder
verflüssigt und aufgesaugt wurden (Lösung der Entzündung, resolutio). Bei höhern Graden der Entzündung, bei ungünstiger Beschaffenheit
des ausgeschwitzten Exsudats (wie bei den kruppösen und diphtheritischen Entzündung), ferner bei fehlerhafter Blutmischung,
bei Störungen des entzündlichen Prozesses und vor allem bei Ablagerung des Exsudats in maschige Gewebe
(z. B. in den Zellstoff unter der Haut) kommt es leicht zur Vereiterung (suppuratio) und zur Verschwärung (ulceratio), d. h.
es tritt eine reichliche Schmelzung des Exsudats zu Eiter (s. d.) ein, die eiterig erweichten Massen werden nach außen ausgestoßen,
und es entsteht ein mehr oder minder umfangreicher Substanzverlust, ein Geschwür (s. d.), welches bei
seiner Ausheilung eine bleibende Narbe zurückläßt.
Bei noch ungünstigern Bedingungen, bei vollständiger Unterbrechung derErnährung kann die Entzündung auch mit dem Tode der erkrankten
Gewebe endigen; die letztern werden brandig und es kommt zur brandigen Abstoßung des ganzen erkrankten Organs.
(S. Brand.) Bei schweren und ausgebreiteten Entzündung, namentlich innerer lebenswichtiger Organe, kann auch der
allgemeine Tod des ganzen Organismus erfolgen. Hinsichtlich ihrer Dauer teilt man die Entzündung in akute, die schnell und meist mit
deutlichem Fieber verlaufen und in Zeit von einigen Tagen, höchstens Wochen beendet sind, und in chronische
ein, die sich länger hinausziehen, oft ohne anfänglichen bedeutenden Anteil des Gesamtorganismus, die aber schließlich
doch durch ihre Dauer und die mit ihnen verbundenen Eiter- und Säfteverluste oft genug verderblich werden. Häufig haben sehr
lange andauernde, mit Eiterung und Verschwärung verbundene Entzündung allgemeine Blutarmut, Abmagerung und Amyloidentartung lebenswichtiger
Organe zur Folge.
Bei der Behandlung von Entzündungskrankheiten, der sog. Antiphlogose, ist zunächst dahin zu streben, den Reiz, der die Entzündung veranlaßt,
zu entfernen oder wenigstens soviel als möglich abzustumpfen. Fremde Körper und Splitter müssen extrahiert, chemisch reizende
Mittel entfernt oder neutralisiert, in die Gewebe, z. B. in Wunden eingedrungene Bakterien desinfiziert, physikalisch
wirkende Schädlichkeiten (extreme Hitze und Kälte u. dgl.) möglichst fern gehalten werden. Um die der Entzündung vorausgehende
Blutanschoppung zu mindern oder ganz zu zerteilen, können Blutentziehungen, und zwar sowohl allgemeine durch den Aderlaß
wie örtliche durch Blutegel,
[* 40] ferner vollkommene Ruhe und zweckmäßige Lagerung des entzündeten Teils, die örtliche Anwendung
der Kälte
in der Form des kalten Umschlags oder des Eisbeutels sowie innerlich kühlende Mittel sich nützlich
erweisen.
Oft genug sind diese entzündungswidrigen Mittel (s. auch Antiphlogistisch) allein vollkommen hinreichend, die Macht einer
Entzündung zu brechen. Übrigens erfordern alle entzündlichen Krankheiten, besonders wenn sie innere Organe betreffen, eine möglichst
reizlose, d. h. nicht zu stark nährende Diät (s. d.),
gehörige Regulierung der Stuhlentleerung und die Fernhaltung jedweder psychischen Aufregung. Nach geschehener Ablagerung des
Exsudats kommen zerteilende, erweichende, auflösende und Aufsaugung befördernde Mittel in Anwendung.
Ist Eiterung eingetreten, so ist der Eiter möglichst frühzeitig zu entfernen, was in den meisten Fällen am besten durch
einen Einstich oder Einschnitt mit dem Messer
[* 41] geschieht; auch vor nachweisbarer Eiterung ist bei äußern akuten Entzündung ein Einschnitt
gewöhnlich zweckmäßig; er wirkt schmerzmildernd und vermindert die Entzündung, sodaß es nicht zu Eiterung kommt. Vorhandenes Fieber
ist durch antipyretische Heilmittel (Chinin, Salicylsäure, Antipyrin, kalte Bäder) zu bekämpfen.
Bei chronischen Entzündung und Eiterungen ist der Kräftezustand des Kranken sorgfältig zu überwachen und durch
roborierende Mittel (Eier,
[* 42] Fleisch, Milch, Schokolade, Wein, malzreiche Biere) soviel als möglich zu unterstützen. Ist es im
Verlaufe einer Entzündung zum Brand gekommen, so muß man abwarten, bis sich der abgestorbene Teil spontan vom Körper abstößt; doch
sorge man für gehörige Desinfektion
[* 43] der brandigen Gewebe durch Chlorkalklösung, Carbolsäure, Creolin
und andere antiseptische Verbandmittel. -
(grch.), unwillkürliches Harnlassen (Incontinentia urinae), Krankheit, die darin besteht, daß der Harn entweder
fortwährend, meist tropfenweise (Harnträufeln) abgesondert wird, wie dies bei verschiedenen organischen
Leiden
[* 44] des Harnapparats (Blasenlähmung, Blasenstein u. s. w.) vorkommt, oder nur zu gewissen Zeiten, namentlich des Nachts bei
Kindern (sog. nächtliches Bettnässen oder Bettpissen, Enuresis nocturna). Meist handelt es sich in dem letztern Falle um
eine eigentümliche Störung der Empfindungsfähigkeit der Blase für den Harnreiz, sodaß der letztere
im Schlafe entweder gar nicht zum Bewußtsein gelangt oder nur eine dunkle, den Schlaf nicht unterbrechende Traumvorstellung
erregt. Strafen¶
mehr
und Beschämungen erweisen sich gegen dieses Leiden, welches meistens in den Jahren der Geschlechtsentwicklung von selbst
verschwindet, in der Regel ganz erfolglos; dagegen soll man den betreffenden Kindern während der Abendstunden Getränke und
flüssige Nahrung entziehen, soll sie während der Nacht ein- oder mehrmals wecken, um sie an eine regelmäßige
Harnentleerung zu gewöhnen, sowie für geregelte Verdauung und Stuhlentleerung sorgen. Bisweilen zeigen sich auch Atropin,
China- und Eisenpräparate, kalte Douchen und Seebäder sowie die Anwendung der Elektricität und die künstliche Dehnung des
Blasenhalses nützlich. -
Vgl. Ultzmann, über Neuropathien des männlichen Harn- und Geschlechtsapparates (Wien
[* 46] 1879).
(frz., spr. angw'lópp),
Hülle, Umschlag, Briefcouvert; auch eine Art Damenmantel. - In der Befestigungskunst ist Enveloppe (Mantel) ein Außenwerk, das den
Hauptwall einer Festung
[* 47] ganz oder teilweise umgiebt und aus einer völlig zusammenhängenden Umwallung besteht oder sich dadurch
bildet, daß Raveline, Kontergarden und Couvrefacen miteinander in Verbindung gebracht sind. In ältern Befestigungen findet
man die Enveloppe häufig, namentlich bei Coehoorn, dem jüngern Landsberg,
[* 48] in der Altpreußischen Befestigungsmanier und bei Montalembert;
selbst in neuern polygonalen Befestigungen aus der Zeit der glatten Geschütze
[* 49] kommen sie noch vor. -In der Mathematik sind
Enveloppe soviel wie Einhüllende Kurven (s. d.).
Nagy- (spr. naddj énnjedd) oder Groß-Enyed, deutsch Straßburg,
[* 51] rumän. Ajudu, Stadt mit geordnetem Magistrat
im UnterweißenburgerKomitat in Siebenbürgen, in 270 m Höhe, rechts an der Maros und an der Linie Klausenburg-Kronstadt-Predeal
der Ungar. Staatsbahnen,
[* 52] Sitz der Komitatsbehörden, hat (1890) 5932 meist magyar. Enyed, Nagy- (1344
Rumänen, 181 Deutsche), Post, Telegraph,
[* 53] Sparkasse, eine stark besuchte, vom Fürsten GabrielBethlen 1622 gestiftete, reformierte
theol. Lehranstalt (Lyceum), an welcher Opitz lehrte, Obergymnasium und Lehrerseminar, mit wertvollen Sammlungen und sehr
reicher Dotation. Die Stadt hat 4 Kirchen der verschiedenen christl. Konfessionen,
[* 54] ein Minoritenkloster,
Winzerschule, große Landwehrkaserne, Strafanstalt und schöne Promenade. In der Umgegend wird viel Wein gebaut.
linker
Nebenfluß des Neckars in Württemberg,
[* 56] entsteht im Schwarzwalde auf der Hochfläche östlich vom Murgthale
aus verschiedenen Bächen, von denen die Große Enz (aus dem Enzbrunnen) und der Poppelbach (aus dem Poppelsee, 764 m)
die wichtigern sind. Die vereinigte Enz fließt in einem tief eingeschnittenen wilden Thale an Wildbad vorüber, verläßt
bei Pforzheim
[* 57] in 253 m Höhe den Schwarzwald und empfängt von Süden die Nagold (s. d.). In dem untern obstreichen Thal
[* 58] beträgt
das Gefälle nur ein Zehntel von dem des Oberlaufs bis Wildbad. Rechts nimmt sie noch die Glems auf, fließt
über Vaihingen unter dem schönen Viadukt von Bietigheim hindurch und mündet in 175 m Höhe, fast ebenso groß wie der Neckar,
nach einem Laufe von 112 km bei Besigheim. Sie ist nicht schiffbar, wird aber stark zur Holzflößerei
gebraucht und ist sehr reich an Fischen, namentlich an Forellen.
rechter Nebenfluß des Po im ital. Compartimento Emilia, entspringt an der Alpe di Succiso (2017 m) im Apennin,
fließt von SSW. nach NNO., trennt die Provinzen Reggio und Parma
[* 59] und mündet nach einem Laufe von 112 km
zusammen mit der Parma oberhalb Brescello.
1) Bezirkshauptmannschaft in Niederösterreich, hat 1032,10 qkm und (1890) 59 405 (29 495 männl., 29 910 weibl.)
Enzersdorf, darunter 397 Evangelische und 1116 Israeliten, 155 Mlitärpersonen, 7950 bewohnte Gebäude und 13175 Haushaltungen
in 75 Gemeinden und 90 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Groß-Enzersdorf, Marchegg und Matzen. - 2) Enzersdorf oder Groß-Enzersdorf,
Stadt und Sitz der Bezirkshauptmannschaft Enzersdorf in Niederösterreich, 11 km nordöstlich von Wien, auf dem linken Ufer
der Donau, der InselLobau gegenüber, mit Straßenbahn nach Wien, hat (1890) 1637 (849 männl., 788 weibl.) Enzersdorf, in Garnison 2 Schwadronen
des 13. böhm. Dragonerregiments «Eugen Prinz von
Savoyen», Post, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, Bezirksgericht (391,63 qkm, 43 Gemeinden, 38 Ortschaften, 28 927 Enzersdorf), Mauern
und Thore, eine schöne got. Kirche, wichtige Getreidemärkte. Der Ort war ein wichtiger Punkt in den Schlachten
[* 60] von Aspern
[* 61] und von Wagram
[* 62] (1809). - 3) Enzersdorf am Gebirge, auch Maria-Enzersdorf, Dorf im Gerichtsbezirk Mödling der österr.
Bezirkshauptmannschaft Baden,
[* 63] in Niederösterreich, hat (1890) 1453 Enzersdorf, Franziskanerkloster, 1454 vom GrafenUlrich von Cilly
gestiftet, Weinbau und Feldwirtschaft und wird als Sommerfrische viel besucht (StationBrunn [s. d.] am Gebirge).
Die jetzt restaurierte Feste Enzersdorf (12. Jahrh.) hat von dem Geschlecht, dem sie
einst gehörte und in dessen Besitz sie seit Beginn des 19. Jahrh. wieder ist, den Namen Liechtenstein
[* 64] erhalten und liegt dem
neuen Schloß Liechtenstein gegenüber.