Absicht, dem Dichter ein würdiges
Denkmal zu errichten, nicht verwirklichen; ein solches ist ihm erst 1483 vom damaligen
Statthalter
von Ravenna,
BernardoBembo, dem
Vater des Kardinals Pietro
Bembo, errichtet worden. Seit Anfang 1892 wird in und außerhalb
Italiens
[* 2] mit Eifer, aber mit wenig Erfolg, gesammelt für die Errichtung eines großartigen Dante-Denkmals
in Ravenna; Papst
Leo XIII. hat 10000
Frs. für diesen Zweck angewiesen.
war vermählt mit Gemma, aus dem
Florentiner
[* 3] Geschlecht der Donati, die ihn um mehr als 10 Jahre überlebt hat, aber in
Florenz
[* 4] geblieben ist, auch dann noch, als er in Ravenna drei
Kinder, Pietro, Jacopo und
Beatrice, bei sich hatte.
Von andern
Kindern des Dichters (man hat von sieben gesprochen) ist nur noch die Existenz einer Tochter,
Antonia, verbürgt,
welche in
Florenz blieb. Das Geschlecht, von D.s Sohn Pietro fortgepflanzt, blühte in Verona
[* 5] bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrh.,
da
Ginevra, die letzte des Geschlechts, mit dem
GrafenAntonio Serego sich vermählte. Im gräfl. Geschlechte
der
Serego-Alighieri leben D.s Nachkommen noch in der Gegenwart fort.
Außerdem zahlreiche Dante-Biographien in ital., deutscher, franz.
und engl.
Sprache,
[* 7] die aber wesentlich nur biogr.
Romane sind.
D.s Werke. I.
Kleinere Werke
(«Opere minori», beste Ausg. von Fraticelli, 3 Bde.,
Flor. 1861-62; von
Giuliani, 5 Bde., ebd. 1868-82): 1) «Lyrische
Gedichte» (Il canzoniere), eine ziemlich reichhaltige Sammlung von Gedichten erotischen und philos. auch satir.
Inhalts, zu
verschiedenenZeiten entstanden und von ungleichem Werte, die ältesten, aus dem vorletzten Decennium
des 13. Jahrh., wesentlich Nachahmungen der provençalischen und alt-ital.
Poesie, die spätern durchaus originell, selbständig, bahnbrechend (gute Ausg. von Fraticelli,
Flor. 1861; Palermo,
[* 8] ebd. 1858;
Giuliani, ebd. 1863
u. 1868; deutsch von
Kannegießer und Witte, 2 Bde., Lpz.
1842; von Krafft, Regensb. 1859; von Wege, Lpz.
1879).
Vgl. Pantano,Della lirica di Dante Alighieri (Neap. 1865);
2) «Das neue Leben» (La vita nuova), eine poetische, vielfach
in die Form der Vision eingehüllte
Darstellung seiner Jugendliebe, aus Gedichten bestehend, die er während
des Lebens und nach dem
Tode der Geliebten gedichtet, zu welchen die Erzählung der jeweiligen Veranlassung und die scholastische
Zergliederung gleichsam den prosaischen Kommentar bilden; nicht Wahrheit und
Dichtung, aber künstlerische
Darstellung einer
wahren Herzensgeschichte, zwischen 1292 und 1295 geschrieben (erste Ausg. von Sermartelli, Flor.
1576; neue Ausg. vonGiuliani, ebd. 1863
u. 1868; von Pizzo, Vened. 1865; beste Ausg. von
Al. d'Ancona,
Pisa
[* 10] 1872
u. 1884; Witte, Lpz. 1876; deutsch von Oeynhausen,
Wien
[* 11] 1824; von Förster, Lpz. 1841; von Jacobson,
Halle
[* 12] 1877; von
Wege, Lpz. 1879). - 3) «Das Gastmahl»
(Il convivio), eine philos.
Encyklopädie in Form eines Kommentars zu philos.
Canzonen des
Dichters, sehr gelehrt, das erste
Beispiel
wissenschaftlicher ital. Prosa; hochwichtig, sowohl für die Kenntnis des Dichters, wie auch
für die Erklärung seines Hauptwerkes. Das Werk ist unvollendet geblieben; von den 15
Traktaten, aus denen es nach dem
Plane
des Verfassers hätte bestehen sollen, liegen nur vier vor, die zwischen 1307 und 1309 geschrieben worden
sind (beste Ausg. von Fraticelli, Flor. 1862; mit umfassendem Kommentar
von
Giuliani, 2 Bde., ebd. 1875; deutsch von
Kannegießer, Lpz. 1845).
Vgl. Selmi, Il Convivio, sua cronologia, disegno, intendimento,
attinenza alle altre opere di Dante Alighieri
(Tur. 1865). -
4)
«Über die Volkssprache»
(De vulgari eloquentia), gewissermaßen ein Lehrbuch der
Poetik, worin vom
Ursprung und Wesen der
Sprache, besonders der ital. Litteratursprache, sowie von dem
Stil und den metrischen Formen gehandelt
wird. Auch dieses um 1309 verfaßte Werk ist unvollendet geblieben. Von den mindestens fünf
Büchern, auf die es berechnet
war, ist nicht einmal das zweite vollendet (beste Ausg. von Fraticelli, Flor.
1861; von
Giuliani, ebd. 1878; von Maignien und
Prompt,
Faksimile-Ausg. der Handschrift von
Grenoble,
[* 13] Vened. 1892; deutsch von
Kannegießer, Lpz. 1845). - 5)
«Über die Monarchie»
(De monarchia), eine wahrscheinlich bei
Anlaß des Römerzuges
Heinrichs
VII. (nach andern schon
vor derVerbannung, wieder nach andern in den letzten Jahren des Lebens des Dichters)
verfaßte lat.
Abhandlung über das Verhältnis zwischen
Staat und
Kirche, die den Zweck verfolgt, die Selbständigkeit des
Staates der
Kirche gegenüber zu verfechten (beste Ausg. von Witte,
Wien 1874; von
Giuliani, Flor. 1878; deutsch von
Kannegießer,
Lpz. 1845; von Hubatsch, Berl. 1872). - 6)
Briefe
(Epistolae), im ganzen 14, die meisten unzweifelhaft unecht, von Dante Alighieri selbst herrührend etwa drei
bis vier, die von hoher Wichtigkeit wären, wenn ihre Echtheit keinem Zweifel unterliegen würde (Ausg.
von Torri, Livorno 1842; von Fraticelli, Flor. 1862; von
Giuliani, ebd. 1882; deutsch von
Kannegießer,
Lpz. 1845). - 7)
«Eklogen», zwei lateinische poet.
Sendschreiben an den Dichter
Joh. de Virgilio in
Bologna, deren Echtheit aber angefochten wird (Ausg. von Fraticelli, Flor.
1861;
Giuliani, ebd. 1882; Pasqualigo, Lonigo 1888; deutsch von
Kannegießer und Witte, Lpz. 1842; Krafft, Regensb. 1859);
vgl. Fr. Macri-Leone, La bucolica latina nella letteratura italiana del
secolo XIV
(Tur. 1889).
Andere, dem Dichter zugeschriebene
Arbeiten, wie die
«Bußpsalmen», der
«Glaube», die
Abhandlung«Über
Wasser und Land», sind ungeschickte Fälschungen, als solche heutzutage allgemein anerkannt.
II. Die «Göttliche Komödie» (Divina Commedia), das Hauptwerk seines
Lebens, bereits in des Dichters
Jugend, vor 1290 beabsichtigt und von da an stets vorbereitet, in seiner
jetzigen Gestalt aber erst nach 1313 bearbeitet und 1321 vollendet, ist dem
Buchstaben nach die Geschichte der visionären
Wanderung des Dichters durch die drei
Reiche des Jenseits; dem allegorischen
Sinne und seinem Zwecke nach ist es die
Darstellung
des Weges,
den der sündige
Mensch gehen muß, um zum
Heil zu gelangen, das Epos der
Erlösung. Der Dichter
hebt an mit der
Schilderung seiner Verirrung in einem finstern
Walde, das
Bild des weltlichen, von Gott abgekehrten Lebens.
Seinem Versuche, den
Wald zu verlassen und die sonnenbestrahlte Höhe zu erreichen, widersetzen sich dreiTiere:
ein Leopard,
[* 14] ein Löwe
¶
mehr
und eine Wölfin, meist als die Symbole der Unkeuschheit, des Stolzes und des Geizes gedeutet. Wie der Dichter, von der Wölfin
bedrängt, zur Tiefe zurückkehrt, erscheint ihm der Schatten
[* 16] Virgils, das Symbol der irdischen Leitung des Menschen, und führt
ihn durch die Hölle und das Fegefeuer, wo er die ewigen und die zeitlichen Strafen der Sünde anschaut,
bis zu den lichten Höhen des irdischen Paradieses, wo Beatrice, das Symbol der geistlichen Leitung des Menschen, den geläuterten
Dichter unter ihre Leitung nimmt und ihn durch die neun Himmel
[* 17] zur Region der ewigen Seligkeit und zur Anschauung der Gottheit
führt.
Auf der langen Wanderung nimmt der Dichter Anlaß, anknüpfend an die Personen, denen er begegnet, an die
Gespräche mit denselben und mit seinen Führern, die Mythologie und die Geschichte, namentlich die ital.
Zeit- und Lokalgeschichte, sowie die tiefsten Fragen der Philosophie und der Theologie, der Scholastik und der Mystik zu besprechen,
sodaß das Werk in seiner großartigen Universalität ein Gemälde der Zeit des Dichters nach allen Richtungen
hin geworden ist. Er selbst hat es einfach Commedia genannt, damaligem Brauche entsprechend, wonach jede größere Dichtung,
die glücklich endete, Komödie genannt wurde, mochte übrigens ihr Inhalt auch noch so ernsten Charakters sein.
Das Beiwort divina (göttlich) hat erst die bewundernde Nachwelt hinzugefügt. Das Gedicht besteht aus
drei Teilen: Hölle, Fegefeuer und Paradies; jeder Teil hat 33 Gesänge; voran steht ein einleitender Gesang, sodaß es im ganzen 100 Gesänge
sind mit 14233 Versen, von denen 4720 auf die «Hölle», 4755 auf das «Fegefeuer» und 4758 auf das «Paradies»
kommen. In Bezug auf Gedankentiefe, Großartigkeit der Phantasie, Reichtum und Schönheit der Bilder, Universalität des Charakters,
Schönheit der Sprache und Prägnanz des Stiles steht dieses in Terzinen gedichtete Werk in der gesamten Weltlitteratur ganz
einzigartig da, viel bewundert, viel verbreitet, viel erklärt, aber wenig gelesen und noch weniger verstanden.
Ausgaben. Die «Göttliche Komödie» ist seit 1472 nahezu ein Halbtausendmal
im Original gedruckt worden und gegenwärtig erscheinen davon in Italien
[* 18] alljährlich mindestens ein Halbdutzend neue Ausgaben.
Aus dem 15. Jahrh. sind 15, aus dem 16. 30, aus dem 17. 3, aus dem 18. 31, und aus dem 19. bereits
nahe an 300 Ausgaben bekannt. Die bemerkenswertesten sind: Aus dem 15. Jahrh.: die vier ersten, von
Foligno, Jesi, Mantua
[* 19] und Neapel
[* 20] (1472-75), äußerst selten, aber mit diplomat. Treue reproduziert von Lord Vernon (Le
[* 21] prime
quattro ediz. della Divina Comedia, Lond. 1858), die Vindeliniana (Vened. 1477), die Nidobeatina
(Mail. 1477-78) und die ersteFlorentiner (1481). Aus dem 16. Jahrh.: die beiden Aldinen (Vened. 1502 u.
1515), die Giuntina (Flor. 1506) und die der Crusca (ebd. 1595). Die drei Ausgaben des 17. Jahrh. sind wertlos.
Aus dem 18. Jahrh.: Cominiana (3 Bde.,
Padua
[* 22] 1726-27), die Zattasche Prachtausgabe (4 Bde. mit 112 Kupfertafeln,
Vened. 1757-58), die erste Lombardische (3 Bde., Rom
[* 23] 1791) und die Dionisische (3 Bde., Fol., Parma
[* 24] 1795). Aus dem 19. Jahrh.:
von Poggiali (4 Bde., Livorno 1807), von De Romanis
(Rom 1810; 1815-17. u. 1820), Áncora (4 Bde., Fol., mit 125 Kupfertafeln,
Flor. 1817-19), Paduaner (5 Bde., Padua 1822), zweite Crusca (2 Bde., Flor.
1837), Witte (Berl. 1862), sowie mehrere Ausgaben mit Kommentaren. Bemerkenswert die
dem Format nach größte (Mail. 1809, 3 Bde.,
Fol., 57 cm lang und 38 cm breit) und kleinste (ebd. 1878, 1 Bd., 5 ½
cm lang, 3 ½ cm breit).
Unter den gereimten Übersetzungen ragen hervor diejenigen von Kannegießer (3 Bde., Lpz. 1809-21; 5. Aufl., 3 Bde.,
ebd. 1873), Streckfuß (3 Bde., Halle 1824-26; 9. Aufl., Braunschw. 1871; neu bearb.
von Roquette, neue Ausg. Stuttg. 1893), Krigar
(3 Bde., Berl. 1870), Bartsch (3 Bde., Lpz. 1877), Notter
(2 Bde., Stuttg. 1871-72) und Gildemeister (Berl. 1888). Unter den partiellen Übersetzungen zeichnen sich durch eigentümliche
Vorzüge aus diejenigen der «Hölle» von KarlGraul und Julius Braun (erschöpfende Auskunft über alle deutschen Übersetzungen,
sowie über die gesamte deutsche Dante-Litteratur bei Scartazzini, Dante Alighieri in Germania,
[* 28] 2 Bde., Mail. 1881-83).
Kommentare. Die außerordentliche Gedrängtheit der Sprache, hin und wieder auch die Altertümlichkeit oder Eigentümlichkeit
der Ausdrucksweise, namentlich aber die Fülle histor. Beziehungen, sowie die darin niedergelegte theol. und philos. Gelehrsamkeit
machen das große Gedicht dem Laien ziemlich schwer verständlich. Daher hat die Arbeit der Auslegung sofort
nach dem Tode des Dichters begonnen und wird gegenwärtig eifriger als jemals getrieben. Die bedeutendsten Kommentare zur
Divina Commedia aus dem 14. Jahrh, sind der um 1324 geschriebene des Graziolo de' Bambaglioli (hg. von Fiammazzo, Udine 1892);
der ungefähr gleichzeitige, eines unbekannten Autors (hg. von Selmi, Tur. 1865), beide nur die «Hölle»
umfassend; wichtiger: PetrusDantis (hg. von Vernon, Flor. 1845), Jacopo della Lana (in den erwähnten Ausgaben Vindeliniana und
Nidobeatina; neue Ausg. von Scarabelli, Mail. 1865 und 3 Bde.,
Bologna 1866), der sog. Ottimo (hg. von Torri, 3 Bde.,
Pisa 1827-29), Boccaccio (beste Ausg. von Milanesi, 2 Bde.,
Flor. 1863), Benvenuto Rambaldi aus Imola (hg. von Vernon, 5 Bde., ebd. 1877), Francesco da Buti (hg. von Giannini, 3 Bde.,
Pisa 1858-62) und der etwas problematische des Florentiner Anonymus (hg. von Fanfani, 3 Bde., Bologna 1866-74). - Aus dem 15. Jahrh.:
Joh. da Serravalle, Bischof von Fermo (hg. auf Veranlassung des Papstes Leo XIII. von Civezza und Domenichelli,
Prato 1891), Bargigi (hg. von Zacheroni, Marseille
[* 29] 1838), Landino (Flor. 1481, seither öfters
gedruckt) und Stefano Talice da Ricaldone (hg. im Auftrag des Königs Umberto I. von Promis und Negroni, Tur. 1866 und 3 Bde.,
Mail. 1888). - Aus dem 16. Jahrh.:
¶
mehr
Vellutello (Vened. 1544 u. ö.), Daniello (ebd. 1568) und Castelvetro
(hg. von Franciosi, Modena 1886). - Im 17. Jahrh, sind keine Dante-Kommentare geschrieben worden. - Aus dem 18. Jahrh.:
Volpi (Padua 1726 u. ö.), Venturi (Lucca
[* 31] 1732 u. ö.) und Lombardi
(Rom 1791, 3. Bde., seither etwa 20mal abgedruckt). - Aus dem 19. Jahrh,
sind aus der großen Zahl zu nennen: Biagioli (3 Bde., Par.
1818-19 u. ö.), Cesari (3 Bde.,
Verona 1824-26),Costa (3 Bde., Bologna 1819 u. ö.), Tommaseo (3 Bde.,
Vened. 1837 u. ö.), Brunone Bianchi (Flor. 1854; 9. Aufl. 1886), Fraticelli (ebd. 1852 u. ö.),
Andreoli (Neap. 1856 u. ö.), Camerini (Mail.
1868-69 u. ö.), Scartazzini (4 Bde., Lpz. 1874-90;
in kürzerer Fassung Mail. 1893; 2. Aufl. 1894), Lubin (Padua 1881), Campi (3 Bde., Turin
[* 32] 1888-89). Im Dienste
[* 33] einer streng
kath. Richtung: Bennassuti (3 Bde., Verona 1864-68), Cornoldi (Rom 1887) und neuerdings Berthier(Freiburg
[* 34] in der Schweiz
[* 35] 1892 u. fg., auf 3 reich
illustrierte Bände in 4°. berechnet). Unter den deutschen Kommentatoren ragen Philalethes, Witte, Kopisch-Paur
besonders hervor. Wörterbücher zur Divina Commedia von Blanc (Lpz. 1852), Bocci (Tur. 1873) und Poletto (7 Bde., Siena 1885-87).
Eine sehr brauchbare Konkordanz der Divina Commedia von Fay (Cambridge 1888). Zur Orientierung über das gesamte Gebiet: Scartazzini,
Dante-Handbuch (Lpz. 1892).
Dante-Zeitschriften. «L'Alighieri» (4 Bde.,
Verona und Vened. 1889-92); «Rivista critica e bibliografica
della letteratura Dantesca» (hg. von Passerini, Rom 1893; bald wieder eingegangen); «Giornale Dantesco» (in Monatsheften;
Venedig,
[* 36] seit 1893).
daMajano, ital. Dichter in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh.
aus Majano bei Florenz, war in seiner Lyrik einer der sklavischsten Nachahmer der Provençalen, dichtete
auch zwei provençalische Sonette, verspottete in roher Weise mit einem Sonette seinen Namensvetter Dante da Majano Alighieri, als dieser
sein erstes Gedicht veröffentlichte. Neuerlich hat Borgognoni die Existenz dieses Dichters gänzlich ableugnen wollen in
M.» (Rouen
[* 37] 1882),
ihm erwiderte Novati, ed«Dante da Majano A. Borgognoni»
(Ancona
[* 38] 1883),
worauf Borgognoni entgegnete: «La questione maianesca (Città di Castello 1889). Gedichte von stehen Dante da Majanostehen in Nanuccis
»Manuale della letteratura Italiana del primo secolo" (4. Ausg., Flor.
1883).
Vereine von Gelehrten und Gebildeten, die sich zum Zweck setzen, die Kenntnis von Dantes Werken
zu verbreiten. Es bestehen gegenwärtig ihrer vier: I. Die deutsche Dante-Gesellschaft, gegründet 1865 durch
KarlWitte,L. G. Blanc, Ed. Böhmer u. a., stand unter dem Protektorat des Königs Johann von Sachsen und zählte zu ihren Mitgliedern
alle namhaften Dante-Forscher deutscher Zunge. Von ihrem Organ, dem «Jahrbuch der deutschen Dante-Gesellschaft», sind vier
stattliche Bände erschienen (Lpz. 1867-77); auch hat sie eine ansehnliche Dante-Bibliothek gegründet. Nach des Königs Johann
und Wittes Tode trat ein Stillstand ein; doch ward sie nicht aufgelöst und gegenwärtig wird an deren Neubelebung und Reorganisation
eifrig gearbeitet. - II. Die Dante-SocietyinCambridge, Mass., begründet 1880, hauptsächlich auf Anregung
des amerik.
Dichters und Dante-Übersetzers Longfellow, zählt gegenwärtig 61 aktive und 5 Ehrenmitglieder und hat die unzweifelhaft
reichhaltigste Dante-Bibliothek
außerhalb Italien in kurzer Zeit zusammengebracht (vgl. Lane, The Dante collections in the Harvard
College, Cambridge 1890). Von ihrem Organ, dem Annual report of the Dante-Society sind seit 1882 12 Hefte erschienen,
welche, außer der Dante-Bibliographie, beachtenswerte Arbeiten enthalten. Auch ist ihr u. a. die Veröffentlichung der wichtigen
Concordance of the Divina Commedia von ihrem Mitgliede E. A. Fay (Cambridge 1888) zu verdanken. - III. Die Società Dantesca
italiana (ital. Dante-Gesellschaft), gegründet 1888 zu Florenz unter dem Protektorate des Königs Umberto I.,
zählt über 200 Mitglieder und setzt sich zum Hauptzwecke, kritische Ausgaben von Dantes Werken zu veranstalten. Von ihrem
Organ, dem «Bullettino della Società Dantesca italiana» sind bereits 13 Hefte erschienen, wegen der bibliogr. Mitteilungen
wertvoll. - IV. Die AmericanDante-Society in Neuyork,
[* 39] gegründet 1890 zu dem Zwecke, die Dante-Studien nach
allen Seiten zu fördern, eine Dante-Bibliothek zu gründen, Vorlesungen über Dante zu veranstalten u. s. w. Sie zählt gegenwärtig
über 300 Mitglieder, welche einen Jahresbeitrag von 10 Doll. entrichten, sodaß sie schon jetzt
die reichste Dante-Gesellschaft sein dürfte. Von ihrem Organ, dem «Year book of the AmericanDante-Society» ist 1892 das erste
Bändchen erschienen.
(spr. dangtieh),HenriAlphonse, franz. Schriftsteller, geb. 1810 zu Noyon, hat sich
durch mehrere Geschichtswerke, wozu er zum Teil die Materialien auf mehrern im Auftrage der Regierung unternommenen wissenschaftlichen
Reisen nach Italien, Deutschland und England sammelte, einen Namen gemacht. Hervorzuheben sind: «Coup d'œil
sur l'art chrétien au moyen-âge» (Par. 1844),
(spr. dangtóng),Georges, franz. Revolutionär, geb. zu Arcis-sur-Aube (Champagne), lebte beim Ausbruch
der Revolution in Paris
[* 40] als Advokat in zerrütteten Verhältnissen. Seine revolutionären Reden im Café Royal und in den Sektionen
machten ihn schnell zum Führer der untern Volksmassen, sodaß ihn schon der Herzog von Orléans
[* 41] und dann Mirabeau zu fesseln
und zu benutzen trachteten. Zum Präsidenten des Distrikts der Cordeliers erwählt, klagte er die Minister in der
Nationalversammlung an und stiftete mit Desmoulins, Fabre d'Eglantine und Marat, nach dem Vorbilde der
Jakobiner, den Klub der Cordeliers, der damals die Radikalsten der Radikalen umschloß. Hier war der energische Mann mit der
durchdringenden Stimme und einer ergreifenden Beredsamkeit seines Erfolges sicher. Am rief er das Volk auf das Marsfeld,
um eine
¶
0792a
¶
0792b
¶
mehr
Petition um Absetzung des Königs zu unterzeichnen, machte sich dann, durch die bewaffnete Macht unter Lafayette vertrieben,
unsichtbar, kehrte aber bald unter dem Schutze der Massen wieder zurück und wurde gegen den Willen der Nationalversammlung
Substitut des Prokurators der Pariser Gemeinde. Den Sturm auf die Tuilerien, hatte er vor andern
vorbereitet; der Sieg des Pöbels verschaffte ihm die Ernennung zum Justizminister. Schon waren die fremden Heere über die
Grenze gedrungen und in Paris, wo die royalistische Partei wieder auftauchte, herrschte die höchste Verwirrung, als Danton in der
Nationalversammlung erklärte, daß Blut und Schrecken allein das Vaterland retten könnten. Er rief einen
Verteidigungsrat zusammen, ließ die Waffen
[* 45] wegnehmen, ordnete die Verhaftung aller Royalisten und widerspenstigen Priester
an und regte die Versammlung durch die Nachricht auf, daß die Anstalten zur Rettung des Vaterlandes getroffen seien. Am
folgenden Tage begannen die sog. Septembermorde, die von Danton selbst organisiert wurden,
und deren Zweck die Einschüchterung der Royalisten war.
Von der Hauptstadt in den Konvent gewählt, legte Danton das Ministerium nieder und ging nach der Schlacht von Jemappes als Verbreiter
der Revolution nach Belgien.
[* 46] Von dort aus betrieb er mit Eifer die Verurteilung des Königs. Staats- und Kirchengüter in Belgien
wurden von ihm konfisciert und verschleudert, um die Propaganda des Umsturzes zu fördern. Doch ließ
er nicht selten die Rechte Einzelner gelten und berücksichtigte begründete Bitten. Um nach dem Abfalle Dumouriez' (s. d.)
die Anklage auf Einverständnis von sich abzuwälzen, trat er im Konvent mit Ingrimm auf und schlug sogar vor, die Provinzen
im Falle einer Invasion völlig zu verheeren. Am wurde durch ihn ein außerordentlicher Gerichtshof ins Leben gerufen,
das spätere Revolutionstribunal. war den Girondisten nicht völlig abgeneigt und suchte sich mit ihnen gegen den schrankenlosen
Pöbel zu verbinden; allein der wiederholte Antrag derselben auf Bestrafung der Septembermetzeleien und
eine 1. April wider ihn erhobene Anklage auf Hochverrat zwangen ihn, sich zurückzuziehen und sich mit der Bergpartei zum Sturze
der Gironde zu vereinigen.
Trotzdem sank sein Ansehen täglich. Er wurde nicht in den Wohlfahrtsausschuß gewählt, in dem nun die radikalen Hébertisten
das entscheidende Wort führten. Danton ging deshalb von Paris nach Arcis-sur-Aube, wo er heiratete. Bald aber,
Nov. 1793, kehrte er wieder, um im Vertrauen auf Robespierres Unterstützung jene zu stürzen. Das gelang zwar, aber nach
dem Sturze Héberts und seiner Partei wurde von dem eifersüchtigen Robespierre auch D.s Sturz beschlossen. In der Nacht vom 31. März zum wurde
er mit Lacroix, seinem ehemaligen Genossen in Belgien, verhaftet. Am 3. April erschien er vor dem Revolutionstribunal, das ihn
beschuldigte, er habe den Herzog von Orléans auf den Thron
[* 47] setzen wollen.
Noch einmal erschütterte er Hörer und Richter durch seine dröhnende Beredsamkeit, in der er von der
Verteidigung zu den härtesten Anklagen gegen seine Ankläger überging. Schon zögerte das Gericht, als Robespierre schnell
im Konvent am 4. ein Dekret durchgehen ließ, das alle Angeklagten, welche die Justiz beleidigten oder ihr trotzten, ohne
Verhör verdammte; unmittelbar darauf wurde das Todesurteil ausgesprochen. Am 5. April bestieg Danton mit 13
Anhängern
(Dantonisten) das Schafott. GeorgBüchner hat D.s Geschick in einer Tragödie behandelt. 1891 wurde ihm in Paris ein Standbild
errichtet. -
(spr. dännwĕrs), Stadt im County Essex des nordamerik.
Staates Massachusetts, südwestlich von Boston,
[* 48] ist
Eisenbahnknotenpunkt, hat (1890) 7454 E., Schuh- und Backsteinfabrikation, Gerbereien, Eisengießereien
und eine Irrenanstalt.
1) Hauptstadt des County Vermilion in Illinois, am Vermilion, etwa 200 km südlich von Chicago, bedeutender Eisenbahnknotenpunkt,
hat (1890) 11491 E. und Kohlengruben. Unter den Zeitungen eine deutsche. - 2) Hauptstadt des County Montour in Pennsylvanien,
am Nordarme des Susquehanna und des Pennsylvaniakanals und an zwei Bahnen, hat mit Riverside (1890) 8392 E., Eisen-, Stahl- und
Kohlenwerke, ferner Steinbrüche und Fabrikation von Nägeln, Öfen
[* 49] und Maschinen. - 3) Hauptstadt des County Boyle in Kentucky,
südöstlich von Louisville, hat 3766 E., eine Taubstummen- und zwei höhere Unterrichtsanstalten. - 4)
Stadt im County Pittsylvania in Virginia, nahe der Südgrenze des Staates am Dan River, Eisenbahnknotenpunkt, hat (1890) 10305 E.,
sehr bedeutende Tabakfabrikation (1889: nahezu 80 Firmen) und -Handel. - Nachdem Richmond von Jefferson Davis verlassen war,
wurde Danville einige Tage Hauptstadt der Konföderation. Davis erließ hier seine letzte Proklamation.
«Über die Ästhetik der Hegelschen Philosophie» (ebd. 1844) und die Abhandlung«Über den gegenwärtigen Zustand
der Philosophie der Kunst und ihre nächste Aufgabe» (in Fichtes «Zeitschrift für Philosophie und speculative Theologie», Tüb.,
Bd. 12, 14 u. 15); sodann seine beiden Hauptwerke: «Gottsched und seine Zeit»
(Lpz. 1848; 2. Ausg. 1855) und «Gotthold
Ephraim Lessing, sein Leben und seine Werke» (Bd. 1, ebd.
1850; Bd. 2, mit Benutzung von D.s Nachlaß, hg. von Guhrauer,
1854; 2. berichtigte und vermehrte Auflage von Maltzahn und Borberger, Berl. 1880 - 81). Eine Sammlung wertvoller Aufsätze
D.s hat O. Jahn («Gesammelte Aufsätze», Lpz. 1855) herausgegeben.
Franz, Musiker, geb. in Mannheim
[* 53] als Sohn des Violoncellisten Ignaz war in der KompositionSchüler von
Abt Vogler. war namentlich bedeutend als Dirigent und Lehrer, besonders als Gesanglehrer. Nachdem er sich 1790 mit der Münchener
Sängerin Margarete Marchand (1768 - 96) verheiratet hatte, machte er mit dieser mehrere Kunstreisen.
In München,
[* 54] Stuttgart
[* 55] und Karlsruhe
[* 56] war er nacheinander Musikdirektor oder Kapellmeister; er starb ¶
mehr
zu Karlsruhe. Außer acht Opern («Kleopatra» bereits 1779) hat er Musik fast aller Gattungen komponiert, auch eine Reihe
von Kirchenwerken.
Seine Schwester Franciska Danzi, geb. 1756 in Mannheim, war eine der ersten Sopransängerinnen ihrer Zeit, die den berühmten
Oboespieler Ludw. Aug. Lebrun (1746 - 90) heiratete und in Berlin starb.
1) Regierungsbezirk der preuß. Provinz Westpreußen,
[* 59] grenzt im N. an das Frische Haff und die Danziger Bucht, hat in seinem
östl. Teil die fruchtbare Niederung der Weichsel und Nogat, im seenreichen westlichen, dem Kern des alten Pommerellen, das
Plateau von Karthaus mit dem Turmberg (339 m), ist ausgezeichnet durch Ackerbau und Viehzucht
[* 60] und hat 7952,58
qkm, 589176 (285849 männl., 303327 weibl.) E., darunter 6610 Militärpersonen; 12 Städte mit 151,46 qkm und 213792 (102055
männl., 111737 weibl.) E., 801 Landgemeinden und 446 Gutsbezirke mit 7801,12 qkm und 375384
(183794 männl., 191590 weibl.) E.; ferner 53717 bewohnte und 633 unbewohnte
Wohnhäuser,
[* 61] 121112 Haushaltungen und 334 Anstalten. Dem Religionsbekenntnis nach waren 294157 Evangelische, 279364 Katholiken, 9727 andere
Christen und 5928 Israeliten. Der Regierungsbezirk zerfällt in die 12 Kreise:
[* 62]
2) Danzig, poln. Gdansk; lat. Gedanum, Hauptstadt der preuß. Provinz Westpreußen und
des Reg.-Bez. Danzig, wichtige Handelsstadt und
Festung,
[* 63] 140 km von der russ. Grenze entfernt, liegt 54° 21' nördl.
Br. und 18° 41' östl. L. von Greenwich, in 5 m Höhe (Bahnhof), etwa 4 km südwestlich
der Danziger Bucht (s. d.), unweit der Mündung der vereinigten Mottlau und Radaune
in die Tote oder Danziger Weichsel (s. d.). Die Ausdehnung
[* 64] beträgt von O. nach W. und von S. nach N. je 7, der Umfang 40 km.
Von der Gesamtfläche (19,75 qkm) sind 3,08 qkm mit Häusern bebaut, 4,95 qkm sind Wege, Straßen und
Eisenbahnen, 10,52 qkm landwirtschaftlich benutzt und 1,22 qkm Wasserfläche. Der mittlere Luftdruck betrug nach den Beobachtungen
in Neufahrwasser (1888) 759 mm, die mittlere Jahrestemperatur +6° C. (+29° Maximum, - 23° Minimum), die Niederschlagsmenge 698 mm.
(Hierzu ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen, Plätze und öffentlichen Gebäude, und eine Karte:
Danzig mit Neufahrwasser und Weichselmünde.)
Bevölkerung.
[* 65] Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1819: 49392, 1858: 76795, 1871: 88974, 1875: 97931, 1880: 108551, 1885:114805,1890: 120338
(57773 männl., 62565 weibl.) E., i. eine Zunahme (1885 - 90) von 5533 (4,7
Proz.) oder durchschnittlich jährlich 1107 Personen;
davon kommen auf die Vorstädte Schidlitz 6622, Strohdeich
1056, Langfuhr 5294, Neufahrwasser 5832, Stadtgebiet und Altschottland 2995 und St. Albrecht 1449 E. Dem Religionsbekenntnis
nach waren 80723 Evangelische, 35851 Katholiken, 1229 andere Christen und 2535 Israeliten;
1890 gab es 5808 Wohnhäuser und 283 andere
bewohnte Baulichkeiten, 26114 Haushaltungen und 85 Anstalten.
Von 1000 E. sind geboren in Danzig 506, im
übrigen Preußen
[* 66] 479, im übrigen DeutschenReich 8, im Ausland 7. Zahl der Geburten (1890) 4452, der Sterbefälle 3209, der
Ehen 975, der Zugezogenen (1890) 17030, der Abgezogenen 14851. In Garnison liegen das Grenadierregiment König Friedrich I.
Nr. 5, das Infanterieregiment Nr. 128,
die 1., 2., 4. und 5. Eskadron des Leibhusarenregiments Nr. 1, die 1., 2. und 4. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr.
36, das 2. Bataillon des Fußartillerieregiments von Hindersin Nr. 2 und das Trainbataillon Nr. 17.
Ehrenbürger ist der frühere Oberpräsident von Westpreußen, Geheimrat von Ernsthausen.
Anlage, Straßen, Plätze. Die Mottlau, ein kleiner Fluß, bis 5 m tief, durchströmt die Stadt in 2 Armen
und trennt die ältern Stadtteile am linken Ufer: Altstadt, Rechtstadt und Vorstadt, von den am rechten Ufer gelegenen neuern:
Niederstadt und Langgarten;
in der Mitte liegt die Speicherinsel mit den großen Getreideniederlagen, die bis zu 100000 t
bergen können.
Die Radaune fließt westlich von der Stadt, schneidet beim HohenThor den Stadtgraben und
trennt die Alt- von der Rechtstadt. Außerdem durchziehen noch mehrere Kanäle die Stadt. Von den etwa 50 Brücken,
[* 67] die die
Wasserläufe überschreiten, sind die größten: die Kuhbrücke, GrüneBrücke,
[* 68] Mattenbuden-, Milchkannenbrücke.
Die innere Stadt wird durch einen gewaltigen Hauptwall mit 22 Bastionen umschlossen; zwischen diesem und
seinem mit der Mottlau und Weichsel in Verbindung stehenden Festungsgraben und zwischen dem durch die Citadellen des «Bischofs-
und
des Hagelsbergs" gekrönten äußern Festungsgürtel breiten sich neue Stadtteile aus, unter denen besonders Neugarten mit
den in neuester Zeit aufgeführten stattlichen Gebäuden sich aufzeichnet. Ein Teil der innern Wälle ist vor kurzem geschleift
und das freigewordene Gelände mit Militärgebäuden besetzt, wogegen die äußern Festungswerke fortdauernd verstärkt werden.
Der Hafen ist durch Anlage neuer detachierter Forts vorzüglich befestigt.
Danzig gehört wegen seiner Bauwerke und der landschaftlichen Schönheit seiner Umgebung zu den interessantesten deutschen
Städten; es hat mit Ausnahme Nürnbergs und einiger rhein. Städte die eigentümlichste und am schärfsten ausgeprägte Physiognomie,
die mit den massenhaften, meist sehr alten Befestigungen im Einklang steht. Der interessanteste Stadtteil
und zugleich Mittelpunkt des Verkehrs ist die Rechtstadt. Ihr Glanzpunkt, die Langgasse und der Lange Markt, ist ein breiter,
die Stadt von W. nach O. durchschneidender Straßenzug, den eine Reihe stattlicher Giebelhäuser einfassen, meist Prachtbauten
aus dem 16. bis 18. Jahrh. Im W. dehnt sich jenseits des Stadtgrabens
eine schattige Promenade aus, deren Verlängerung
[* 71] im N. die «große Allee», eine 2 km lange, mit vier Reihen alter Linden bestandene, 1768 angelegte
Straße bildet.
Die Gärten der innern Stadt sind jetzt mit Gebäuden besetzt, dagegen finden sich zwischen den äußern Thoren größere Gärten,
so die zwei Logen-, der Schützengarten und die Anlagen des Verschönerungsvereins. Den meist engen Straßen
kehren die schmalen und tiefen Häuser ihre hohen, durch kunstvolle Steinarbeit oft reichverzierten Giebel zu. Von Plätzen
der innern Stadt ist besonders zu nennen der Winterplatz, benannt nach dem verdienten frühern Oberbürgermeister von Winter,
mit schönen Parkanlagen und neuem monumentalen Brunnen.
[* 72]
Kirchen. Danzig hat 23 Gotteshäuser (14 evang.und 5 kath. Kirchen, je ein evang. und mennonitisches Bethaus und 2 Synagogen). Besonders
hervorzuheben sind die Oberpfarrkirche zu St. Marien, eins der hervorragendsten Baudenkmäler in den baltischen Gegenden, 1343 gegründet,
später bis 1502 bedeutend vergrößert; sie ist eine Hallenkirche mit dreischiffigem Lang- und Querhaus.
Wie eine Festung überragt die Kirche (105 m lang, 35 m breit, im Querschiff 66 m breit, 30 m hoch) mit ihrem gewaltigen Westturm
(76 m) und den zehn schlanken Giebeltürmchen die Stadt. Im Innern befinden sich viele bedeutende Kunstschätze (Hauptaltar, 1511 - 17 gefertigt
von dem in Danzig ansässigen AugsburgerMeisterMichael; Flügelaltar mit dem Jüngsten Gericht, vor 1473 von
Memling in Brügge gemalt).
Die übrigen Kirchen, sämtlich got. Backsteinbauten, sind weniger bedeutend: die Katharinenkirche, aus den: 13. Jahrh., mit
einem Glockenspiel;
die Johanniskirche, im 15. Jahrh. begonnen, durch Restaurationen entstellt;
die Trinitatiskirche, 1514 vollendet,
mit dreifachem got. Westgiebel. Im ehemaligen Franziskanerkloster, einem spätgot.
Bau des 15. und 16. Jahrh., ist das Museum, in der ehemaligen Jakobskirche die Stadtbibliothek.
Die neue Synagoge ist 1886/87 nach Plänen von Ende und Böckmann erbaut.
Weltliche Bauten. Unter den Thoren der Stadt sind besonders zu erwähnen das HoheThor, ein mächtiges, 1558 im
Renaissancestil erbautes Festungsthor, 1880 verbreitert; ferner das Langgarterthor (1612), in ital.
Renaissance, gegenüber der Stockturm von
1346, mit Dach
[* 73] von 1508 und das neuerdings in seiner ursprünglichen Gestalt wiederhergestellte
GrüneThor (1568), in dessen obern Räumen das Westpreußische Provinzialmuseum untergebracht ist. Hervorragende öffentliche
Gebäude sind das Rathaus am Langen Markt (14. Jahrh.), mit einem
schlanken Turm
[* 74] (45 m), dessen zierliche, 1559 - 61 aufgesetzte mit einem Glockenspiel versehene Spitze im Renaissancestil berühmt
ist; im Erdgeschoß die Sommerratsstube mit geschnitztem Portal (1593), die Winterratsstube mit Wandgemälden (1611) und der
Sitzungssaal der Stadtverordneten, früher der «Wette», mit neuerm Sterngewölbe auf achteckiger Granitsäule,
im obern Stock das Empfangszimmer, das Arbeitszimmer des Oberbürgermeisters und das städtische Archiv.
Berühmt ist der Artus- oder Junkerhof am Langen Markt, 1480/81 an Stelle eines ältern durch Brand zerstörten Gebäudes aufgeführt,
vormals Versammlungshaus der reichen Danziger «Stadtjunker», seit dem 18. Jahrh.
Börse, mit zahlreichen Kunstwerken im Innern. Vor dem Artushof der stattliche Neptunsbrunnen, 1633 in
Holland gegossen. Dem GrünenThor gegenüber liegt auf der Speicherinsel das große Gebäude der Sparkasse, vor dem HohenThor
im Neugartendas neue Landeshaus der Provinz Westpreußen, beide im Renaissancestil von Ende und Böckmann;
am Winterplatz das
Oberpostdirektionsgebäude und das Städtische Gymnasium;
an dem Kohlen-Markt das alte Zeughaus, ein
Barockbau von 1605;
zwischen der Sandgrube und dem SchwarzenMeerdas neue chirurg. Lazarett, 1886/87 von
Schmieden erbaut, mit zwei schlanken Türmen;
der uralte histor. Ankerschmiedeturm, seit 1864 zum Polizeigefängnis eingerichtet,
und das großartige Mühlenwerk (1349) an der Radaune mit 18 Gängen.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet durch einen Oberbürgermeister (Dr. Baumbach, seit 1891, 15000 M.), Bürgermeister (Hagemann,
seit 1878, 8500 M.), 17 Stadträte (7 besoldet), 60 Stadtverordnete (Vorsteher Steffens) und eine königl. Polizeidirektion
(Präsident Freiherr von Reiswitz). Die ständige Feuerwehr (seit 1859), mit der Wachtmannschaft und Straßenreinigung
[* 76] verbunden,
zählt 265 Köpfe, darunter 74 für Straßenreinigung, und hat 14 Feuermelder,
[* 77] 3 Dampfspritzen (darunter 2 der
kaiserl. Werft gehörig) und 46 Pferde.
[* 78]
Die beiden Wasserleitungen (Stadt- oder Prangenauer Leitung, seit 1869, und Vorstadt- oder Pelonker Leitung, seit 1878) lieferten
(1891/92) 3,955 Mill. und 72000 cbm aus 22 bez. 7 km entfernten Quellen durch natürliches Gefälle in 57 bez. 21 km
langem Rohrnetz. Die Kanäle (45 km) entleeren ihren Inhalt in die Pumpstation auf der Kämpe (Mottlauinsel), und von da wird
derselbe nach den etwa 8 km entfernten Rieselfeldern (1,5 qkm) an der Ostsee, den ersten des Festlandes, gepumpt. Die städtische
Gasanstalt lieferte (1891/92) 3,171 Mill. cbm Gas, darunter für öffentliche Beleuchtung
[* 79] 639945 cbm (1162
Flammen), für Privatgebrauch 2452160 cbm (22778 Flammen, 41 Gasmotoren mit 210 Pferdestärken). Elektrische
[* 80] Beleuchtung besteht
im Hafen, in der Zuckerraffinerie sowie in einigen Geschäften.
Finanzen. Das Rechnungsjahr 1891/92 schließt ab in Einnahme mit 4622812 M., Ausgabe 4181901 M.; das Vermögen
beträgt 10-15 Mill. M., die Schulden 7,173 Mill. M. Für Schulen wurden aufgewendet 729605 M., für Armenwesen 501745 M.,
außer den Unterstützungsgeldern aus Stiftungen.
¶