1817 vermählte sich Czartoryski mit der Prinzessin
AnnaSapieha. Dem ersten
Reichstage wohnte er als Mitglied der Senatorenkammer bei
und sprach mit Freimütigkeit von den
Vorteilen konstitutioneller
Verfassungen.
Bald sah er indes alle seine Hoffnungen schwinden.
Es wurden gegen die Unterrichtsanstalten Untersuchungen eingeleitet, die einen so gehässigen Verlauf nahmen, daß
Czartoryski sein Kuratoramt niederlegte. Seitdem lebte er den Wissenschaften auf seinem Stammsitze
Pulawy.
Nach dem
Ausbruche der poln. Revolution von 1830 war seine Thätigkeit wieder dem Dienste
[* 2] des Vaterlandes
gewidmet. Zum Präsidenten der Provisorischen Regierung ernannt, berief er den
Reichstag auf den Am zum
Vorsitzenden der Nationalregierung berufen, brachte er über die Hälfte seines Vermögens dem Vaterlande
zum Opfer. Nach den Greuelthaten des 15. und als Krukowiecki zum
Diktator gewählt wurde, legte Czartoryski seine
Stelle
als Senatspräsident nieder und trat in das Korps des
Generals Ramorino ein, mit dem er nach
Österreich
[* 3] überging.
Darauf begab er sich nach
Paris,
[* 4] fortwährend für seine heimatlosen Landsleute uneigennützig wirkend, doch als
Aristokrat
und zukünftiger König von
Polen von der demokratischen Partei der poln.
Emigranten oft heftig angefeindet. Von der
Amnestie
von 1831 wurde Czartoryski ausgeschlossen; auch unterlagen seine
Güter im Königreich
Polen der Konfiskation. Infolge
des poln.
Aufstandes von 1846 verfielen außerdem seine galiz. Besitzungen der Sequestration seitens
Österreichs, die aber im
Frühjahr 1848 wieder aufgeschoben wurde. Im März 1848 forderte er von
Paris aus in einer franz.
Proklamation die
VertreterDeutschlands
[* 5] auf, sich mit den
VertreternFrankreichs zu vereinigen, um die HerstellungPolens
zu verlangen. Czartoryski starb zu Montfermeil bei
Paris. -
Vgl. Mazade,Alexandre Ier et le prince Czartoryski Correspondance
particulière et conversations 1801-23 (Par. 1865);
ders., Mémoires du prince
Adam Czartoryski et
sa correspondance avec l’empereur
Alexandre Ier (2 Bde., ebd. 1887).
1) Witold, geb. trat in span. Dienste und starb zu
Algier;
2) Wladislaw, geb. vermählt in erster
Ehe mit der verstorbenen Prinzessin Marie Amparo, Tochter der
Königin Marie Christine von
Spanien,
[* 6] und in zweiter
Ehe (seit mit Margarete
Adelaide,
[* 7] Prinzessin
von
Orléans,
[* 8] Tochter des
Herzogs von Nemours, gegenwärtig das Haupt seiner Familie und der aristokratischen Partei der poln.
Emigranten, wohnt abwechselnd in
Paris und auf seinen
Gütern in Galizien und hat in Krakau
[* 9] eine große poln.
Bibliothek und
ein poln. Museum gegründet;
(spr. tschar-),Konstantin, Fürst,
Bruder des vorigen, geb. in
Pulawy, wurde in
Petersburg
[* 10] russ.
Gardeoffizier und
Adjutant des
GroßfürstenKonstantin, trat zur Zeit des Herzogtums Warschau
[* 11] 1809 in das poln.
Heer und errichtete auf eigene Kosten ein Regiment. Dann nahm er an dem Feldzuge Napoleons gegen
Rußland teil und zeichnete
sich in der
Schlacht bei
Moskau
[* 12] aus. 1816 trat er in
Petersburg wieder auf kurze Zeit in das russ.
Heer und ward kaiserl.
Generaladjutant.
Bald aber zog er sich ganz vom öffentlichen Leben zurück und ließ sich 1828 in
Wien
[* 13] nieder; er
legte
eine wertvolle Gemäldesammlung an und starb in
Wien.
Seine aus zweiter
Ehe stammenden beiden jüngsten
Söhne,
Konstantin, geb. und
Georg, geb. beschäftigten
sich mit litterar. und musikalischenStudien und gaben gemeinsam einige
Schriften über
Musik und
Theater
[* 14] heraus. Sie besitzen in Galizien große
Güter und verfolgen daselbst liberale und national-föderale
Tendenzen. Der erstere
wurde vom
Kaiser zum Mitgliede des österr. Herrenhauses ernannt und war Vicepräsident desselben, der zweite war Abgeordneter
auf dem galiz. Landtage und einer der Führer der poln.
klerikalen Partei. Er starb in
Wien.
Der aus
C.s erster
Ehe entsprossene älteste Sohn,
Adam Czartoryski, geb. in Warschau, erhielt in
Frankreich seine Erziehung,
kämpfte 1831 in dem poln.
Aufstande. Er war
Besitzer der Herrschaften Jutroschin und Dubin in der
ProvinzPosen,
[* 15] zeichnete sich durch Wohlthätigkeit aus und gewährte vielen jungen
Polen und
Deutschen die
Mittel zu ihrer Ausbildung. Er
starb auf seinem Gute Rokossowo,
Kreis
[* 16] Gostyn.
Des letztern ältester Sohn,
Roman Czartoryski, geb. war 1870-73 Abgeordneter im preuß.
Landtage, 1871-81 Mitglied des
DeutschenReichstags, nahm an den polit.
Bewegungen lebhaften Anteil und
war eine Zeit lang
Vorsitzender der poln.
Fraktion. Er starb zu Jabkonow in Galizien.
(slaw., spr. tscha-; grch.
Horologion), in der slaw. Liturgie soviel wie
Brevier, das am häufigsten gebrauchte
Buch beim Gottesdienst. Es wurde daher
frühzeitig übersetzt teils aus dem
Griechischen (für die griechisch-katholischen), teils aus dem
Lateinischen (für die
röm.-kath.
Slawen).
Letztere sind glagolitisch geschrieben oder gedruckt, erstere cyrillisch.
(spr. tschech), der vermeintliche Stammvater der
Czechen (in der altböhm.
Chronik als
Lech [s. d.] bezeichnet),
der mit seinem Gefolge aus Großkroatien «über dreiFlüsse»
[* 17] in das heutige
Böhmen
[* 18] gekommen sein und
dem
Volke und
Lande
(Böhmen heißt auf czechisch: Čechy) den
Namen gegeben haben soll.
(spr. tsche-), der einheimische
Name der zur westslaw. Gruppe gehörenden slaw.
Stämme in
Böhmen, Mähren und
einem
Teile Oberungarns (der
Böhmen oder Czechen im engern
Sinne, der Mährer und Slowaken). Die Gesamtzahl
der Czechen in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie beträgt nach der Zählung vom 7411065; 1890 waren
in
Böhmen 3645015, in Mähren (Mährer und Hannaken) 1590371, in
Österreichisch-Schlesien 129836, in Niederösterreich 93481,
in den übrigen cisleithan.
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unterTsch oder Č aufzusuchen.]
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Im böhm. Landtag und im Abgeordnetenhaus des Reichsrats bilden die Czechen schon seit
dem Beginn des parlamentarischen Lebens in Österreich besondere Gruppen. Auf dem ersten konstituierenden Reichstag 1848-49
waren die czech. Abgeordneten die Stütze der Regierung; in dem engern Reichsrat 1861-63 widersetzten sie sich dagegen unter
Führung Riegers den centralistischen Bestrebungen Schmerlings und erklärten 1863 ihren Austritt aus dem
Reichsrat, 1871 nach dem Sturz Hohenwarts auch aus dem böhm. Landtag.
Bei dieser Abstinenzpolitik verharrten sie bis 1878, wo sie bei dem beginnenden Systemwechsel wieder an den Beratungen des
böhm. Landtags teilnahmen; 1879 traten sie auch wieder in den Reichsrat ein.
Schon bei diesen Wahlen trat neben den konservativen Altczechen unter Rieger eine viel extremere demokratische Gruppe der Jungczechen
hervor, die 15 ihrer Kandidaten bei den Landtagswahlen durchsetzte, während die Altczechen noch 68 Sitze behaupteten. Seitdem
hat sich das Verhältnis aber immer mehr zu Ungunsten der letztern verschoben.
Bei den letzten Landtagswahlen (1889) errangen die Jungczechen 29 Sitze gegen 20 der Altczechen, und bei
den Wahlen zum Abgeordnetenhaus (1891) erlitt die altczech. Partei eine völlige Niederlage; dagegen zogen 34 jungczech. Abgeordnete
unter Führung von Gregr, Vasaty und Herold in das Haus ein, die sich als «Klub
der böhm. Nationalabgeordneten» konstituierten und sich durch ihre
extreme Haltung und ihre deutschfeindlichen Reden bemerkbar machten. Infolge ihres maßlosen Auftretens im böhm.
Landtag wurden sie 1893 in der österr.
Delegation von allen Ausschüssen ausgeschlossen, und ihre weitern Ausschreitungen veranlaßten im September die Verhängung
des Ausnahmezustandes über Prag.
[* 23] Das Ziel der Czechen, das sie durch engsten Anschluß an Rußland zu erreichen
hoffen, weshalb sie auch bei jeder Gelegenheit gegen den Dreibund auftreten, ist, eine ähnliche selbständige Stellung in der
Monarchie zu erringen, wie sie die Ungarn einnehmen, und die Anerkennung eines eigenen böhm. Staatsrechts. (S. auch Böhmen
und Österreichisch-Ungarische Monarchie.)
Litteratur. Das älteste DenkmalderCzechische Litteratur ist das Kirchenlied «Hospodine pomiluj ny»,
welches aus der Zeit der slaw. Liturgie stammt. Im weitern Verlauf ihrer ersten Periode (zweite Hälfte des 13. Jahrh. bis
zum Auftreten Huß') zeigt dieCzechische Litteratur Beeinflussung durch die lat.-kirchliche Litteratur. Die angeblichen
Zeugnisse selbständig-nationaler Dichtkunst, das ins 8. bis 9. Jahrh. gesetzte «Gericht
Libuschas» (Grüneberger Handschrift) und die ins 13. bis 14. Jahrh. gesetzten epischen
und lyrischen Lieder der Königinhofer Handschrift (s. d.) sind als Fälschungen
erkannt.
Neben dem lat. Einfluß macht sich auch deutscher geltend. Mit dem deutschen Ritterwesen kommt
der Minnegesang und das ritterliche Epos zu den Böhmen. Im 14. Jahrh. entwickelte sich eine verhältnismäßig
reiche Litteratur. Fast alle geistigen Strömungen des Abendlandes fanden in Böhmen Wiederhall. Zahlreich und sprachlich wichtig
sind Schriften religiösen Inhalts. Außer geistlichen Liedern, Legenden (u. a. die große Katharina-Legende), didaktischen und
allegorischen Gedichten stammen aus dieser Zeit die bemerkenswerte selbständige Bearbeitung der lat.
Alexandreis des Walter von Châtillon, die Bearbeitungen zweier Artusromane («Tristam»,
nach Eilhart von Oberge und Gottfried von Straßburg,
[* 24] und «Tandariaš a
Floribella», nach Pleier) sowie die Prosanovelle
vom «Tkadleček», eine czech.
Von didaktischen, satirischen und andern Werken sind zu nennen: der «NeueRat» des Smil Flaška von Pardubitz,
der «Rat eines Vaters an seinen Sohn», der «Streit zwischen Leib und Seele»
und der «Streit zwischen Wasser und Wein», die witzige Satire vom «Stallmeister und Studenten», die Übersetzung des encyklopäd.
«Lucidarius», der «Distichen
des Cato», des «Äsop», des «Anticlaudianus» des Alanus ab Insulis u. a. Den lat. Geschichtswerken («Chronik
des Cosmas von Prag» [12. Jahrh.] u. a.) folgen czechische,
von denen die älteste und bekannteste die sog. «Dalimilsche
Reimchronik» (Anfang des 14. Jahrh.) ist.
Für die böhm. Rechtsgeschichte sind interessant «Das
Buch des Herrn von Rosenberg» (eine Darlegung der böhm. Landrechtspraxis),
In der zweiten Periode (Zeit der hussitischen Bewegung und das sog. Goldene Jahrhundert derCzechische Litteratur, Anfang des 15. Jahrh. bis
1620) bilden in der schönen Litteratur die aus dem Lateinischen und Deutschen übersetzten internationalen Erzählungen («Barlaam
und Josaphat», «Georgs Traumgesicht», «Gesta Romanorum», «Sieben weise Meister», «Magelone» u. s. w.)
den Lesestoff zunächst für die Gebildeten und werden später zu Volksbüchern. Eine selbständige czech.
Belletristik kann sich ihnen gegenüber nicht entwickeln, dagegen entstehen czech. Nachbildungen,
wie die «Historie vom czech. Ritter Štilfrid und seinem Sohn Bruncvik»,
«Von der Kriegerjungfrau Vlasta», «Vom
Ritter Paleček» u. a. -
Die antideutsche und antikath. Bewegung erreicht ihren Gipfel im Hussitenstreit (s. Huß). Die Litteratur wird zur Waffe,
der Inhalt der lat. und czech. Schriften ist rein polemisch. Die Verbreitung der neuen Lehre
[* 27] wird mächtig
gefördert durch die von Huß ausgehende Reformation der Schriftsprache, die, von Archaismen gereinigt, aus der Volkssprache
größern Reichtum und allgemeine Verständlichkeit schöpfte. Die Dichtung besteht aus polit. und histor. Liedern, religiösen
Gesängen und Streitliedern (so das berühmte hussitische Kriegslied «Kdož
ste boží bojovníci»).
Aus den histor. Liedern entwickelt sich die politisch und historisch gleich wertlose Reimchronik; wichtiger
sind die zeitgeschichtlichen Memoiren, ferner Reisebeschreibungen (Übersetzungen des «Millione» von Marco Polo, der Reise Maundevilles,
nebst einigen originalen Reiseberichten). Die nationale Bewegung überdauert die Hussitenkriege. Der Kampf des kath. Lateins
und der prot. Volkssprache zieht sich bis Ende des Jahrhunderts hin. Die Brüdergemeinen setzen die sprachlichen
Bestrebungen Huß’ fort. Aus ihnen gehen die bedeutendsten Schriftsteller des 16. und 17. Jahrh.
(so Blahoslav, Karl von Žerotín, AmosComenius)
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unter Tsch oder Č aufzusuchen.]
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hervor. Huß' bedeutendster Schüler ist Peter von Chelčic (Chelčický, 1390-1460), in dessen Werken («Netz des Glaubens»,
«Postille») die Hußsche Lehre ihren theoretischen Ausbau erhält. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. entwickelt sich die
Buchdruckerkunst in Böhmen (erster Druck der Trojanerroman, Pilsen
[* 29] 1468). Gleichzeitig erscheint die Renaissance. Die Humanisten
sind dem Hussitentum in der Mehrheit feindlich gesinnt, so namentlich Bohuslav von Lobkovic; doch finden
sich auch Ausnahmen. Besonders wichtig sind die Arbeiten der Juristen Viktorin, Ctibor u. a. sowie die Übersetzungsthätigkeit
des Pisecký, Hrubý u. s. w. - Das 16. Jahrh., die fruchtbarste, wenn auch des höhern Schwungs entbehrende
Periode, und besonders der Anfang des 17. Jahrh. gilt als «Goldenes Zeitalter».
Während bisher nur der Adel und die Geistlichkeit die Litteratur pflegte, wird sie jetzt zum Volkseigentum. Die Volksbildung
steht auf hoher Stufe durch die Schulen der Brüderschaft. Die wenig bedeutende Poesie besteht aus lat. Dichtungen, Romanübersetzungen,
geistlichen Liedern, Nachahmungen des Meistergesangs (Psalmendichtung). Von Prosa sind zu nennen: Darstellungen
der Zeit-, Volks- undKirchengeschichte, dann vor allem die zum Volksbuch gewordene «Czech. Kronik» des Wenzel Hajek von Libočan,
die meisterhafte Bibelübersetzung der Böhmischen Brüder (sog. Kralitzer Bibel,
[* 30] gedruckt 1579-93 zu Kralitz),
die angeregt
wurde durch Jan Blahoslav, der das Neue Testament übersetzte und außerdem u. a. das Liederbuch der Brüder
(«Kancional bratrský») redigiert hat. - Den Schluß der Periode bildet DanielAdam von Veleslavin, dessen Schriften (Wörterbücher,
«Geschichtlicher Kalender») ebenso wie die seiner Nachfolger sich durch ein besonders reines Czechisch auszeichnen.
Außer geistlichen Liedern, Psalmen u. s. w. erscheinen nur Kalender, Lesebücher, kath. Elementarbücher u. ähnl. Unter den
Ausnahmen ragt hervor der letzte bedeutende czech.-prot. Schriftsteller, der EmigrantAmosComenius (s. d.), der berühmte Bahnbrecher
der modernen Pädagogik, dessen allegorisches «Labyrinth der Welt», ein Werk voll
lebendiger Plastik und feiner Satire, neben der Kralitzer Bibel die Hauptlektüre der czech. Protestanten
bildete.
Die vierte Periode bildet die Wiederbelebung derund sie reicht Czechische Litteraturreicht bis zur Gegenwart. Die Zeit bis etwa 1820 ist die Zeit der
Vorbereitung. Den ersten Anstoß zur Wiederbelebung giebt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
das rein gelehrte Interesse für die Geschichte und Litteratur, wie es in den Arbeiten des Historikers Gelasius Dobner (1719-90)
und seines Kreises hervortritt. Bahnbrechend wirken besonders die epochemachenden ArbeitenJoseph Dobrovskýs auf dem Gebiet
der czech.
Sprache und Litteratur sowie der vergleichenden Slawistik. Es erscheinen Ausgaben und Neudrucke älterer
Denkmäler. Gleichzeitig beginnt eine auf weitere Kreise
[* 32] berechnete Thätigkeit. Dem
Mangel an Unterhaltungslektüre wird durch
Übersetzungen und originale populäre Schriften (V. Kramerius 1759-1808) gesteuert. Es erscheinen die ersten, bei der völlig
unausgebildeten Schriftsprache noch ungelenken poet. Versuche der ersten Dichterschule, deren Haupt Antonin Puchmayer (1769-1820)
ist. In die achtziger Jahre des 18. Jahrh. fallen die ersten von den BrüdernTham eingerichteten Theatervorstellungen
in czech. Sprache und die ersten Zeitschriften. - Die Früchte dieser ersten litterar. Bestrebungen sind zunächst spärlich.
Es fehlte an einem Mittelpunkte der litterar. Thätigkeit. Ein solcher ersteht in dem 1818 gegründeten Böhmischen Museum
und der 1830 gegründeten, damit verbundenen Gesellschaft zur Herausgabe czech. Bücher «Matice česká».
- Von 1820 bis 1848 verfolgte die Litteratur eifrig auch nationale Tendenzen.
Eine neue Dichterschule entsteht, deren Schöpfer Joseph Jungmann neben dem accentuierenden Vers der alten Schule den quantitierenden
einführt und durch Übersetzungen klassischer Werke der franz., engl. und deutschen
Litteratur neue Vorbilder schafft. Als Motivquellen für die nationale Dichtung dienen einigermaßen die 1817 angeblich gefundenen
Poesien der Grüneberger und der Königinhofer Handschrift. Fleißig werden auch Volkslieder und Sagen gesammelt und Volksgebräuche
beschrieben.
Die nationale Bewegung wird allmählich zu einer allgemein-slawischen (panslawistischen);
deren Hauptvertreter sind: die Gelehrten
V. Hanka (1791-1861: Ausgaben altczech. Denkmäler, Übersetzung slaw. Volkslitteratur);
dessen «Geschichte der böhm. Litteratur»
(1825) ebenso grundlegend für die litterarhistor.
Forschung war, als sein größeres «Böhm. Wörterbuch» wichtig für die
Entwicklung der Schriftsprache wurde. An der Spitze der nationalen Dichterschule stehen Jan Kollár (1793-1852) mit seiner «Tochter
des Ruhms» («Slávy Dcera») und Franz Ladislav Čelakovský (1799-1852: Dichtungen im Geiste russ. und czech. Volkslieder, philosophisch-erotische
Gedichtsammlung «Die hundertblätterige Rose»). Von andern sind zu nennen die LyrikerJoseph Vl. Kamarýt, K. Vinařický,
Boleslav Jablonský; die Epiker Jan Hollý, J. E. ^[Jan Erazim] Vocel (Wocel), K. Jaromir Erben, der berühmte Sammler czech.
Volkslitteratur (1811-70); die Satiriker und Humoristen Langer, Nubeš, Koubek, vor allen aber der Publizist KarlHavličekBorovský (1821-50); die Dramatiker V. K. Klicpera, Turinský und Joseph Kajetan Tyl. Im Drama, dem auch
die vollständige Shakespeare-Übersetzung zum Aufschwunge verhalf, herrschen histor. Stoffe vor, ebenso im Roman, dem Walter
Scott als Vorbild dient. Hier sind zu nennen Jan J. ^[Jindřich] Marek (Jan z Hvězdy), der erste Novellist, Prokop Chocholoušek,
Joseph Kajetan Tyl. Das Volksleben behandeln V. Hlinka (Fr. Pravda), Ehrenberger und mit besonderm
Erfolg Božena Němcová (1820-62), deren «Babička» (Großmutter) vielfach
übersetzt ist. - In den Revolutionsjahren nach 1848 erlahmte die czech. Belletristik, um erst nach 1850 wieder aufzuleben.
Ein Umschwung findet statt. An Stelle der nationalen Schule, die in K. J. ^[Jaromir] Erben ihren letzten bedeutenden Vertreter
findet, tritt unter Byrons Einfluß eine neue kosmopolitische, die ihre
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unter Tsch oder Č aufzusuchen.]
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Vorbilder der europ. Weltlitteratur entnimmt und zwei Richtungen zeigt, eine weltschmerzlich-negative und eine positivere,
die sich außer der vaterländischen Geschichte auch dem Leben der untern Klassen zuwendet. Der erste Vertreter des Byronismus
gehört noch der Zeit vor 1848 an, es ist H. Mácha (1810-36), der mit seinem lyrisch-epischen Gedicht «Máj»
die erste Anregung gab, die aber zu der Zeit nur wenig Anklang fand. Der vielseitigste Vertreter nach 1850 ist V. Hálek (1835-74),
zugleich Lyriker, Balladendichter, volkstümlicher Novellist und Dramatiker. Er und der Humorist, Lyriker und Dramatiker Jan
Neruda (1834-91) haben sich die meisten Verdienste um das Zustandekommen und die Weiterentwicklung
dieser neuen Schule erworben, die vermöge ihres erweiterten GesichtskreisesdieCzechische Litteratur in die Reihe der Weltlitteraturen eingeführt
hat.
Außer Hálek und Neruda haben sich Heyduk, Pfleger, Georg Kolár, Jeřábek, Jahn, Vlček, Bozděch, Kapper, Schulz und die Damen
Eliška Krásnohorská und Karolina Světlá besonders hervorgethan. Ihnen folgt eine neue Schule von
Dichtern, deren Hauptvertreter Svatopluk Čech und Jaroslav Vrchlický wieder die beiden Strömungen, die nationale und die
kosmopolitische zum Ausdruck bringen. Čech und Vrchlický steht zur Seite eine neue von den modernen Zeitströmungen bewegte
Dichtergeneration.
Aus der stattlichen Reihe dieser jüngsten Schule, die sich teilweise zu Vrchlický als ihrem Meister
bekennt, teils eigene Bahnen schreitet, thun sich besonders Klásterský, Machar, Sova, K. von Čenkov, Šimáček und Svoboda
hervor. Jirásek, Třebízský, Kosmák, Šmilovský, Winter, Herites, Herman und die Frauen Podlipská und Stránecká stehen
ihnen in erster Reihe als Erzähler, Stroupežnický, Štolba, Šubert u. a. als Dramatiker
zur Seite.
In der wissenschaftlichen Litteratur sind alle Fächer
[* 35] bearbeitet. Das wichtigste ist das der slaw.
und böhm. Geschichte, vertreten durch Werke von Šafařík («Slaw. Altertümer», 1837 u. ö.),
Palacký («Geschichte von Böhmen»
[bis 1526], 1845-74, zum Teil in 2. und 3. Abdruck) und Tomek («Geschichte von Prag», Bd. 1, 1852; deutsch 1856; Bd.
8, 1891, bis 1478 reichend) sowie durch zahlreiche Arbeiten anderer (Gindely, Dudik, Joseph und Konstantin
Jireček, Kalousek, Rezek, Tieftrunk, Zoubek, Goll, Sedláček, Kolář, Smolik, Brandl, Emler, Bílek, Borový, BaronHelfert,
Winter, Pič). Grammatik und Litteraturgeschichte sind vertreten durch Gebauer, Bartoš, Hattala, Joseph Jireček, Zikmund,
Rybička, Nebeský, Jar.
Vlček, Bílý, Jos. undAnt. Truhlář, die klassische Philologie durch J. ^[Jan] Kvičala, J. ^[Jindřich]
Niederle, J. ^[Josef] Král u. a.;
die vergleichende Sprachforschung durch Zubatý.
Im Fache der juridischen Litteratur sind namentlich die Forschungen und Schriften über slaw. Recht von Palacký, Hermenegild
Jireček, Jaromir Čelakovský, Haněl und Brandl hervorzuheben;
andere Rechtsfächer bearbeiteten Randa,
Ott, Stupecký, Laurin, Pražák, Zucker,
[* 36] Heyrovský, Kaizl, Bráf u. a. Ferner sind anzuführen
auf dem Gebiete der PhilosophieLindner, Masaryk, Hostinský und Durdík;
auf dem Gebiete der Mathematik, Physik und Geographie:
Studnička, Em. und Ed. Weyr, Šolín, Tilscher, Koláček, Seydler, Zenger, Strouhal, Joh. Palacký und JosephErben;
in den
Naturwissenschaften J. ^[Jan Svatopluk] und K.Presl, Vojtěch Šafařík, Preis, Raýman, Brauner, Ladislav Čelakovský,
Krejčí, Fryč, Vrba, Vejdovský, J. ^[Jan Evangelista] Purkyně, Weiß, Eiselt, Schöbl,
Albert, Maixner, Hlava, Thomayer,
Spina, Reinsberg, Janovský, Chodounský u. a.;
in der Folkloristik Bartoš, Sobotka, Zíbrt u. a.;
in der Kunstgeschichte
Tyrš, Mocker, Baum, Chytil, Lehner, Konrád, Koula, Mádl u. a.;
in der Prähistorie Smolík, Wankl, Mašek,
Píč, Matějka u. a.
Vgl. neben den ältern Arbeiten von Dobrovský, Šafařík (Geschichte der slaw. Sprachen und Litteraturen, Ofen 1829; 2. Abdruck,
Prag 1869), Jungmann die czechisch geschriebenen Litteraturgeschichten von Sabina (ebd. 1863-66), Schembera (4. Aufl.,
Wien 1874), Tieftrunk (3. Aufl., Prag 1886), die litterarhistor.
Artikel im «Slovník Naučný» («Czech.
Encyklopädie», 11 Bde., ebd. 1859-74) und «Ottův
Slovník Naučný» (Bd. 1-5, ebd. 1888-92) sowie Pypin
und Spasovič, Istorija slavjanskich literatur (Geschichte der slaw. Litteraturen, 2. Aufl., Petersb. 1879-81; deutsch von
Pech, 1. u. 2. Bd. in 3 Abteil., Lpz. 1880-84).
Sprache. Die gehört zu der westl. Abteilung der slaw. Sprachen, sie hat daher innerhalb der slaw. Sprachfamilie
die nächste Verwandtschaft mit dem Polnischen und Lausitzisch-Wendischen. Das Sprachgebiet bildet ein langgestrecktes Viereck,
[* 37] dessen äußerste Spitzen westlich von Taus im Böhmerwalde, östlich von Ungvar (im Osten von Kaschau) in den Karpaten
sind; demnach enthält außer Böhmen und Mähren auch Ungarn einen bedeutenden Teil czech.
Sprachgebietes, und das ganze wird durch folgende Linie ungefähr umschrieben: Südgrenze: Taus, Krumau, Brünn,
[* 38] Preßburg,
[* 39] Ungvar; Nordgrenze: Ungvar, Troppau,
[* 40] Olmütz,
[* 41] Reichenberg;
[* 42] Westgrenze: Reichenberg, Melnik, Leitmeritz, Pilsen, Taus; die Ostgrenze
läuft in die Spitze bei Ungvar aus. Namentlich längs der Linie Krumau bis Olmütz ragen deutsches Sprachgebiet
und deutsche Sprachinseln tiefer in das Gebiet des Czechischen hinein. Innerhalb des Sprachgebietes unterscheidet man drei
Dialektgruppen:
1) die böhm. (eigentlich czech.) Dialekte, im Königreich Böhmen, ziemlich genau begrenzt durch die Landesgrenze zwischen
Böhmen und Mähren;
2) die mährischen, in Mähren;
3) die slowakischen, in Ungarn, doch ragt das Slowakische in dem Dreieck
[* 43] zwischen Drzewnitza, March und Kleinen Karpaten noch
nach Mähren hinein. Die heutige Litteratursprache der böhm. und mähr.
Czechen beruht auf dem Czechischen im engern Sinne, die Slowaken haben eine eigene Schriftsprache ausgebildet. Das Czechische
als eine alte Litteratursprache ist vielfach bearbeitet worden; die erste wirklich wissenschaftliche Bearbeitung
der Grammatik gab J. ^[Josef] Dobrovsky in seinem «Lehrgebäude der böhm.
Sprache» (Prag 1819); M. Hattala schrieb eine vergleichende Grammatik («Srovnávací mluvnice jazyka českého a slovenského»,
ebd. 1857),
J. ^[Jan] Gebauer eine Lautlehre («Hláskovsloví jazyka českého», ebd.
1877) und eine Grammatik («Mluvnice česká», 2 Tle., ebd. 1890). Schulgrammatiken und Lehrbücher zum
Erlernen des Czechischen für Deutsche sind sehr zahlreich; zu empfehlen ist: «Böhm. Schulgrammatik, für deutsche Mittelschulen
und Bildungsanstalten, bearbeitet von J. ^[Joseph] Masařik» (5. Aufl., Prag 1890). Eine großartige Leistung ist das czech.
Wörterbuch von Jungmann («Slovník česko-německý», 5 Bde.,
ebd. 1835-39),
das allen kleinern Wörterbüchern zu Grunde liegt; von den letztern sind viel gebraucht:
Schumawsky, «Böhm.-deutsches Wörterbuch» (ebd. 1851; 3. Aufl.,
ebd. 1874),
«Deutsch-böhm. Wörter-
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unter Tsch oder Č aufzusuchen.]
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buch" (2 Bde., ebd. 1844-46); J. ^[Josef] Rank, «Taschenwörterbuch
der böhm. und deutschen Sprache» (5. Aufl., ebd. 1887); ein neues großes Wörterbuch giebt Kott heraus (5
Bde., ebd. 1878-87; dazu bis 1892 zwei Nachtragsbände). Das
Slowakische behandeln: Hattala, «Mluvnica jazyka slovenského» (Pest 1864),
J. ^[Josef] Loos, «Wörterbuch der slowak., ungar.
und deutschen Sprache» (Pest 1871). Die czech. Dialektologie behandeln Šembera, «Základové dialektologie
československé» (Wien 1864) und Bartoš, «Dialektologie moravská» (Tl. 1, Brünn 1886).
Recht. Das Czechisches Recht, soweit es auf Grund der wenigen und überdies nicht immer zuverlässigen
Nachrichten der ältesten böhm. Chronisten (insbesondere Cosmas, gest. 1125, und seine Fortsetzer) in seiner ursprünglichen
Gestaltung konstruiert werden kann, zeigt den gleichen Charakter wie die Rechte der den Czechen stammverwandten Polen, Russen
und Serbo-Kroaten. Die eigentümlichen Formen einer Gentilverfassung von welcher sich bei allen slaw.
Völkerschaften Spuren vorfinden, und welche bei den Südslawen in den sog. Hauskommunionen bis auf die
Gegenwart sich erhalten haben, erscheinen auch im C. R. nicht bloß als Grundlagen des gesamten Privatrechts, sondern üben
einen merklichen Einfluß auch auf die Entwicklung des öffentlichen, insbesondere des Staatsrechts aus.
Das älteste Gesetz über die Erbfolge auf dem Herzogsstuhl von Böhmen, das Gesetz HerzogBřetislaws I.
von 1055, bestimmt in Übereinstimmung mit dem Grundprincip der gesamten czecho-slaw. Familienverfassung,
es habe von mehrern Mitgliedern der regierenden Familie der jeweilig Älteste den Thron
[* 46] zu besteigen. Dieses Princip des Seniorats,
welches auch bei den übrigen Slawen thatsächlich in Geltung stand, bisweilen auch grundgesetzlich ausgesprochen
wurde, erhielt sich in Böhmen bis ins 13. Jahrh. hinein (1216). Auf dem gleichen Princip war auch das Institut der Gesamtbürgschaft
aufgebaut. Indes lassen sich die einzelnen, der ältesten Periode der czech. Rechtsgeschichte angehörenden Rechtsinstitute
nur durch Vergleichung mit den über das älteste Rechtsleben der übrigen slaw.
Völker vorhandenen Quellen feststellen. (S. Slawisches Recht.)
Das älteste, speciell czech. Rechtsdenkmal bildet das in lat. Sprache geschriebene, mit vielen czech. technischen Ausdrücken
untermengte sog. StatutHerzog Konrad Ottos (1189-91). Dieses Statut (jus Conradi) gewährt ein Bild der czech. Gerichtsverfassung
und des Rechtsganges vor den sog. Gaugerichten (Cuden, s. d.).
Daneben trat für Streitigkeiten über geringfügigere Gegenstände eine Art Schiedsgericht (slubný sud) zusammen. Neben
prozessualischen enthält das Jus Conradi auch mehrere Bestimmungen über Privat-, namentlich Erb- und Familienrecht, sowie
auch über Strafrecht. So wie nun die Ottonischen Statuten auf bestehende Rechtsgewohnheiten ausdrücklich verweisen, setzen
auch die spätern Gesetze der böhm. Könige und die besonders im 14. Jahrh.
zahlreicher auftretenden Rechtsbücher (das sog. Rosenberger Rechtsbuch, der Ordo judicii terrae, Andreae a Duba Explanatio
juris terrae Boemiae, das erste und letzte in czech. Sprache geschrieben) das Vorhandensein eines ziemlich ausgebildeten Gewohnheitsrechts
voraus. Der böhm. hohe Adel hielt fest an diesem Charakter des Rechts und hinderte alle Versuche der böhm.
Könige
(Přemysl Ottokar II., Wenzel II. und KaiserKarl IV., dessen Entwurf eines Gesetzbuchs, die sog. Majestas Carolina, 1355 zurückgezogen
wurde), an Stelle schwankender Rechtsgewohnheiten ein festes Gesetz zu stellen.
Im 13. und 14. Jahrh. begann die Städtegründung und damit die
Einführung des deutschen Rechts, das sich bei den Kolonisten im Lande und dann auch bei der einheimischen Landbevölkerung
selbst verbreitete. Dadurch wurde das czecho-slaw. Recht, neben welchem ursprünglich das deutsche nur als Sonderrecht eines
Standes gelten sollte, thatsächlich allmählich selbst zu einem Ausnahmsrechte, und die Geltung desselben beschränkte
sich auf den Adelstand allein, der ihm aber nun eine um so größere Pflege angedeihen ließ. Es kamen
Darstellungen zu stande, die (wie das sog. Neunbücher-Recht Vict. von Vschehrds von 1499) ein klares Bild des gesamten czech.
Rechtssystems boten, teilweise auch (wie das sog. Tobitschauer Rechtsbuch von 1482 bis 1486) gesetzliche Autorität
hatte und den spätern Kodifikationen des Landrechts zu Grunde gelegt wurden.
Die älteste Kodifikation des czech. Landrechts erfolgte unter der Regierung König Wladislaws II. 1500, und es reihen sich
dieser sog. Landesordnung die Landesordnungen von 1530, 1549 und 1564 für Böhmen an, während in Mähren neben einer kurzen
Landesordnung von 1516 die Landesordnungen von 1535 (von den Ständen ohne königl. Bewilligung 1545 neu
gedruckt) und 1562 zu stande kamen. Diese Landesordnungen, welche in erster Reihe Bestimmungen über das Prozeßverfahren
vor dem Landrechte enthalten, überdies jedoch vielfach Fragen des Privat-, Straf- und des Staatsrechts feststellen, fußen
meistens auf Entscheidungen des Landgerichts, welche in der sog. Landtafel (s. d.)
verzeichnet wurden. Die Kodifizierung des Landrechts hinderte jedoch keineswegs die Beeinflussung desselben durch die Stadtrechte,
unter denen inzwischen das Stadtrecht von Prag immer mehr Ansehen erlangt und die Geltung namentlich des MagdeburgerRechts auf
ein stets engeres Gebiet beschränkt hatte.
Nach der Schlacht am Weißen Berge (1620) wurde dem böhm. und mähr. Adel in der sog. «verneverten» Landesordnung
Kaiser Ferdinands II. (für Böhmen von 1627, für Mähren von 1628, beide 10. Mai) das Recht der Mitwirkung bei der Gesetzgebung
ausdrücklich entzogen, das Gesetz als alleinige Quelle
[* 47] des Rechts erklärt und die Absicht des Kaisers direkt
ausgesprochen, das böhm. und mähr. Landrecht nicht nur mit dem Stadtrechte, sondern auch mit den in den übrigen österr.
Ländern in Geltung stehenden Rechten in Einklang zu bringen. Diese Landesordnung wurde durch königl. Novellen und Deklaratorien
erläutert und vervollständigt und durch dieselben der Rechtszustand des Landes dem in den übrigen österr.
Ländern bestehenden immer mehr genähert. Gleiches geschah auf dem Gebiete des Stadtrechts; das PragerStadtrecht, das 1579 von
P. K. Koldin zusammengestellt und von KaiserRudolf II. bestätigt und 1610 für ganz Böhmen als ausschließlich geltend erklärt
worden war, wurde durch kaiserl. Entschließungen von 1680 und 1697 für alle
Städte Mährens und Schlesiens, 1784 schließlich auch für den Bauernstand Mährens als ausschließlich geltendes Gesetzbuch
eingeführt.
Die österr. Gesetzbücher des 18. Jahrh. wurden sofort nach ihrer Bestätigung auch in den böhm. Län-
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unter Tsch oder Č aufzusuchen.]
¶
mehr
dern eingeführt, und der formellen Geltung des Czechisches Recht wurde in jeder Beziehung ein Ende gesetzt durch das nach Erlaß des Allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuchs vom ergangene Hofdekret vom worin im Anschlusse an §. 11 des erstern erklärt
wurde, daß keinem der in einzelnen Provinzen und Landesbezirken Österreichs früher geltenden Statuten
und besondern Rechte die kaiserl. Bestätigung erteilt würde, dieselben also ihre Gesetzeskraft vollständig verlieren sollten.
Indessen die materielle Wirksamkeit einzelner Grundsätze des Czechisches Recht, insoweit sich dieselben als eine
der Grundlagen der modernen österr. Gesetzgebung darstellen, kann nicht bezweifelt werden. - Quellenausgaben sind: Jireček,
«Codex juris bohemici» (bis jetzt 8 Tle., Prag 1867-83);
«Die Landtafel des Markgrafentums Mähren», hg. von Chlumecky, Chytil, Demuth und Wolfskron (ebd. 1854);
Emler,
«Reliquiae tabularum terrae regni Bohemiae» (2 Tle. in 9 Bdn., Prag 1870-77).
Litteratur. Jireček, Das Recht in Böhmen und Mähren (1 Bd. in 2 Abteil., Prag 1865-66);
ders., Slovanské
právo v Čechách a na Moravě (3 Bde., ebd. 1863-72);
Jičinský, Vývin českého právnictvi (ebd. 1865);
J. F. ^[JohannFerdinand] Schmidt von Bergenhold, Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und Gerichtsverfassung im Königreich Böhmen (ebd.
1866);
Ott, Beiträge zur Rezeptionsgeschichte des röm. kanonischen Prozesses in
den böhm. Ländern (Lpz. 1879);
Randa, Přehled vzniku a vývinu desk čili knih věřejných, hlavně v Čechách a na Moravě
(Prag 1870);
Hanel, Vliv práva něm. v Čechách i na Moravě (ebd. 1874) u. a. Eine große Anzahl von
Artikeln zur czech.
Rechtsgeschichte ist auch enthalten in den Zeitschriften: Právník (Prag seit 1861);
Casopis českého Museum (ebd. seit 1827); Časopis matice moravské (Brünn seit 1869).
Staatsbahnen,
[* 49] hat (1890) 27549 meist reformierte magyar.
E. (145 Deutsche), in Garnison die 5. Eskadron des 7. ungar. Husarenregiments «Wilhelm
II., Deutscher Kaiser und König von Preußen»,
[* 50] Bezirksgericht;
(spr. tsche-),Alexander, Entdeckungsreisender, geb. 1832 im Gouvernement Volhynien,
studierte in Kiew
[* 51] und Dorpat-Medizin und Mineralogie, wurde infolge seiner Beteiligung an dem poln. Aufstande von 1863 nach
Sibirien verbannt, erhielt aber 1868 die Erlaubnis, nach Irkutsk ziehen zu dürfen. Im Auftrag der sibir. Abteilung der kaiserl.
Geographischen Gesellschaft stellte er geolog. Untersuchungen im Gouvernement Irkutsk an, bereiste 1873 die
untere Tunguska und den Olenek, 1875 die Olenekmündung und die Lena, zum Teil mit Ferd. Müller, und kehrte nach seiner Begnadigung 1876 nach
Petersburg zurück, wo er sich das Leben nahm. Die Resultate seiner Forschungen legte er in den Schriften der Petersburger
Geogr. Gesellschaft sowie in Petermanns «Mittheilungen»
(1874 fg.) nieder. -
Staatsbahnen, hat (1890) 2321 E. (etwa 1700 Polen), darunter 396 Evangelische
und 153 Israeliten, Post, Telegraph,
[* 52] eine kath. und eine evang. Pfarrkirche, ein Schloß mit Kapelle und schönem Park, städtisches
Hospital mit Krankenhaus;
[* 53]
Ackerbau, Viehzucht,
[* 54] Windmühlen, Getreide-, Mehl- und Viehhandel.
1) Kreis im südwestl. Teil des russ.-poln. Gouvernements Petrikau, an der preuß.-schles.
Grenze, hat 1924,4 qkm, 126731 E., 134 Fabriken (1,6 Mill. Rubel Produktion), darunter 13 Eisenbergwerke. - 2) Kreisstadt
im Kreis Czenstochau, links an der Warta und an der Linie Warschau-Granica der Warschau-Wiener Eisenbahn, zerfällt in Alt- und Neu-Czenstochau,
ist Sitz der Kommandos der 2. Brigade der 14. Kavalleriedivision, der 2. Scharfschützenbrigade und der Czenstochauer Brigade
der Grenzwache, und hat (1885) 21167 E. (ein Drittel Israeliten), in Garnison das 42. Dragonerregiment
Mitau
[* 55] des Prinzen Albrecht von Preußen und das 7. und 8. Scharfschützenbataillon; 3 kath., 1 russ.
Kirche, Synagoge, Gymnasium, Denkmäler des Abtes Kordecki (errichtet 1859) und KaiserAlexanders II. (errichtet
1889), Filiale der Russischen Reichsbank; 23 Fabriken (3 Mill. Rubel Produktion), darunter 3 Baumwoll-, 1 Tuch-, 3 Papierfabriken,
Müllerei, Gerberei, Brauereien, lithogr. Anstalten und Buchdruckerei, die religiöse Schriften und Heiligenbilder herstellen,
und Handel mit Amuletten. - Czenstochau ist berühmt durch sein kath. Kloster vom Orden
[* 56] des heil. Paulus des Eremiten,
das (1890) von 388927 Wallfahrern, darunter 1715 aus Preußen, 983 aus Österreich-Ungarn
[* 57] besucht wurde.
Das Kloster erhebt sich auf einer die Gegend beherrschenden Anhöhe an der Warta, der Jasna Góra, unfern der schles. Grenze.
In der reich dotierten Klosterkirche befindet sich das berühmte, auf Cypressenholz gemalte, mit goldenen
Kronen
[* 58] versehene und mit vielen Edelsteinen gezierte schwarzbraune Marienbild, das zur Verehrung der Schwarzen Madonna bei dem
ganzen poln. und russ. Volke Veranlassung gegeben hat. Es ist wahrscheinlich byzant. Ursprungs. Nach der Sage ist es von Lukas
selbst gemalt, im Besitz der heil. Helena gewesen, dann durch den russinischen Fürsten Leo nach Belz in
Galizien gekommen und endlich 1382 von dem Herzog von Oppeln,
[* 59] Wladislaw, der das Kloster zu Czenstochau gründete, hierher gebracht
worden, um es vor den Tataren zu schützen.
Früher befestigt, leistete das Kloster 1665 dem Heere des schwed. Königs Karl Gustav, der bereits ganz
Polen in seiner Gewalt hatte, Widerstand und hielt mit 70 Mönchen und 150 SoldatenBesatzung unter Anführung des Abtes Kordecki
gegen 10000 Schweden
[* 60] und einen Teil des mit diesen vereinigten poln. Heers eine 38tägige Belagerung aus. Später verlor Czenstochau seine
militär. Wichtigkeit; KaiserAlexander I. ließ, nachdem es 1813 an Rußland gefallen, die Festungswerke
abtragen.
(spr. tsche-),Daniel von, Dichter, geb. zu Koschwitz bei Liegnitz,
[* 61] praktizierte am Kammergericht
zu Speyer,
[* 62] lebte seit 1629 mit Unterbrechungen in Schweidnitz
[* 63] und starb als Re-
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unter Tsch oder Č aufzusuchen.]
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