fortan die Regel, nur daß die Könige, wie es Chlothar II. zuerst 622 mit seinem
Sohne Dagobert I. that, schon bei Lebzeiten öfters
den ältesten
SöhnenAustrasien zuwiesen. Er starb 628.
Chlothar III., Sohn Chlodwigs II., König des gesamten Frankenreichs, trat 660
Austrasien seinem
BruderChilderich II. ab und starb 670. -
Vgl. Dahn, Deutsche
[* 2] Geschichte, 1. Bd., 2. Hälfte (Gotha
[* 3] 1888).
Dorf in der österr. Bezirkshauptmannschaft und dem Gerichtsbezirk Königgrätz
[* 4] in
Böhmen,
[* 5] nahe bei Königgrätz
am Abhange einer einzelnen steil aufragenden Bergkuppe (336 m) gelegen, hat (1890) 283, als Gemeinde 439 E. Chlum wurde
in der
Schlacht bei Königgrätz (s. d.) Schlüsselpunkt
der österr.
Stellung. Als der Kronprinz von
Preußen
[* 6] mit der
ZweitenArmee in der rechten Flanke der
Österreicher erschien,
griff die
Vorhut der preuß. 1. Gardedivision unter
General Hiller von Gärtringen Chlum an, nahm es im ersten
Anlaufe und behauptete
es erfolgreich gegen mehrere mit großer Übermacht von
Benedek ausgeführte Sturmangriffe so lange, bis
genügende Verstärkungen vom Gardekorps und 1.
Armeekorps eintrafen. Damit war die
Schlacht siegreich entschieden. Hiller
von Gärtringen fiel.
(spr.-etzki), Joh.,
Freiherr von, österr. Staatsmann, geb. in
Zara
[* 7] in
Dalmatien, studierte in
Wien
[* 8] und wurde
Staatsanwalt-SubstitutinBrünn.
[* 9] 1865 vom mähr. Großgrundbesitz in den mähr. Landtag
gewählt, schloß er sich der verfassungstreuen Centrumspartei an, trat 1867 aus dem
Staatsdienst und wurde in den Landesausschuß
von Mähren gewählt. Als erster Statthaltereirat wurde Chlumecky 1868 wieder in den
Staatsdienst berufen, den er unter
Potockis Regierung
abermals verließ, und hierauf vom mähr. Landtag in den Reichsrat entsandt,
wo er mit Lasser die
Führung der gemäßigten (Großgrundbesitzer-)Gruppo der Linken übernahm.
Bei der
Bildung des
KabinettsAuersperg erhielt Chlumecky Nov. 1871 die Leitung des Ackerbauministeriums, und nach dem Rücktritt des
Dr.
Banhans Mai 1875 die des Handelsministeriums. In letzterer
Stellung brachte er nach dem Scheitern der
Zollvertragsverhandlungen mit
Deutschland
[* 10] 1878 den autonomen Zolltarif zu stande und schloß auf dieser Grundlage einen Zollvertrag
mit
Italien
[* 11] ab. Infolge der für die Verfassungspartei ungünstigen
Wahlen trat Chlumecky im Aug. 1879 zurück und wurde Okt. 1880 in
das Abgeordnetenhaus gewählt, wo er als Vorstandsmitglied des Klubs der vereinigten Linken einer der
maßgebenden Führer derselben war. 1885 wurde er zum zweiten, 1888 zum ersten Vicepräsidenten, 1893 zum Präsidenten des
Abgeordnetenhauses, seit 1887 auch wiederholt in der österr. Delegation zum Vorsitzenden gewählt. 1889 wurde er in den
Freiherrenstand erhoben.
1) Chlumetz, czech. Chlumec nad Cidlinou, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft
Neubydžow in
Böhmen, in 216 m Höhe, an der Cidlina und an den Zweiglinien Großwosek-Parschnitz und
Chlumetz-Geiersberg-Mittelwalde
(120 km) der Österr. Nordwestbahn, hat (1890) 3817 czech. E. (85 Deutsche), in Garnison (142 Mann) eine Eskadron des 8. böhm.
Dragonerregiments
«Graf von Montecuccoli»,
Bezirksgericht (259 qkm, 44 Gemeinden, 23111 czech. E.), Post,
Telegraph,
[* 12] ein Monument des hier geborenen czech. Dramatikers Klicpera (1792-1859), das 1721-23 erbaute Schloß Karlskrone
der
GrafenKinsky mit Fideikommißherrschaft (14,847 qkm),
Tiergarten mit
Fasanerie;
Brauerei, Dampfbrettsäge, Maschinenfabrik,
Spiritusbrennerei, Dampfmühle und Zuckerfabrik. - 2) Chlumetz, auch
Chlum genannt, Dorf in der österr.
Joseph, deutscher Geschichtsforscher, geb. zu
Olmütz,
[* 15] trat in seinem 18. Jahre in das Chorherrenstift
St. Florian und wurde 1826 Stiftsbibliothekar. Auf Stiftskosten hielt sich Chmel 1830-33 in
Wien auf, wo er an derk. k.
Hofbibliothek und im
Geh. Haus-,
Hof- und Staatsarchiv die
Quellen zu einer «Geschichte
KaiserFriedrichs IV.» (2 Bde., Hamb.
1840-43) und dann überhaupt zur Geschichte
Österreichs im Mittelalter sammelte und damit die urkundliche Forschung wesentlich
förderte. 1834 ward Chmel zweiter
Archivar daselbst, 1840 zum ersten
Archivar, und 1846 zum Vicedirektor
des
Archivs und zum Regierungsrat ernannt. Er starb zu
Wien.
Unter seinen
Schriften sind hervorzuheben: «Die Handschriften der
k. k. Hofbibliothek zu
Wien» (2 Bde.,
Wien 1840-41),
«Materialien
zur österr. Geschichte» (Bd. 1
u. 2, in 5
Tln., ebd. 1832-40),
«Regesta chronologico-diplomatica Ruperti, regis Romanorum»
(Frankf. 1834),
«Regesta chronologico-diplomatica Friderici III., Romanorum
imperatoris» (2
Tle.,
Wien 1838-40),
«Urkunden,
Briefe und Aktenstücke zur Geschichte Maximilians I.» (Stuttg., Litterar.
Verein 1845) und «Aktenstücke
und
Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg') (3 Bde.,
Wien 1854-58). Die »Aktenstücke zur Geschichte Kroatiens und
Slawoniens
in den J. 1526 und 1527" (ebd. 1846) und «Herbersteins Gesandtschaftsreise
nach
Spanien
[* 16] 1519» (ebd. 1846) bilden zugleich den 1. und 2.
Band des
[* 17] «habsburgischen
Archivs». -
Vgl. den
Almanach der k.
Akademie
der Wissenschaften (ebd. 1851).
poln.
Chmielnicki, Bogdan, der
Urheber des Kosakenaufstandes gegen
Polen, geb. 1593 in der
Ukraine als Sohn eines poln. Edelmanns, zeichnete sich früh durch
Mut und Tapferkeit unter den Kosaken so aus, daß diese
ihn nach ihrer
Niederlage bei Kumejki 1638 an den poln. König Wladislaw IV. mit der Erklärung sandten,
daß sie sich der Herrschaft der
Polen von neuem unterwürfen. Aber persönlich durch die Gewaltthätigkeit
eines poln.
Starosten gereizt, und um seinem Ehrgeiz zu genügen, wiegelte er das ganze den
Polen unterworfene Kosakenland
auf; es gelang ihm ein großes
Heer zusammenzubringen, mit dem er die
Polen in den
Schlachten
[* 18] bei Korsun, wo er den poln. Hetman
Potocki selbst gefangen nahm, und bei Pilawce besiegte; darauf verheerte er mit seinen Scharen
Volhynien,
Podolien und Rotrußland und drang bis Lemberg
[* 19] und Zamosc vor. Nach Wladislaws IV.
Tode (1648) bot der König
Johann Kasimir,
an allem
Widerstande gegen Chmelnizkij verzwei-
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
felnd, diesem selbst die Würde eines Hetmans der Kosaken unter poln. Oberhoheit an; doch erlangten
die Kosaken in den Unterhandlungen die ersehnten Freiheiten nicht, und es kam zu neuen Kämpfen. Als endlich das Kosakenheer
bei Beresteczko von den Polen besiegt wurde, unterwarf sich 1654 Chmelnizkij mit seinen Kosaken dem russ.
ZarenAlexej Michailowitsch. Hieraus entspann sich ein Krieg zwischen den Russen und Polen, der mit dem Frieden zu Andrussowo (s. d.)
schloß. Chmelnizkij starb 1873 wurde Chmelnizkij, dem «Befreier
Südrußlands», eine Reiterstatue in Kiew
[* 21] errichtet.
Sein Sohn, Georg Chmelnizkij, wurde 1660 auf Betreiben Rußlands von einigen Kosakenstämmen zum Hetman gewählt
gegen den Hetman Wychowski, der im Vertrage zu Hadziacz die Kosaken wieder mit dem Mutterlande vereinigt hatte. Aber auch
Chmelnizkij suchte die noch Abtrünnigen wieder dem Mutterlande zuzuführen, geriet nun mit den Russen in Streit, wurde bei Kaniew 1662 besiegt,
setzte trotzdem den aussichtslosen Kampf fort und fand in demselben seinen Tod.
Nikolai Iwanowitsch, russ. Dramatiker, geb. 22. (11.) Aug. 1789,
war 1829 Civilgouverneur von Smolensk, 1837 von Archangel, nahm 1838 seinen Abschied und starb 20. (8.) Sept. 1845 in Petersburg.
[* 22]
Von seinen Werken, meist Lustspielen, sind die bedeutendern: «Der Schwätzer», «Luftschlösser», «Der
Unschlüssige», «Die Quarantäne», «Die Schauspieler unter sich», «Der
russ. Faust», ferner das histor.
Peter, poln. Litterarhistoriker und Kritiker, geb.
1848, promovierte in Leipzig,
[* 23] ließ sich in Warschau
[* 24] nieder, wo er Redacteur der Monatsrevue «Ateneum»
ist, der angesehenste Darsteller poln. Litteraturgeschichte des 19. Jahrh.
Die wichtigern seiner Werke sind: «Die Frauengestalten des Mickiewicz, Słowacki und Krasiński» (3. Aufl.,
Krakau
[* 25] 1886),
«Die poln. Schriftstellerinnen des 19. Jahrh.»
(Warschau 1885),
«Adam Mickiewicz» (2 Bde., Krakau 1886; Hauptwerk
über den Dichter),
«Studien und Skizzen aus der Geschichte der poln. Litteratur» (2 Bde.,
ebd. 1886),
1) Stadt im Kreis
[* 26] Litin des russ. Gouvernements Podolien, 183 km nordwestlich von Kamenez-Podolsk,
auf einer von drei Armen des Bug gebildeten Insel, in einer an kleinen Seen reichen fruchtbaren Ebene, hat (1885) 12228 E., 5 Kirchen, 1 israel.
Bethaus, Ackerbau und Schuhmacherei. - 2) Stadt im Kreis Stopniza des russ.-poln. Gouvernements Kjelzy, an den Quellen
der zur Weichsel gehenden Wschodnia, hat (1890) 7349 E. (viele Israeliten), Post, 2 kath. Kirchen, 1 Synagoge, 6 Gerbereien, 1 Fabrik
landwirtschaftlicher Maschinen, Brauerei undHandel.
[* 29] altägypt. Gott, von den Griechen Chnumis, Chnubis, Knuphis genannt. Er war der Schutzgott der Kataraktengegend
und wurde hauptsächlich in Elephantine verehrt.
Auf den Denkmälern wird er widderköpfig dargestellt.
Die Theologie der spätern Zeit setzt Chnum dem Ammon
[* 30] (s. d.) gleich.
(grch.), Choanae narium, die beiden hintern, durch das Pflugscharbein voneinander
getrennten Öffnungen der Nasengänge, durch welche die Nasenhöhle mit der Rachenhöhle in offener Verbindung
steht. Durch die Choanen kann herabfließender Nasenschleim ungehindert in den Rachen gelangen und von hier vermittelst Räusperns
durch die Mundhöhle
[* 31] nach außen entfernt werden, wohingegen beim Schlucken der Zugang zu den Choanen durch Anlegen des Gaumensegels
an die hintere Rachenwand abgesperrt und so der Übertritt des Bissens in die Nasenhöhle verhindert wird.
Bei heftigem Nasenbluten ist man gezwungen, die beiden Choanen wie die vordern Nasenöffnungen mit Wattetampons zu verschließen
(Tamponade der Nasenhöhle), um das Aufhören der Blutung herbeizuführen.
(spr. -witsch), Jan Karol, poln. Feldherr, geb.
1560, stammte aus einem angesehenen Geschlecht in Litauen; sein Vater war Kastellan von Wilna
[* 35] und Gouverneur
von Livland.
[* 36] Chodkjewicz besuchte die Jesuitenakademie zu Wilna, bereiste dann fast ganz Westeuropa und kämpfte im
span. Heere gegen Holland. Nach seiner Rückkehr nahm er uNter der Anführung Zamojskis und Zolkjewskis an den Feldzügen nach
der Walachei und gegen die aufrührerischen Kosaken teil. Zamojski überließ ihm 1602 den Oberbefehl
über das poln. Heer in Livland und die Fortsetzung des Krieges gegen die Schweden.
[* 37] Chodkjewicz siegte bei Dorpat
[* 38] und Weißenstein, wofür
er Großhetman von Litauen wurde, und schlug 1605 mit geringer Mannschaft den König Karl IX. bei Kirchholm. Doch hinderte
ihn der traurige Zustand Polens, den Sieg zu benutzen. Als das Heer, dem der rückständige Sold nicht bezahlt
wurde, ihn verließ, setzte er aus eigenen Mitteln eine Zeit lang
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
den Krieg fort. Nachdem er mit den Schweden 1611 einen Waffenstillstand geschlossen, ward er von Sigismund III. zur Fortsetzung
des Krieges mit Rußland berufen, den die Polen zur Unterstützung des falschen Demetrius begonnen hatten und der für sie,
obgleich sie Moskau
[* 40] besetzt hielten, eine üble Wendung zu nehmen begann. Vergebens suchte Chodkjewicz die Mannszucht
herzustellen; er mußte Moskau verlassen und zog in Rußland umher, bis er nach vielen Mühseligkeiten 1618 im Vertrage von
Dywilin freien Rückzug nach Polen erlangte. Darauf übernahm Chodkjewicz den Oberbefehl gegen die Türken, starb aber mitten unter
unglücklichen Kämpfen 1621 bei Chotin. Sein Leben hat Naruszewicz beschrieben (neue Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1837).
(spr. -wjetzki),DanielNikolaus, Maler und Kupferstecher, geb. zu Danzig,
[* 41] kam nach dem Tode des
Vaters (1740) als Lehrling in eine Spezereihandlung seiner Vaterstadt, 1743 in das Geschäft seines Oheims Ayrer nach Berlin,
[* 42] in welchem er auch nach Vollendung seiner Lehrzeit bis 1754 verblieb. Seine freie Zeit benutzte Chodowiecki zum
Zeichnen nach der Natur oder zum Kopieren von Kupferstichen. Nachdem er die Handlung verlassen, fing er an, selbständig zu
arbeiten, übte sich im Malen und fertigte namentlich Miniaturbilder für Dosen. In Rodes Akademie vervollkommnete er sich
im Naturzeichnen und in der Ölmalerei, bis er 1757 seine ersten Versuche im Radieren machte. Chodowiecki zeichnete und stach zunächst
[* 39]
Figuren aus dem Volksleben (den Würfelspieler, Bettelbuben, Soldatenweiber, russ.
Gefangene u. s. w.), sowie einzelne Blätter zur Zeitgeschichte (z. B. die ApotheoseFriedrichs II.), welche die Aufmerksamkeit
des preuß. Königs erregten. In diese Zeit fällt auch der Abschied des JeanCalas von seiner Familie,
ein Ölbild, das er 1767 in der Größe des Originals zweimal in Kupfer
[* 43] stach und mit welchem er seinen Ruf begründete. Die
Akademie der Künste wählte ihn 1797 zum Direktor. Er starb
Chodowiecki war bis zu seinem Tode unermüdlich thätig. Er lieferte u. a. Illustrationen, Titelkupfer und Vignetten
zu dem Berliner
[* 44] und dem Göttinger Genealogischen Kalender, zu «Lessings Minna von Barnhelm» (1763),
zu Werken Stolbergs, Bürgers,
Gellerts, Claudius’, Geßners, Matthisons, Höltys, Blumauers, Nicolais, Klopstocks, Goethes (s. Tafel: Deutsche Kunst VIII,
[* 39]
Fig.
5) und Schillers; zu Basedows «Elementarwerk», Salzmanns «Elementarbuch»,
Lavaters «Physiognomischen Fragmenten». Im ganzen hat der Künstler den
Stich zu 2075 Darstellungen auf 978 Platten besorgt. Außerdem lieferte er 2000 Zeichnungen, die zum Teil von andern geätzt
sind. Berühmt ist für solche die Hebichsche Sammlung in Hamburg.
[* 45] Die köstlichsten seiner Handzeichnungen (in der Kunstakademie
zu Berlin) schildern in 100 Blättern seine Reise von Berlin nach Danzig 1773 (Berl. 1883 in Lichtdruck veröffentlicht).
Außerdem erschienen: Daniel Chodowiecki, Auswahl (136) aus des Künstlers schönsten Kupferstichen (in Lichtdruck, 2. Aufl.,
Berl. 1884) und Aus DanielC.s Künstlermappe. 98 Faksimiledrucke nach Handzeichnungen im Privatbesitze (aus der Hebichschen
Sammlung; ebd. 1885).
Viele seiner Radierungen enthalten sog. Einfälle, kleine geistvolle, in
den Plattenrand als flüchtige Gedanken leicht radierte
[* 39]
Figuren, die der Künstler nach wenigen Abdrücken ausschleifen ließ.
Chodowiecki wußte auf einem kleinen Raume seinen charakteristischen
und geistvollen
[* 39]
Figuren
eine solche psychol. Wahrheit zu geben, daß er als ein in seiner Art unübertroffener Sitten- und Seelenmaler
zu bezeichnen ist. Sein Können ist indes auf ein kleines Format beschränkt; auch idealen Darstellungen war er nicht gewachsen.
Von seinen minderwertigen Ölbildern sind noch zu nennen: Das Blindekuhspiel und Der Hahnenschlag, im Berliner, und Der Ruheplatz
im Tiergarten, im Leipziger Museum. Eine vollständige Sammlung seiner Blätter mit allen Seltenheiten und
in allen Abdrücken besitzen die Erben des Buchhändlers Dr. W. Engelmann in Leipzig, der auch ein erschöpfendes Verzeichnis
(«C.s sämtliche Kupferstiche», Lpz. 1857; Nachtrag 1860) herausgegeben hat. Seine
Werke sind für die Kulturgeschichte des 18. Jahrh. von größter Wichtigkeit.
Vgl. Ferd. Meyer, Daniel Chodowiecki, der Peintre-Graveur
(Berl. 1888). -
Gottfried Chodowiecki, sein jüngerer Bruder, geb. gest. 1781, radierte teils nach eigener,
teils nach des Bruders Erfindung und malte vorzügliche Jagdstücke und kleinere Landschaften. - Wilhelm Chodowiecki, der Sohn
von Daniel Chodowiecki, geb. 1765, gest. arbeitete
als Kupferstecher in Berlin in des VatersManier.
1) Kreis im nordöstl. Teil des Gebietes Samarkand im russ.-centralasiat. Generalgouvernement Turkestan, hat 22802,6 qkm, 246700
E., meist Tadschik und Usbeken, Ackerbau, Viehzucht
[* 46] und Baumwollbau. Der Seidenbau ist im Verfall. - 2) Kreisstadt im Kreis Chodschent, 150 km
südlich von Taschkent, an der Straße nach Samarkand und Buchara, in 254 m Höhe, unweit des Einflusses
des Chodscha-Bakargan in den Syr-darja, hat (1885) 34800 E., 1 russ. Kirche, 202 Moscheen, 24 Medresse, 40 Schulen, 5 Karawanseraien;
Seidenweberei und -Färberei, Stickerei, Anfertigung baumwollener Stoffe, Baumwoll-, Obst-, Wein- und Gartenbau. Nach Rußland
werden von hier Baumwolle,
[* 47] Leder, Rosinen und andere Früchte ausgeführt. Chodschent wurde 1866 von den Russen
erobert.
Alexander, poln. Gelehrter und Schriftsteller, geb. in
Krzywicze, studierte in Wilna, trat dann in das OrientalischeInstitut des Ministeriums des Auswärtigen in Petersburg und gab
dort 1829 einen Band «Poezye» heraus (neue Ausg., Posen 1833), in welchem auch Übersetzungen arab. und pers. Gedichte enthalten
sind. Er war 1829-41 russ. Konsul in Rescht am KaspischenMeere, ging dann nach Paris
[* 50] und wurde daselbst 1857 als Mickiewicz’
Nachfolger Professor der slaw. Litteratur am Collège de France. Er bekleidete diese Stelle bis 1884 und
starb in Juvisy. Chodzko schrieb «Le
[* 51] Ghilan ou les marais caspiens»
(Par. 1839),
«Grammaire paléoslave suivie de textes paléoslaves» (ebd. 1869),
«Légendes slaves du moyen âge 1169-1237» (ebd. 1859),
«Théâtre persan, choix de téaziés ou drames»
(ebd. 1878),
«Les chants historiques de l’Ukraine et les chansons de Latyches des bords de
la Dvina occidentale etc.» (ebd. 1879). Er veröffentlichte außerdem kurd. Studien (1857) und ein engl.-poln. Wörterbuch
(ebd. 1874).
Ignacy, poln. Schriftsteller, Vetter des vorigen, geb. auf
einem Gute bei Wilna, studierte 1811 in Wilna, übernahm dann sein väterliches Gut und starb In
einer
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
Reihe von Erzählungen schildert er in lebensvoller, anschaulicher Weise den litauischen Adel des 18. Jahrh. Dahin gehören:
«Litauische Bilder» (13 Bde., Wilna 1840-62),
«Litauische Traditionen» (4 Serien, ebd. 1852-58). Ins Deutsche überseht wurden:
«Die Aprikose» (von Chodzko von Wurzbach in Herlossohns «Komet», Lpz. 1843),
«Die große Redoute
[* 53] und der Türke»
und «Das Ehrenfräulein» in Woykes «Sitten- und Charakterbilder aus Polen und Litauen» (Berl. 1861), wo sich auch eine biogr.
Notiz über den Dichter findet.
Leonard Jakob, poln. Geschichtschreiber, geb. in Oborek in der
Woiwodschaft Wilna, war auf der Universität zu Wilna Lelewels Schüler, begleitete 1819 den Fürsten Michael
Oginski auf dessen Reisen, blieb darauf in Paris und nahm 1830 an der Julirevolution regen Anteil, weshalb ihn Lafayette zu
seinem Adjutanten ernannte. Nach dem Ausbruch der poln. Revolution ward er Bevollmächtigter der poln. Nationalregierung und
trat dann in das Komitee der Emigrierten. Er starb in Poitiers. Chodzko veröffentlichte: «Observations
sur la Pologne et les Polonais, pour servir d’introduction aux mémoires de Michel Oginski» (Par. 1827),
«Histoire des légions
polonaises en Italie» (2. Aufl., 2 Tle., ebd. 1829),
oder Kannentag, der zweite Tag des athenischen Festes der Anthesterien, der fröhlichem
Genusse geweiht war. Man glaubte, daß um diese Zeit das Kind der Demeter
[* 54] aus der Unterwelt in das Reich des Lichtes zurückkehre
und sich mit seiner Mutter und Dionysos
[* 55] vereinige. Solche Gedanken fanden geheimnisvollen Ausdruck in einer hochheiligen Ceremonie,
welche von Staats wegen in dem nur an diesem Tage geöffneten Heiligtum zu Limnä durch die Basilissa,
die Gattin des ArchonBasileus, und vierzehn edle Frauen, die sog. Gerarai, d. h.
Ehrwürdige, begangen wurde. Die Basilissa, welche dem Dionysos als Gattin vermählt wurde, betrat allein das Innerste des
Tempels.
Stadt in der pers. ProvinzAserbeidschan, am Kotur und an der Karawanenstraße nach Erzerum,
in 1188 m Höhe, in fruchtbarer Lage, Hauptort des pers. Armeniens, zählt 20-30000 E.
(spr. schŏăsöll), eine der größern unter den deutschen Salomoninseln in der
Südsee, im N. von der InselBougainville durch die Bougainvillestraße geschieden, etwa 5850 qkm groß, steil, gebirgig, ist
fast noch unbekannt.
(spr. schŏăsöll angbŏahs’), Etienne François, Herzog von, franz. Staatsmann, geb. 1719, focht
als Graf von Stainville im Österreichischen Erbfolgekriege, stieg zum Oberst und Generallieutenant auf,
gewann durch Heirat ein gewaltiges Vermögen und kam durch seine Verbindungen mit der Marquise von Pompadour in diplomat. Thätigkeit
rasch empor.
1756 wurde er an den röm. Hof
[* 57] als Gesandter geschickt; schon nach wenigen Monaten löste er in Wien den AbbéBernis, der das Ministerium des Auswärtigen übernahm, ab und folgte diesem im Nov. 1758 auch als Minister.
Die kriegerischen Unternehmungen Frankreichs gegen Preußen und England, die Choiseul-Amboise von Bernis und der Pompadour übernahm, endigten
allen militär. und diplomat. Anstrengungen C.s zum Trotz für Frankreich unglücklich. Vergebens war es, daß er 1761 das
Ministerium des Krieges selbst übernahm, den Bund mit Osterreich fester knüpfte und Spanien und Italien im Bourbonischen Hausvertrag
(s. d.) an die franz. Politik fesselte. Es blieb
ihm nur übrig, die Wunden, die der Kampf dem Staate geschlagen, zu heilen.
Hierin entwickelte er seit dem Pariser Frieden (1763) eine vielseitige und rege Thätigkeit. Begabt, glänzend,
gedankenreich, aber weder tief noch stetig, hat der geschickte Hofmann und Verwalter eine Anzahl von Zeitideen wenigstens
in die Oberfläche des franz. Staatslebens eingeführt. Es gelang ihm, die Flotte neu zu
schaffen, Handel und Industrie emporzubringen. Domingo, Martinique, Guadeloupe wurden unter seiner Regierung für
das Mutterland von ungeahnter Bedeutung. Er legte Militärschulen an, bildete das Artillerie- undGeniewesen mit Hilfe sachkundigster
Berater aus und reformierte die Armee nach den Grundsätzen Friedrichs II. im Sinne der Einheit, der Erhebung aus einer Privatunternehmung
zum vollen Staatsinstitut.
Dabei unterließ er nicht, den so gestärkten Einfluß Frankreichs in der europ. Politik aufrecht zu erhalten.
So unterstützte er die poln. Konföderation, verwickelte Rußland in den Krieg mit der Pforte und erwarb Corsica.
[* 58] der franz.
Krone trotz Englands Eifersucht. Choiseul-Amboise wandte, im Geiste der Physiokraten, dem Ackerbau und Getreidehandel zuerst wieder eifrige
Sorge zu;
in seiner Behandlung der Städte zeigt sich ein gleichmachender und liberaler Zug;
mit dem Parlament
kam er trotz mancher finanziellen Reibungen besser aus als irgend ein Minister seiner Zeit;
ihn verband mit jenem die gleiche
antiklerikale Gesinnung.
Dem Parlament nachfolgend hob Choiseul-Amboise, allmählich fortschreitend, die Jesuiten 1764 für Frankreich auf;
die Gemeinschaft der bourbonischen Höfe dehnte diese Maßregel über Spanien und die befreundeten Länder
bis nach Rom selbst aus: der franz. Gesandte Bernis verpflichtete den neuen Papst Clemens XIV. im voraus zu Handlungen gegen
die Jesuiten. Eben an diese kirchliche Politik knüpfte die franz. Opposition wider Choiseul-Amboise an;
als die Gräfin Dubarry mit seinen Gegnern, dem Herzog von Aiguillon, Abbé Terray und dem Kanzler Maupeou,
sich verbündet hatte, ward er gestürzt. Eine Bewegung der auswärtigen Politik half jener Gruppe; Choiseul-Amboise dankte 1770 ab und
lebte auf seinem Landsitz Chanteloup, um so mehr von Popularität umgeben, je verhaßter seine Gegner im Ministerium wurden.
Ludwig XVI. rief ihn 1774 nach seiner Thronbesteigung wieder an den Hof, ohne ihm jedoch ein Ministerium
zu geben. Choiseul-Amboise starb -
Vgl. K. von Schlözer, Choiseul-Amboise und seine Zeit (Berl. 1848);
Filon, L’Ambassade de à Vienne 1757 et 1758 (Par.
1872);
Jobez, La France sous Louis XV, Bd. 5 u. 6 (ebd. 1869-73);
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
1752, reiste 1776 nach Griechenland
[* 60] und legte die Ergebnisse der Reise in der «Voyage pittoresque de le Grèce» (1782; neue
Ausg. von Müller und Hase,
[* 61] 4 Bde., Par. 1841)
nieder, die ihm 1784 die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften verschaffte. Später zum franz. Gesandten in Konstantinopel
[* 62] ernannt, betrachtete er sich auch nach dem Sturze der Bourbons als deren Vertreter und schickte seine Noten
an die in Deutschland lebenden BrüderLudwigs XVI. Die republikanische Armee am Rhein fing diese Korrespondenz auf, und der
Konvent beschloß im Okt. 1792, ihn in Konstantinopel verhaften und nach Frankreich abführen zu lassen. Choiseul-Gouffier entkam
indes nach Rußland an den HofKatharinas II. und wurde später von Paul I. zum Staatsrat und Direktor der Kunstakademie sowie
zum kaiserl. Bibliothekar ernannt. Er kehrte 1802 wieder nach Frankreich zurück und ward nach der Restauration Pair von Frankreich
und Mitglied des Kabinettsrates. Seine bedeutende Sammlung von Altertümern wurde von Ludwig XVIII. angekauft
und mit dem Museum im Louvre vereinigt. Choiseul-Gouffier starb zu Aachen.
[* 63]
(spr. schŏăsih lĕ rŏá)), Stadt im Kanton
[* 64] Villejuif, Arrondissement Sceaux des franz. Depart. Seine,
südlich von Paris, an der Linie Paris-Orléans der Franz. Orléansbahn, hat (1891) 8129, als Gemeinde 8449 E.,
Post, Telegraph, Reste eines von Ludwig XV. erbauten Schlosses, viele Landhäuser, ein Bronzedenkmal Rouget de l'Isles, der
hier 1836 starb; Fabrikation von Porzellan, Leder, Seife und Chemikalien, Wein- und Kohlenhandel. Choisy-le-Roi ist beliebter Ausflugsort
von Paris und durch Omnibus mit ihm verbunden. Im Sept. und Nov. 1870 fanden hier wiederholt Ausfallsgefechte
statt, darunter das des Generals Vinoy gegen das 6. preuß. Armeekorps.
bore (engl., spr. tschohkbohr),Würgebohrung, eine Bohrung, bei der sich der Gewehrlauf kurz vor der Mündung
etwas verengt und dann bis zu dieser wieder kugelgleich verläuft;
bewirkt größeres Zusammenhalten des Schrotes und gestattet
weiteres Schießen.
[* 65]
Gewöhnlich ist bei Doppelgewehren nur der linke Lauf Choke bore
(spr. tschocktah), Chactaw, Chacta, richtiger Tschachta, ein mit den Chickasaw (s. d.) und den Creek (s. d.)
sprachlich verwandter Indianerstamm, bewohnten die mittlern und südl. Teile des heutigen Staates Mississippi,
vom Lande der Chickasaw durch Berge und Wälder getrennt. Zur Zeit der Entdeckung bewohnten sie 50-70 Dörfer. Die franz. Kolonisten
in Louisiana bedienten sich der Sprache
[* 66] der Choktaw im Verkehr mit den verschiedenen Indianerstämmen, da sie von diesen allgemein
verstanden wurde. Jetzt sind die Choktaw in schwachen Überresten im Indianergebiete angesiedelt,
nur wenige Familien finden sich noch in der alten Heimat. - Über dieSprache der Choktaw vgl. F. Müller, Grundriß
der Sprachwissenschaft,
Bd. 2 (Wien 1882) und Forchhammer im «Compte rendu» des zweiten Amerikanistenkongresses (Par.
1877).
ein Volk der Maya
[* 67] (s. d.), das einen besondern, dem der Tzental und
Zo'tzil verwandten Dialekt spricht. Sie scheinen gegenwärtig auf fünf Dörfer des Depart.
Palenque im mexik. Staate Chiapas beschränkt zu sein. In ihrem Gebiete liegen die großartigen, jetzt von Urwald überwucherten
Ruinen von Palenque (s. d.). Sie sollen in vergangener Zeit über die Gebirgsgegenden
von Chiapas und die Wälder der AltaVera Paz bis zur Lagune von Izabal (Golfo dulce) und den Küsten der
Bai von Honduras
[* 68] verbreitet gewesen sein. -
Vgl. Stoll, Zur Ethnographie
[* 69] der Republik Guatemala
[* 70] (Zür. 1884).
(grch.), künstliche (operative) Verbindung der Gallenblase mit dem Darm
[* 71] bei Verschluß der Gallenwege,
um den Tod durch Cholämie (Gelbsucht) zu verhindern.
(vom grch. choléra, Dachrinne, danach Brechdurchfall, nach andern vom grch. cholé, Galle, oder auch vom hebr.
Cholē ra, d. i. böse Krankheit), überhaupt ein massenhaftes, rasch eintretendes Erbrechen und Laxieren, ein Brechdurchfall.
Dieser häufig vorkommende Zustand beruht auf sehr verschiedenen, die Magen- und Darmschleimhäute reizenden
oder entzündenden oder die Nerven
[* 72] dieser Unterleibsorgane sonst erregenden Ursachen (Vergiftungen, Genuß unverdaulicher oder
verdorbener Speisen und Getränke, Verletzung gewisser Nervenpartien u. s. w.). In den heißen Sommermonaten namentlich kommen
nach Erkältungen und Diätfehlern, insbesondere nach dem Genuß von schlechtem Bier, unreifem Obst u. dgl. solche
Zustände alljährlich vor, die man unter Brechruhr, Sommer- oder europäischer, auch einheimischer Cholera (Cholera nostras) begreift
und die nur ausnahmsweise so heftig werden, daß überreiche weiße, reiswasserähnliche Entleerungen nach oben und unten
mit Blauwerden und allgemeiner Kälte der Haut,
[* 73] Einfallen des Gesichts, Wadenkrämpfen, Unfühlbarwerden des Pulses und Heiserkeit
der Stimme sich zeigen. Ähnliche Symptome stellen sich im Sommer bei künstlich aufgefütterten Kindern
nach dem Genuß von zersetzter und verdorbener Milch ein und sind als Cholera der Kinder (Cholera infantum) sehr gefürchtet (s.
Durchfall). Bei zweckmäßiger Behandlung (Bettruhe, absolutes Fasten, warme Tücher oder Umschläge auf den Leib, Eispillen,
Opium, bei Schwächezufällen Cognac oder Champagner, theelöffelweise genommen) gehen die Symptome der
ein-
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
heimischen Cholera meistens rasch vorüber und führen nur sehr selten zum Tode. Die europäische Cholera tritt immer sporadisch auf und
steckt nicht an.
Die asiatische Cholera ergreift als verheerende Seuche gleichzeitig oft viele Menschen in einem Orte, von denen in der Regel über
die Hälfte stirbt.
Entstehung und Verbreitungsweise. Die Cholera ist seit alter Zeit in gewissen TeilenOstindiens (Niederbengalen,
Malabarküste) heimisch, doch erst seit 1817 zeigt sie eine auffallende Neigung zur Ausbreitung und Wanderung. Nachdem sich
bereits 1816 an den Gangesmündungen zerstreute kleinere Choleraherde gebildet hatten, dehnte sich die Krankheit im folgenden
Jahre über die ganze Halbinsel aus, hatte am Schluß des J. 1818 bereits ganz Ostindien
[* 75] durchwandert,
richtete dann auf den Inseln des ind.-chines. Archipels große Verheerungen an, verbreitete sich 1820-21 über
ganz China
[* 76] und drang über Persien
[* 77] bis nach Astrachan.
Ausgehend von einer neuen Epidemie, die 1826 in Bengalen ausgebrochen war, erreichte die Cholera 1829 von neuem
die Ufer der Wolga, trat 1830 in Astrachan und zwei Monate später in Moskauauf und hielt nun ihren ersten großen Seuchenzug
über Europa,
[* 78] indem sie sich über das ganze europ. Rußland ausbreitete, 1831 als verheerende Seuche Deutschland zum erstenmal
überzog und 1832 nach England und Frankreich drang. In demselben Jahre wurde die Cholera durch Auswandererschiffe
nach Amerika
[* 79] gebracht.
Bis 1838 folgten dann in Europa viele kleinere Epidemien, dann trat eine vollständige Pause bis 1846 ein, in welchem Jahre
wiederum von Indien aus über Persien und Syrien ein neuer Seuchenzug sich bildete, welcher 1848 die deutschen Grenzen
[* 80] erreichte,
sich von hier aus über den größten Teil Europas und Nordamerikas ausdehnte und bis 1859 verschiedene
größere Epidemien auf der ganzen nördl. Hemisphäre der Erde verursachte. Eine vierte Cholera-Pandemie,
1865-75, unterschied sich von allen frühern durch ihren eigentümlichen Verlauf und die Schnelligkeit, mit der sie von Asien
[* 81] nach Europa gelangte.
Während nämlich sonst die Krankheit stets von Indien über Afghanistan,
[* 82] Persien und das asiat. Rußland
nach Europa vordrang und mehr als ein Jahr gebrauchte, ehe sie die europ. Grenzen erreichte,
gelangte sie diesmal in nur wenigen Tagen auf dem Seewege von der KüsteArabiens aus nach Südeuropa und überzog innerhalb
weniger Wochen einen großen Teil Europas. Eine weitere Cholera-Epidemie brach, durch franz. Schiffe
[* 83] von
Indien eingeschleppt, 1884 in Toulon
[* 84] und Marseille
[* 85] aus, dehnte sich von da nach Italien, besonders Neapel,
[* 86] aus und suchte 1885 Spanien
heim. In Spanien trat sie auch 1890 auf. Im Sommer 1892 drang die Cholera von Persien aus nach Baku und Astrachan,
überzog von hier aus fast ganz Rußland und wurde im Aug. 1892 nach Hamburg (s. d.) verschleppt; gleichzeitig erschien sie
in Frankreich (Paris, Havre,
[* 87] Rouen)
[* 88] und in Belgien
[* 89] (Antwerpen);
[* 90] 1893 traten in Europa nur noch vereinzelte Fälle auf. Diese Epidemie
gab die Veranlassung zur Vereinbarung internationaler Maßregeln gegen die Verbreitung der Cholera auf dem 1893 in
Dresden
[* 91] abgehaltenen Hygieinekongreß (s. Hygieine) und Ausarbeitung eines deutschen Seuchengesetzes, das im Herbst 1893 an den
Reichstag gelangte.
Der Verlauf der asiatischen, epidemischen oder indischen Cholera ist in der Regel folgender: Meist gehen tagelang Abgeschlagenheit,
Verdauungsstörungen, namentlich schmerzlose wässerige Durchfälle (Cholerine) voraus;
oft
fehlen aber
auch solche Vorboten, sodaß das Übel gleichsam blitzschnell auftritt.
Plötzlich, meist in der Nacht, treten stürmische
und zahlreiche Ausleerungen ein, welche nur im Anfange noch aus gefärbtem Darminhalt, bald aber aus einer eigentümlichen
reiswasserähnlichen, alkalischen, zahllose Epithelzellen des Dünndarms sowie Fetttröpfchen, Blutkörperchen,
[* 92] Tripelphosphatkrystalle
und verschiedene Pilzformen enthaltenden Flüssigkeit bestehen. Dazu gesellt sich reichliches Erbrechen,
durch welches zuerst Mageninhalt und Galle, später aber gleichfalls eine reiswasserähnliche Flüssigkeit entleert wird.
Bei der sog. trocknen Cholera (Cholera sicca), einer besonders gefährlichen Form, die
aber selten auftritt, fehlen die reiswasserähnlichen Ausleerungen gänzlich, weil der zeitig gelähmte Darmkanal die in ihm
ausgeschwitzten Stoffe nicht auszutreiben vermag. Mit dem Eintritt der wässerigen Ausleerungen stellt sich ein quälender
Durst sowie ein beträchtliches Sinken der Eigenwärme und des Pulses ein, der Herzschlag wird matt, die Glieder,
[* 93] Nase
[* 94] und Ohren
werden blau und leichenkalt, das Gesicht
[* 95] ist verfallen, die Augen tiefliegend, die Stimme wird heiser und
klanglos, die Harnentleerung hört auf, es stellen sich schmerzhafte Krämpfe in den Waden und Füßen ein u. s. w. Man pflegt
dieses Stadium als das Kältestadium (Stadium algidum) zu bezeichnen.
Endlich verschwinden, zuweilen unter Nachlaß der Ausleerungen, der Puls, der Herzstoß, sogar die Herztöne gänzlich und der
Tod erfolgt gewöhnlich unter dem Zeichen eines allgemeinen Blutstillstandes und einer Nervenlähmung (Asphyktische
Cholera). Im glücklichen Falle aber kommen nach und nach die Körperwärme, der Puls und Herzschlag sowie die Harnentleerungen
wieder, Schlaf und Kräfte kehren zurück, die Stuhlgänge werden wieder gallenhaltig und fäkulent u.s.w. Oft aber tritt
in diesem Zeitabschnitt (der Reaktionsperiode) eine eigentümliche Fieberkrankheit ein, welche dem Typhus
ähnlich verläuft, das sog. Choleratyphoid, das bisweilen wochenlang dauert und die Befallenen oft noch hinwegrafft.
Die Leichenöffnung der an der Cholera Gestorbenen zeigt zwei Haupterscheinungen: einen heftigen, mit massenhafter
Ausschwitzung verbundenen Darmkatarrh und eine beträchtliche Eindickung der gesamten Blutmasse mit ihren beiderseitigen Folgen.
Im Darmrohr, zum Teil auch im Magen,
[* 96] findet man eine reichliche reiswasserähnliche Flüssigkeit, welche
aus massenhaft ausgeschwitztem Blutwasser und zahllosen abgestoßenen Darmepithelien besteht. Die Darmschleimhaut selbst ist
entzündet, zum Teil blutig unterlaufen und stellenweise ihrer schützenden Decke
[* 97] beraubt; ihre Zotten und Drüschen, oft auch
die Gekrösdrüsen, sind angeschwollen und hervorragend.
Das Blut ist dunkelblaurot, mehr oder weniger eingedickt, in den höhern Graden fast teer- oder pechartig
zähe. Es zeigt sich im Herzen angehäuft, fehlt hingegen in den Haargefäßen, sodaß das Zellgewebe, die Muskeln
[* 98] und andere
Teile blutarm, trocken, zähe und unelastisch, die Haut grau und runzelig, die serösen Häute klebrig gefunden
werden. Fast konstant sind die Nieren verändert und zeigen bei schweren Fällen die eigentümliche, unter dem Namen Eiweißniere
bekannte Entartung, welche sich auch bei Lebzeiten durch Eiweißgehalt des Harns und Zurückhaltung des Harnstoffs im Blute
kundgiebt. Nach alledem scheint somit der wesentlichste Teil der Krankheit die übermäßige Aus-
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶