Sablon mit einem monumentalen
Brunnen,
[* 2] die zu einem
Square umgeschaffene Place du Petit Sablon mit dem früher auf der
Grande
Place befindlichen
DenkmalEgmonts und
Hoorns (von Fraikin), einer mit
Statuetten verzierten Umsriedigung und den neuerdings
gesetzten Standbildern berühmter Gelehrten und Künstler aus der Zeit der span. Schreckensperiode
(Ortelius,van Orley, Locquenghien,
Mercator, Dodonće,
De Vriend genannt «Floris»,
Brederode und
van Bodeghem);
ferner die Place des Barricades mit dem
Standbilde des Anatomen
Vesalius (1847), die Place Ancessens (früher Place
Joseph Lebeau)
mit dem 1889 errichteten
Denkmal des Märtyrers der
Freiheit gleichen
Namens, die Place Rouppe mit der
Statue der Schutzgöttin
der Stadt, endlich der Kongreßplatz mit der herrlichen Aussicht auf die untere Stadt und der mit dem 4 m hohen Bronzestandbilde
König
Leopolds I. gekrönten 47 m hohen Kongreßsäule (1859, von Geefs). Von Denkmälern seien noch genannt das des franz.
GeneralsBelliard (1836), das des Ministers Gendebien (1874), John Cockerills und
der Manneken-Pisbrunnen von
Duquesnoy (1619).
Kirchen. Die größte und schönste ist die
Kathedrale von St. Gudula, im 12. Jahrh. an
Stelle einer alten Kapelle des heil.
Michael begonnen und bis 1653 im got.
Stile erbaut, mit zwei unvollendet gebliebenen
Türmen, 16 m hohen, reichbemalten Fenstern
und den Grabstätten mehrerer
Herzöge; andere sind: die
Kirche St. Jacques-sur-Caudenberg (zur Zeit des
KonventsTempel
[* 3] der
Vernunft), dann
Notre-Dame de la Chapelle,
Notre-Dame de
Finistère und die 1874 eingeweihte St. Katharinenkirche.
Außerdem giebt es mehrere protest. Kapellen und eine im Rundbogenstil 1878 gebaute
Synagoge. Die
Kirchen der Vorstädte sind
außer der prächtigen St. Marienkirche in Schaerbeek mit der byzant.
Kuppel und der eigenartigen von
Poelaert entworfenen
Kirche in Laeken weniger bemerkenswert.
Weltliche Bauten. Das berühmte 1401-54 im got.
Stil erbaute Rathaus mit dem 118 m hohen
Turm
[* 4] - einem Meisterwerke mittelalterlicher
Baukunst
[* 5] - der über die ganze Niederstadt emporragt und auf seinerSpitze die vergoldete
Bildsäule (5,5
m) des Brüsseler Schutzpatrons, des heil.
Michael, trägt; das dem Rathaus gegenüberliegende Königs- oder Brothaus, ein
uraltes, wieder neu aufgeführtes
Gebäude, das vor 1794 mehrern Gerichtshöfen diente und in dem
Egmont und
Hoorn die Nacht
vor der Hinrichtung zubrachten, das
Entrepôt am
Kanal von
[* 6]
Charleroi, die Markthalle
(HallesCentrales), die
Fischhallen, die Schlachthäuser, das Hospital St.
Jean mit 600
Betten, das
Grand Hospice, ein Verpflegungshaus für 600 alte
Leute, die Staatsbibliothek mit mehr als 300000
Bänden, 12000 Handschriften und einer Sammlung von über 60000 Kupferstichen,
davor das
Denkmal des österr.
Generalstatthalters
Karl von Lothringen; der ehemalige
Palast des
Generalgouverneurs (Ancienne cour), jetzt
Museumsgebäude, das Palais de la Nation für die Sitzungen des Senats und der Kammer, das königl.
Schloß (zur Zeit der franz. Herrschaft Sitz der
Präfektur) mit reichen malerischen Kunstschätzen, das Palais des
Académies
(der frühere
Palast des Prinzen von
Oranien) mit einem die bedeutendsten Epochen der belg. Geschichte
behandelnden Cyklus von 13 Ölbildern von Slingeneyer, davor das
Standbild Quetelets, das Schloß des
Herzogs von
Arenberg -
dessen älterer, rechter Flügel mit
dem histor.
Egmontzimmer ein Raub der Flammen wurde - mit wertvoller Gemäldegalerie, der
Palast des
Grafen von Flandern, das
Wiertz-Museum (ausschließlich Gemälde von
Wiertz [s. d.] enthaltend), das königl. Musikkonsevatorium,
die Nationalbank, die
Börse, ein Prachtbau im
StileLudwigs XIV., die
Universität mit dem
Standbilde ihres Hauptbegründers
P. Verhaegen (von W. Geess), der große neue Justizpalast in griech.-röm.
Stil von Poelaert mit hoher (98 m)
Kuppel, 180 m
lang, 170 m breit, einer der gewaltigsten Bauten ganz Europas, begonnen 1866 und vollendet 1883
(Baukosten
über 50 Mill.
Frs.), ferner die 1847 vollendete 213 m lange, 8 m breite, 3
Stockwerk hohe (18 m), von Kaufläden,
Cafés u. s. w.
besetzte Glasgalerie St. Hubert, eine der schönsten und größten, die Nordpassage, die Handelspassage, endlich
der 1880er Ausstellungspalast (Palais du Cinquantenaire) mit dem Museum für
Altertümer und Kunstgewerbe.
Verwaltung. Brüssel
[* 7] wird verwaltet von einem
Bürgermeister (Buls, 25000
Frs. Gehalt), fünf Schöffen und einem
Stadtrat, dessen 29 Mitglieder
von 3 zu 3 Jahren auf je 6 Jahre gewählt werden. Die Stadt ist in 6 Divisionen geteilt mit je 11 von
Polizeikommissaren geleiteten Sektionen. Zur
Erleuchtung dient meist
Gas (5500 Straßenlaternen, etwa 14000 Gasuhren, 180
Gasmotoren
mit 600 Pferdestärken).
Elektrisches
[* 8] Licht
[* 9] findet sich auf einigen größern Plätzen und in Privatgebäuden. Die Wasserleitung,
[* 10] welche gleichzeitig auch die 8 Vorstädte versorgt, hat etwa 320 km Röhrenleitung, davon etwa 172 km
in Brüssel selbst und gegen 3000
Hydranten. 1847 belief sich die Gesamtlänge der verdeckten
Kanäle auf 45 km, gegenwärtig auf 110 km.
Zur Verteidigung der Stadt besteht eine 5625 Mann starke
Bürgerwehr. Die Feuerwehr zählt 174 Mann auf 14 Posten. Die Vorstädte
haben eigene
Bürgerwehr und Löschmannschaften.
Finanzen. Der Gesamteinnahme 1890 mit 24 276 505
Frs. stellte sich eine Gesamtausgabe von 24 217 967
Frs.
gegenüber. Die Einnahmen betrugen aus
Steuern 3 450 791
Frs., städtischem Grundbesitz (Miete u. s. w.) 4 959 911,
Zinsen von
ausgeliehenen Geldern 3 678 061,
Gas 4 592 077 und Wasserleitung 1 600 472
Frs. Für
Verwaltung wurden verausgabt 1 092 276
Frs.,
für die öffentliche Sicherheit 1 459 319, für Schulen 1 169 060, zur Verzinsung der Gemeindeschuld 8 771 020
Frs.
Brüssel hatte seit 1853 sieben verschiedene
Anleihen im Betrage von zusammen 241 600000
Frs. aufgenommen. Diese
Anleihen wurden 1886 in
eine einzige
Anleihe von 289000000
Frs. konvertiert, deren
Tilgung in 90 Jahren erfolgen muß.
Behörden. Brüssel ist Sitz der Staatsbehörden, des Senats, der Repräsentantenkammer, der Provinzialregierung
und der
Vertreter fremder Mächte.
Bildungs- und
Vereinswesen. Die 1834 gegründete, von der
Provinz, der Stadtgemeinde und den Freimaurerlogen unterhaltene
Universität
hat eine philos., jurist., mathem.-naturwissenschaftliche und mediz.
Fakultät sowie eine pharmaceutische
und eine polytechnische Schule mit (1891/92) insgesamt 89
Docenten und 1693 Studierenden; die Universitätsbibliothek hatte
vor dem großen
Brande (1886) 70000
Bände, jetzt ist sie reorganisiert; die 1838 gegründete königl.
Bibliothek hat 375000
Bände, 27000 Handschriften, 80000
Stiche, Karten und Holzschnitte, 32000 Münzen
[* 11] und
Medaillen. Ferner
¶
DieBrusteingeweidedesMenschenI Der Brustkasten nach Entfernung der vorderen Brustwand.
besteht eine königl. Akademie der Wissenschaften, Litteratur und Künste, aus der 1769 gegründeten Litterarischen Gesellschaft
hervorgegangen, eine Militär- und Kriegsschule, eine mediz. Akademie, Tierarzneischule, ein Athenäum (Gymnasium und Realgymnasium)
mit 630 Schülern, ein Musikkonservatorium, Taubstummen- und Blindeninstitut, eine Handelsschule, eine Haushaltungsschule für
junge Mädchen und von Gewerbeschulen je eine für Uhrmacher, Schriftsetzer und Schneider.
Für den elementaren Unterricht bestehen neben den Staats- und Gemeindeschulen und den von liberalen und religiösen Gesellschaften
gegründeten Schulen zahlreiche Privatlehranstalten. Das Palais de Beaux-Arts, ein 1880 vollendeter klassischer Bau, enthält
moderne Skulpturen und eine wertvolle Sammlung älterer Gemälde (600), insbesondere der niederländ.
Schule. Die Bilder neuerer Meister in Öl und Aquarell sind jetzt in acht Sälen des Musée moderne aufgestellt.
Brüssel besitzt acht Theater,
[* 18] darunter das Théâtre royal de la Monnaie mit 210 Vorstellungen jährlich, mehrere größere Musikgesellschaften,
einige Vereine für Kunst und Wissenschaften, eine Philanthropische Gesellschaft und eine große Menge von Wohlthätigkeitsanstalten,
darunter einen deutschen Hilfsverein, Schillerverein, der gegen 400 Mitglieder zählt und alljährlich
gegen 25000 Frs. an bedürftige Landsleute verteilt. Über dieZeitungen s. Belgien
[* 19] (Bd. 2, S. 674 b).
Industrie, Gewerbe, Handel. Von den Gewerbzweigen blühen hauptsächlich Spitzen-, Möbel-, Kutschen-, Papier-, Handschuh- und
Lederfabrikation. Der Handel ist vornehmlich Luxus- und Kleinhandel; es giebt wohl eine Anzahl größerer
Handelsfirmen, doch ist deswegen die Stadt nicht zu den Handelsplätzen zu zählen. Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen
(verbunden mit Leihbibliotheken) sind zahlreich, ebenso Bankinstitute, wie die Société générale und seit 1851 die Banque
Nationale und sonstige Handels-, Eisenbahn-, Versicherungs-, Bergwerks- u. a. Gesellschaften.
Verkehrswesen. Dem auswärtigen Verkehr dienen außer den Kanälen (gegen 12000 Schiffe
[* 45] und Boote jährlich mit etwa 1 300000
t Raumgehalt) die von drei durch Gürtelbahn (mit 8 Haltestellen) verbundenen Bahnhöfen ausgehenden Kunststraßen, vor allem
aber Eisenbahnlinien: Brüssel-Herbesthal, Brüssel-Antwerpen, Brüssel-Ostende, Brüssel-Quiévrain, Brüssel-Arlon-Sterpenich, Brüssel-Tervueren, Brüssel-Luttre,
Brüssel-Lille der Belg. Staatsbahnen;
[* 46] ferner die Linien Brüssel-Tilbeck-Schepdael, Brüssel-Haecht, Brüssel-Anderlecht-St. Quentin der Belg.
Vicinalbahnen. Den Verkehr in der Stadt sowie den mit den Vorstädten erleichtern 10 Pferdebahn-, 4 Dampftrambahn- und 11 Omnibuslinien.
Zur Vermittelung des Postverkehrs bestehen außer der Hauptpost 20 Post- und Telegraphenämter (die der Vorstädte inbegriffen).
Die Postanstalten sind zugleich auch Zahlstellen für die Sparkasse. Der Telephondienst
- gegen 1200 Linien
- bisher von einer Privatgesellschaft betrieben, wird demnächst in staatliche Verwaltung übergehen.
Die Umgebung ist zum Teil sehr schön. Besondere Anziehungspunkte neben dem Cambrewäldchen (im SO.) sind der
Park zu Laeken im N., im O. der prächtige Park zu Tervueren sowie die im Soigneswald herrlich gelegenen,
als Sommerfrischen stark besuchten Dörfer Watermael-Boitsfort, Groenendael (mit Hippodrom) und La Hulpe.
Geschichte. Brüssel erscheint zuerst um 870 als Brosella, im 10. Jahrh. dann als Bruoscella
in der Geschichte. Gewöhnlich werden diese Worte von dem alten bro oder bruoc, dem heutigen vläm.
brock = Sumpf und selle oder sele = Wohnung hergeleitet. Zuerst scheint es eine Villa der fränk. Monarchen gewesen
zu sein. Eine UrkundeOttos I. von 966 bestätigt das Vorhandensein einer Kirche, unter der neuere Forscher die Kirche zum heil.
Michael verstehen, und an deren Stelle später die St. Gudulakirche erbaut wurde.
Gerberge, Schwester Ottos d. Gr., brachte die Ortschaft dem HerzogeGiselbert von Lothringen als Mitgift zu. Ihre Enkelin Gerberge
heiratete den Grafen Lambert von Löwen.
[* 47] Mit diesem kam der Bezirk Brüssel unter die Herrschaft der Herzöge von Niederlothringen
und Brabant, durch deren Einfluß die Stadt zu großem Ansehen gelangte. Von Johann I. an (1251-59) scheint
sie Wohnsitz der Fürsten geblieben zu sein, indes Löwen noch den Titel der Hauptstadt behauptete. Nach vielfachen Kämpfen
der auf ihre Vorrechte eifersüchtigen Bürger mit den Patriciern oder mit den Fürsten, nach fürchterlichen Bürgerkriegen,
die der TodJohanns III. (1355) über die Stadt hereinbrachte, gelangte das Erbteil seiner Tochter Johanna
an die Gräfin von Flandern, Gemahlin des burgund.
Herzogs Philipp des Kühnen, welche die VerwaltungBrabants und Limburgs ihrem SohneAnton übertrug. Nach dem Tode der Söhne desselben
(1480) trat Philipp der Gute, Herzog von Burgund, in den Besitz des Herzogtums Brabant, und unter seiner
Enkelin Maria, Gemahlin Kaiser Maximilians, ging die stark befestigte, schon bedeutende Stadt an das Haus Habsburg über.
Wiederholte Eingriffe desselben in die beschworenen Freiheiten gaben zu steten AufständenAnlaß, die indes immer mit einer
Aussöhnung endeten.
Karl V. bereits hatte Brüssel zur Hauptstadt der Niederlande gemacht und mit allem Glanze des Hoflebens umgeben.
Unter Philipp II., der hierher den Sitz der Generalstatthalterschaft unter Margarete von Parma
[* 48] verlegt hatte, wurde es der
Hauptschauplatz der niederländ. Revolution. Nachdem Brederode an der Spitze des verbündeten Adels der Regentin die
Beschwerde übergeben hatte, wurde hier am selben Abend der Geusenbund geschlossen. In Brüssel schalteten die
Inquisition und Philipps Feldherr Alba
[* 49] mit grausamer Blutgier und schnöder Verletzung der verbrieften Freiheiten.
In dem langen Befreiungskämpfe war Brüssel der Hauptwaffenplatz abwechselnd der Niederländer und der Spanier. 1576 wurde hier die
Genter Pacifikation und die BrüsselerUnion, deren BedingungenDon Juan von Österreich
[* 50] sich eine
Zeit lang unterwarf, abgeschlossen. Nach seiner Entfernung zog Oranien als Ruwaert von Brabant in ein mußte
aber schon nach DonJuansSieg bei Gembloux die Stadt räumen. Trotz entsetzlicher Zustände im
¶
mehr
Innern wußte sich diese mehrere Jahre lang unabhängig zu erhalten, bis sie endlich nach Oraniens Ermordung mit AlexanderFarnese von Parma, DonJuans Nachfolger, kapitulierte Die Geistlichen, besonders die Jesuiten, boten hierauf alles
auf, um den Protestantismus, der inzwischen tiefe Wurzeln geschlagen hatte, wieder auszurotten. Isabellas, der
Tochter Philipps und Gemahlin Erzherzog Alberts, Regierung, der die treu gebliebenen südl. Provinzen übergeben wurden, forderte
die Wiederherstellung geordneterer Verhältnisse, obgleich sie eine Unzahl Mönchsorden hervorrief und einem unwürdigen
Bestechungssystem nicht zu steuern vermochte.
Viel litt die Stadt in den KriegenSpaniens mit Ludwig XIV. (Beschießung 1695 unter Villeroy) und Österreichs
mit Ludwig XV. (Belagerung und Einnahme 1746 unter dem Marschall von Sachsen),
[* 52] noch mehr aber durch den beständigen Gegensatz
zu dem österr. Regierungssystem (Enthauptung des Zunftsyndikus Aneessens 1719), bis endlich nach dem Aachener Frieden Maria
Theresias milderes Regiment eintrat. Brüssel erhielt in diesem Zeitraume viele wichtige Anstalten und Bauten
und segnet das Andenken des GeneralgouverneursKarl von Lothringen, dem man noch 1848 ein Denkmal errichtete.
Mit Joseph Ⅱ. trat wieder eine schwere Zeit, bekannt unter dem NamenBrabanter Revolution (1789), ein. Kaum war nach kurzer
Unabhängigkeit (1790) die österr. Herrschaft wieder eingesetzt, so fiel infolge der Schlacht von JemappesBelgien den Franzosen anheim, und Dumouriez hielt 1792 (14. Nov.) seinen Einzug in Brüssel, das den Österreichern seit Beginn des Krieges
als Hauptsammelplatz und den franz. Emigranten als Zufluchtsort gedient hatte. Der Sieg derÖsterreicher bei Neerwinden (März
1793) vertrieb die Franzosen aus der Stadt, und des KaisersFranzBruder, Erzherzog Karl, bezog aufs neue
den Palast der Generalstatthalterschaft.
Selbst KaiserFranz Ⅱ. erschien und beschwor feierlich die sog. Joyeuse Entrée oder BrabanterVerfassung. Einige
Monate später brachte jedoch der Sieg Jourdans bei Fleurus aufs neue die Franzosen nach Brüssel das zur Hauptstadt
des Dyle-Departements herabsank und auch unter Napoleons Schutz, der es mehrmals besuchte, nicht wieder
den alten Glanz zu erreichen vermochte. Durch die Verbündeten im Febr. 1814 von franz. Herrschaft
befreit, ward es 1815 (21. Sept.) mit ganz Belgien dem neugeschaffenen Königreich der Niederlande einverleibt. Abwechselnd mit
dem Haag
[* 53] war Brüssel nunmehr Sitz der Generalstaaten und des königl.
Hoflagers. Trotz des bedeutenden Aufschwungs, den die materielle Wohlfahrt der Stadt nahm, brach doch nach der Französischen
Julirevolution die lange genährte Gärung gegen Holland zuerst zu Brüssel in offenen Aufstand aus, und es wurde die
denkwürdige viertägige Schlacht zwischen holländ. Militär und den Blusenmännern des Bürgerstandes
geschlagen.
Der glückliche Ausgang dieser Empörung entschädigte Brüssel mit dem Titel und Range der Hauptstadt des unabhängigen Königreichs
Belgien. Am zog der neue Souverän, Prinz Leopold von Sachsen-Coburg, in ein. Ohne erwähnenswerte Störungen ging auch
der Sturm von 1848 über Brüssel hinweg, ebenso die übrigen polit. Erschütterungen, die seit
jener Zeit die Nachbarstaaten zu bestehen hatten, und 1890 wurde hier unter glänzenden Festlichkeiten das ^[] 60jährige
Jubiläum der belg. Unabhängigkeit
gefeiert. 1890 tagte in Brüssel der Antisklavereikongreß
(s. Sklaverei), 1891 der zweite internationale Arbeiterkongreß, 1892-93 die internationale Münzkonferenz. -
Stadt im Kreis
[* 54] Prenzlau
[* 55] des preuß. Reg.-Bez. Potsdam,
[* 56] 21 km nordöstlich von Prenzlau,
am Brüssowersee, hat (1890) 1439 meist evang. E., Post, Telegraph,
[* 57] Amtsgericht (Landgericht Prenzlau) und Ackerbau.
(Pectus) heißt der zwischen Hals und Unterleib liegende Teil des Rumpfes, welcher zahlreiche wichtige Organe in
sich einschließt und zugleich die Verbindung der obern Extremitäten mit dem Stamm vermittelt, vornehmlich
gebildet durch das Brustbein (Sternum) und die Rippen, welche die Brusthöhle umschließen und den Brustkasten (Thorax) bilden.
Das Brustbein läuft als ein länglicher, flacher, nach unten spitzer Knochen
[* 58] vom Halse an, der Länge nach, durch die Mitte
der Brust hinab; die 24 Rippen sind hinten an den 12 Brustwirbeln des Rückgrats durch ein Gelenk befestigt
und wölben sich nach dem Brustbein hin, mit welchem sie sich mittels eines Knorpels fest verbinden.
Dieses knöcherne Gerüst wird nach außen und oben durch die Zwischenrippenmuskeln sowie die übrigen Brust- und Rückenmuskeln,
nach abwärts durch das muskulöse Zwerchfell (s. d.) geschlossen,
wodurch die geräumige, für die Aufnahme der wichtigen Centralorgane des Atmungs- und Kreislaufsystems bestimmte Brusthöhle
entsteht. Dieselbe wird von zwei sackförmigen, serösen Häuten, dem Brustfell (Pleura), welches gleichmäßig die Oberfläche
der Lungen sowie die Innenfläche der Brustwandung überzieht und der leichten Ausdehnung
[* 59] und Bewegung der Lungen dient, in zwei
voneinander ganz unabhängige Hälften geteilt, innerhalb welcher die Lungenfrei in der Brusthöhle aufgehängt
sind.
Denjenigen Teil des Brustfells, welcher die Oberfläche der Lungen überkleidet, pflegt man als Lungenfell (Pleura pulmonalis)
zu bezeichnen, im Gegensatz zu dem sog. Rippenfell (Pleura costalis), welches die Innenfläche
des Brustkorbs überzieht. Zwischen den beiden Lungen, zum Teil von der linken bedeckt, liegt an der vordern
Brustwand, dicht hinter dem Brustbein, das vom Herzbeutel eingeschlossene Herz, sodaß der Herzstoß gewöhnlich unterhalb der
linken Brustwarze im fünften Zwischenrippenraume deutlich gefühlt und gesehen wird.
Außerdem finden sich in der Brusthöhle die großen Stämme der Blutgefäße, eine Anzahl wichtiger Nerven,
[* 60] die Speiseröhre und der untere Teil der Luftröhre sowie der Milchbrustgang, welche hinter den Lungen, dicht vor der Brustwirbelsäule
verlaufen. (S. Tafeln: Die Brusteingeweide des Menschen Ⅰ und Ⅱ.) Der Bau und Habitus der Brust bietet bei beiden Geschlechtern
gewisse charakteristische Verschiedenheiten dar. Während der Brustkorb des Weibes entsprechend der geringern
Entwicklung der Lungen kürzer, schmäler und enger erscheint, ist der des Mannes breit, kräftig und gut gewölbt; auf der
vordern Brustwand springen bei ihm die Wülste der Brustmuskeln scharf hervor, wohingegen beim Weibe die Brüste (s. d.) als
halbkugelige Hervorragungen
¶
mehr
diese Stelle einnehmen und so die Mittellinie zum Busen vertiefen. Eine ganz besondere Wichtigkeit erlangen Bau und Entwicklung
der Brust für die Erhaltung und Förderung des Wohlbefindens, insofern nur bei einem gut gebauten und gehörig beweglichen Brustkasten
der Atmungsprozeß, die wesentlichste Grundbedingung des Lebens, in normaler Weise von statten gehen kann
(s. Atmung).
Brustklemme, Herzbräune oder Stenokardie (Angina pectoris), nennt man einen eigentümlichen Nervenzufall,
wobei den Kranken plötzlich unter heftigster Beklemmung das Gefühl befällt, als gehe ihm der Atem aus und er müsse sterben.
Oft sind dabei intensive Schmerzen vorhanden in der Herzgegend oder auch in der linken Schulter und dem
linken Arm. Derartige Anfälle pflegen anfangs nur selten, besonders beim Gehen, einzutreten und schnell wieder zu verschwinden;
später kommen sie häufiger und dauern länger. Gewöhnlich sind sie dann ein Zeichen organischer Herzkrankheiten, namentlich
von Verknöcherungen an den Klappen oder Kranzarterien des Herzens. Die Behandlung ist, wie bei Herzübeln, hauptsächlich
diätetisch. Während der Anfälle leisten warme Fußbäder, der Gebrauch des Nitroglycerins, ebenso die narkotischen Mittel,
die Einatmung von Amylnitrit, Essig- oder Schwefeläther sowie die Anwendung des galvanischen Stroms gute Dienste.
[* 65]
(Mammae) heißen die beiden bei dem Menschen und einigen Säugetieren (wie Affen,
[* 66] Fledermäusen
u. s. w.) auf der Brust, bei den übrigen Säugetieren am Unterleib befindlichen Milchabsonderungsorgane, die Milchdrüsen,
die sich nur bei dem weiblichen Geschlecht in den Jahren der Mannbarkeit vollkommen ausbilden, beim Manne unentwickelt bleiben.
Sie bestehen aus einer Menge in Bündeln oder Läppchen vereinigter kleiner, länglich-runder Drüsenbläschen,
von welchen aus enge Kanäle, die sich allmählich zu 15-24 Stämmen vereinigen und Milchgänge oder Milchkanälchen genannt
werden, nach der Mitte der Drüse erheben.
Dort erweitern sich dieselben zu den sog. Milchbehältern und münden sodann mittels feiner
Öffnungen in die Brustwarze oder Zitze (Papilla mammalis), welche sich durch ihre bräunliche Farbe auszeichnet,
ein runzliges Ansehen hat und durch das Säugen eine cylinderartige Gestalt annimmt. Den kreisrunden, 4-5 cm breiten, bald
bräunlichen, bald rötlichen Fleck um die Warze
herum, welcher mit einer Masse kleiner, eine Fettigkeit absondernder Hautdrüsen
versehen ist, nennt man den Warzenhof (Areola).
Beide Milchdrüsen liegen auf dem großen Brustmuskel, sind von vielem Fett und zarter Haut
[* 67] umgeben und
bilden so, besonders bei gesunden Frauen und Jungfrauen, zwei Halbkugeln auf der Brust, zwischen denen sich eine Vertiefung,
der Busen (Sinus), befindet. Die Bestimmung der Brustdrüsen ist Absonderung von Milch für das neugeborene Kind, welches dieselbe
aus der Warze, worin sich die Milchkanäle enden, einsaugt. In demselben Grade, wie sie gegen Ende der
Schwangerschaft und nach der Entbindung aufschwellen, nehmen sie nach Ablauf
[* 68] der Säugezeit wieder ab und verlieren mit den
vorrückenden Jahren ihre Fülle.
Die Pflege der Brüste ist sehr wichtig für die Gesundheit des Weibes, wird aber häufig sehr
vernachlässigt. Oft wird durch Entblößung dieser Teile Erkältung herbeigeführt. Durch allzu geringe Bewegung des Körpers,
besonders der Oberarme, werden die Brüste schlaff und herabhängend. Durch Druck, wie bei zu engen Miedern und Korsetten,
wird die Ausbildung der Milchdrüsen und das Hervortreten der Brustwarzen gehindert, wodurch oft später
dem Kinde das Saugen erschwert oder gar unmöglich gemacht und das schmerzhafte Wundwerden oder Durchsaugen der Brustwarzen
begünstigt wird.
Die hauptsächlichsten Krankheiten, welche die Brustdrüsen betreffen, sind fehlerhafte Milchabsonderung, Milchgeschwülste
oder Milchknoten (d.h. Entzündung und Verhärtung infolge des Stillungsgeschäfts) und andere Entzündungen und Verhärtungen
derselben, besonders sehr häufig der Krebs
[* 69] (s. Brustkrebs). Der Eintritt der Milchabsonderung ist häufig
von leichtern Fiebererscheinungen begleitet (s. Milchfieber). Die Entzündungen der Brustdrüse (Mastitis), welche zumeist bei
stillenden Frauen durch Zurückhaltung der Milch in den Milchgängen oder durch Quetschung der Brust entstehen oder von einer
Schrunde der Brustwarze (sog. wunden Brustwarze) ihren Ausgang nehmen, verursachen verschiedene Symptome,
je nachdem sie die Substanz der Drüse selbst oder das auf und unter ihr liegende Zellgewebe betreffen. Im Anfang zeigt sich
meist eine örtliche, gegen Druck sehr empfindliche Anschwellung, die darüber liegende Haut fühlt sich stark gespannt und
heiß an, die Bewegungen des Arms werden infolge der Schwellung der Achseldrüsen schmerzhaft und unter
Eintritt von Fieber, Appetitlosigkeit und heftigen bohrenden Schmerzen beginnt die Absceßbildung, infolge deren der Knoten
eine weichere, deutlich fluktuierende Beschaffenheit annimmt.
Endlich erfolgt der Durchbruch des Eiters nach außen: auch kann sich derselbe in einen Milchgang ergießen und eine sog. Milchfistel
oder Brustdrüsenfistel (Fistula mammae) bilden, wobei sich aus der entstandenen FistelMilch mit Eiter gemischt
entleert; in der Regel sind jedoch die spontan gebildeten Öffnungen sehr klein und verkleben sehr leicht wieder, sodaß
es zu wiederholter Eiterverhaltung kommt und bisweilen der größte Teil der Brustdrüse zerstört wird. Es ist deshalb vor
allem nötig, dem Eiter frühzeitig durch einen Einschnitt freien Abfluß zu verschaffen, die Wunde durch
eingelegte Drainageröhren offen zu erhalten und unter Umständen reinigende und antiseptische Einspritzungen in die Absceßhöhle
vorzunehmen.
¶
mehr
Um das Wundwerden der Brustwarzen zu verhüten, sollen schon während der Schwangerschaft die Warzen häufig mit kaltem Wasser,
Rum, Arrak oder Kölnischem Wasser gewaschen und, falls sie zu klein oder eingezogen sind, täglich vorsichtig mit den Fingern
etwas hervorgezogen werden; während des Stillens selbst ist größte Reinlichkeit und sorgsamer Schutz
vor jedwedem Druck der Warze zu empfehlen. Entstandene Schrunden sind mit Höllenstein, Kollodium oder Kalkwasser mit Mandelöl
zu betupfen und beim Anlegen des Kindes durch aufgelegte Warzenhütchen zu schützen. Bei allen tiefern Entzündungen soll das
Stillen an der kranken Brust unterbrochen, die Milch durch mechan. Hilfsmittel (Milchpumpen, Sauggläser) entfernt und
möglichst bald ärztlicher Rat eingeholt werden. -
oder Brustfieber bedeutet im gemeinen Leben entweder Lungen- oder Brustfellentzündung (s. d.), oder
beide zusammen vorkommend. Zu ihrer richtigen Erkennung und Deutung ist möglichst genaue physik.
oder Rippenfellentzündung (Pleuritis, Pleuresia), die Entzündung der die Oberfläche der Lungen
sowie die Innenseite des Brustkorbs überziehenden serösen Membran, ist eine sehr häufig vorkommende Krankheit, die sich
hauptsächlich durch mehr oder minder heftige, stechende, beim Atemholen, Husten und Niesen verstärkte
Brustschmerzen, durch kurzen trocknen Husten, Fieber und oberflächliches häufiges Atmen zu erkennen giebt. In manchen Fällen
verläuft die Brustfellentzündung mit nur geringen subjektiven Beschwerden und ist dann nur durch eine genaue physik. Untersuchung vermittelst
der Perkussion und Auskultation zu diagnostizieren. In der Regel wird nur eine Seite der Brust, und zwar
mit Vorliebe die linke, von der Krankheit befallen.
Sie entsteht am häufigsten als sog. rheumatische Brustfellentzündung infolge von Erkältung
und schädlichen atmosphärischen Einflüssen, zuweilen auch durch Verletzung der Rippen (z. B.
bei Rippenbrüchen) und des Brustfells, infolge von Quetschungen und Verwundungen der Brust, in andern
Fällen durch Fortpflanzung entzündlicher Vorgänge von den Lungen auf das Brustfell, wie bei der Lungenentzündung, Lungenschwindsucht
und ähnlichen Krankheiten. Ihr Ausgang sind entweder Verdickungen des Brustfells durch ausgeschwitzten Faserstoff und mehr
oder minder ausgedehnte Verwachsungen der Lungen mit dem Brustfell (sog. trockne Brustfellentzündung) oder eine reichliche Ausschwitzung von
wässeriger, stark eiweißhaltiger, mit geronnenen Faserstoffmassen untermischter Flüssigkeit (sog.
pleuritisches Exsudat) in den Brustfellsack, wodurch die Lunge der betreffenden Seite komprimiert und in ihren Funktionen
mehr oder minder erheblich behindert wird; bei
hochgradigem Exsudat werden auch Herz, Zwerchfell und Leber aus ihrer normalen
Lage verdrängt. In manchen Fällen besteht die ausgeschwitzte Flüssigkeit aus reinem Eiter (Eiterbrust
oder Empyem, Pyothorax), welcher dann gern nach innen (nach der Lunge und Luftröhre) oder nach außen durchbricht und eine
Brustfellfistel oder Thoraxfistel erzeugt, aus der sich beständig oder von Zeit zu Zeit größere Mengen Eiter entleeren.
Die ausgeschwitzte Flüssigkeit wird unter günstigen Verhältnissen in kurzer Zeit wieder aufgesaugt,
und es erfolgt vollständige Genesung; in andern Fällen geschieht dies erst nach Monaten, selbst Jahren, ja bisweilen gar
nicht, und die Lunge verliert dann die Fähigkeit, sich wieder auszudehnen, und bleibt für immer verödet. Wird das pleuritische
Exsudat nicht vollständig und rechtzeitig (binnen 8-10 Wochen) wieder aufgesaugt, so kann nach längerer
oder kürzerer Zeit der Tod infolge chronischer Lungenentzündung oder Lungentuberkulose erfolgen. Auch bei günstigem Ausgang
können die gebildeten Verdickungen (sog. Schwarten) und Verwachsungen des Brustfells mannigfache Beschwerden hinterlassen.
Jede Brustfellentzündung ist deshalb von vornherein als eine ernste Krankheit zu betrachten, die der sorgsamsten Pflege bedarf.
Die Behandlung hat vor allem für ruhiges Verhalten, Bettliegen, gute, reine Luft und strenge Diät zu sorgen, vorhandenes
Fieber zu bekämpfen und die Ausschwitzung der Flüssigkeit durch örtliche Blutentziehungen, kalte Umschläge, Abführmittel
u. dgl. womöglich zu verhüten; erfolgt dieselbe dennoch, so sucht man ihre
Wiederaufsaugung durch kräftige Hautreize, durch schweißtreibende, harntreibende oder die Darmschleimhaut
reizende Mittel zu befördern.
Gelingt dies nicht oder nur sehr langsam, so ist die Flüssigkeit durch einen Einstich oder Schnitt in die Brustwand (sog.
Thorakocentese) zu entfernen, eine Operation, welche ganz ungefährlich ist und oft selbst in den hartnäckigsten Fällen dauernde
Heilung herbeiführt. Wenn sich die Flüssigkeit wieder ansammelt, so muß die Operation wiederholt werden;
bei eiterigem Exsudat sind Ausspülungen des Brustfellraums mit desinfizierenden Flüssigkeiten (Salicylborwasser, verdünntem
Chlorwasseru. dgl.) am Platze. Während der Rekonvalescenz ist für zweckmäßige Ernährung, frische, reine Luft und eine
vorsichtige methodische Atmungsgymnastik zu sorgen, weshalb sich der längere Aufenthalt in einem geschützten
Höhenklima empfiehlt.
(Pectorales) werden zum Unterschiede von den Bauchflossern (s. Abdominales) und Kehlflossern in der Naturgeschichte
alle Knochenfische genannt, bei welchen die Bauchflosse senkrecht unter der Brustflosse steht. Es gehören hierhin besonders
viele Fische
[* 72] aus der Familie der Barsche, der Meerbrassen u. s. w.
(Carcinoma mammae), eine krankhafte, durch ihren bösartigen Verlauf sich auszeichnende Geschwulst der weiblichen
Brustdrüse (s. Brüste), welche sowohl Frauen, die geboren und gestillt haben, als auch unverheiratete Personen befällt, in der
Regel aber erst nach dem 40. Lebensjahre sich entwickelt. Die Ursachen des Brustkrebs sind, wie die des Krebses
(s. d.) überhaupt, meist ganz dunkel; in einzelnen Fällen ist seine Entstehung
auf eine ererbte Anlage, in andern auf einen erlittenen Schlag oder Stoß gegen die Brust zurückzuführen. Er entsteht als ein
harter, schwer verschiebbarer, mehr oder weniger schmerzhafter Knoten in der Brust, welcher allmählich größer wird, mit
der darüber liegenden Haut verwächst und sich endlich in ein offenes, immer weiter greifendes und stark
jauchendes Geschwür verwandelt und schließlich einen bedeutenden Kräfteverfall der Kranken herbeiführt; dazu gesellen sich
stets Anschwellungen der Lymphdrüsen in der Achselhöhle sowie oberhalb des Schlüsselbeins.
Sich selbst überlassen, führt der Brustkrebs im Laufe von 2 bis 3 Jahren sicher zum Tode, entweder durch Entkräftung
oder durch eintretende Blutungen, durch das Auftreten von Krebsgeschwülsten in andern Organen, durch Rippenfellentzündung
u. s. w. Heilung ist nur von einer frühzeitigen und energischen Entfernung der Geschwulst mit dem Messer
[* 74] oder der galvanokaustischen
Schneideschlinge zu erwarten, eine Operation, welche infolge der neuerlichen Fortschritte der Wundbehandlung
ganz gefahrlos ist und nur eine sehr kurze Heilungsdauer beansprucht. Je frühzeitiger operiert wird, um so eher darf man
auf dauernde Heilung rechnen; leider suchen aber die meisten Frauen aus Furcht und falscher Schamhaftigkeit erst so spät ärztliche
Hilfe, daß durch die Operation nicht alles Krankhafte entfernt werden kann und nach einiger Zeit in der
Narbe und ihrer Umgebung neue Krebsknoten auftreten, welche schließlich das Ende der Kranken herbeiführen. -
der Pferde,
[* 77] eine ansteckende Krankheit, die unter den Erscheinungen einer Lungenbrustfellentzündung verläuft.
Die Brustseuche kommt in größern Pferdeständen als Ortsseuche vor. Dem Ausbruche der Krankheit gehen in der Regel allgemeine Mattigkeit,
Neigung zu Schweißausbruch, verminderter Appetit voraus. Hierauf stellt sich hohes Fieber, Nasenausfluß,
Atemnot und Husten ein. In günstigen Fällen verschwinden diese Erscheinungen in 6-8 Tagen, in schweren Fällen kann aber auch
der Tod in derselben Zeit erfolgen.
Sehr ungünstig wird der Verlauf beeinflußt, wenn die Tiere, trotzdem sich schon die Vorboten der Krankheit gezeigt haben,
noch sehr angestrengt werden. Deshalb
sollte beim Herrschen der ein Pferd sofort außer Arbeit gestellt
werden, wenn es nicht frißt oder Mattigkeit zeigt. Nachdem die Krankheitserscheinungen verschwunden sind, braucht das Tier
noch 2-4 Wochen zur Rekonvalescenz. Die Sterbeziffer beträgt nur 10-20 Proz. Die Patienten müssen zunächst in gut ventilierte
Räume, Remisen oder dgl. gebracht werden.
Dann empfiehlt sich das Auflegen eines Senfteiges auf die Brustwandungen, innerlich außer Diät (Kleientränke, Heu, Grünfutter,
Mohrrüben) leicht abführende Salze, Karlsbader Salz,
[* 78] Glaubersalz, bei auffallender Schwäche Wein (1-2 l). Die Seuche erlischt
in der Regel nach 5-6 Wochen. Einmaliges Überstehen schützt nicht gegen spätere nochmalige Erkrankung. Als Folgekrankheit
der Brustseuche beobachtet man zuweilen Sehnenentzündungen, innere Augenentzündungen, Kehlkopfspfeifen, Taubheit. Eine gründliche
Desinfektion
[* 79] der Stallungen ist in allen Fällen angezeigt.
weißer, von Mayer in Breslau,
[* 80] s. Geheimmittel. ^[= (Arcana), wirkliche oder angebliche Arzneimittel, deren Zusammensetzung geheim gehalten wird. ...]
oder Brustlehne, im allgemeinen jede bis zur Brust oder halben Menschenhöhe reichende Einfriedigung eines
erhöhten Platzes oder Abgrenzung einer Maueröffnung.
(Hydrothorax), die Ansammlung von klarer, gelblicher, seröser Flüssigkeit in der Höhle der Brustfelle,
zwischen Lunge und innerer Brustwand, welche nicht auf einem entzündlichen Vorgang des Brustfells (s.
Brustfellentzündung) beruht, sondern sich als Teilerscheinung der allgemeinen Wassersucht (s. d.) im Verlaufe gewisser Krankheiten
des Herzens, der Lungen, der Nieren u. s. w. entwickelt. Gewöhnlich wird dadurch die Lunge komprimiert, gegen die Wirbelsäule
verdrängt und mehr oder minder funktionsunfähig.
Die Brustwassersucht äußert sich durch allmählich wachsende, oft hochgradige Atemnot ohne besondere schmerzhafte Empfindungen der Brust,
durch Blausucht, Husten und nächtliche asthmatische Anfälle, ist aber nur durch die physikalische Untersuchung der Brust zu
erkennen. Die Behandlung der Brustwassersucht richtet sich nach dem sie veranlassenden Grundleiden; bei heftiger Atemnot erweist sich
oft die Punktion der Brusthöhle als ein treffliches, freilich meist nur vorübergehend wirkendes Mittel.