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Holtermann, Die deutsche Kolonie Dona Francisca in Südbrasilien (Hamb. 1878);
Naeher, Land und Leute in der brasil. Provinz Bahia [* 2] (Lpz. 1881);
Sellin, Das Kaiserreich Brasilien [* 3] (ebd. 1882);
Zöller, Die Deutschen im brasil. Urwald (2 Bde., Berl. u. Stuttg. 1883);
von Schütz-Holzhausen, Der Amazonas.
Wanderbilder aus Peru, [* 4] Bolivia [* 5] und Nordbrasilien (Freib. i. Br. 1883);
von Koseritz, Bilder aus Brasilien. Mit einem Vorwort von Sellin (Lpz. 1885);
Carapebus, Notice sur les ressources minérales du Brésil (Par. 1885);
Eye, Der Auswanderer.
Winke und Weisungen für Ansiedler in den deutschen Kolonien Südbrasiliens (Berl. 1885); Coppin, L’Empire du Brésil au point de vue de l’émigration (Brüss. 1888); d’Altri, Colonizzazione nel Brasilie (Neapel [* 6] 1888). - Kartenwerke: Mendes de Almeida, Atlas [* 7] do Imperio do Brazil (24 Karten, Rio [* 8] de Janeiro 1868);
de Mello, Atlas do imperio do Brazil segundo os dados officiaes (erscheint seit 1882 als 2. Aufl. des Atlas von Brasilien von Mendes de Almeida, unter technischer Leitung von Lomchico de Carvalho in Rio);
Bianconi und Marc, Le [* 9] Brésil.
Cartes commerciales, physiques etc. avec notice descriptive (Par. 1889).
Geschichte. Zur Zeit der Entdeckung wohnten in Brasilien zwei Völkergruppen: die sog. Tapuyas (Feinde) oder Indios do matto (Waldindianer) und die Tupi-Guarani-Stämme oder Indios mansos (zahme Indianer). Der erste, der das brasil. Festland betrat, war der Spanier Vincente Yanez Pinzon, ein Gefährte des Columbus auf seiner ersten Reise, der am Kap St. Augustin, in der Nähe des heutigen Pernambuco [* 10] landete. Durch Zufall gelangte sodann 1500 der Portugiese Pedro Alvarez Cabral (s. d.) an die Küste von Brasilien, das er für den König von Portugal [* 11] in Besitz nahm und Terra da vera Cruz (Land vom wahren Kreuz) [* 12] nannte.
Portugal genehmigte zwar die in seinem Namen vollzogene Besitzergreifung B.s, schickte aber nur anrüchige Personen oder die von der Inquisition Verurteilten dorthin, die das von Madeira [* 13] nach Brasilien verpflanzte Zuckerrohr mit solcher Betriebsamkeit anbauten, daß es bald ein Gegenstand der Ausfuhr wurde. Endlich beschloß König Johann III., das Land zu kolonisieren. Auf seinen Befehl gründete Thomas de Sousa 1549 die Stadt Bahia, zugleich erlaubte der König dem Adel, Strecken Landes für sich zu erobern und anzubauen; die Jesuiten bemühten sich, die Eingeborenen zu civilisieren.
Gegen Ende des 16. Jahrh. ließen sich viele franz. Hugenotten in Brasilien nieder. Von 1580 bis 1640 war Portugal und mit ihm ein Teil des span. Reichs. 1624 eroberten die Niederländer im Kampfe gegen Spanien die Stadt Bahia und 1630 die ganze Landschaft Bahia mit Pernambuco. Der niederländ. Statthalter daselbst, Moritz von Nassau, unterwarf dann in den folgenden Jahren den an der Küste gelegenen Teil der 14 Provinzen, aus denen die Kolonie Brasilien bestand. Nach der Thronbesteigung des Hauses Bragança in Portugal, 1640, schloß die Republik mit diesem einen zehnjährigen Waffenstillstand, kraft dessen sie im Besitz B.s blieb.
Doch schon 1645 unternahmen die von Cromwell und der portug. Regierung unterstützten Grundbesitzer unter Führung des kühnen Abenteurers Cavalcante einen Aufstand gegen die Niederländer, die Jan. 1654 gezwungen wurden Brasilien zu räumen, worauf sie 1661, unter Englands Vermittelung, gegen eine Summe von 350000 Pfd. St. allen Ansprüchen an Brasilien entsagten. Die Ausbeutung der kolonialen Reichtümer, die Unterdrückung jeder Selbständigkeit im geistigen und wirtschaftlichen Leben wurden jetzt hier, fast noch ärger als in den span. Kolonien, geübt und die Ausschließung der Fremden mit der größten Unduldsamkeit betrieben. 1678 kam die Regierung durch die Buenos-Aires gegenüber gegründete Kolonie San Sacramento mit Spanien in Streitigkeiten wegen des von hier aus in die span. Provinzen getriebenen Schleichhandels.
Die Spanier bemächtigten sich dieser Kolonie, in deren Besitz sie bis 1777 verblieben. Unterdessen war der Wert B.s für Portugal immer höher gestiegen, da man daselbst seit 1698 Gold [* 14] und um 1730 Diamanten entdeckt hatte. Rio de Janeiro war der Stapelplatz für den Ertrag der brasil. Bergwerke und der einheimischen Erzeugnisse. Allein die portug. Verwaltung hatte weniger die Entwicklung des Landes als vielmehr die Ausbeutung der Gold- und Diamantenlager und die Erhebung von Handelszöllen im Auge. [* 15]
Eine Änderung in diesen Verhältnissen trat erst ein unter der Verwaltung Pombals, des reformatorischen Ministers Josephs I. (1750-77), der die systematische Ausnutzung der Kolonie durch das Mutterland abzustellen suchte und Brasilien auf eine vergleichsweise hohe Stufe materiellen Wohlergehens brachte. Gleichwohl wurde der Widerwille der Brasilier gegen die Portugiesen durch mancherlei Umstände genährt. Die portug. Könige verteilten an arme Adlige und Günstlinge (nach der Schenkung Donatarios genannt) große Gebiete in Brasilien, oder schlossen auch mit Abenteurern Verträge, welche die Eroberung unbekannter Landstriche auf eigene Kosten übernahmen.
Diese Art der Landverteilung brachte später große Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Grundeigentum zu Wege, eine der Hauptursachen, warum die Versuche, europ. Einwanderer in Massen nach Brasilien zu ziehen, geringen Erfolg hatten. Als 1808 der portug. Hof, [* 16] der vor Napoleon geflohen war, in Rio eintraf, bevorzugte man Portugiesen dunkler Herkunft, während die vornehmen, von den Konquistadoren (s. d.) abstammenden Brasilier gleichgültig behandelt wurden. Die Abgaben wurden erhöht, Gold und Edelsteine, [* 17] welche in Privatländereien vorkamen, allem Herkommen entgegen als Regal in Anspruch genommen, und sogar in Rechtssachen zu Gunsten der Europäer parteiisch verfahren.
Diese Übelstände schienen den Brasiliern durch die Vorteile nicht aufgewogen zu werden, die der Aufenthalt der königl. Familie im Lande mit sich brachte, wie die Freiheit und größere Ausdehnung [* 18] des Handels, die Eröffnung des Landes für Fremde und die dadurch bewirkte Förderung der Civilisation. Auch das Beispiel der ehemaligen span. Kolonien in Südamerika [* 19] blieb nicht ohne Einfluß auf die Stimmung. Ein in Pernambuco im April 1817 ausgebrochener, aber bald unterdrückter republikanischer Aufstand war der Vorläufer der nunmehr folgenden Ereignisse. Die aufrührerischen portug. Truppen ertrotzten die Ausdehnung der im Aug. 1820 in Lissabon [* 20] erzwungenen Konstitution (s. Portugal) auf und beschwor sie der Kronprinz Dom Pedro für sich und seinen Vater.
Am schiffte sich Johann VI. nach Portugal ein, indem er Dom Pedro als Prinz-Regenten zurückließ. Die portug. Cortes, dem Beispiele der spanischen von Cadiz [* 21] folgend, versagten den brasil. Deputierten den Zutritt und verlangten, daß Brasilien sich wie früher als abhängige Kolonie solle ¶
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regieren lassen. Schon war die brasil. oder nationale Partei so mächtig, daß man eine Unabhängigkeitserklärung befürchten mußte. Der Prinz-Regent, der den ernsten Willen hatte, das Land vor Anarchie zu schützen, weigerte sich durch die Erklärung vom dem Befehle zur Rückkehr nach Lissabon Folge zu leisten, und zwang die portug. Truppen, Brasilien zu verlassen. Er berief im Juni eine Nationalversammlung ein behufs Entwerfung einer Verfassungsurkunde und nahm, nachdem die Trennung B.s vom Mutterlande ausgesprochen worden war, 18. Dez. die ihm angetragene Kaiserwürde an. Inzwischen hatte sich aber auch der republikanische Geist immer weiter verbreitet; umsonst versuchten die Brüder Andrada (s. d.), Minister des Kaisers, durch Verschmelzung der republikanischen mit der portug. Partei sich festen Rückhalt zu schaffen.
Ihre Entlassung bedeutete für die brasil. Partei einen Triumph, zumal kurz vorher die noch vorhandenen portug. Truppen durch Waffengewalt gezwungen worden waren, sich einzuschiffen, und brasil. Regimenter sowohl Montevideo [* 23] im Dez. 1822 als Bahia im Juli 1823 erobert hatten. Dom Pedro bemühte sich vergeblich, dem neuen Reiche nach außen Ansehen zu verschaffen; er konnte nicht einmal die Anerkennung desselben in Europa [* 24] erlangen. Die Herstellung der absoluten Königsgewalt in Portugal durch die Revolution vom Mai 1823 erfüllte die Brasilier mit größtem Mißtrauen gegen die unter ihnen lebenden Portugiesen, die zum Teil in der Verwaltung und im Heere bedeutende Stellen einnahmen, und veranlaßte eine entschiedene Erklärung gegen die Wiedervereinigung mit dem Mutterlande. Es kam zu Reibungen zwischen den Parteien, und die Presse [* 25] reizte das Volk so auf, daß in Rio 10. Nov. ein Tumult ausbrach, der die Minister zwang abzudanken.
Der Kaiser ließ Truppen gegen Rio vorrücken, wo sie den Versammlungsort des Kongresses umzingelten und die Abgeordneten zwangen, dem Auflösungsdekrete Folge zu leisten. Einige Wochen später berief Dom Pedro eine neue Nationalversammlung und legte derselben 11. Dez. einen Verfassungsentwurf vor, der beschworen wurde. Dieses äußerst liberale Grundgesetz legte eine ungewöhnliche Macht in die Hände der Abgeordneten, beraubte sogar den Kaiser eines absoluten Veto und hob alle Vorrechte auf.
Das Volk zeigte sich jedoch nicht befriedigt; in Pernambuco brach ein Aufstand aus, der erst nach Eroberung der Stadt sein Ende fand. Nach längern Unterhandlungen unter engl. Vermittelung wurde durch einen von Johann VI. genehmigten Vertrag B.s Unabhängigkeit vom Mutterlande und Dom Pedros Souveränität anerkannt, der Friede und der Verkehr wiederhergestellt, allein die Frage der Thronfolge nicht gelöst, die gleich nach dem Tode des Königs von Portugal Schwierigkeiten hervorrief. Da der Kaiser, laut der Konstitution, ohne Erlaubnis des Kongresses Brasilien nicht verlassen durfte, so trat er zwar die Regierung Portugals an, gab diesem Reiche ebenfalls eine liberale Verfassung, verzichtete aber zugleich auf die portug. Krone zu Gunsten seiner Tochter Donna Maria da Gloria. (S. Portugal.) Fortan ging die Thätigkeit Dom Pedros völlig in der Bekämpfung der anarchischen Zustände auf.
Das weite Land bedürfte vor allem einer geregelten Verwaltung, aber alle Versuche, eine solche zu schaffen, scheiterten an dem bösen Willen oder der Unfähigkeit der Brasilier. Die durch die republikanische Partei genährte Unzufriedenheit mit den Zuständen zeigte sich auch in der immer deutlicher hervortretenden Neigung zu provinzieller Sonderung. Am meisten schadete der Regierung ein kostspieliger und unglücklicher Krieg gegen die La-Platastaaten (1825-28, s. Uruguay), und geradezu gefährlich wurde das zurückkehrende, meist aus Fremden bestehende Heer, welches wegen ausbleibender Löhnung im Lande raubte und plünderte, während eine in Rio stehende Abteilung in offenen Aufruhr ausbrach und erst durch die Besatzung der fremden Kriegsschiffe zur Ruhe gebracht wurde.
Die Erklärung des Kaisers, die Rechte seiner Tochter in Portugal mit Waffengewalt gegen den Usurpator Dom Miguel (s. d.) verteidigen zu wollen, erregte das Mißfallen der Brasilier, die eine Verwendung der brasil. Staatsmittel zu Gunsten des Familieninteresses Dom Pedros fürchteten und ohnehin in der zunehmenden Zahl fremder Offiziere Ursache zur Beschwerde fanden. Der Kongreß von 1829 bestand fast nur aus Oppositionsmännern und wurde 3. Sept. aufgelöst. Als dann eine neue Empörung ausbrach, dankte Dom Pedro am folgenden Tage zu Gunsten seines Sohnes ab und schiffte sich 13. April nach Europa ein.
Für den sechsjährigen Dom Pedro II. ernannten die Kammern eine Regentschaft, die, zwischen den Republikanern (Faroupilhas) und Monarchisten (Caramuros) stehend, sich nur mit Mühe zu erhalten vermochte. Der Plan der Regierung, in eine Föderativmonarchie umzuschaffen, scheiterte an den Kämpfen der Parteien in Pernambuco und Bahia. Häufig wechselten die Minister und die Glieder [* 26] der Regentschaft, da bald die eine, bald die andere Partei das Übergewicht gewann.
Ein Aufstand in Rio veranlaßte die Absetzung des d’Andrada e Silva, des bisherigen Erziehers des Kaisers, und brachte den Marquis de Itanhaem an seine Stelle. Am nahm der Kongreß aus eigener Machtvollkommenheit eine wichtige Änderung der Verfassung vor, durch die jede Provinz, nach dem Vorbilde der Vereinigten Staaten [* 27] Nordamerikas, einen Gesetzgebenden Körper erhielt, dessen Wirkungskreis sich auf alle politischen, kirchlichen und municipalen Einrichtungen erstreckte.
Für die Dauer der Unmündigkeit des Kaisers wurde ein Regent auf 4 Jahre gewählt, demgemäß Okt. 1835 die bisherige Regentschaft entlassen und Diego Antonio Feijo zum alleinigen Regenten des föderativen Kaisertums ernannt. Diese neue Verfassung rettete wenigstens die bedrohte Einheit des Reichs und die Erblichkeit der Monarchie und fand in der Hauptstadt und einigen Provinzen Beifall, regte aber in andern den Parteihaß um so mehr auf. In Para war im Jan. 1835 ein blutiger Aufstand ausgebrochen, der erst im Jan. 1836 von den Regierungstruppen mit Hilfe einer engl. Flotte unterdrückt wurde; ähnliche Unruhen ereigneten sich in Bahia. In Rio Grande do Sul erkannten 1837 nur noch die Hauptstadt und der Hafenort Porto-Alegre die Regierung an, während in den übrigen Gegenden der Provinz nach Vertreibung der Truppen die Unabhängigkeit proklamiert worden war. Feijo dankte schon im Sept. 1837 ab; ihm folgte, von den Deputierten erwählt, der zeitherige Kriegsminister Pedro Araujo de Lima. [* 28] Als er die Auflösung der Deputiertenkammer auszusprechen wagte, beseitigte ihn diese sofort, indem sie eigenmächtig den jungen Kaiser für volljährig erklärte. Am ¶
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übernahm demzufolge der 15jährige Dom Pedro II. persönlich die Regierung. Die Brüder Andrada, welche diese Revolution veranlaßt hatten, wurden wieder zu Ministern ernannt. Sie hielten sich aber nur bis zum weil sie, dem Republikanismus zugeneigt, der Unterstützung der sog. portug. oder aristokratischen Partei entbehrten, in deren Händen vorzugsweise das Geld des Landes und somit das einzige Mittel lag, die Anhänglichkeit der Beamten und der Truppen zu sichern. Es gelang der Regierung nicht, die Sicherheit im Innern herzustellen und die immer wachsende Finanznot zu mildern.
Fortwährend hatte man mit Empörungen im Norden [* 30] und Süden des Reichs zu kämpfen, die erst 1845 ein Ende nahmen. Zwistigkeiten mit Nordamerika [* 31] und England, mit letzterm besonders wegen Erneuerung des 1845 erloschenen Vertrags über das Durchsuchungsrecht der brasil. Schiffe [* 32] sowie wegen Abschluß eines neuen Handelsvertrags, zogen sich durch die nächstfolgenden Jahre. Trotz des England vertragsmäßig zustehenden und mit der größten Strenge geübten Durchsuchungsrechts war es nämlich den Sklavenschiffen gelungen, jahraus jahrein 50000 Sklaven in den unzähligen Buchten einer 3700 km langen unbewachbaren Küste zu landen.
Diesem Zustande nun ein Ende zu machen war die vom engl. Parlament beschloßene Bill Aberdeen [* 33] bestimmt, indem sie für die engl. Kreuzer das Recht in Anspruch nahm, Sklavenschiffe bis in die brasil. Gerichtsbarkeit unterworfenen Küstengewässer zu verfolgen. Die brasil. Regierung nahm, um der Ausführung dieser Gewaltmaßregel vorzubeugen, nunmehr die Unterdrückung des Sklavenhandels selbst energisch in die Hand, [* 34] sodaß die Sklaveneinfuhr in wenigen Jahren ganz aufhörte. Zu gleicher Zeit machten die Bestrebungen des Diktators der Argentinischen Konföderation, Rosas (s. d.), die Beibehaltung einer kostspieligen Armee nötig.
Doch genoß Brasilien im allgemeinen, einige Sklavenaufstände abgerechnet, mehrere Jahre der Ruhe. Infolge der europ. Februarrevolution von 1848 kam es dann im Juni in Pernambuco zu einem Aufstand, der nur mit Mühe im Mai 1849 vorläufig unterdrückt wurde. Seit 1850 begannen die auswärtigen Angelegenheiten B.s immer schwieriger zu werden. Zwar kam im Juli 1850 eine Übereinkunft über die Durchsuchung der Schiffe mit England zu stande. Dagegen wurden die Zustände an der Südgrenze des Reichs immer mehr gefahrdrohend.
Rosas und dessen Parteimann General Oribe hatten Uruguay verwüstet, Paraguay bedrängt und die Interessen B.s stark gefährdet. Von der Kammer ermächtigt, ausländische Truppen zu werben, sandte die Regierung den frühern Kriegsminister Barros als Kommissar nach Deutschland, [* 35] der aus den Trümmern der schlesw.-holstein. Armee im Frühjahr 1851 etwa 2000 Mann zusammenbrachte und als Deutsch-Brasilische Legion nach Brasilien überführte. General Caxias wurde an die Spitze der brasil. Armee gestellt, Admiral Grensell zum Befehlshaber der Flotte ernannt, und mit Urquiza, dem Gouverneur der argentin.
Provinz Entre-Rios, schloß man zu gemeinschaftlicher Operation gegen Rosas einen Vertrag. Im Juli 1851 wurde der brasil. Gesandte aus Buenos-Aires abberufen und durch den Übergang Urquizas über den Uruguay 20. Juli der Krieg gegen Buenos-Aires eröffnet. Urquiza wurde von den Landeseinwohnern freudig empfangen und sah sich bald durch den Übertritt zahlreicher Truppen verstärkt. Durch die geschickten Bewegungen Urquizas einerseits, der brasil. Flotte auf dem Parana andererseits sowie durch das Vorrücken der brasil. Hauptarmee in der Front und im Rücken bedroht, mußte der argentin.
General Oribe 2. Sept. die Belagerung von Montevideo aufgeben und Anfang Oktober kapitulieren. Brasilien schloß jetzt mit Paraguay, Corrientes, Entre-Rios und Uruguay ein Schutz- und Trutzbündnis und schickte dem General Urquiza Verstärkungen zu. Dieser brach von Montevideo auf, rückte mit 23000 Mann in Eilmärschen gegen Buenos-Aires vor und trug in dessen Nähe, bei Monte-Caseros, über die Armee des Diktators einen Sieg davon, der den Krieg zu Gunsten B.s entschied und Rosas stürzte.
Nach dem Kriege nahm Brasilien einen gewissen Aufschwung. Der Handel hob sich, die Finanzlage verbesserte sich; mit Peru wurde ein Schiffahrts- und Grenzberichtigungsvertrag geschlossen, die Regierung nahm einige dringend notwendige Straßenbauten in Angriff, es bildete sich eine Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Amazonenstrom, [* 36] und es wurden Anläufe zur Verbesserung des Volksschulunterrichts und der Armee-Einrichtungen gemacht. Vor allem aber wandte man der Herbeiziehung von Einwanderern und dem Gedeihen ihrer Ansiedelungen neue Aufmerksamkeit zu. Seit der 1825 erfolgten Gründung der deutschen Kolonie San Leopoldo in der Provinz Rio Grande do Sul unweit Porto-Alegre war nämlich in der brasil. Kolonisation für längere Zeit ein Stillstand eingetreten.
Die Unterdrückung des Sklavenhandels, die einen empfindlichen Mangel an Arbeitskräften im Lande zur Folge hatte, rückte nun die Kolonisationsfrage wieder in den Vordergrund der Interessen B.s. Ein 1850 neu eingesetztes Generallandamt suchte die Kolonisation durch Unterstützung teils schon bestehender, teils neu zu gründender Ansiedelungsunternehmungen zu fördern, und zu den am besten gedeihenden gehörten die in dieser Zeit mit deutschen Auswanderern in der Provinz Sta. Catharina gegründeten Dona-Francisca (s. d.) und Blumenau (s. d.). 1853 wurde die Bank von Brasilien mit einem Stammkapital von 30 Mill. Milreïs gegründet und der Bau von Eisenbahnen begonnen, der jedoch einen äußerst langsamen Fortgang genommen hat.
Eine Meinungsverschiedenheit zwischen und Paraguay, die durch das vom Präsidenten dieser Republik ausgegangene Verbot der Schiffahrt fremder Handels- und Kriegsfahrzeuge auf dem Paraguay veranlaßt war, führte die Absendung eines brasil. Geschwaders unter Ferreira de Oliveira herbei, hatte aber keine kriegerische Verwicklung zur Folge. 1855 wurde der vom Ministerpräsidenten Parana vor die Kammern gebrachte Entwurf einer wichtigen Wahlgesetzänderung durch die Unterstützung der liberalen Partei angenommen.
Kurz nach Paranas Tode, im Frühjahr 1857, kam ein Koalitionsministerium unter dem Marquis de Olinda ans Ruder. In demselben Jahre wurde ein von der Regierung mit reichen Mitteln ausgestatteter Kolonisations-Centralverein in Rio de Janeiro gegründet. Die von ihm übernommene Verpflichtung, innerhalb 5 Jahren 50000 Kolonisten in Brasilien einzuführen, vermochte der Verein aber nicht zu erfüllen, weil eine immer zunehmende Abneigung gegen das auf den großen Gütern herrschende Halbpacht-(Parceria) System bei der für die Auswanderung in Betracht kommenden europäischen, namentlich deutschen und schweiz. Bevölkerung [* 37] Platz gegriffen hatte. Um die ¶
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Einwanderung zu befördern, wurde ein Gesetz erlassen, wonach die von nichtkath. Geistlichen nach dem Ritus ihres Glaubensbekenntnisses und unter ihren Glaubensgenossen in Brasilien geschlossenen Ehen alle bürgerlichen Wirkungen der kath. Ehen haben sollten. Nachdem Olinda einige Jahre von der Leitung der Staatsgeschäfte zurückgetreten war und während dieser Zeit mehrere Ministerien in rascher Folge gewechselt hatten, trat er abermals an die Spitze eines Kabinetts, das sich alsbald in einen schweren Konflikt mit England verwickelt sah.
Infolge der Verhaftung von 3 engl. Seeoffizieren, die sich am Lande ungebührlich betragen hatten, nahm der engl. Admiral Warren im Jan. 1863 fünf brasil. Kauffahrer auf der Reede von Rio in Beschlag und forderte Genugthuung von der brasil. Regierung. Das Ministerium Olinda verweigerte diese nicht nur, sondern verlangte seinerseits von der engl. Regierung eine Entschädigung und rief schließlich den König der Belgier als Schiedsrichter an, der im Juni die Erklärung abgab, daß durch die Verhaftung jener Offiziere eine Beleidigung Englands nicht stattgefunden habe.
Das engl. Kabinett weigerte sich jedoch, den Schiedsspruch anzuerkennen, was zur Folge hatte, daß von beiden Seiten die diplomat. Beziehungen abgebrochen wurden. Erst Dez. 1865 wurden sie durch Vermittelung Portugals wieder angeknüpft. In demselben Jahre wurde Brasilien durch Unruhen in den Nachbarrepubliken in einen mehrjährigen Krieg mit Paraguay verwickelt. Durch den Einfall des alten Führers der Colorados (s. Uruguay), des Generals Venancio Flores (s. d.), von der Argentinischen Republik aus wurde in Uruguay der Bürgerkrieg aufs neue angefacht und machte die bewaffnete Einmischung der Nachbarstaaten bald wieder nötig.
Der Präsident Lopez von Paraguay ergriff für die in Uruguay besiegte rechtmäßige Regierung Partei und schritt nach der Einmischung B.s in die Angelegenheiten Uruguays zu Feindseligkeiten gegen das Kaiserreich, indem er ohne Kriegserklärung in die brasil. Provinz Mato-Grosso einfiel. Durch einen geheimen Vertrag vom verpflichteten sich die Regierungen von Brasilien, der Argentinischen Republik und Uruguay, den Krieg nicht eher aufzugeben, als bis Lopez besiegt und gestürzt sein würde.
Durch den erfolgten Tod von Lopez erreichte der Krieg sein Ende, der Brasilien, das erst 2 Jahre vorher eine schwere Geldkrise hatte überstehen müssen, ungeheure Opfer an Geld und Menschen gekostet hatte. (S. Paraguay.) Dessenungeachtet war der Krieg im ganzen populär, da es galt, für Brasilien die ungestörte Schifffahrt auf dem Stromsystem des La-Plata sowie seine Großmachtstellung in Südamerika zu sichern; denn auf jede Gebietsvergrößerung hatte es von vornherein verzichtet.
Als es mit der Zeit immer schwieriger wurde, das brasil. Heer in Paraguay zu vervollständigen, hatte Kaiser Pedro II. allen Sklaven auf den Domänen der Civilliste, die in das Heer eintreten wollten, für sich und ihre Familien die Freiheit gewährt Dies fand Nachahmung; es wurde Geld gesammelt, um Sklaven loszukaufen und sie dann als Rekruten einzustellen. Ein Gesetz vom erklärte die Staatssklaven und dann die Kinder von Sklavinnen, die vom Datum dieses Gesetzes an geboren würden, für frei; ferner wurden Bestimmungen in betreff der Erziehung und Verpflegung jener Kinder während ihrer Minderjährigkeit getroffen, und allen übrigen Sklaven der Erwerb von Vermögen und das Recht sich freizukaufen eingeräumt.
Außerdem wurde ein Staatsfonds gebildet, dessen Erträge ebenfalls zum Loskauf von Sklaven bestimmt waren. Als 1873 mehrere Bischöfe unter Berufung auf ein päpstl. Breve sich weigerten, an Freimaurern und deren Kindern religiöse Handlungen vorzunehmen, klagte die Freimaurerloge beim Ministerium; der Staatsrat entschied, daß kein Geistlicher das Recht zu einer in das Staatsrecht eingreifenden Verordnung habe, ohne das Placet der Regierung eingeholt zu haben, und daß keine gegen die Freimaurer ergriffene kirchliche Censur oder Strafmaßregel bürgerliche Gültigkeit habe.
Der Bischof d’Olindo von Pernambuco, der sich weigerte, die über die Freimaurer verhängte Exkommunikation zurückzunehmen, wurde 1874 zu 4 Jahren Zuchthaus wegen Ungehorsams gegen die Staatsgesetze verurteilt, doch vom Kaiser zu einfacher Gefängnishaft begnadigt. Als der päpstl. Nuntius und der Bischof von Para gegen das Vorgehen der Staatsgewalt protestierten, wurde auch dieser letztere verhaftet. Die Klerikalen schürten so lange, bis es in einigen Provinzen zu tumultuarischen Auftritten kam, wogegen die Regierung mit militär. Maßregeln einschritt. Äm wurde durch Beschluß beider Kammern den naturalisierten Nichtkatholiken die Wählbarkeit zum Reichsparlament und zu den Provinzialversammlungen zugestanden und gleichzeitig die Naturalisation erleichtert.
Die parlamentarische Geschichte B.s von 1865 bis 1889 mit ihren häufig wechselnden Ministerien weist keine wichtigern Ereignisse auf, ausgenommen die Verhandlungen über Abschaffung der Sklaverei, die 1884 wieder auf die Tagesordnung trat. Durch das gerade 14 Jahre nach der ersten Befreiung von 1871, erlassene Gesetz, während welcher Zeit die Zahl der Sklaven auf 1 350000 im ganzen Reich zurückgegangen war, wurde bestimmt, daß die Sklaverei allmählich ganz abgeschafft und diejenigen Sklaven, die über 60 J. alt waren, sofort für frei erklärt werden sollten.
Die übrigen Sklaven sollten, je nach ihrem Alter und Wert in verschiedene Klassen geteilt, spätestens nach 17 Jahren alle frei sein. Die Sklavenhalter sollten entschädigt und die hierfür nötigen Gelder durch Erhebung einer Steuer von 5 Proz. von allen öffentlichen Einkünften, mit Ausnahme der Ausfuhrsteuer, gewonnen werden. Nach der Freilassung sollten die Sklaven noch 3 Jahre bei ihren seitherigen Herren um geringen Lohn arbeiten, damit sie sich an die neuen Lebensverhältnisse gewöhnen könnten.
Die so sich allmählich vollziehende gänzliche Aufhebung der Sklaverei that den Heißspornen nicht genug. Durch Gesetz vom (unter dem Ministerium Oliveira) wurde die Sklaverei in Brasilien vom Datum des Gesetzes an für abgeschafft erklärt. Diese Maßregel rief namentlich bei den Pflanzern großes Mißvergnügen hervor, wie überhaupt die Aufhebung der Sklaverei im ganzen Reiche viel böses Blut machte. Die Gärung wuchs durch die Unzufriedenheit mit der straff centralisierten Verwaltung der Provinzen und durch den Hinblick auf die übrigen sämtlich republikanischen Staaten Südamerikas. Auch die Truppen wurden von der Mißstimmung ergriffen. Als nun Nov. 1889 Vorbereitungen getroffen wurden, einige Bataillone von Rio de Janeiro an die Grenze zu verlegen und die Nationalgarde zu reorganisieren, vermutlich in der Absicht, der unbeliebten Gräfin d’Eu, ¶
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der Tochter des Kaisers, die Thronfolge zu sichern, weigerte sich ein Bataillon, Rio zu verlassen. Andere Truppen fraternisierten mit den Aufständischen, die Minister wurden verhaftet, und der alte Kaiser nebst seiner Familie in der folgenden Nacht auf Befehl des Marschalls Deodoro da Fonseca (s. d.), Chefs der neuen parlamentarischen Regierung, an Bord eines Dampfers gebracht und gezwungen, nach Europa abzureisen. Die Republik war bereits ausgerufen.
Eine vom 18. bis 20. Dez. in Rio entstandene Gegenbewegung wurde niedergeschlagen. Die neue Regierung, an deren Spitze Fonseca trat, gewährte 21. Nov. allen Brasiliern, die lesen und schreiben können, das Wahlrecht, veröffentlichte den Entwurf einer Konstitution der Vereinigten Staaten von Brasilien, schrieb die Wahlen für eine konstituierende Versammlung auf den aus und verkündete die Trennung der Kirche vom Staat. Die Wahlen fielen infolge amtlicher Wahlbeeinflussung zu Gunsten der Regierung aus, und der 15. Dez. zusammentretende Kongreß nahm den vorgelegten Verfassungsentwurf mit einzelnen Linderungen endgültig an. Doch hatte gegen General Fonseca bald Mißstimmung Platz gegriffen, sodaß er nur mit geringer Majorität zum Präsidenten gewählt wurde.
Der neue Zustand fand die Anerkennung der fremden Mächte, doch erwies sich Fonsecas Herrschaft nicht von langer Dauer. Die finanzielle Mißwirtschaft, bei der sich die Günstlinge des Präsidenten durch Schwindelgründungen bereicherten, die zahlreichen, ungenügend gedeckten Papiergeldemissionen, die den Kredit des Landes vernichteten und eine ungeheure Preissteigerung hervorbrachten, sowie ein ungünstiger Handelsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika [* 40] erregten eine außerordentliche Verstimmung, die endlich in einem Konflikt mit dem Kongreß zum Ausbruch kam.
Als Fonseca gegen ein vom Kongreß beschlossenes Gesetz sein Veto einlegte, erklärte dieser das Veto für ungültig, worauf der Präsident Nov. 1891 ohne gesetzliche Berechtigung den Kongreß auflöste und den Belagerungszustand über Rio verhängte. Mehrere der Föderativstaaten erhoben sich und drohten mit Lossagung von der Union, darunter namentlich Rio Grande do Sul (s. d.), falls Fonseca nicht von der angemaßten Diktatorstellung zurückträte. Diesem Verlangen schlossen sich 23. Nov. auch die Marine und ein Teil des Landheers unter den Admiralen Custodio de Mello und Wandenkolk an, und um den Bürgerkrieg zu vermeiden, legte Fonseca seine Vollmachten in die Hände des Vicepräsidenten Generals Floriano Peixoto nieder.
Gerade in dieser Zeit, wo die Wiederherstellung des Kaisertums in Brasilien nicht unmöglich erschien, starb 5. Dez. der Kaiser Dom Pedro in Paris. [* 41] Auch unter Peixoto kam das Land nicht zur Ruhe; hier und da entstanden in den Einzelstaaten Aufstände, namentlich 1892 und 1893 in Mato Grosso und Rio Grande do Sul. In Rio de Janeiro selbst erhob sich die Marine unter Admiral Custodio de Mello, als Peixoto eine Vorlage, der zufolge ein Vicepräsident nicht Präsident der Republik sollte werden dürfen, mit seinem Veto belegte, und die Flotte in der Bai von Rio begann 14. Sept. ein Bombardement auf die Hauptstadt und die Forts. Im November gelang es Mello auf dem Panzerschiff [* 42] Aquidaban die Bai zu verlassen, um den Aufstand in den südl. Staaten zu organisieren, während Saldanha da Gama den Befehl in der Bai führte.
Inzwischen hatte Peixoto in den Vereinigten Staaten Schiffe ankaufen und ausrüsten lassen und als diese in der Bai von Rio eintrafen, unterwarfen sich die Aufständischen: da Gama flüchtete auf ein portug. Kriegsschiff. Auch de Mello konnte im Süden keine Erfolge erringen, und er ergab sich, als der Aquidaban bei Desterro von einem Torpedoboot in den Grund gebohrt worden war, mit dem Rest seiner Leute 16. April in Buenos-Aires den argentin. Behörden. Noch während des Aufstandes war 1. März Prudente de Moraes für den Amtstermin des zum Präsidenten der Republik gewählt worden.
Litteratur.
Vgl. Southey, Histoy of Brasilien (3 Bde., Lond. 1810-19);
Constancio, Historia do Brasilien (2 Bde., Par. 1839);
von Varnhagen, Historia geral do Brasilien (Rio de Janeiro 1855);
Pereira da Silva, Historia da fundação do imperio brazileiro (6 Bde., ebd. 1864 fg.);
da Silva Lisboa, Historia dos principães successos politicos do imperio do Brasilien (20 Bde., ebd. 1826-30);
Handelmann, Geschichte von Brasilien (Berl. 1860);
Nowakowski und Flechner, Brasilien unter Dom Pedro II. (Wien [* 43] 1878);
Anfriso Fialho, Historia d’estbelecimento da republica «Estados unidos do Brasil» (Rio de Janeiro 1890).