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unter den übrigen zahlreichen stehenden Gewässern sind der Schwieloch-, der Scharmützel-, Müggel-, Ucker- und Ruppinersee, im ganzen etwa 600 Seen mit einer Wasserfläche von 580 qkm. Der Wasserreichtum begünstigte und erforderte Kanalanlagen. Unter diesen sind die vorzüglichsten der Finowkanal (57,85 km) zwischen Havel und Oder, der Friedrich-Wilhelms- oder Müllroser Kanal [* 2] (22,75 km) zwischen Spree und Oder, der Ruppiner Kanal (15,4 km) zwischen Havel und Ruppinersee, der Fehrbelliner oder Linumer Rhin (16,5 km), der große Hauptgraben oder Havelländische Hauptkanal, der Templiner (13,2 km), der Wentow (9,4 km), der Werbelliner (10,47 km), der Storkower (23,35 km), der Nottekanal (21,84 km), die Rüdersdorfer Schiffahrtsstraße (9 km) und der Neue Oderkanal, welcher letztere jetzt zum eigentlichen Bett [* 3] der Oder geworden ist, sowie verschiedene Kanäle durch und bei Berlin [* 4] (s. d., Bd. 2, S. 794 b). Im ganzen beträgt die Länge der schiffbaren Wasserstraßen 1586 km, darunter 304 km Kanäle, ist also bedeutender als in jeder andern preuß. Provinz.
Mineralreich. Der Boden liefert Torf, besonders bei Linum (von vorzüglicher Güte), bei Kremmen, Fehrbellin [* 5] u. s. w.; Braunkohlen (1890 3 724 720 t zu 1000 kg im Werte von 8 034 046 M.) bei Freienwalde, Buckow, Wriezen, Frankfurt, [* 6] Rauen, Zielenzig und andern Orten, Kalk vorzüglich bei Rüdersdorf, Gips [* 7] ebenda und in Sperenberg bei Zossen, Steinsalz bei Sperenberg, Lehm und Thon an vielen Orten, daher viele Ziegeleien (z. B. in Rathenow) [* 8] und Töpfereien. Eisen- und stahlhaltige Heilquellen von Ruf besitzt Freienwalde.
Bevölkerung. [* 9] Die Provinz hat (1890) 2 541 783 (1 256 712 männl., 1 285 071 weibl.) E., 256 140 bewohnte, 3576 unbewohnte Wohnhäuser, [* 10] 4803 andere bewohnte Baulichkeiten, 567 274 Haushaltungen und 2151 Anstalten für gemeinsamen Aufenthalt mit 68 825 Insassen; davon entfallen auf die 135 Städte 978 664 (485 236 männl., 493 428 weibl.) E., 71 067 bewohnte, 937 unbewohnte Wohnhäuser, 2150 andere bewohnte Baulichkeiten, 230 522 Haushaltungen und 1150 Anstalten; auf die 3153 Landgemeinden 1 343 020 (662 432 männl., 680 588 weibl.) E., 165 690 bewohnte, 2054 unbewohnte Wohnhäuser, 1896 andere bewohnte Baulichkeiten, 294 225 Haushaltungen und 804 Anstalten, und auf die 2016 Gutsbezirke 220 099 (109 044 männl., 111 055 weibl.) E., 19 383 bewohnte, 585 unbewohnte Wohnhäuser, 757 andere bewohnte Baulichkeiten, 42 527 Haushaltungen und 197 Anstalten. Der Konfession nach waren 2 431 307 Evangelische, 89 910 Katholiken, 6572 sonstige Christen, 13 775 Israeliten und 219 andere. Der Staatsangehörigkeit nach waren (1890) 2 536 527 Reichsangehörige, 5213 Reichsausländer und 43 andere. Der Nationalität nach sind die Bewohner deutsch, mit Ausnahme von 38 245 Wenden in der Niederlausitz und 15 508 Polen.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kommen (1883) auf Ackerland, Gartenland und Weinberge 1 839 878, auf Wiesen 402 847, auf Weiden, Hutungen, Öd- und Unland 199 481, auf Haus- und Hofräume, Wege, Gewässer u. s. w. 246 443 und auf Forsten und Holzungen 1 294 660 ha. Die Hauptprodukte des Ackerbaues sind Gerste [* 11] und Roggen; daneben zeichnen sich durch Weizenbau vorzüglich die Ukermark, der Oderbruch, die Gegenden von Cüstrin, [* 12] Landsberg [* 13] a. d. Warthe, Sonnenburg u. s. w. aus.
Der schlechte Sandboden, wie bei Beeskow, Storkow u. s. w., liefert Buchweizen und Teltower Rüben. Hafer, [* 14] Hirse, [* 15] Hülsenfrüchte, namentlich Erbsen, werden zur Genüge, von Futterkräutern Luzerne und Lupine mehr als in den andern Provinzen gewonnen. Kartoffeln baut man viel zur Nahrung und zur Branntweinbrennerei, desgleichen Runkelrüben, namentlich im Oderbruch, zur Versorgung der Zuckersiedereien. Ferner wird erzeugt Hanf und Flachs, Krapp und Waid, sowie, besonders auf den größern Gütern, Raps und Rübsaat. Hopfen [* 16] wird produziert bei Buckow und anderwärts in der Mittelmark sowie in der Priegnitz und Neumark; Tabak [* 17] besonders in der Ukermark, die am meisten im ganzen Staate liefert, den besten bei Vierraden. Obst wird namentlich in Werder und Guben [* 18] gewonnen; die Gartenkultur steht sehr hoch. Der Ernteertrag belief sich 1890/91 auf 476 767 t (zu 1000 kg) Roggen, 72 676 t Weizen, 80 638 t Gerste, 2 231 313 t Kartoffeln, 219 848 t Hafer und 832 378 t Wiesenheu.
Der Viehstand ist nicht unbedeutend. Er umfaßte nach der Zählung vom 240 463 Pferde, [* 19] 691 636 Stück Rindvieh, 1 709 897 Schafe [* 20] (darunter 642 114 feine Wollschafe [Merinos] und 197 648 veredelte Fleischschafe). Bemerkenswert ist das Friedrich-Wilhelms-Gestüt zu Neustadt [* 21] a. d. Dosse mit dem Landbeschälerdepot zu Lindenau. Schafwolle liefert Brandenburg [* 22] unter allen preuß. Provinzen am meisten zur Ausfuhr, und die feinere zählt zu den besten der Welt. Zur Hebung [* 23] aller Zweige der Landwirtschaft und zur Bildung der Landwirte ist in Brandenburg außerordentlich viel geschehen.
Die von Thaer zu Mögelin gegründete Akademie des Landbaues ist nach 25jährigem Bestehen mit Rücksicht auf die Errichtung einer landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin aufgegeben worden. Ackerbauschulen bestehen auf Glichow bei Calau (seit 1845), zu Hansenfeld im Kreise [* 24] Lebus (seit 1847), eine königl. Gärtnerlehranstalt zu Potsdam, [* 25] eine landwirtschaftliche Schule zu Dahme. Erfolgreich wirken auch die landwirtschaftlichen Vereine. Landwirtschaftliche Centralvereine sind der Provinzialverein für die Mark und die Niederlausitz zu Potsdam, die Märkische ökonomische Gesellschaft daselbst und der Centralverein zu Frankfurt a. O. Die Waldungen, in deren Ausdehnung [* 26] Brandenburg keiner Provinz nachsteht und die vorherrschend aus Kiefern, doch vielfach auch, wie in der Ukermark und Priegnitz, aus Laubholz bestehen, liefern reichlich Holz, [* 27] auch als Handelsartikel.
Von Jagdwild sind besonders Dam- und Rothirsche, Rehe, Hasen, Wildschweine, Rebhühner, Wald- und andere Schnepfen, wilde Enten; [* 28] von zahmem Geflügel Gänfe, Enten, Truthühner und Tauben [* 29] zu nennen. Die Fischerei [* 30] war in der Zeit der Wenden und im Mittelalter eins der erheblichsten Gewerbe im Lande, und noch jetzt ist bei der großen Menge stehender und fließender Gewässer der Fischreichtum und der Fischfang von Wichtigkeit für die Bevölkerung. Bienenstöcke gab es 105 243 Stück, namentlich zeichnet sich durch deren Zucht die Stadt Sorau [* 31] nebst Umgebung aus, deren Wachslichte einen weiten Absatz haben. Die Seidenzucht, schon unter Friedrich d. Gr. durch Anlage von Maulbeerpflanzungen befördert, dann aber gänzlich verfallen, hat besonders durch den 1845 gegründeten Verein zur Beförderung des Seidenbaues in der Mark und Niederlausitz den ersten Anstoß zu einem ¶
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umfangreichern Betrieb erhalten; 1872 wurden 3243 Pfd. Cocons erzeugt.
Industrie, Gewerbe, Handel. Die Industrie, zu deren erster Hebung die Einwanderung fremder, besonders niederländ. und franz. Kolonisten sehr viel beigetragen, hat in neuerer Zeit einen außerordentlichen Aufschwung genommen. Außer Berlin sind die Hauptsitze verschiedener Gewerb- und Fabrikthätigkeit: Potsdam, Spandau, [* 33] Brandenburg, Rathenow (Brillen), Oranienburg, Eberswalde, [* 34] Prenzlau, [* 35] Luckenwalde, [* 36] Jüterbog, [* 37] Frankfurt, Landsberg, Sternberg, Sommerfeld, Cottbus, [* 38] Luckau, Finsterwalde, Calau (Schuhmacherei) und Sorau.
Die Provinz hat zahlreiche und bedeutende Wollspinnereien für Streichgarn, Tuchfabriken (Luckenwalde, Sommerfeld, Guben, Cottbus, Luckau), eine starke Leinenindustrie, Seidenfärbereien;
Fabrikation von Seiden- und Halbseidenzeugen, Posamentierwaren, Shawls, Tabak und Cigarren;
sehr bedeutende Baumwollwebereien, Baumwolldruckereien und Lederindustrie, viele Dampfmühlen, Maschinenbauanstalten, Bronzewarenfabriken;
Werke für Eisengußwaren und Roheisen, für Stabeisen, grobe Kupferwaren, für Messing (darunter das größte Messingwerk des Staates zu Hegermühle bei Eberswalde);
Glashütten und Fabriken für Porzellan, Thonwaren, [* 39] Chemikalien, Seife, Lichte, Öl, Wachstuch, Gold- und Silberwaren;
Appretur-, Preß-, Scher- und Walkanstalten.
Die Branntweinbrennerei, besonders von Kartoffeln, ist sehr bedeutend. 1889/90 waren im Betrieb 604 Brennereien, 1890,91: 573 Bierbrauereien und 14 Rübenzuckerfabriken, welche 2 276 463 Doppelzentner Rüben verarbeiteten. Handelskammern bestehen in Frankfurt a. O., Cottbus und Sorau.
Verkehrswesen. Sehr lebhaft ist der Verkehr der Provinz zu Wasser und zu Lande. Außer den schiffbaren zahlreichen Gewässern und Kanälen wurden (1887) 5363 km Kunststraßen und (1890) 2738,5 km Eisenbahnen befahren, und zwar laufen die meisten Linien in Berlin zusammen. (S. Preußische Eisenbahnen und Berlin, Verkehrswesen.) Oberpostdirektionen befinden sich in Potsdam und Frankfurt a. O.
Bildungs- und Vereinswesen. Die Provinz hat eine Forstakademie zu Eberswalde, eine Ritterakademie (Gymnasium) zu ein königl. Pädagogium (mit Waisenhaus) zu Züllichau, 22 Gymnasien (in Brandenburg 2, je 1 in Potsdam, Prenzlau, Neuruppin, [* 40] Spandau, Charlottenburg, [* 41] Eberswalde, Friedeberg i. d. Neumark, Fürstenwalde, [* 42] Schwedt [* 43] a. O., Wittstock, Freienwalde, Cottbus, Frankfurt, Guben, Cüstrin, Königsberg, [* 44] Landsberg, Luckau, Sorau), 7 Realgymnasien (Brandenburg, Frankfurt, Hauptkadettenanstalt Lichterfelde, Guben, Landsberg a. d. Warthe, Perleberg, [* 45] Potsdam), 4 Progymnasien (Forst [* 46] i. d. Lausitz, Groß-Lichterfelde, Crossen, [* 47] Steglitz), 1 Realschule (Potsdam), 11 Realprogymnasien (Charlottenburg, Forst i. d. Lausitz, Havelberg, [* 48] Cottbus, Crossen, Luckenwalde, Lübben, [* 49] Nauen, Rathenow, Spremberg, [* 50] Wriezen), 1 öffentliche höhere Bürgerschule (Strausberg), 1 Landwirtschaftsschule zu Dahme, 2 Privatlehranstalten zu Falkenberg i. d. Mark und Groß-Lichterfelde, zahlreiche höhere Töchter-, Mittel- und Elementarschulen.
Außerdem bestehen 2 Provinzialgewerbeschulen zu Potsdam und Frankfurt, 9 evang. Schullehrerseminare zu Cöpenick, [* 51] Kyritz, Oranienburg, Neuruppin, Alt-Döbern, Drossen, Friedeberg i.d. Neumark, Königsberg i. d. Neumark und Neuzelle, die Kadettenanstalten in Lichterfelde (Hauptkadettenanstalt des Preußischen Staates) und in Potsdam. Von Bedeutung ist die ständische Bibliothek des Markgrafentums Niederlausitz in Lübben. Wissenschaftliche Gesellschaften sind: der Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg, der sich 1838 zu Berlin bildete und durch die Herausgabe der «Märkischen Forschungen» (seit 1841, fortgesetzt seit 1888 u. d. T. «Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte») eine bedeutende Wirksamkeit entfaltete;
ferner der Historische Verein zu Brandenburg, der Historisch-Statistische Verein zu Frankfurt a. O., der Verein für die Geschichte Potsdams.
Verfassung und Verwaltung. Die Provinz zerfällt in die folgenden zwei Regierungsbezirke:
Regierungsbezirke | qkm | Städte | Landgemeinden | Gutsbezirke | Wohnstätten | Haushaltungen | Einwohner | pro qkm |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Potsdam | 20 638,82 | 70 | 1518 | 999 | 136802 | 316618 | 1404626 | 68 |
Frankfurt | 19 195,49 | 65 | 1643 | 1013 | 128250 | 254226 | 1137157 | 59 |
Die höchste Gerichtsbehörde der Provinz ist das Kammergericht zu Berlin, unter dem die 9 Landgerichte Berlin I und II, Cottbus, Frankfurt a. O., Guben, Landsberg a. d. Warthe, Potsdam, Prenzlau und Neuruppin mit insgesamt 102 Amtsgerichten stehen. Die evang. Provinzialkirche, zu welcher die Landeshauptstadt mitgehört, wird von drei Generalsuperintendenten und dem Konsistorium zu Berlin geleitet und ist in 77 Kirchenkreise geteilt, während die kath. Geistlichkeit unter dem Fürstbischof von Breslau [* 52] durch den Delegaten in Berlin steht. In betreff des Berg- und Hüttenwesens gehört Brandenburg nebst Pommern [* 53] und Sachsen [* 54] seit 1861 zum Oberbergamt zu Halle. [* 55]
Von den 433 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses wählt die Provinz 36 in 18 Wahlkreisen, zum Deutschen Reichstage 20 Abgeordnete. Militärisch bildet die Provinz den Ersatz- und Garnisonsbezirk des 3. Armeekorps (Generalkommando in Berlin, Kommando der 5. Division in Frankfurt a. O., der 6. Division in Brandenburg a. d. H.) und wesentlich den Garnisonsbezirk des Gardekorps (Generalkommando und Kommandos der 1. und 2. Infanterie- und der Kavallerie-Division sämtlich in Berlin).
Mediatisierte Reichsherrschaften enthält Brandenburg nicht, dagegen von früher nicht reichsunmittelbarem, aber befestigtem Grundbesitze, der zu einem erblichen Sitze im Herrenhause berechtigt, sieben Standesherrschaften (Baruth, Sonnenwalde, Pforten, Drehna, Staupitz, Lübbenau, Amtitz), eine Herrschaft (Neuhardenberg), zwei Majorate (Boitzenburg und Gorlsdorf) und einen alten Besitz (Ratzin und Mansfeld). Die frühern kommunalständischen Verbände werden infolge der Provinzialordnung vom durch den Provinziallandtag mit dem Sitz in Berlin ersetzt, zu welchem jeder Kreis [* 56] zu 50-100000 E. je drei, die übrigen Kreise je zwei Abgeordnete wählen. Das Wappen der Provinz ist ein roter Adler [* 57] in silbernem Felde (s. umstehende [* 32] Figur). Die Provinzialfarben sind Rot-Weiß. ¶
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Geschichte. Die jetzige Provinz Brandenburg bewohnten zu Anfang der christl. Zeitrechnung die Sueven und die Langobarden. In ihre infolge der Völkerwanderung verlassenen Sitze rückten slaw. Völker, die Liutizen, Heveller u. a., die Karl d. Gr. nur vorübergehend unterwarf; erst Heinrich I. gelang es, einen Teil des Landes tributpflichtig zu machen. Otto I. stiftete zur Befestigung des Christentums 946 und 949 die Bistümer Havelberg und Brandenburg, setzte Gero (s. d.) als Markgrafen der Ostmark ein, teilte aber nach dessen Tode 965 das von diesem verwaltete Gebiet in die Thüringer-, Ost-und Nordmark.
Letztere wurde 1134 vom Kaiser Lothar an Albrecht den Bären (s. d.) verliehen. Erst diesem Fürsten gelang es, der Herrschaft der wiederholt sich zusammenraffenden Wenden in diesen Gegenden ein Ende zu machen. Er erhob die Stadt Brandenburg zu seiner Residenz und wird schon seit 1136 vereinzelt, seit 1144 häufiger als Markgraf von Brandenburg genannt. Er unterwarf sich den westl. Teil der Mittelmark und die Priegnitz und zog Rhein- und Niederländer als Ansiedler dahin. Sein Nachfolger als Markgraf von Brandenburg ward 1170 sein Sohn Otto I., der 1182 zum erstenmal als Reichserzkämmerer vorkommt.
Otto starb 1184, und es folgte ihm sein schwacher Sohn Otto II., 1184-1205, der vom Erzstifte Magdeburg [* 59] seine Erbgüter in der Mark zu Lehn nahm. Mehr Kraft [* 60] entwickelte sein Bruder Albrecht II., 1205-29, der an den Kämpfen zwischen den beiden Gegenkönigen Deutschlands, [* 61] Otto IV. und Friedrich II., lebhaften Anteil hatte. Albrecht II. hinterließ bei seinem Tode zwei unmündige Söhne, Johann I. und Otto III., für die ihre Mutter Mathilde bis 1226 die vormundschaftliche Regierung führte.
Von 1226 bis 1258 regierten beide Brüder gemeinschaftlich. Von Kaiser Friedrich II. erhielten sie die Lehnshoheit über Pommern 1231, und zwangen 1236 den Herzog von Demmin [* 62] und 1250 den von Stettin, [* 63] dieselbe anzuerkennen. Von dem erstern gewannen sie das Land Stargard, [* 64] von dem letztern die Ukermark, sodaß der Herzog Mestwin im östl. Pommern sein Land als Lehn von Brandenburg hinnehmen mußte. Im Kampfe gegen den Markgrafen Heinrich den Erlauchten behaupteten die beiden fürstl.
Brüder sich 1244 in dem Besitze der Städte Cöpenick und Mittenwalde. Johann brachte bei seiner zweiten Vermählung mit Hedwig von Pommern die schon durch die Waffen [* 65] gewonnene Ukermark förmlich an sein Haus, während Otto als Pfand für die Mitgift seiner Gemahlin, der böhm. Prinzessin Beatrix, die Oberlausitz mit den Städten Bautzen, [* 66] Görlitz, [* 67] Lauban und Löbau [* 68] erhielt. Außerdem erhielten die beiden Brüder durch den Gegenkönig Wilhelm von Holland 1248 die Anwartschaft auf das Herzogtum Sachsen, und 1250 gelangten sie durch Kauf vom Herzog Boleslaw von Liegnitz [* 69] auch zur Oberhoheit über das Bistum Lebus. (Vgl. Riedel, Die Mark Brandenburg im J. 1250, 2 Bde., Berl. 1831-32.) Den Polen entriß Johann das Land an der Warthe, wo er 1257 die Stadt Landsberg gründete.
Die Brüder teilten 1258; Stendal [* 70] und Salzwedel [* 71] wurden die neuen Regierungssitze der beiden Linien, die Hauptstadt Brandenburg dagegen und die Lehnshoheit über die Bistümer und Havelberg blieben gemeinschaftlich. Die Regierung war eine höchst segensreiche. Viele neue Städte, wie Frankfurt a. O., Neubrandenburg, [* 72] Bärwalde, Friedland, Königsberg i. d. Neumark u. s. w., wahrscheinlich auch Berlin und Kölln a. d. Spree, wurden von ihnen gegründet. Johann I., gest. 1266, wurde der Stifter der ältern Brandenburgisch-Askanischen Linie zu Stendal, Otto III., gest. 1267, der Stifter der jüngern Linie zu Salzwedel.
Beide Linien erloschen aber bald, die jüngere 1317, die ältere 1320. Die bedeutendsten Fürsten dieser Dynastie, unter der 1269 die Lehnshoheit über Pommerellen erworben und 1291 die Mark Landsberg bei Halle von dem Thüringer Landgrafen Albrecht dem Entarteten gekauft wurde, waren Hermann und der auch als Minnesänger bekannte Otto IV. mit dem Pfeile, die 1303 von dem Markgrafen Diezmann von Meißen [* 73] die Niederlausitz kauften, und der kriegerische Waldemar (s. d.) seit Ottos Tode, 1308-19. Der letztere erweiterte Brandenburg gegen Sachsen und Schlesien [* 74] und bezeichnet einen vorläufigen Abschluß der Blüte [* 75] des brandend. Staates. Der letzte des märk. Zweigs der Askanier war Heinrich der Jüngere, der 1320 unvermählt starb.
[* 58] ^[Abb.]
Nach dreijährigen innern Wirren kam Brandenburg 1323 an das Haus Wittelsbach, indem Ludwig der Bayer die Markgrafschaft seinem Sohne Ludwig dem Ältern (s. d.) verlieh, der erst nach langen Kämpfen mit den benachbarten Fürsten und mit übermütigen Vasallen in ihren Besitz gelangen konnte. Durch seine Verheiratung mit Margareta Maultasch, die ihm Tirol [* 76] zubrachte, entfremdete er sich dem Interesse B.s dermaßen, daß er 1351 die Marken seinen Brüdern, Ludwig dem Römer [* 77] und Otto dem Faulen, überließ. (Vgl. G. W. von Raumer, Die Neumark Brandenburg im J. 1337, Berl. 1837.) Veranlassung dazu gaben ihm auch insbesondere die Wirren, die seit 1348 der sog. falsche Waldemar (vgl. Klöden, Diplomat. Geschichte des Markgrafen Waldemar, 4 Bde., Berl. 1844-45) erregte, der sich für den verstorbenen Markgrafen Waldemar ausgab.
Ludwig der Römer und Otto, unter denen 1356 Brandenburg durch die Goldene Bulle zum Kurfürstentum erhoben wurde, schlossen 1363 mit Kaiser Karl IV. und dem luxemb. Hause eine Erbverbrüderung, wodurch letzteres das Recht der Nachfolge in der Kurmark erhielt. (Vgl. Die Erwerbung der Mark Brandenburg durch das luxemb. Haus [anonym; von Riedel], Berl. 1840.) Otto, seit 1365 alleiniger Herr der Mark, ein träger und verschwenderischer Fürst, verkaufte dem Kaiser 1368 die Niederlausitz, die dieser mit Böhmen [* 78] vereinigte, und schon 1373 ward er von demselben genötigt, die Kurmark völlig abzutreten, die damit an das Haus Luxemburg [* 79] kam.
Zunächst erhielt sie Karls IV. Sohn Wenzel und nach dessen Tode, 1378, sein jüngerer Bruder Sigismund, der sie aber, vom einheimischen Adel, besonders den Quitzows, hart bedrängt und von Schuldenlast genötigt, 1388 seinem Vetter, dem Markgrafen Jobst von Mähren (s. Jodocus) verpfändete. Jobst aber konnte der innern Zerrüttung des Landes so wenig als sein Statthalter Einhalt thun. Nach seinem Tode 1411 fiel die Kurmark an Sigismund zurück, der zu derselben Zeit zum König erwählt worden war. Sigismund hatte 1402 die Neumark an den Deutschen Orden [* 80] verkauft und setzte nun den Burggrafen von Nürnberg, [* 81] Friedrich VI. aus dem Hause Hohenzollern, [* 82] mittels einer ¶
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Urkunde, datiert Ofen zu «einem rechten obersten und allgemeinen Verweser und Hauptmann» in den brandenb. Landen ein und übertrug ihm alle markgräfl. Gewalt mit Ausnahme der Kur. (Vgl. Riedel, Zehn Jahre aus der Geschichte des Ahnherrn des preuß. Königshauses, Berl. 1851.) Durch Urkunde, datiert Konstanz [* 84] wurde dem Burggrafen auch die brandenb. Kurwürde und das Erzkämmereramt erblich mit dem Vorbehalt der Wiedereinlösung gegen 400000 Goldgulden verliehen, und erhielt er auf dem Konzil zu Konstanz die feierliche Belehnung, ohne daß von dem kaiserl. Wiederkaufsrecht weiter die Rede war, worauf er sich als Kurfürst von Brandenburg Friedrich I. nannte. Von hier an beginnt die eigentliche Entstehung und Entwicklung des preuß. Staates. (S. Preußen [* 85] [Königreich], Geschichte.)
Litteratur. Küster, Bibliotheca historica Brandenburgensis (Bresl. 1743), nebst Accessiones (2 Bde., Berl. 1766), und dessen Collectio opusculorum historiam marchicam illustrantium (2 Bde., ebd. 1731-33);
Raumer, Codex diplomaticus Brandenburgensis (2 Bde., ebd. 1831 - 33) und dessen Regesta historiae Brandenburgensis (Bd. 1, ebd. 1836);
Riedel, Codex diplomaticus Brandenburgensis (41 Bde., ebd. 1838 - 68).
Über die älteste Geschichte und Verfassung der Kurmark Brandenburg, insbesondere der Altmark und Mittelmark (von Raumer; Zerbst [* 86] 1830); Riedel, Diplomat. Beiträge zur Geschichte der Mark Brandenburg (Berl. 1833); Zimmermann, Beitrag zur Geschichte der märkischen Städte (ebd. 1837); Bassewitz' zum Teil anonym erschienene Werke: Die Kurmark Brandenburg, ihr Zustand und ihre Verwaltung unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges im Okt. 1806 (Lpz. 1847), Die Kurmark Brandenburg im Zusammenhang mit den Schicksalen des Gesamtstaates während der Zeit vom bis zu Ende des J. 1808 (2 Bde., ebd. 1851 - 52) und Die Kurmark Brandenburg im Zusammenhang mit den Schicksalen des Gesamtstaates Preußen während der J. 1809 und 1810 (hg. von Reinhard, ebd. 1860); F. Voigt, Geschichte des brandenb.-preuß. Staates (3. Aufl., Berl. 1878); Scholz, Die Erwerbung der Mark Brandenburg durch Karl IV. (Bresl. 1874); Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg (Bd. 1, 4. Aufl., Berl. 1883; Bd. 2, 3. Aufl. 1880; Bd. 3, 2. Aufl. 1880; Bd. 4, 2. Aufl. 1886; neue wohlfeile Ausg. Berl. 1892). Eine vollständige geogr.-histor.-statist. Beschreibung gab Berghaus im «Landbuch der Mark Brandenburg» (3 Bde., Brandenb. 1853 - 56). Im «Gemeindelexikon für das Königreich Preußen» wurde als 3. Heft: Stadtkreis Berlin und Provinz Brandenburg (Berl. 1888) vom königl. Statistischen Bureau veröffentlicht. Der Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg giebt die «Märkischen Forschungen» (20 Bde., Berl. 1841 - 87),
seit 1888 u. d. T. «Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte», Bd. 1 - 5 (Lpz. 1888 - 92), heraus.