Bonaini - Bonald (Louis Gabriel Ambroise, Vicomte de)
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weil der Verkäufer als Verschwender entmündigt ist, oder
weil er infolge von
Geisteskrankheit nicht verfügungsfähig ist,
oder weil die verkaufende
Ehefrau nicht ohne Genehmigung ihres Ehemannes verkaufen darf. Der
Käufer ist aber in diesen Fällen
in gutem
Glauben, wenn er die
Thatsachen, welche seinen Erwerb ausschließen, bei dem Erwerb nicht kannte.
Der redliche Erwerb gewährt in manchen Fällen die vollen
Rechte des Eigentums- oder Rechtserwerbs: so wenn
bewegliche Sachen
von einem
Kaufmann in dessen Handelsbetrieb veräußert sind, es sei denn, daß die Sachen vorher gestohlen oder verloren
waren (Handelsgesetzbuch Art. 306);
Inhaberpapiere können redlich erworben werden, obschon sie gestohlen waren
(Handelsgesetzbuch Art. 307).
Allein dabei ist nicht zu vergessen, daß der Erwerber sich bei seiner
Annahme, der Verkäufer
sei zum Verkauf berechtigt, keiner groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht haben darf. Hatte die Polizei den
Bankiers die
Nummern der ihrem
Besitzer entwendeten Wertpapiere bekannt gegeben, oder waren diese Nummern in ausreichenderWeise
öffentlich bekannt gemacht, und ein
Bankier kauft später eins dieser Papiere von einem redlich aussehenden
Manne, ohne daß
er das Verzeichnis der gestohlenen Papiere nachsieht, so ist der
Bankier nicht redlicher Erwerber.
Ebenso erwirbt ganz allgemein der redliche Erwerber das Eigentum an ihm gezahltem
Gelde, zumal wenn er es nicht
unentgeltlich erwarb
(Preuß. Allg. Landr. I, 15, 8- 45; Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 296;
Deutscher Entwurf §. 879). Dem
wird in Landesgesetzen gleichgestellt der redliche Erwerb in einer öffentlichen Versteigerung
(Preuß. Allg. Landr. 1,15,
§. 42; Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 367). (S.
Hand
[* 2] muß
Hand wahren.) Nach Allg.
Landrecht ist der redliche
Besitzer, welcher die Sache von einer unverdächtigen
Person durch lästigen
Vertragan sich gebracht hat, immer nur gehalten,
dieselbe dem Eigentümer gegen Erstattung dessen herauszugeben, was der
Besitzer dafür geleistet hat
(a.
a. O. §. 25). Das
Grundeigentum wird erworben, wenn der Veräußerer im Grundbuch fälschlicherweise als Eigentümer eingetragen
war, der Erwerber aber in gutem
Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs erworben hat; nach dem preuß. Gesetz vom
§. 9, wenn er gegen Entgelt erworben hat.
In allen diesen Fällen kommt es auf den guten
Glauben zur Zeit des Erwerbs an; die später erlangte Kenntnis
von dem
Mangel des Erwerbsgeschäfts schadet nicht (mala fides superveniens non nocet). In andern Fällen schadet der spätere
Hinzutritt bösen
Glaubens allerdings. Der redliche
Besitzer erwirbt das Eigentum an den von ihm gezogenen
Früchten des von
ihm besessenen fremden Grundstücks und er braucht, wenn er von dem Eigentümer auf Herausgabe belangt
wird, für die verzehrten
Früchte nicht zu entschädigen.
Dies
Recht hört von da ab auf, wo der
Besitzer in bösen
Glauben kommt. Der
Besitzer in gutem
Glauben haftet der Eigentumsklage,
der Erbschaftsklage u. s. w. in viel beschränkterm
Umfang als der
Besitzer in bösem
Glauben. Das beschränkt sich auf den
Glauben zur Zeit des
Besitzes. Solange der
Besitzer gutgläubig ist, läuft gegen den Eigentümer die Verjährung
der Eigentumsklage. Das wird mit dem Eintritt des bösen
Glaubens anders. Der redliche
Besitz führt, wenn er ununterbrochen
fortgesetzt wird, zum Eigentumserwerb durch Ersitzung (s. d.), hier aber gilt
abweichend vom
röm.
Recht der von der
Kirche in das bürgerliche
Recht eingeführte
Satz:
Mala fides superveniens
nocet. Der redliche Erwerber hat, wenn ihm die Sache abhanden gekommen ist, gegen den dritten
Besitzer die der Eigentumsklage
nachgebildete publizianische Klage.
Die vorstehenden
Sätze gelten in entsprechender
Weise von dem redlichen Erwerb dinglicher
Rechte, z. B. der Grunddienstbarkeiten
(Servituten), und in
Beziehung auf den guten
Glauben des Eigentümers an die
Freiheit seines Eigentums von
dinglicher Belastung.
Der gute
Glaube beruht auf einem
Irrtum; da grobe Fahrlässigkeit, nach
Preuß. Allg.
Landrecht selbst mäßiges Versehen, den
guten
Glauben ausschließt, so darf dieser
Irrtum kein ganz unverzeihlicher sein. Im übrigen ist es gleichgültig,
ob derIrrtum sich auf
Thatsachen bezieht; auch ein Rechtsirrtum kann den guten
Glauben begründen. Das ist anders nach
Preuß.
Allg. Landr. 1, 7, §. 14. Dasselbe stellt den «unrechtfertigen
Besitzer», welcher aus Unkenntnis der Gesetze in der
Gültigkeit
seines Besitztitels irrt, für die Regel dem
Besitzer in bösemGlauben gleich.
Der
Beweis der Unredlichkeit muß von dem Gegner geführt werden: Quilibet praesumitur bonus donec probetur contrarius. Doch
muß der
Besitzer in vielen
Beziehungen, wenn er die
Vorteile des gutgläubigen Besitzers in
Anspruch nehmen will, den
Titel nachweisen,
auf
Grund dessen er besitzt,
d.
i. das Rechtsgeschäft oder das Rechtsverhältnis, aus
Grund dessen er den
Besitz erlangt hat. Wer dem Rechtsinhaber, z. B. dem berechtigten
Erben gegenüber, welcher die Herausgabe fordert, sich auf
nichts weiter berufen kann, als daß er eben besitze, der gilt als bösgläubiger
Besitzer (praedo). -
Vgl. Truttler, Bona fides im
Civilprozesse
(Münch. 1892).
Francesco, ital. Geschichtsforscher, geb. zu
Livorno,
[* 3] widmete sich zu Pisa
[* 4] theol. und jurist.
Studien und wurde 1827 Professor des Kirchenrechts, 1840 der Rechtsgeschichte,
trat 1852 an die
Spitze der Centralleitung der neugestalteten Staatsarchive und entwickelte als Generalintendant aller toscan.
Anstalten eine ausgebreitete Thätigkeit. Er starb auf einer Villa bei Pistoja. Bonaini veröffentlichte,
teilweise mit Unterstützung anderer, die großen Werke: «Storie Pisanae» (2 Bde.,
Flor. 1844-45),
«Cronache e storie di
Perugia dal 1150 al 1563» (2 Bde., ebd. 1850-51),
Louis
Gabriel Ambroise, Vicomte de, franz. Publizist und
Philosoph, geb. zu Mouna
im Depart.
Aveyron, wanderte 1791 nach
Deutschland
[* 5] aus, kehrte aber unter Napoleon I. nach
Frankreich zurück. Nach der Restauration
der
Bourbons wurde er in die Deputiertenkammer gewählt, wo er sich zur ultramontanen Partei hielt. Nach der Julirevolution
zog er sich auf sein Schloß zu Mouna zurück, wo er starb. Bonald ist der Begründer
des Traditionalismus, der die
Philosophie auf der Offenbarung begründen will. Die
Sprache
[* 6] ist eine göttliche
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Schöpfung und deswegen hat das Wort, durch welches erst das Denken möglich wurde, an sich Beweiskraft; daher will ohne psychol.
Beobachtungen alles aus Worten und vor allen aus den Worten der göttlichen Offenbarung herleiten. Deswegen wird auch
seine ganze Philosophie durch die drei in der Offenbarung begründeten Worte: Ursache, Mittel, Wirkung beherrscht,
wobei sich überall die Ursache zum Mittel verhalten soll wie das Mittel zur Wirkung;
diese Formel wird auf alle Gebiete der
Philosophie angewendet. So ist in der Kosmologie Gott die Ursache, die Bewegung das Mittel, der Körper die Wirkung.
In der Staatslehre
ist die Regierung die Ursache, die Beamten das Mittel, die Unterthanen die Wirkung. In der Familie treten
Vater, Mutter, Kind in dieses Verhältnis. Seine Œvres complètes" erschienen in 12 Bänden (Par. 1817-19). -
Vgl. V. de Bonald,
De la vie et des écrits du Vicomte de Bonald (2. Aufl. 1853).
Louis Jacques Maurice de, franz. Prälat, Sohn des vorigen, geb. zu
Millau, erhielt seine Bildung im Seminar von St. Sulpice zu Paris,
[* 8] wurde 1817 Generalvikar und Archidiakonus zu Chartres und
darauf Feldprediger des Grafen von Artois. 1823 zum Bischof von Le
[* 9] Puy ernannt, entwickelte er bei dem Streite des hohen Klerus
mit der Magistratur (1852) als Organ der ultramontanen Partei Grundsätze von so fanatischer Intoleranz, daß er selbst den
Hof
[* 10] gegen sich verstimmte. 1839 wurde er Erzbischof von Lyon
[* 11] und Primas von Gallien und im März 1841 Kardinal.
Von nun an zeigte er sich als der eifrigste Vertreter des Ultramontanismus. Seine geharnischten Hirtenbriefe
über die neue Auflage von Dupins «Manuel du droit ecclésistique» (1860) und über
den Entwurf des neuen Unterrichtsgesetzes von Villemain veranlaßten leidenschaftliche Debatten in der Kammer und der Presse.
[* 12] Nach dem Staatsstreiche trat Bonald vermöge seiner Kardinalswürde in den neuen kaiserl.
Senat. Er starb zu Lyon. -
ein span. Wort, das Prosperität, großes Glück und schönes Wetter
[* 13] bedeutet, wurde von den mexik.
Bergleuten
zu Anfang 1874 zuerst in Nevada bei Entdeckung der reichen Silberminen (Comstock lodes) in Anwendung gebracht.
Seitdem wird
es als Bezeichnung für einen außerordentlich reichen Fund gebraucht;
Bonanza-Mann, Bonanza-Prinz ist
soviel wie ein durch unerwartetes Glück reich gewordener Bergmann und Minenbesitzer, mit der Nebenbedeutung von Emporkömmling.
oder Buonaparte ist der Name der cors. Familie, aus der die franz. Kaiserdynastie hervorging. Daß sie röm.
oder griech. Ursprungs sei, von der gens Ulpia abstamme oder mit dem Kaiserhause der Komnenen verwandt sei, ist unbegründet.
In Italien
[* 14] (Florenz,
[* 15] Treviso, San Miniato, Sarzana, auch in Bologna und der Lombardei) finden sich seit dem 12. Jahrh.
verschiedene Familien mit diesem Geschlechtsnamen, die besonders in der florentin. Geschichte
auftreten.
Einen Niccolo Bonaparte, Edelmann und Professor zu San Miniato im 16. Jahrh., bezeichnet man als den Verfasser der Komödie «La
vedova» (Flor. 1568; Par. 1803),
und dem Toscaner Giacomo oder Jacopo Bonaparte wird das «Ragguaglio
storico di tutto l'occorso giorno per giorno nel sacco di Roma
[* 16] dell' anno 1527» (angeblich Köln
[* 17] 1756; französisch, Par.
1809; auch von Ludwig Bonaparte,
Exkönig von Holland, Flor. 1830, herausgegeben) zugeschrieben. Die florentin.
Linie Bonaparte erlosch mit dem Tode des Kanonikus Filippo Bonaparte. Seit Gabriel Bonaparte, aus Sarzana kommend,
sich 1569 zu Ajaccio niederließ und an den Seezügen gegen die Barbaresken teilnahm, galten die Bonaparte als ein Patriciergeschlecht
jener Stadt.
Der Zusammenang zwischen den verschiedenen Bonaparte steht zwar keineswegs fest, doch wurde 1771 von den toscanischen
Bonaparte die Verwandtschaft mit ihren cors. Namensvettern gerichtlich anerkannt. Mitte des 18. Jahrh.
waren noch drei männliche Glieder
[* 18] der Familie Bonaparte zu Ajaccio übrig: der Archidiakon Luciano Bonaparte, dessen Bruder Napoleone (die
Urenkel jenes Gabriel und beider Neffe Carlo, der Sohn des frühverstorbenen Giuseppe. Dieser hatte sich 1757 vom Großherzog
von Toscana seinen Adel bestätigen lassen, den später auch das franz. Heroldsamt anerkannte.
-
Vgl. La storia genealogica della famiglia Bonaparte, scritta da un Samnitiatese (Flor.
1847);
Stefani und Baretta, La antichità dei Bonaparte (Vened. 1857);
Rapetti, Quelques mots sur les origines des Bonaparte (Par. 1858);
Reumont, Beiträge zur ital. Geschichte, Bd. 4 (Berl.
1855);
Leynadier, Histoire de la famille de Bonaparte (Par. 1866);
Kleinschmidt, Die Eltern und Geschwister Napoleons
I. (Berl. 1878);
In dritter Ehe vermählt mit Giustina Marquise Baldelli.
Carlo Bonaparte, geb. zu Ajaccio, der Vater desKaisers Napoleon I., erhielt eine sorgfältige Erziehung,
studierte dann zu Pisa die Rechte, verheiratete sich bald nach seiner Rückkehr, im März 1767, mit Lätitia Ramolino und
begab sich 1768 mit seiner Familie, darunter sein Oheim Napoleone, nach Corte, um hier den General Paoli (s. d.) im Kampfe
gegen die Franzosen zu unterstützen. (S. Corsica.)
[* 22] Nach der Niederlage der Corsen zu Ponte-Nuovo 1769 begleitete
Bonaparte den Clemente Paoli, Bruder des Generals, nach Niolo, von da nach Vico, um eine neue Erhebung zu beginnen. Als aber die Paoli
Corsica verließen, erklärte sich Bonaparte für Frankreich. Nachdem die neue Regierung eingerichtet war, verweigerten
die Corsen die Steuern, weil sie sämtlich Edelleute zu sein behaupteten. Ludwig XV. ließ 400 cors. Familien als adlige
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auswählen (1771), worunter sich die Familie Bonaparte befand. Durch den Einfluß des franz.
Gouverneurs Marboeuf wurde Carlo Bonaparte 1773 zum königl. Rat und Assessor der Stadt und ProvinzAjaccio ernannt. 1777 ward er Mitglied
der cors. Adelsdeputation, die an den franz. Hof ging. Bonaparte nahm seine zwei ältesten Söhne, Joseph und Napoleon,
für die er Freiplätze im Seminar zu Autun und in der Militärschule zu Brienne zugestanden erhalten hatte, mit nach Frankreich.
Ein Erbschaftsprozeß führte ihn 1784 nochmals dahin.
Jetzt nahm er seine Kinder, Lucian und Elisa, mit; die letztere hatte eine Freistelle im Erziehungsinstitut St. Cyr erhalten.
Carlo Bonaparte starb in Montpellier.
[* 24] Aus seiner Ehe mit Lätitia hinterließ er 8 Kinder (s. oben
die Übersicht), die man mit ihren Nachkommen in Rücksicht auf Napoleon I. im allgemeinen als Napoleoniden zu bezeichnen
pflegt. Successionsrechte auf den franz. Thron
[* 25] erhielten durch die Volksabstimmung und den Senatsbeschluß vom
außer Napoleon, nur dessen BrüderJoseph und Ludwig mit ihren Nachkommen, während Lucian und Hieronymus ausgeschlossen wurden,
weil sie sich gegen den Willen des Kaisers verheiratet hatten.
Indes wurde Hieronymus, der sich auf Befehl des Kaisers von seiner Gattin trennte, durch ein Senatskonsult vom als
franz. Prinz und etwaiger Thronerbe anerkannt. Bei der Proklamation der
Zusatzakte vom soll zwar Napoleon I. die Absicht gehabt haben, auch seinem Bruder Lucian das Successionsrecht in
aller Form zu verleihen, doch wurde dieser Akt nicht vollzogen. Die Nachkommen Ludwig B.s behielten demnach, da der älteste
Bruder Napoleons I., Joseph, keine Söhne hatte, ihr Vorrecht, und auch durch das Dekret vom wurde
die eventuelle Thronfolge nur der Linie des Hieronymus, nicht der des Lucian zugesprochen.
Die Gattin Carlo B.s, Maria Lätitia Ramolino, aus einem Patriciergeschlecht von Ajaccio, geb. zeichnete sich
durch seltene Schönheit wie durch Verstand und Willenskraft aus. Als 1793 Corsica durch die Paoli unter
brit. Botmäßigkeit geriet, während die Familie Bonaparte die Partei des revolutionären
Frankreich ergriffen hatte, flüchtete sie mit ihren Kindern nach Marseille,
[* 26] wo sie in großer Dürftigkeit von der Pension
lebte, die der Konvent den cors. Flüchtlingen gewährte.
Erst nachdem Napoleon seine Feldzüge begonnen hatte, kam sie in bessere Verhältnisse. Nach dem 18. Brumaire (1799) zog sie
nach Paris; 1804, mit Napoleons Thronbesteigung, erhielt sie den Titel «Madame Mère» und einen glänzenden Hofstaat. Bescheiden,
ihres frühern Mißgeschicks eingedenk, sparte sie für künftige schlimmere Tage. Sie blieb durchaus
Corsin und sprach auch französisch schlecht und mit cors. Accent. Der Kaiserin Marie Luise war sie abgeneigt. Nach dem Sturze
Napoleons lebte sie mit ihrem Stiefbruder, dem Kardinal Fesch (s. d.), im Winter zu Rom,
[* 27] im Sommer zu Albano. Sie starb -
1) Joseph Bonaparte, geb. zu Corte auf Corsica, erhielt seine Bildung im Seminar zu Autun. Den Plan, in die Armee zu treten,
gab er 1785 beim Tode seines Vaters auf, studierte in Pisa und ließ sich 1788 in Ajaccio als Advokat nieder.
Er schloß sich, wie seine Brüder, an Paoli (s. d.) an, mußte aber 1793 nach dem Bruch mit diesem Corsica verlassen und mit
den Seinen in der Provence eine Zuflucht suchen. Nach der erfolgreichen Belagerung von Toulon,
[* 28] die seinem
Bruder Napoleon zur Geltung verhalf, zum Kriegskommissar in Marseille ernannt, heiratete Bonaparte eine Kaufmannstochter,
Julie Clary (s. unten), und lebte zumeist in Genua.
[* 29] 1796 begleitete er Napoleon im ital.
Feldzuge, der ihm den Auftrag verschaffte, die Verwaltung Corsicas nach Abzug der Engländer zu reorganisieren.
Im März 1797 wurde er Gesandter beim Herzog von Parma,
[* 30] Anfang Mai in Rom, das er nach des Generals Duphot Ermordung Ende Dezember
verließ. Von einem cors. Departement in den Rat der Fünfhundert gewählt, bewahrte er eine gemessene Haltung, trat auch
aus, kurz bevor sein Bruder (Okt. 1799) aus Ägypten
[* 31] zurückkehrte, half aber heimlich sehr wesentlich
mit, durch Verbindung mit Sieyès u. a. eine Änderung der Verfassung herbeizuführen.
Nach dem 18. Brumaire ernannte ihn sein Bruder zum Staatsrat und Tribun. Er ward 1800 Bevollmächtigter für den Abschluß eines
Freundschafts- und Handelsvertrags mit den Vereinigten Staaten
[* 32] von Amerika,
[* 33] sodann bevollmächtigter Minister
beim Friedenskongreß zu Lunéville. Als solcher unterzeichnete er den Frieden und 1802 den mit England zu Amiens.
[* 34] Zugleich leitete er nebst Cretet und Bernier die Unterhandlungen mit Kardinal Consalvi, Erzbischof Spina und Pater Caselli über
das Konkordat vom Als Napoleon Kaiser geworden war, ward Joseph zum Inhaber der Senatorie Brüssel,
[* 35] zum Großoffizier der Ehrenlegion, endlich zum franz. Prinzen und Großwahlherrn von Frankreich erhoben.Die Krone des «Königreichs
Italien», die ihm Napoleon antrug, schlug er aus, da er sein Anrecht auf den franz.
Thron nicht opfern wollte.
Vor seiner Abreise von Neapel, 23. Mai, machte er, noch ehe Murat an seine Stelle trat, die eiligst entworfene Konstitution des
Reichs bekannt. Am 7. Juni kam Joseph nach Bayonne, am 20. Juli zog er, während die Revolution in allen Provinzen aufflammte, in Madrid
[* 38] ein, am 31. Juli mußte er wieder bis hinter den Ebro zurückweichen. Napoleon gewann dann im Winterfeldzuge
von 1808 Madrid und seinem Bruder den Thron wieder. Doch genoß Joseph als Monarch sehr wenig Ansehen. Die Generale, die von
Napoleon unmittelbar ihre Befehle erhielten, waren die Herren, er selbst ein Schattenkönig, von jenen
mit Geringschätzung, von Napoleon mit Zorn und Drohbriefen überhäuft, da der Kaiser 1810 daran dachte, seine unmittelbare
Herrschaft auch über Spanien
[* 39]
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auszudehnen. Die Revolution gegen das fremde Regime zeigte sich unbesieglich, und die Engländer unter Wellington gewannen
von Portugal aus immer mehr Boden. Nach der Niederlage bei Vittoria, verließ JosephSpanien auf immer und zog sich
auf sein Landgut Morfontaine zurück. Als der Kaiser im Dez. 1813 im Traktat von Valencay Ferdinand VII.
als König von Spanien anerkannte, weigerte sich Joseph, seine Abdankung zu unterzeichnen, mußte jedoch bald nachgeben.
Obwohl Napoleon JosephsMangel an Thatkraft kannte, ernannte er ihn vor seiner Abreise von Paris im Jan. 1814 zum Generallieutenant
des Reichs und Oberkommandanten der Nationalgarden. Bei Annäherung der Verbündeten erließ Joseph zwar 29. März eine
energische Proklamation, ermächtigte aber 30. März die Marschälle, den Alliierten Kapitulationsanträge zu machen, und flüchtete
nach Blois, wohin ihm Kaiserin Marie Luise 29. März vorangegangen war. Mit einem ihm zugesicherten Einkommen von 500000 Frs. zog
sich Joseph nach Napoleons Absetzung in das Waadtland zurück, wo er das Landgut Prangin kaufte, erschien
aber 1815 in Paris als franz. Prinz und Präsident des Conseils.
Nach der Schlacht von Waterloo
[* 41] folgte er seinem Bruder nach Rochefort, von wo aus beide sich nach Amerika begeben wollten. Erst
als er den Entschluß seines Bruders, sich den Engländern zu ergeben, erfuhr, verließ er Frankreich und
begab sich nach den Vereinigten Staaten. Im Besitz eines bedeutenden Vermögens, lebte er als Graf von Survilliers auf dem früher
von Moreau bewohnten Landgute Point-Breeze am Delaware. In einer an die franz. Deputiertenkammer
gerichteten Adresse vom erhob er gegen die Thronbesteigung eines Bourbonen Einspruch zu Gunsten
seines Neffen, des Herzogs von Reichstadt, dessen Rechte nach Napoleons I. Abdankung die Repräsentantenkammer anerkannt habe.
Als dieser starb, reiste Joseph, der sich nun als nächsten Erben erklärte, 1832 nach London
[* 42] und hielt sich zur großen Besorgnis
Ludwig Philipps in England auf. 1837 nach Amerika zurückgekehrt, erschien er 1839 wieder in England, bis
er 1841 die Erlaubnis erhielt, nach Italien überzusiedeln, wo seine Gemahlin lebte. Joseph starb zu Florenz. Im
Juni 1862 wurde sein Leichnam im Dom der Invaliden zu Paris beigesetzt. Es wird ihm ein Roman «Moina» (Par. 1799 u. 1814)
zugeschrieben. Seine «Mémoires es correspondance politique et militaire»
gab Du Casse heraus (10 Bde., Par. 1853-55: 2. Aufl.
1856-58); sie enthalten manches wertvolle histor. Material.
Du Casse, Les Rois frères de Napoléon I (Par. 1883). -
Seine Gemahlin, Julie Marie Clary, geb. Tochter des reichen Seidenhändlers Clary
zu Marseille, Schwägerin Bernadottes (s. Karl XIV., König von Schweden),
[* 44] war eine einfache, anspruchslose, aber begabte Frau
und wußte sich in ihren spätern Verhältnissen mit Würde zu benehmen. Sie ging nie nach Spanien, auch hielt
sie sich als Königin nur wenige Wochen zu Neapel auf. Ihrer Gesundheit wegen vermochte sie nicht, ihrem Gemahl 1815 nach
Amerika zu folgen.
Sie wohnte einige Zeit zu Frankfurt,
[* 45] durfte sich dann zu Brüssel niederlassen, ging aber 1823 nach Florenz, wo sie starb.
Sie hatte zwei Töchter: a. Zenaide Charlotte Julie, geb. die, an Lucian
B.s ältesten Sohn, den Fürsten von Canino (s.
unter 3), verheiratet, die Mutter einer zahlreichen Familie wurde und zu
Neapel starb;
bonaparte Charlotte Napoléone, geb. die sich mit Napoleon Louis, dem zweiten
Sohne des ExkönigsLudwig Bonaparte (s. unter 5) vermählte und zu Sarzana starb.
2) Napoleon Bonaparte, s. Napoleon I.
3) Lucian Bonaparte, wegen seiner nicht standesmäßigen Ehe vom Kaiser nicht als franz. Prinz anerkannt, geb. zu
Ajaccio, besuchte das Collège zu Autun, dann die Militärschule zu Brienne, endlich das Seminar zu Aix. 1792 kehrte
er nach Corsica zurück, schloß sich Paoli (s.d.) an, brach aber mit diesem gleich seiner Familie und ging ihr voraus nach
Marseille. Napoleons Glücksstern brachte ihm 1795 die Stellung eines Kriegskommissars, in der er in die Niederlande,
[* 46] dann nach
Corsica (1798) ging, wo er in der Wahl der Mittel, sich zu bereichern, nicht ängstlich war. Im März 1798 in
den Rat der Fünfhundert gewählt, gewann er bald bedeutenden Einfluß und bildete mit Joseph Bonaparte eine Parteigruppierung, die
dem Direktorium entgegen und den ehrgeizigen Absichten seines Bruders vorarbeitete.
Kurz vor dem 18. Brumaire (1799) zum Präsidenten des Rats der Fünfhundert gewählt, ward er der eigentliche
Held dieses Tages. Als er die durch Napoleons Eintritt entstandene Gärung nicht zu dämpfen vermochte, verließ er seinen Sitz,
setzte sich zu Pferde,
[* 47] sprengte an die Fronte der versammelten Truppen und forderte sie auf, ihren General, den
man ermorden wolle, zu retten. Nach dem Staatsstreiche zum Minister des Innern ernannt, überwarf er sich bald mit Fouché,
der selbst nach diesem Portefeuille strebte, und seinem Bruder.
Ein völliger Bruch ward verhütet, indem Lucian das Ministerium niederlegte und als Gesandter im Nov. 1800 nach Madrid ging,
wo er den engl. Einfluß beseitigte und zum Kriege mit Portugal trieb. Der für Frankreich ungünstige Friede
zu Badajoz zu dem er vorschnell die Hand bot, konnte das Verhältnis beider Brüder nicht bessern. Lucian gab
daher seine Stellungauf und ging nach Paris. Hier ins Tribunat berufen, vertrat er den Plan zur
Errichtung der Ehrenlegion, deren Großoffizier er wurde, und erwarb sich die Gunst des Papstes Pius VII. durch Befürwortung
des Konkordats.
Als Lucian nach dem Tode seiner ersten Gattin (s. unten) die ihm vom Kaiser zugedachte verwitwete Königin von Etrurien ausschlug
und gegen dessen Willen eine bürgerliche Ehe einging, führte dies zum völligen Bruch mit Napoleon. Lucian
zog sich auf eine Villa bei Rom zurück, um den Künsten und Wissenschaften zu leben (April 1804). Vergebens bot ihm 1807 der
Kaiser den Thron von Spanien an, indem er Trennung von seiner Gattin verlangte. Ebenso verweigerte Lucian seine
Zustimmung zu der Verheiratung seiner Tochter mit dem Prinzen von Asturien.
Napoleon wurde dadurch so erbittert, daß jener den Plan faßte, sich nach Nordamerika
[* 48] in Sicherheit zu bringen. Er schiffte
sich zu Civita-Vecchia ein, wurde jedoch durch einen Sturm genötigt, in Cagliari einzulaufen. Hier von brit. Kreuzern
angehalten, ward er nach England gebracht und zum Kriegsgefangenen erklärt. Napoleons Sturz gab ihm seine Freiheit; er ging
wieder nach Rom, wo ihn der Papst 1814 mit dem von ihm erkauften kleinen Fürstentum Canino belehnte. Nach Napoleons Rückkehr
von Elba 1815 begab sich Lucian nach Paris und trat
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in die Pairskammer ein. Nach der Niederlage von Waterloo behielt er allein seine Besonnenheit und riet seinem Bruder, die Kammern
aufzulösen und als Diktator an die Spitze zu treten. Nachdem Napoleon abgedankt hatte, versuchte er, den König von Rom zum
Kaiser ausrufen zu lassen, um für sich die Regentschaft zu erlangen, konnte indes nicht durchdringen.
Nach der zweiten Thronbesteigung Ludwigs XVIII. wollte er nach Rom zurückkehren, ward aber auf Befehl des österr.
GeneralsGrafBubna in Turin
[* 50] festgenommen und interniert. Die Fürsprache des Papstes befreite ihn, doch mußte sich dieser verbürgen,
weder Lucian noch ein Glied
[* 51] seiner Familie aus dem Kirchenstaate wegzulassen. Nach den Ereignissen von 1830 wurde
dieser Bann aufgehoben, und Lucian ging 1832 zu Joseph nach England, von wo er 1838 auch Deutschland besuchte. Später kehrte
er nach Italien zurück und starb zu Viterbo. Nächst Napoleon war Lucian das begabteste Glied der Familie Bonaparte. Nicht
ohne Ruhmbegier, setzte er seinen Ehrgeiz hauptsächlich darein, sich seinem Bruder gegenüber in Unabhängigkeit zu behaupten.
Durch die von ihm veranstalteten Ausgrabungen erwarb er sich um die AltertumskundeToscanas besondere Verdienste. Weniger glücklich
war er als Dichter und Schriftsteller. Zuerst trat er mit einem Roman «La tribu indienne, ou Édouard
et Stellina» (2 Bde., Par. 1799;
deutsch, Münch. 1812) auf. 1801 schrieb er eine «Parallele
[* 52] zwischen Cäsar, Cromwell und Bonaparte», voll Schmeicheleien für Napoleon,
den er dadurch zur Nachsicht mit seinen amtlichen Unregelmäßigkeiten und seiner sittenlosen Lebensführung stimmen wollte.
Während des ersten Aufenthalts in London schrieb er das mittelmäßige Heldengedicht«Charlemagne ou l'Eglise
délivrée» (2 Bde., Lond. 1814. Par.
1815),
das gegen seinen Bruder eiferte und die Bourbonen erhob. Später gab er ein Heldengedicht in 12 Gesängen heraus: «La
Cyrnéide ou la Corse sauvée» (Par. 1819),
worin er die Vertreibung der Saracenen aus Corsica besang. Von seinen «Mémoires»
erschien 1836 ein Band
[* 53] (deutsch, Darmst. 1836),
der bis zum J. VII der Republik reichte. 1845 gab die
Witwe ein weiteres Bruchstück über den 18. Brumaire heraus, das übrige erst 1882 Oberst Jung: «Lucien et ses mémoires 1775-1840»
(3 Bde., Par. 1882-83). Die «Mémoires
secrets sur la vie privée, politique et littéraire de Lucien Bonaparte» (2 Bde.,
Lond. 1819), nicht überall zuverlässig, sollen von Alphonse de Beauchamp (s. d.) verfaßt sein.
Lucian war Vater einer zahlreichen Familie; 1794 hatte er sich mit Christine Eleonore Boyer, einer Bürgerstochter aus St.
Maximin, verheiratet, und nach deren Tode schloß er 1803 eine zweite Ehe mit der schönen,
aber nicht günstig beleumundeten Witwe des Wechselagenten Jouberthon, Alexandrine Laurence de Bleschamp, geb. zu
Calais,
[* 54] gest. zu Sinigaglia. Aus erster Ehe gingen hervor: a. Charlotte, geb. die sich zu
Rom mit Fürst Mario Gabrielli (gest. vermählte, in dieser
Ehe einen Sohn und drei Töchter gebar, 1842 die Gattin des röm. Arztes Centamori wurde und zu Paris starb;
bonaparte Christine
Egypte, geb. 1818 mit dem schwed. Grafen Arved Posse, 1824 mit Lord Dudley Stuart vermählt,
gest. zu Rom.
Aus Lucians zweiter Ehe stammten fünf Söhne und vier Töchter, nämlich:
a. Charles Lucien
Jules Laurent Bonaparte, Fürst von Canino und Musignano, geb. vor der Vermählung der Eltern. Er studierte
auf ital. Universitäten und begab sich, nachdem er 1822 seine Cousine Zenaïde (s.
unter 1) geheiratet hatte, zu seinem Oheim nach Amerika. Hier widmete er sich naturwissenschaftlichen Arbeiten und veröffentlichte
die «American ornithology» (3 Bde., Philad. 1825 fg.).
Nach Italien zurückgekehrt, schrieb er: «Sulla seconda edizione del regno animale di Cuvier» (Bologna 1830),
«Saggio di una
distribuzione metodica degli animali vertebrati» (Rom 1831) und insbesondere eine «Iconografia della Fauna
italica» (3 Bde., ebd. 1833). 1840 wurde er nach dem Tode seines Vaters Fürst von Canino; 1848 trat er mit Cernuschi, Sterbini
u. a. an die Spitze der Radikalen, wurde in die röm. Constituante gewählt und deren Vicepräsident. Nach dem Einmarsch der
Franzosen flüchtete er nach Paris, wo er, zu seinen Studien zurückkehrend, einen «Conspectus system. masto-zoologiae,
ornithologiae etc.» (Leid. 1850) und einen «Conspectus generum avium» (2 Bde.. ebd. 1851-57)
veröffentlichte und starb. Er hatte acht Kinder:
bonaparte Lätitia Bonaparte, geb. heiratete 1821 den IrländerThomas Wyse (gest. als brit. Gesandter zu Athen),
[* 57] der
sich jedoch ihres sittenlosen Lebenswandels halber von ihr trennte. Sie befreite ihren geisteskranken
Sohn Alfred aus einem Irrenhause bei Nancy,
[* 58] wohin ihn der Vater gebracht hatte, eine That, die d'Arlincourt in dem Roman «Le
Pèlerin» (2 Bde., Par. 1843)
behandelt, und starb zu Florenz.
c. Jeanne Bonaparte, geb. zu Rom, heiratete den Marchese Honorati und starb, eine Tochter, Clelia,
hinterlassend, 1828 zu Jesi bei Ancona.
[* 59] Sie war eine hervorragend schöne, liebenswürdige und geistvolle Frau. Aus ihrem Nachlaß
veröffentlichte ihre Mutter Gedichte: «Inspirazioni d'affetto di una giovine musa».
d. Paul Marie Bonaparte, geb. 1808 zu Rom, nahm 1827 am griech. Befreiungskriege teil und bewies als Unterkommandant
auf der Fregatte Hellas großenMut. Als Cochrane Ende Dez. 1827 im Hafen von Nauplia zwei türk. Schiffe
[* 60] angreifen wollte, eilte
in die Kajüte, um sich zu bewaffnen, tötete sich aber dabei selbst unversehens durch einen Pistolenschuß.
e. Louis Lucien Bonaparte, geb. zu Thorngrove in Worcester
während der Gefangenschaft des Vaters in England, that sich durch sprachwissenschaftliche Werke hervor und ließ, außer
verschiedenen verdienstlichen Beiträgen zur Kenntnis der Baskischen Sprache (s. d.) ein «Specimen lexici
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comparativi omnium linguarum Europaearum» (Flor. 1847),
eine Übersetzung der Parabel
[* 62] vom «Säemann» in 72 europ.
sprachen und Mundarten (Lond. 1857) u. a. erscheinen. Er ward Mitglied
der franz. Nationalversammlung, im Dez. 1852 Senator und franz.
Prinz, im Jan. 1860 Großoffizier der Ehrenlegion. Seit 1870 lebte er in England und starb in
Fano (Italien). Seit 1832 war er mit Marianne Cecchi (gest. vermählt.
f. Pierre Napoléon Bonaparte, eine thatkräftige, aber rohe Natur, geb. wollte
sich, wie seine Vettern, 1831 an dem Aufstande in der Romagna beteiligen, ward deshalb verhaftet und 6 Monate
in Livorno gefangen gehalten. Danach ging er nach Amerika, wo er unter dem Präsidenten Santander in Neugranada als Kavalleriemajor
diente. Nach Europa
[* 63] zurückgekehrt, wohnte er seit 1834 mit seinem BruderAntoine auf den Gütern des Fürsten von Canino. Auf
die Anzeige, die beiden Brüder wollten revolutionäre Freikorps errichten, befahl Papst Gregor XVI. ihre
Verhaftung.
Antoine entkam, Pierre wurde nach Rom gebracht und zum Tode verurteilt, dann zum Exil begnadigt. Er wandte sich wieder
nach Amerika, später nach den Ionischen Inseln, von wo ihn die brit. Regierung verwies, da er sich im Jähzorn zur Tötung
zweier Palikaren fortreißen ließ. Seitdem lebte er in wenig glänzenden Verhältnissen zu Mohimont
im Luxemburgischen. Nach der Revolution von 1848 wurde er in Corsica in die Konstituierende wie in die Gesetzgebende Nationalversammlung
gewählt, wo er demokratische Grundsätze an den Tag legte.
In denTuilerien verkehrte er wenig, da ihn Napoleon III. mit Absicht fernhielt. BeimAusbruch des ItalienischenKrieges von 1859 bot Bonaparte diesem seine Dienste
[* 64] an und erhielt den Befehl über ein Regiment der Fremdenlegion; thätigen Anteil
an den Kriegsereignissen nahm er indes nicht. 1869 vermählte er sich in Brüssel mit der Tochter eines Arbeiters, um zwei
Kinder, die sie ihm bereits geschenkt, zu legitimieren. Am erschienen bei ihm in Auteuil die
beiden Redacteure von Rocheforts «Marseillaise», Ulrich von Fonvielle und Victor Noir, um ihn wegen eines in einem cors.
Blatte veröffentlichten Artikels zur Rede zu stellen. Der Prinz erschoß Victor Noir, während Fonvielle floh. Bonaparte stellte
sich selbst dem Gericht, wurde 27. März freigesprochen, verließ jedoch auf Befehl des KaisersFrankreich und ging nach Brüssel,
wo er bis 1877 lebte. Er starb, fast vergessen, in Versailles
[* 65] in dürftiger Lage. Seine Kinder sind:
1) Roland, geb. seit 1880 verheiratet mit Marie Blanc (gest. der Tochter der Spielbankpächterin
zu Monte Carlo, war 1880-83 Lieutenant in einem franz. Infanterieregiment und wurde 1886 infolge des Prätendentengesetzes
aus den Armeelisten gestrichen. Er unternahm große Reisen und schrieb: «Les habitants de Surinam» (Par. 1884);
«Les premiers
voyages des Néerlandais dans l'Insulinde» (Versailles 1884);
«Les derniers voyages des Néerlandais
à laNouvelle-Guinée» (2 Bde., ebd. 1885);
g. Antoine Bonaparte, geb. zu Frascati, floh 1836, der päpstl. Gendarmerie entgangen (s. oben 3 f),
nach Amerika, erschien
1848 in Frankreich und wurde im Sept. 1849 Mitglied der Nationalversammlung. Er starb zu
Florenz.
h. Alexandrine Marie Bonaparte, geb. gest.
vermählte sich 1836 mit Graf Vincenzo Valentini von Canino, der im Juli 1858 starb; aus ihrer Ehe entsprangen
zwei Söhne und eine Tochter.
Sämtliche Söhne Lucian B.s erhielten im Dez. 1852 den Titel Prinzen der kaiserl. Familie, blieben jedoch von der
Thronfolge ausgeschlossen. Der Sturz des zweiten Kaiserreichs 1870 entzog ihnen jede Bedeutung.
Vgl. die offenbar von Roland
Bonaparte inspirierte Schrift Le Prince Lucien et sa famille (Par. 1888), ein vergeblicher Versuch, ein Successionsrecht geltend zu
machen.
4) Marie Anna Bonaparte, später Elisa genannt, Gemahlin des Fürsten Bacciocchi (s. d.).
5) Ludwig Bonaparte, geb. kam 1793 nach Frankreich und wurde in der Artillerieschule zu Chalons unterrichtet.
Er begleitete Napoleon nach Italien, wo er sich durch Ausschweifungen zerrüttete, dann nach Ägypten, ward 1799 von hier an
das Direktorium gesandt, um über die Erfolge zu berichten und Hilfe zu erbitten, und wurde nach dem 18. Brumaire
Oberst, später Brigadegeneral, nach seines Bruders Thronbesteigung Connétable und Generaloberst der Karabiniers, 1805 Generalgouverneur
von Piemont, das er aber wegen Kränklichkeit bald wieder verließ.
Als der batav. Großpensionär Schimmelpenninck seine Stelle niederlegen wollte, zwang Napoleon seinen Bruder, der vergebens
Kränklichkeit und Klima
[* 66] vorschützte, zur Annahme der holländ. Königskrone Beim besten Willen,
sich nur seinem Lande zu weihen, war Ludwig in der That franz. Statthalter. 1806 eroberte er in dem Kriege gegen Preußen
[* 67] dessen
rhein. und westfäl. Besitzungen. Die von Napoleon ihm angebotene span.
Königskrone schlug er aus.
Die von Frankreich befohlenen Rüstungen
[* 68] und die Sperrmaßregeln gegen den brit.
Handel machten ihm die Herstellung eines befriedigenden Zustandes der Finanzen unmöglich; gleichwohl wußte er Holland vor
einem allgemeinen Bankrott zu bewahren. Ja mitten unter den dringendsten Händeln der auswärtigen Angelegenheiten ward ein
neuer Kriminal- und ein Civilcodex vollendet und ein gleichförmiges, dem franz.
nachgebildetes Maß- und Gewichtssystem zu stande gebracht.
Als er aber fortfuhr, das Kontinentalsystem (s. d.) nicht mit der Strenge zu handhaben, die Napoleon forderte, und Holland gegen
die stets wachsenden Anforderungen seines Brudes ^[richtig: Bruders] kräftig zu vertreten, zerfiel er mit diesem gänzlich
und wurde nach Paris entboten, wo er nur durch Verzicht auf jede Selbständigkeit und die Abtretung großer
Bezirke an FrankreichThron und Rückkehr erkaufte (März 1810). Doch schon legte er infolge neuer Beleidigungen seitens
des Kaisers die Regierung nieder, setzte verfassungsmäßig seine abwesende Gemahlin zur Regentin im Namen seines Sohnes ein,
verließ Holland und begab sich unter dem Namen eines Grafen von Saint-Leu nach Graz,
[* 69] wo er fortan den Wissenschaften
lebte. Holland ward schon 10. Juli mit dem Kaiserreich vereinigt. Ludwig lehnte jede Apanage für sich ab. Napoleon überwies der
Gemahlin des Exkönigs die Besitzung Saint-Leu bei
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