oder Tonnen heißen schwimmende Seezeichen, in verankerten Tonnen bestehend, welche ähnlich den Baken [* 2] (s. d.) dazu bestimmt sind, den Schiffern zur Kennzeichnung des Fahrwassers oder zur Warnung vor Untiefen, Sandbänken oder verborgenen Klippen [* 3] zu dienen. (S. Betonnung.) Ferner dienen Bojen zum Befestigen von Schiffen, um diesen das Ankern zu ersparen und heißen dann Festmachebojen; zu diesen zählen die Deviationsbojen, welche da gelegt sind, wo Schiffe [* 4] zur Bestimmung der Deviation (s. d.) geschwoit (s. Schwoien) werden. Zur Bezeichnung der Lage eines Ankers hat man Ankerbojen (s. d.). Rettungsboje ist ein Korkring oder sonstiger schwimmender Körper, nachts mit unverlöschbarem Licht, [* 5] welches etwa eine halbe Stunde lang brennt, versehen; dieselbe dient zum Nachwerfen für über Bord gefallene Mannschaften, welche sich daran schwimmend halten sollen, bis sie durch ein Boot gerettet werden.
(Boji), Name eines kelt. Volks. Bei dem Vordringen der Kelten aus Gallien nach Osten rückten die Bojer teils am Hercynischen Walde vor und siedelten sich in Böhmen [* 6] und südlich von der mittlern Donau bis zu den Tiroler Bergen [* 7] an, teils drangen sie südlich der Alpen [* 8] vor und nahmen in Oberitalien [* 9] zwischen dem untern Po und den Apenninen Sitze. Hier hatten sie seit Beginn des 4. Jahrh. v. Chr. Etrusker und Umbrer verdrängt, bewohnten 112 Gaue und hatten Bononia zur Hauptstadt.
Sie bestanden, namentlich während des 3. Jahrh. v. Chr., viele Kämpfe mit den Römern, von denen sie erst 291 v. Chr. gänzlich unterworfen wurden. Die in Böhmen und an der mittlern Donau hatten noch den Cimbern widerstanden, wichen aber um 60 v. Chr. vor den Sueven, ein Teil von ihnen schloß sich den Helvetiern an und wurde von Cäsar, der ihren Andrang auf Gallien zurückwarf, in dem Gebiete der Aduer zwischen Loire und Allier (58 v. Chr.) angesiedelt. Ein anderer Teil bildete wohl das Volk, welches östlich von den Sitzen der Noriker genannt wird und hier bald danach (um 40 v. Chr.) von den Goten vernichtet ward. Die Deserta Bojorum am Plattensee erinnerte noch lange an ihr Schicksal. Nach Böhmen führte dann Marbod die Markomannen, aber es erhielt sich der Name Bojohemum (Böhmen) bis auf den heutigen Tag.
s. Ankerboje. ^[= der schwimmende Gegenstand, der mit einem Tau, dem an dem Anker befestigt ist und ...]
kleinruss. Volksstamm in Galizien um Przemysl und Zydaczów, zwischen den Quellen des San und der Lomnica, ungefähr 100000 Seelen in 150 Dörfern.
Sie selbst nennen sich Goralen und halten sich für Verwandte der Huzulen.
Ihre Hauptbeschäftigung ist Viehzucht [* 10] und Handel mit ungar. Früchten.
Die Frauen spinnen Flachs und Wolle.
Die Bojken zeichnen sich durch Kühnheit und kriegerische Tapferkeit aus. -
Vgl. Kopernicki, O Góralach ruskich w Galicij (Krakau [* 11] 1889).
Bujukdere, d. h. großes Thal, [* 12] Hauptort auf der europ. Seite des Bosporus [* 13] (s. d.), 19 km vom Goldenen Horn, im Hintergrunde einer weiten Bai am Fuße des Kabatasch-(Kara-)Dagh und am Ausgang einer breiten Thalschlucht gelegen, mit schönen Landhäusern, ist beliebter Sommeraufenthalt und Sommerresidenz der russ., österr. und amerik. Botschaft. Böjükdere ist der zu Ausflügen am Bosporus am vorteilhaftesten gelegene Platz. Eine Uferstraße führt nach dem 2 km südl. Therapia mit den Sommerpalästen des engl., deutschen, ital. und des franz. Botschafters, letzterer ehemals das Haus Alexander Ypsilantis. Der 1888 vollendete Palast der deutschen Botschaft liegt am Bosporus, am Eingang eines vom Limonbache bewässerten Parkes, einer Schenkung des regierenden Sultans Abd ul-Hamid II.; auf der Höhe des Parkes ein 1889 von der deutschen Kolonie in Konstantinopel [* 14] errichtetes Moltke-Denkmal.
Willem, richtiger Beukelsz, Fischer zu Biervliet im seeländ.
Flandern, verbesserte die Methode des Heringseinsalzens (s. Bückling und Pökeln), was G. Camberlyns Gedicht «De Bukelingi genio» (Gent [* 15] 1827) feierte. Er starb wohl 1397 zu Biervliet;
sein Grabmal wird noch gezeigt.
Christ. Ludwig, Genremaler, geb. in St. Jürgen bei Bremen, [* 16] widmete sich anfangs dem Kaufmannsstande, bezog 1868 die Akademie in Düsseldorf [* 17] und trat dann in das Atelier von W. Sohn. Schon 1873 für das Gemälde «Im Trauerhause» auf der Wiener Weltausstellung prämiiert, betrat er 1875 das sociale Gebiet der rhein. Fabrikstädte, für welches er auch das entsprechende kühle Kolorit und den rücksichtslosen Realismus der Darstellung fand. So zuerst in dem Bilde: Im Leihhause (Galerie zu Stuttgart), [* 18] namentlich aber in dem epochemachenden Bilde von 1877: Volksbank kurz vor dem Ausbruch des Fallissements.
Die eindrucksvolle Charakteristik der Gestalten, verbunden mit moderner Realistik, zu deren frühesten Hauptvertretern er gezählt werden muß, äußerte sich auch weiterhin in den Bildern: Wanderlager vor Weihnachten (1878), Testamentseröffnung (1879; Berliner [* 19] Nationalgalerie), Wahlkampf (1880), Verhaftung (1881), Abschied der Auswanderer vom heimischen Hofe (1882; Dresdener Galerie), Gerichtsvorsaal (1883), Spielbank von Montecarlo (1884), Dorfbrand (1886) und Nordfriesisches Begräbnis (1888), durch welche Bokelmann seine Befähigung in der Wiedergabe der Eigenart aller Gesellschaftsklassen dargethan hat. Im Mai 1893 zum Leiter der Malklasse an der Akademie zu Berlin [* 20] ernannt, starb er daselbst
eine Vorarbeit der Flachsspinnerei (s. d.). ^[= # (hierzu zwei Karten: Berlin, Stadtplan, und Berlin und Umgegend), Hauptstadt des Königreichs ...]
Georg Henry, amerik.
Dichter, geb. in Philadelphia, [* 21] studierte die Rechte, wurde 1871 Ministerresident in Konstantinopel, 1875 Gesandter in Petersburg, [* 22] kehrte 1879 nach Philadelphia zurück und starb Er veröffentlichte 1847 «The Lesson of Life and other poems», 1848 die erfolgreiche Tragödie «Calaynos», die Dramen «Anna Boleyn» (1850),
«Leonor de Guzman» und «Francesca di Rimini» u. a. Seine «Plays and poems» erschienen 1856, die patriotischen «Poems of war» 1864, seine «Sonnets» 1886.
s. Buchara. ^[= # Bochara oder Bucharei, zwei Länder jenseit des Amu-darja oder Oxus in Mittelasien. ...]
Name zweier Landschaften in der Division Tulbagh, im W. der Kapkolonie in Südafrika: [* 23]
1) Das kalte in 1200 m Höhe, im O. von der großen Karroo, im W. von den Olifantbergen begrenzt und besonders geeignet zur Viehzucht.
2) Das warme Bokkeveld, südlich vom vorigen, ein reichbewässertes Land mit ergiebigem Acker- und Weinbau.
Der Hauptort Ceres (1891) mit 1596 E. dient als Aufenthaltsort für Lungenkranke.
s. Bückling. ^[= Bücking, Böckling, Pöckling, ein nach leichtem Einsalzen geräucherter Hering. ...]
s. Flachsspinnerei.
Thonart, s. Bolus. ^[= eine feine, gewöhnlich eisenoxydhaltige Thonart, welche sich weich und fettig anfühlt, abfärbt, ...]
Hafenort auf der Insel Brazza (s. d.). ^[= # Peter, Graf Savorgnan de, franz. Afrikareisender, aus einem alten ital. Geschlecht stammend, ...] ¶
Ferd., holländ. Maler, geb. 1616 zu Dordrecht, [* 25] gest. 1680 zu Amsterdam, [* 26] war Schüler Rembrandts und hat sich von der Behandlungsweise dieses Meisters, von der Wärme [* 27] des Farbentons und der Zartheit des Helldunkels manches anzueignen gewußt. Er behandelte zumeist histor. und biblische Stoffe. Die Dresdener Galerie besitzt von ihm die umfangreichen Gemälde: Ruhe auf der Flucht nach Ägypten [* 28] (1644), Jakobs Traum von der Himmelsleiter, Jakob von Joseph dem Pharao vorgestellt.
Ferner sind zu nennen: Tanz der Salome, Pyrrhus und Fabricius (beide in Amsterdam), Hagar in der Wüste (Wien, [* 29] Schönbornsche Galerie), Joseph im Gefängnis den Dienern des Pharao Träume deutend (Schwerin, [* 30] Museum). Auch als Porträtmaler ist er hervorragend; bekannt ist das Bildnis von Rembrandts erster Frau Saskia van Uylenburg (Gemäldegalerie zu Brüssel). [* 31] Sodann hat er eine Folge geätzter Blätter geliefert, die sehr geschätzt sind: Der Alte mit dem gekräuselten Barte und Die Frau mit der Birne. Neuerdings hat M. Lautner in einem umfangreichen Buch «Wer ist Rembrandt?» (Bresl. 1891) ohne Erfolg nachzuweisen versucht, daß einzelne Hauptwerke Rembrandts (wie u. a. die berühmte Nachtwache, in Amsterdam; Anbetung der Könige, im Buckingham-Palast; Joseph wird von Potiphars Weib verklagt, in Berlin; Heilige Familie, in Petersburg) nicht von diesem, sondern von seinem Lieblingsschüler Bol gemalt seien.
(span.), Kugel. ^[= # (grch. sphaera; lat. globus), in der Mathematik ein runder Körper, dessen Oberfläche überall ...]
reichbegütertes Ministerialengeschlecht am Donnersberge, das seit dem Ende des 12. Jahrh. auch in der Reichsgeschichte eine hervorragende Rolle spielt. Werner III. (gest. 1221 oder 1222) erhielt 1212 von Kaiser Friedrich II. die Würde des Reichstruchseß, die dann seinem Hause bis zum Aussterben der Hauptlinie 1386 verblieb. Sein zweiter Sohn Philipp von Hohenfels erhielt außerdem 1246 durch Kaiser Konrad IV. das Reichskämmereramt, das jedoch 1257 auf die von Werners III. Bruder Philipp von Falkenstein (südlich vom Donnersberge) begründete Nebenlinie als erbliches Lehn überging.-
Vgl. Köllner, Geschichte der Herrschaft Kirchheim-Bolanden und Stauf (Wiesb. 1854).
Konrad von, Pseudonym von Bos.
Eduard Konrad Bischofs (s. d.).
(Bholanpaß), die das Halagebirge in Belutschistan überschreitende Strecke der großen Heerstraße, die vom nördl. Teile der zur Provinz Pandschab gehörenden Landschaft Sindh über Schikarpur und Dadar nach Belutschistan und Afghanistan [* 32] führt, somit diese Länder und die pers. Hochebene mit dem untern Gebiete des Indus verbindet. Der Eingang des Passes liegt oberhalb Dadar, unter 29° 30' nördl. Br. und 67° 35' östl. L., 270 m ü. d. M. Die Länge des Bolanpaß beträgt 96 km, seine mittlere Erhebung 150 m mit je 7,5 km. Sein Ausgang, 1767 m ü. d. M., führt auf das in gleicher Höhe gelegene Plateau Descht-i-Bedaulet. Hier bei dem Orte Quetta (s. d.) teilt sich die Straße in einen südwestlich nach Kelat und in einen nordwestlich nach Kandahar führenden Arm, nachdem sich schon vorher ein Weg von Bibi Rani abgezweigt hat, der durch den Rudbarpaß nach Kelat führt. 1839 passierte eine engl. Armee mit zahlreichem schwerem Geschütz diesen Paß [* 33] ohne große Mühe in 6 Tagen.
Hauptstadt des Kantons Bolbec (113,84 qkm, 14 Gemeinden, 22 554 E.) im Arrondissement LeHavre des franz. Depart. Seine-Inférieure, an den Linien Paris-Le Havre [* 34] und Beuzeville-Lillebonne der Franz. Westbahn, anmutig am Abhang eines Hügels, den der Fluß Bolbec bespült, und am Vereinigungspunkt von vier Thälern gelegen, ein gutgebauter und belebter Fabrikort, hat (1891) 10 975, als Gemeinde 12 028 E., einen Gewerberat, Handelskammer, zwei Zeitungen; Baumwollspinnerei und -Druckerei, Kattun- und Wollweberei, Plüsch-, Spitzenfabriken, Färberei und Gerberei sowie Cretonne- oder Leinwandniederlagen. Der Handel mit Baumwoll- und Seidenwaren, Getreide [* 35] und Mehl, [* 36] Vieh und Pferden ist beträchtlich. Bolbec, schon im 17. Jahrh. ein bedeutender Manufakturort, war im 18. Jahrh. namentlich durch seine Indiennefabrikation und Gerbereien berühmt.
s. Dickschnabelsittiche.
1) Kreis [* 37] im reichsländischen Bezirk Lothringen, hat 715,14 qkm, (1890) 41 621 E., darunter 130 Militärpersonen, in 100 Gemeinden und zerfällt in die 3 Kantone Bolchen, Busendorf und Falkenberg. - 2) Bolchen, frz. Boulay, Hauptstadt des Kreises und Kantons Bolchen (227 qkm, 36 Gemeinden, 13 473 E.), 26 km nordöstlich von Metz, [* 38] unfern der Nied und am Kaltbach, sowie an der Linie Metz-Teterchen der Elsaß-Lothring. Eisenbahnen, Sitz der Kreis- und Kantonsbehörden, hat (1890) 2281 E., darunter 121 Evangelische und 154 Israeliten, Post zweiter Klasse, Telegraph, [* 39] Amtsgericht (Landgericht Metz), Steueramt, Oberförsterei, kath. Dekanat, Spital; ferner Fabrikation von Stahl- und Lederwaren, Cigarren und Chemikalien, ferner Färbereien, Flanellwebereien, Bierbrauereien, Öl- und Lohmühlen und lebhaften Getreidehandel. - Bolchen, eine alte (1184 als Bollei vorkommend), früher befestigte Stadt mit schönem Rathause, hatte bis 1503 eigene Grafen, die in vielfachen Fehden mit Metz lebten, kam dann zu Lothringen und 1766 an Frankreich.
1) Kreis im russ. Gouvernement Orel, hat 2595,5 qkm, 115 825 E., Ackerbau, Pferde- und Bienenzucht. [* 40] - 2) Kreisstadt des Kreises Bolchow, 58 km nördlich von Orel, an der Mündung der Bolchowka in die Nugrj, hat (1890) 26 165 E., 18 Kirchen, 1 Kloster, Gerbereien (jährlicher Umsatz 530000 Rubel), Hanfbrechereien und bedeutenden Handel mit Getreide, Hanf, Hanföl, Talg u. s. w. Letztern vermittelt der Okahafen beim Dorf Krutogorje (18 km östlich von Bolchow). - Bolchow bestand schon im 13. Jahrh., bildete früher ein besonderes Fürstentum und war häufigen Überfällen der Tataren ausgesetzt.
von Oken in die Wissenschaft eingeführte volkstümliche Benennung für die Falschnetzflügler [* 41] (s. Geradflügler). [* 42]
Fluß, s. Aa. ^[= # ebenso wie Aach, Ach (s. d. und vgl. Aue), aus dem althochdeutschen Worte aha, d. i. Wasser ...]
(Boldu, lat. folia boldo), eine seit neuerer Zeit im Handel bekannte Drogue, die gegen Leberleiden verwendet wird. Die Boldoblätter sind oval, ganzrandig, lederartig, ziemlich dick, blaßgrün bis aschgrau, kurzgestielt, auf der obern Fläche rauh und mit zahlreichen Öldrüsen besetzt; der Geruch ist angenehm; sie kommen von einem in Chile [* 43] heimischen Baume, der verschieden genannt wird, nämlich: Boldoa fragrans Gay, Peumus fragrans Mol. und Ruizia fragrans Pav. Die Boldoblätter besitzen einen kampferartigen Geschmack und enthalten außer ätherischem Öle [* 44] ein Alkaloid, das Boldin.
in Schlesien [* 45] soviel wie Bauern- oder Ackerhufe = 30 Breslauer oder schles. Morgen = 16,803 ha.
schott. Hohlmaß, s. Boll. ^[= # Franz, Physiolog, geb. 26. Febr. 1849 zu Neubrandenburg, studierte in Bonn, Heidelberg und Berlin, ...]
Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Dolina in Ostgalizien und klimatischer ¶
Kurort an den nördl. Ausläufern der Karpaten, in schöner Gegend, an dem zur Swica, einem Nebenfluß des Dnjestr, gehenden Sukiel und der Linie Stryj-Stanislau der Österr. Staatsbahnen, [* 47] hat (1890) 4402 zur Hälfte poln. und kath., zur Hälfte israel. E., Post, Telegraph, Bezirksgericht (582 qkm, 34 Gemeinden, 49 Ortschaften, 26 Gutsgebiete, 28 001 meist ruthen. E.), k. k. Salinenverwaltung, Domänenverwaltung und Forstschule: 10 Gerbereien, Tuchwalkerei, 2 Lederfabriken, Leimsiederei, Naphthadestillation, Sägemühle und in der Umgebung Salzbergbau sowie eine jodhaltige Salzquelle. Bei dem nahen Dorfe Polanica (591 E.) Felsenklüfte und eine Felsengruppe (60 m), die, weil auf schmaler Basis ruhend, in der Luft zu schweben scheint.
die ballettmäßig eingerichteten span. Nationaltänze, im Theater [* 48] zwischen den einzelnen Stücken aufgeführt. Auch nennt man die Ausführenden die und Boleras. Die beliebtesten Boleros sind die Cachucha (s. d.), Jota aragonesa, Madrileña, der Ole, Jaleo de Jerez u. a. Sie werden teils bloß von einem Paare, teils von mehrern getanzt, manche, wie der Ole, von einer Tänzerin. Tänzer und Tänzerinnen tragen meist andalus. Kostüm. [* 49] Die Musik zu den Tänzen, vom Orchester gespielt, ist oft sehr rauschend und hat ein rasch wechselndes Tempo. Die Tänzer schlagen den Takt meist mit Castagnetten (castañuelas). Den oft sehr anmutigen Melodien liegen Nationalweisen zu Grunde. Die eigentlichen Volkstänze, aus denen die Boleros hervorgegangen sind, unterscheiden sich von diesen durch den begleitenden Gesang der Tänzer oder Zuschauer. Sie sind einfach und anmutig und werden mit Guitarre oder Tamburin begleitet.
Name mehrerer Herzöge (bez. Könige) von Böhmen, Polen und Schlesien.
Boleslaw I. (935-967) gelangte nach der Ermordung seines Bruders, des Herzogs Wenzel des Heiligen, zur Regierung. Obwohl er in erster Reihe als Führer des heidnisch-nationalen Adels am Sturze seines Bruders beteiligt war, förderte er doch später die Ausbreitung des Christentums im Lande und suchte die Übermacht des alten einheimischen Adels zu brechen. Die Abhängigkeit Böhmens von Deutschland [* 50] bestrebte er sich vergeblich abzuschütteln, und mußte endlich dem in Böhmen einfallenden Kaiser Otto I. 950 als Oberherrn huldigen. Im Kampfe des letztern gegen die Magyaren stand Boleslaw auf Seite Deutschlands. [* 51] Boleslaw vergrößerte sein Reich durch Mähren, Westgalizien und einen Teil von Schlesien und kräftigte es im Innern. Er starb um 967.
Boleslaw II. (967-999), Sohn und Nachfolger des vorigen, wurde trotz wiederholter Aufstände (er half auch Heinrich II. von Bayern [* 52] gegen Kaiser Otto II.) zur Anerkennung der Oberherrlichkeit Deutschlands gezwungen. Unter ihm gelangte die kirchliche Organisation Böhmens durch die Gründung des Prager Bistums zum Abschluß (973). Den letzten Widerstand des Adels brach er durch die Vernichtung des mächtigen Geschlechts der Slawnike, indem er alle Mitglieder dieser Familie nach der Eroberung ihrer Burg Libitz niedermetzeln ließ (995).
Boleslaw III., der Rote, Sohn und Nachfolger des vorigen (999-1002), verlor die Ländererwerbungen seines Großvaters an Polen und machte sich durch seine Grausamkeit bei dem Volke so verhaßt, daß er 1002 aus dem Lande flüchten mußte. Wohl kehrte er 1003 mit Unterstützung des Herzogs Boleslaw Chrobry von Polen nach Böhmen zurück und wütete rücksichtslos gegen den Adel, besonders gegen das Geschlecht der Wreschowece, wurde aber von Chrobry gefangen genommen, geblendet und in einer festen Burg Polens eingeschlossen, wo er 1037 starb.
Herzöge und Könige von Polen aus dem piastischen Hause:
Boleslaw I. Chrobry, d. i. der Tapfere, Sohn Mieczyslaws I. (992-1025), war der Begründer der Unabhängigkeit des Polnischen Reichs. Nach der Vertreibung seiner Brüder, mit denen er nach des Vaters Willen das Reich hätte teilen sollen, vereinigte er fast alle nordwestlichen slaw. Länder unter seiner Herrschaft, eroberte Danzig [* 53] und Pomerellen, Krakau, Schlesien und Mähren, zwang Kiew [* 54] zur Übergabe und brachte Rotrußland in seinen Besitz. Von Kaiser Otto III. erhielt er das Recht der Investitur poln. Bischöfe und die Suzeränität über die Slawen rechts der Oder.
Nach dem Tode Ottos III. fiel in die Ostmarken Deutschlands ein, und nur mit Mühe gelang es Kaiser Heinrich II. in mehrern Feldzügen 1005, 1012 und 1015 die Angriffe abzuwehren; er mußte aber im Frieden zu Bautzen [* 55] 1018 die Lausitz an Boleslaw als Lehn überlassen. Boleslaw legte den Grund zu der spätern Kastellaneiverfassung, die lange Zeit die Hauptstütze der Reichsverfassung blieb. Sehr viel trug er durch die Gründung der Bistümer Kolberg, [* 56] Krakau und Breslau [* 57] zur Verbreitung und Befestigung des Christentums in Polen bei. Nachdem er sich 1024 selbst die Königskrone aufgesetzt hatte, starb er 1025.
Boleslaw II. Smialy, d. i. der Kühne (1058-79), Sohn Kasimirs I., erlangte durch seinen Sieg über die Preußen [* 58] und Pommern [* 59] und durch einen Zug nach Rußland, auf dem er das verloren gegangene Kiew wiedergewann, so großes Ansehen, daß er sich am Weihnachtsfeste 1076 die Krone aufsetzte. Als er aber den mit der Geistlichkeit verbundenen Adel beschränken wollte, auch durch Grausamkeit und Laster die Gemüter empörte und u. a. den Bischof Stanislaw von Krakau in der Kirche mit eigener Hand [* 60] niederstieß, wurde er gebannt, abgesetzt und aus dem Reiche vertrieben und soll in einem Kloster in Kärnten (1082) gestorben, nach andern auf der Jagd von den eigenen Hunden zerrissen worden sein.-
Vgl. Pichler, Boleslaw II. von Polen (in der «Ungar. Revue», Budapest [* 61] 1892).
Boleslaw III. Krzywousty, d. i. Schiefmund (1102-39), Sohn Wladislaws I. Hermann, hatte zahlreiche Kämpfe mit den Pommern, Böhmen und Russen zu bestehen und ließ seinen aufrührerischen Halbbruder Zbignjew blenden. Durch Unterstützung des Bischofs Otto von Bamberg [* 62] (1124) gelang es ihm, die heidn. Pommern zum Christentum zu bekehren. Mit Erfolg kämpfte er in Schlesien gegen Kaiser Heinrich V. und besiegte ihn angeblich unweit Breslau, erschien jedoch 1135 in Merseburg, [* 63] um dem Kaiser Lothar für Pommern und Rügen den Vasalleneid zu leisten. Nachdem er sein Reich unter seine vier Söhne geteilt hatte, starb er
Boleslaw IV. Kędzierzawy, d. i. Kraushaar (1146-73), Sohn des vorigen, erhielt zwar nur Masowien und Kujawien, vertrieb aber seinen ältesten Bruder Wladislaw II. und eignete sich selbst das Principat zu. Vergeblich suchte darauf Kaiser Friedrich I., zu dem Wladislaw geflohen war, auf einem Kriegszuge nach Polen diesen wieder einzusetzen, doch mußte Boleslaw die Oberhoheit des Kaisers anerkennen. Er starb 1173.
V. Wstydliwy, d. i. der Schamhafte, geb. 1226, war bei dem Tode seines Vaters Leszek des Weißen ¶
noch ein Kind und stand bis 1242 unter Vormundschaft Heinrichs des Bärtigen. Er behauptete sich zwar bei den wiederholten Angriffen Konrads von Masowien im Besitze von Krakau und Sendomir, mußte aber vor den Tataren 1259 nach Ungarn [* 65] flüchten. Zurückgekehrt, schlug er die sein Gebiet verwüstenden Russen 1266. Doch sein Streit mit der Kirche, die Empörung des Adels, der Krieg gegen Wladislaw von Oppeln [* 66] und ein erneuter Tatareneinfall trübten die letzten Jahre seiner Herrschaft. Unter ihm löste sich Schlesien von Polen. Boleslaw starb 1279.
Boleslaw I., der Lange, ältester Sohn des Königs Wladislaw II. von Polen und Herzogs von Schlesien, erhielt nach dessen Tode 1163 von seinem Oheim König Boleslaw IV. Mittelschlesien mit Breslau als poln. Lehen und ist der Stammvater der piastischen Herzöge in Niederschlesien. Für die Förderung deutscher Ansiedelungen und Kultur in Niederschlesien war er eifrig thätig; er starb
Boleslaw II., Sohn des Herzogs Heinrich II. von Niederschlesien, erhielt 1248 bei der Teilung mit seinen Brüdern Mittelschlesien mit Breslau, vertauschte dieses 1251 mit seinem Bruder Heinrich gegen Niederschlesien mit Liegnitz [* 67] und ist der Gründer der ältern Linie Liegnitz. Er starb 1278.
Boleslaw III., Herzog von Liegnitz-Brieg, Enkel des vorigen, geb. 1291, folgte 1296 seinem Vater Heinrich V. in Brieg [* 68] und 1331 seinem Bruder Wladislaw in Liegnitz. Er ist der Stifter der Linie Brieg. 1342 überließ er das Herzogtum Liegnitz seinen beiden Söhnen und begnügte sich mit Brieg. Er starb
Name mehrerer Herzöge von Pommern, s. Bogislaw. ^[= Name mehrerer Herzöge von Pommern. - B. I. (1136-87) suchte Rügen an sich zu bringen, ...]
Pseudonym des poln. Schriftstellers Jos. Ignaz Kraszewski (s. d.).
soviel wie Fumarsäure (s. d.). ^[= (grch.) nennt man eine Schrift, die unter einem falschen Namen herausgegeben wird, oder auch ...]
Dill., Röhrenschwamm, Röhrenpilz, Pilzgattung aus der Familie der Hymenomyceten (s. d.), Hutpilze, die einen regelmäßigen, in der Mitte gestielten Hut [* 69] und auf der Unterseite ein aus dicht nebeneinander stehenden engen Röhrchen bestehendes Hymenium (s. d.) besitzen (s. Tafel: Pilze [* 70] I, Eßbare Pilze, [* 64] Fig. 8, 9; II, Giftige Pilze, [* 64] Fig. 7, 8). Die Gattung umfaßt etwa 120 Arten, etwa 40 in Deutschland. Es gehören hierher sehr gute Speiseschwämme, aber auch mehrere verdächtige und giftige Arten. Eßbar sind der Ring- [* 71] oder Butterpilz, Schmeerling, Kuhpilz, Stein- oder Herrenpilz, Kapuzinerpilz, Kastanienpilz; verdächtig oder giftig der Wolfspilz, Sau- oder Hexenpilz und vor allem der Satans- oder Blutpilz. (S. die betreffenden Artikel.)
(spr. búllinn oder bohlinn), Anna, zweite Gemahlin Heinrichs VIII. von England, geb. 1507, war die Tochter des Sir Thomas und durch ihre Mutter, eine Howard, die Nichte des dritten Herzogs von Norfolk. Ihre Erziehung erhielt sie hauptsächlich in Frankreich, kehrte aber 1522 von dort zurück. Von ihren Verwandten an den Hof [* 72] gebracht, fesselte sie bald durch Anmut und Koketterie König Heinrich VIII., der bereits vorher mit ihrer ältern Schwester Maria in sträflichem Verhältnis gelebt hatte.
Ihren Verwandten, die eine geschlossene Hofpartei gegenüber dem allmächtigen Minister Kardinal Wolsey bildeten, war diese Gelegenheit sehr willkommen, den König mehr und mehr zu beherrschen und Wolsey zu stürzen. Da Anna nur als Gattin sich Heinrich hingeben wollte, so entschloß sich der König, seine Ehe mit Katharina von Aragonien zu lösen. Wolseys anfänglichen Widerstand, dann seine vergeblichen Versuche, den Papst zur Lösung der Ehe zu bewegen, verursachten seinen Sturz (1529). Nach seinem Tode nahm Cranmer die Scheidung trotz päpstl.
Verbotes im Mai 1533 vor, worauf die schon im Januar heimlich geschlossene Ehe mit Anna Boleyn bekannt gegeben, diese zur Marquise Pembroke erhoben und im Juni 1533 feierlich gekrönt wurde. Aber sie täuschte Heinrichs Hoffnung auf einen Thronerben, als sie eine Tochter, Elisabeth später einen toten Knaben gebar. Es kränkte sie, daß Heinrich neue Liebeshändel suchte; sie plagte ihn mit Eifersucht und verfeindete sich auch den neuen Minister Thomas Cromwell. Dieselbe Rolle, wie sie Katharina gegenüber, spielte bei ihr des Königs neue Geliebte Johanna Seymour. Im Mai 1536 wurde sie plötzlich unter dem Vorwand ehelicher Untreue verhaftet, in komödienhafter Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt und enthauptet. -
Vgl. Brewer, Reign of Henry VIII., Bd. 2 (Lond. 1884);
Froude, History of England, Bd. 1 (neue Ausg., ebd. 1881);
Friedmann, Anne Boleyn (2 Bde., ebd. 1884);
Mademoiselle Blaze de Bury, Un divorce royal (Par. 1890);
unbrauchbar ist Hepworth Dixon, History of two Queens (4 Bde., Lond. 1873-74).
Dorf im Gouvernement Kasan, [* 73] 27 km südwestlich von der Kreisstadt Spaßk und 6 km von der Wolga unterhalb der Mündung der Kama entfernt (nach dem ehemaligen Uspenskij-Kloster auch Uspenskoje Selo genannt). Daselbst befinden sich die Ruinen und frühern Befestigungswerke der alten Hauptstadt des Bulgarenreichs, Bolgara oder Bulgar, die in den russ. Chroniken unter dem Namen Welikij Gorod,d. h. Große Stadt, vorkommt. Die Zeit der Gründung B.s ist unbekannt, doch hatte es schon im 10. Jahrh. über 10000 E. Im 14. Jahrh. wurde Bolgary durch Tamerlan zerstört und geriet nach der Auflösung der Goldenen Horde (1480) gänzlich in Verfall.
Pallas und Oserezkowstij fanden hier Ende des 18. Jahrh. noch 44 steinerne, ziemlich wohlerhaltene Gebäude, von denen gegenwärtig u. a. nur noch vorhanden sind: ein 34 m hohes Minaret, die Fundamente von 4 Türmen, die wahrscheinlich zur Moschee der Chane gehörten;
ein 10 m hohes Gebäude, in welchem die jetzt eingegangene Kirche des heil. Nikolaus erbaut war;
der Schwarze Hof, der Weiße Hof, ein kleines Minaret von 27 m Höhe, die Ruinen des Palastes der Chane, der sog. Griechische Hof auf einer Anhöhe außerhalb des Walles. Im Fundamente der neuen Kirche wurden tatar. und armenische Inschriften aus dem 13. und 14. Jahrh. gefunden.
Die in Bolgary gefundenen silbernen und kupfernen Münzen [* 74] gehören zumeist der Tamerlanschen Zeit an. -
Vgl. Saint-Martin, Notice et explication des inscriptions arméniennes et arabes de Bolgari, suive d'une note sur les inscriptions turques et arabes de la même ville (Par. 1839);
Flecken im Kreis Ismail des russ. Gouvernements Bessarabien, 115 km südwestlich von Akjerman, an der Mündung des Jalpuch in den See gleichen Namens, hat (1885) 8179 E., meist Bulgaren, die sich dort zwischen 1820-30 niederließen, Post, Telegraph, Kathedrale, Gymnasium, Mädchenprogymnasium, Stadt-, Pfarrschule sowie Seifensiederei, Ziegeleien und Getreidehandel. Bolgrad ¶
war früher Hauptverwaltungssitz der bulgar. Kolonien und gehörte 1857-79 zu Rumänien. [* 76]
(Boly), Hauptort des gleichnamigen Liwa des türk. Wilajets Kastamuni im nordwestl. Kleinasien, am Boli-su, in einer von Bergen eingeschlossenen fruchtbaren, durch zahlreiche Dörfer kultivierten Ebene, 615 m ü. d.M., hat viele Moscheen und Bäder, Woll- und Lederfabriken, bedeutenden Handel und etwa 5000 E., größtenteils Türken, in einer Vorstadt auch einige hundert Griechen und Armenier. - Boli, wahrscheinlich das uralte Bithynium, im Gebiete der Mariandyner (Bithynien), hieß seit dem 1. Jahrh. n. Chr. Claudiopolis, ist Geburtsort des Antinous und wurde von Theodosius d. Gr. zur Hauptstadt der neugebildeten Provinz Honorias erhoben. In der byzant. Zeit war es Sitz eines Metropoliten und wurde 1324 von den Osmanen erobert.
(grch.), s. Feuerkugel. ^[= auch Meteore, Feuermeteore oder genannt, die meist ganz vereinzelt auftretenden Sternschnuppe ...]
Wilh., schwed. Gelehrter, geb. zu Petersburg, wurde 1870 Professor der Philosophie in Helsingfors und 1873 Universitätsbibliothekar daselbst. Bei seinem Aufenthalt in Deutschland (1857) trat er mit Ludw. Feuerbach in nähere Beziehungen und wurde ein begeisterter Anhänger desselben. Seine in schwed. Sprache [* 77] verfaßten Hauptwerke sind: «Die Familie» (Helsingfors 1864) und «Das Staatsleben Europas und die polit. Lehren [* 78] der Philosophie seit dem 16. Jahrh.» (2 Bde., ebd. 1868-71). Auch gab er einen schwed. «Bühnen- und Familien-Shakespeare» (Lund 1879 fg.) heraus und verfaßte ein Lustspiel «Das Patenkind des Königs» (1882). In deutscher Sprache verfaßte Bolin:. «Über Ludwig Feuerbachs Briefwechsel und Nachlaß» (Helsingfors 1877) und eine Übersetzung von Theuriets «Verschollen» (Lpz. 1887).
(spr. böllingbruck), Henry St. John, später Lord Bolingbroke, engl. Staatsmann und Schriftsteller, aus alter hoch angesehener Familie, geb. zu Battersea in Surrey, studierte in Oxford [* 79] und erweiterte seine Kenntnisse und seinen Gesichtskreis durch Reisen im Auslande. Glänzende Begabung, schnelle Auffassung und Reichtum an Kenntnissen verband sich bei ihm mit wüstester Sittenlosigkeit und grenzenlosem Ehrgeiz. Schon 1700 trat er ins Unterhaus, seine vollendete Rednergabe, seine Meisterschaft in der Debatte erhoben ihn bald zu einem Führer der gemäßigten Tories.
Dennoch bekämpfte er die Kriegs- und Finanzpolitik des damals toryistischen Kabinetts Marlboroughs und Godolphins unter Königin Anna, bis ihn die Übertragung des Kriegssekretariats (1704) in dessen Dienste [* 80] zog. Mit dem Anwachsen der Whigpartei im Parlament drangen deren Führer in die Staatsämter ein, und sein Amtsgenosse Harley mußten weichen. In ländlicher Zurückgezogenheit beobachtete er, wie die Whigs ihren Sieg mißbrauchten, wie zugleich die Intriguenarbeit Harleys und seiner Genossin, der Kammerfrau Masham, die Stellung der leitenden Minister bei der Königin untergrub, bis diese Harley 1710 an die Spitze eines von toryistischer Mehrheit gestützten Kabinetts berief, in dem St. John das Staatssekretariat des Auswärtigen übernahm.
Sofort strebte er mit Energie und außerordentlicher Gewandtheit den Spanischen Erbfolgekrieg zu enden. Ohne Rücksicht auf die Bundesgenossen erzwang er den Abschluß des Friedens von Utrecht, [* 81] Die Erhebung zum Lord Bolingbroke war sein Lohn. Nun aber folgte ein Zerwürfnis mit seinem Nebenbuhler, Lord-Schatzmeister Harley, dessen Sturz Bolingbroke gelang. Nur wenige Tage später, jedoch noch vor dem Tode Annas, rissen die Whigs die Gewalt an sich, Bolingbroke selbst mußte Harley folgen.
Seine Bemühungen, dem Prätendenten Jakob Stuart Anerkennung zu verschaffen, mißlangen; noch auf der Reise nach England erklärte Georg I. Bolingbroke aller seiner Würden für verlustig. Er entwich nach Frankreich und wurde in der Abwesenheit von den siegreichen Gegnern wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Bolingbroke ging an den Hof Jakobs III. in St. Germain, mit dem er schon zuvor Verbindungen unterhalten hatte. Aber mit dem von Pfaffen und Weibern beeinflußten Schwächling kam es bald zum Bruch; von beiden Seiten ausgestoßen, bat Bolingbroke um die Gnade der Whigs, die ihm erst 1723 in der Erlaubnis zur Rückkehr zu teil wurde, der dann die Rückgabe seiner konfiscierten Güter, nicht aber seines Oberhaussitzes folgte. Er lebte zurückgezogen auf seinem Gut Dawnley im Kreise [* 82] geistvoller Gäste.
Von hier aus lenkte er die Parlamentsopposition und verfaßte wiederholt Flugschriften gegen Walpole. Zeitweilig lebte er in Frankreich; seit 1743 nahm er seinen Wohnsitz zu Battersea, wo er starb. Seine polit. Tendenzschriften veröffentlichte er in der Zeitschrift «Craftsman», besonders erschienen die «Dissertation on Parties» und 1738 die «Idea of a patriotic king», worin er, der einstmalige Parteityrann, die Parteiherrschaft geißelt. Sonst schrieb er Bemerkungen zur «Chronologie der Bücher Moses», «Untersuchungen über die Entstehungszeit der neutestamentlichen Schriften».
Skeptisch und polemisch, wie in seiner ganzen Philosophie, ist er besonders auch in den «Letters on the study of history», einer für den Geist der Aufklärung bahnbrechenden Schrift. Wegen seiner Angriffe auf das Christentum wurden seine Werke (hg. von Mallet, 5 Bde., Lond. 1753-54; neue Ausg., 8 Bde., 1808-9) von der großen Jury von Westminster verdammt. Interessant für die Zeitgeschichte sind seine «Letters and correspondence» (Lond. 1798). Zu bedauern ist, daß bei der frühern Geheimhaltung der Parlamentsdebatten von seinen als hinreißend geschilderten Reden nichts überliefert ist. Bolingbroke ist der Held von Scribes Lustspiel «Das Glas [* 83] Wasser». -
Vgl. Cooke, Memoirs of Lord Bolingbroke (2 Bde., 1835);
M'Knight, Life of Bolingbroke (Lond. 1863);
Brosch, Lord und die Whigs und Tories seiner Zeit (Frankf. a. M. 1883);
G. Koch, B.s polit. Ansichten und die Squirarchie (Berl. 1890).
Vortreffliches Charakterbild von Noorden im «Histor. Taschenbuch», VI, 1 (Lpz. 1882) und in dessen «Histor. Vorträgen», hg. von Maurenbrecher (ebd. 1884).
Demeter, [* 84] rumän. Dichter, geb. 1826 zu Bolintina in der Walachei, trat in den Staatsdienst, verlor aber infolge der Veröffentlichung mehrerer polit. Gedichte und Artikel sein Amt und ging 1847 nach Paris. [* 85] Durch die Revolution von 1848 zurückgerufen, gab er das national-demokratische Blatt [* 86] «Poporul suveran» heraus. Nach der Einsetzung des Fürsten Stirbei 1849 vogelfrei, flüchtete Bolintineanu nach Paris, später nach der Türkei [* 87] und bereiste Kleinasien u. s. w. Infolge der Thronbesteigung Cusas kehrte er 1859 nach Bukarest [* 88] zurück und wurde Minister des Unterrichts, nach 3 Monaten Staatsrat auf Lebenszeit. Bald jedoch verfiel er in schwere Geisteskrankheit und starb wahnsinnig in einem Armenhause zu Bukarest. Geschätzt sind besonders seine der vaterländischen ¶
Geschichte entnommenen Balladen, die seit 1852 («Cântecesi plângeri») wiederholt erschienen (2 Bde., Bukarest 1877). U. d. T. «Brises d'Orient» (Par. 1866) gab er eine Auswahl seiner Gedichte in franz. Übersetzung heraus; deutsch sind viele in Carmen Sylvas «Rumän. Dichtungen» (3. Aufl., Bonn [* 90] 1889) enthalten. Aufsehen machte der Roman «Elena»; auch verfaßte Bolintineanu Beschreibungen seiner Reisen, geschichtliche Dramen, Satiren und ein Epos «Traianida», Daciens Unterwerfung durch Trajan behandelnd.
Geldeinheit der Vereinigten Staaten [* 91] von Venezuela [* 92] in Südamerika. [* 93]
Der Bolivar wird in 100 Centimos (oder Centavos) geteilt und ist = 1 Frank.
Die kleinste Courantmünze ist (sowohl in Gold [* 94] als in Silber) das Stück von 5 Bolivares und heißt auch Venezolano.
Staat im SO. der Vereinigten Staaten von Venezuela, grenzte früher im N. an Bermudez, im O. an das Territorium Yuruari, im S. an Brasilien, [* 95] im W. an das Territorium Caura und hatte 372 447 qkm, (1891) 58 289 E. Seit 1892 umfaßt Bolivar alles Land im S. des Orinoco mit Ausnahme der Territorien Amazonas im S. und Delta [* 96] im O. Hauptstadt ist Ciudad Bolivar (s. d.) oder Angostura;
Provinz der südamerik.
Republik Ecuador, am Westabfalle der Anden, hat etwa 43000 E. Hauptstadt ist Guaranda (s. d.).
Departamento (bis 1886 Staat) der südamerik. Republik Columbia, [* 97] 1858 aus den Provinzen Cartagena, Mompos und Sabanilla der Republik Neugranada gebildet und nach Simon Bolivar (s. d.) benannt, grenzt im N. an das Antillenmeer, im O. an den Rio [* 98] Magdalena, im S. an das Depart. Antioquia, im W. an Cauca, hat 70000 qkm und zerfällt in die Provinzen Barranquilla, Carmen, Cartagena, Corozal, Chima, Lorica, [* 99] Magangue, Mompos, Sabanalagra und Sincelejo und seit 1886 in die Territorien San Andres und San Luis. Es umfaßt das niedrige Land zu beiden Seiten des Rio Sindu, des untern Rio Cauca und auf der Westseite des Rio Magdalena bis zur Küste, in das nur niedrige, nördl. Ausläufer der Cordilleren sich hineinziehen.
Das Land ist großenteils noch mit Urwald bedeckt (nur 30000 qkm sind kultiviert), das Klima überall heiß und an der Küste sowie am untern Rio Magdalena ungesund. Die Bevölkerung betrug 1881 nur 324 400 E., größtenteils Mischlinge von Indianern (Kariben), Negern und Weißen, unter denen die kräftigen Zambos vorzüglich von Warenförderung auf den Flüssen als Bootführer leben. Der Handel bildet einen Haupterwerbszweig der Bevölkerung. [* 100] Neben der Hauptstadt Cartagena (s. d.) sind die wichtigsten Orte Mompos, Lorica und Barranquilla (s. d.).
oder Riobamba, Hauptstadt der Provinz Chimborazo in Ecuador, s. Riobamba.
Simon, der Befreier Südamerikas von der span. Herrschaft, geb. zu Caracas studierte zu Madrid [* 101] die Rechte und bereiste dann Frankreich, Italien, [* 102] die Schweiz [* 103] und Deutschland. Auf der Rückreise nach Venezuela (1809) besuchte er die Vereinigten Staaten, und hier faßte er den Plan, sein Vaterland vom span. Joche zu befreien. In Caracas angelangt, verband er sich mit den Patrioten, und als in der Hauptstadt der Aufstand losbrach, sandte ihn die Junta nach London, [* 104] von wo er im Sept. 1811 mit einem Waffentransporte zurückkehrte.
Als Oberstlieutenant kämpfte er nun unter Miranda, bis er nach der Unterwerfung Venezuelas durch die Spanier auf der Insel Curaçao eine Zuflucht suchen mußte. Doch schon im Sept. 1812 trat er wieder unter den Insurgenten von Neugranada auf und wurde bald die Seele des Befreiungskrieges gegen die Spanier. Nach der Eroberung von Caracas wurde Bolivar vom Heere als Befreier (el Libertador) Venezuelas begrüßt. Die von ihm berufene Generalversammlung übertrug ihm alle Civil- und Militärgewalt; bei La Puerta von den Spaniern geschlagen, entfloh Bolivar jedoch nach Tunja, wo ihm der Kongreß von Neugranada den Oberbefehl übertrug. Er besetzte Bogota und befreite die Provinz Cundinamarca; allein als der span. General Morillo im März 1815 mit neuen Truppen landete, mußte er sich 10. Mai nach Jamaika einschiffen, landete aber bereits im Dez. 1816 wieder mit flüchtigen Insurgenten auf der Insel Margarita.
Nachdem er die Aufhebung der Sklaverei verkündet hatte, berief er als Oberhaupt der Republik Venezuela einen Kongreß und setzte eine Regierung ein. In den beiden folgenden Jahren kämpften Bolivar, Paëz und Santander so glücklich gegen Morillo, daß der Kongreß zu Angostura eröffnet werden konnte. Bolivar, von demselben zum Präsidenten mit unumschränkter Gewalt ernannt, führte nun das Heer im Juni über die Cordilleren nach Neugranada und befreite dieses durch die Schlachten [* 105] bei Tunja und Bochica, worauf 9. Sept. die Vereinigung der Staaten Venezuela und Neugranada zu einer Republik unter dem Namen Columbia mit Bolivar als Präsidenten proklamiert wurde.
Nachdem er mit Morillo den Waffenstillstand von Trurillo abgeschlossen hatte, schlug er den General La Torre bei Carabobo. Abermals 1821 zum Präsidenten der Republik Columbia gewählt, vollendete er 1823 und 1824, namentlich durch den Sieg bei Junin und den Sieg des Generals Sucre bei Ayacucho, die Befreiung Nieder- und Oberperus, welch letzteres, nach ihm Bolivia benannt, ihn 1825 mit der diktatorischen Gewalt bekleidete. Diese legte er 1826 nieder, um aufs neue die Präsidentschaft der Republik Columbia mit fast unumschränkter Gewalt zu übernehmen.
Dies verursachte viel Unzufriedenheit, und eine Verschwörung bedrohte 25. Sept. sein Leben. Die Urheber wurden erschossen, der Vicepräsident Santander verhaftet und nebst 70 andern Beteiligten verbannt. Bolivar hatte sich auch in Peru zum lebenslänglichen Präsidenten wählen lassen. Da er außerdem dem Kongreß von Bolivia eine wenig republikanische Verfassung (Code Boliviano) aufdrang, in Columbia die Preßfreiheit unterdrückte und die Klosterschulen wiederherstellte, so beschuldigte man ihn monarchischer Pläne. Peru und Venezuela sagten sich von der columb. Union los, infolgedessen Bolivar abdankte. Der Kongreß von Bogota setzte ihm ein Jahrgeld von 30000 Piastern aus. Bald darauf starb in Santa Marta Im J. 1832 brachte man die Asche B.s nach Caracas und widmete hier seinem Andenken einen Triumphbogen. -
Vgl. Coleccion de documentos relativos a la vida publica del libertador de Colombia y de Peru, Simon Bolivar (22 Bde., Caracas 1826 fg.);
Larrazábal, Life of Simon Bolivar (2. Ausg., 2 Bde., Neuyork [* 106] 1866) und Correspondencia general del libertador Simon Bolivar (2 Bde., ebd. 1865-71);
Rojas, Simon Bolivar (Madr. 1883). ¶