wichtigen Kurien (des Großgrundbesitzes, der städtischen und Landbezirke) sollen unter Fortbestand der Kurie des Großgrundbesitzes
zwei neue Kurien treten: die der
Abgeordneten der czech. und die der deutschen Wahlbezirke, und jede der drei Kurien sollte
ein Vetorecht erhalten bei
Beschlüssen über Änderungen der Landesordnungen und der Landtagswahlordnung sowie über Fragen,
die den Gebrauch der
Sprachen im öffentlichen Leben, bei autonomen
Behörden und bei gewissen vom Landtage abhängigen
Bildungsanstalten
betreffen. Auch wurden Vereinbarungen über Errichtung und
Erhaltung von Minoritätsschulen in gemischtsprachigen Gemeinden
getroffen.
Von den
Vorlagen, welche demgemäß dem böhm. Landtage, an dessen Sitzungen sich die deutschen
Abgeordneten nach vierjährigem Fernbleiben wieder beteiligten, bei dessen Zusammentritt (19. Mai) unterbreitet
wurden, wurde nur die über die
Teilung des Landesschulrats nach nationalen
Gesichtspunkten3. Juni angenommen. Auch auf dem nächsten
Landtage, im Nov. 1890, wurden nur 16
Paragraphen des Gesetzes über die
Teilung des Landeskulturrats angenommen, und das Stimmverhältnis
zeigte, daß überhaupt keine Aussicht war, die übrigen Ausgleichsvorlagen zur
Annahme zu bringen, da
bei letztern die
Verfassung berührenden Gesetzen die Gegenwart von drei Vierteln aller
Abgeordneten erforderlich war. Bis
zum Jan. 1891, wo in einer neuen Landtagssession der Rest des Gesetzes über den Landeskulturrat zur
Annahme gebracht wurde,
waren die Freunde desAusgleichs noch mehr zusammengeschmolzen. Hatten schon die Verhandlungen über die
Ausgleichsvorlagen eine Abbröckelung von der altczech. Partei zur Folge gehabt, so führten die im März stattfindenden
Reichsratswahlen geradezu zur Vernichtung derselben. Während die
Deutschen alle ihre
Mandate behaupteten und einen Wahlbezirk
gewannen, drang von den
Altczechen in den Landgemeinden gar keiner, in den
Städten nur einer durch. Selbst
der Führer der
Altczechen, Rieger, kam nur in die engereWahl. Infolgedessen faßten die
Altczechen den Beschluß, sich bei
den engern
Wahlen und den
Wahlen der Handelskammern gar nicht mehr zu beteiligen, sodaß Böhmen
[* 2] im Reichsrate nur noch durch
Jungczechen,
Feudale und Deutsche
[* 3] vertreten war. Auch bei der Landesausstellung 1891 waren die
Jungczechen tonangebend.
Russische
[* 4] und franz. Gäste wurden in
Prag
[* 5] in demonstrativer
Weise empfangen und mit ihnen als Feinden der
Deutschen Verbrüderungsfeste
gefeiert. Der
Kaiser, der die
Ausstellung besuchte, legte seinen Wunsch nach Herstellung des Friedens in Böhmen bei verschiedenen
Gelegenheiten an den
Tag und ignorierte die
Jungczechen vollständig. Die
Altczechen suchten den letzten
Rest ihres immer mehr schwindenden Einflusses im
Lande dadurch zu retten, daß sie sich ebenfalls gegen den
Ausgleich erklärten,
wenn sie auch ihren Wortbruch noch einigermaßen zu verschleiern suchten, indem sie als Vorbedingung weiterer
Beratung «die
volle Durchführung der Gleichberechtigung beider Landessprachen», d. h.
die
Anerkennung des
Czechischen als Amtssprache forderten. Da auch der feudale Großgrundbesitz, mit dessen Hilfe wenigstens
die nur eine einfache
Majorität erfordernde nationale Abgrenzung der Gerichtsbezirke hätte durchgebracht werden können,
den konservativen
Altczechen zuliebe seinem Worte untreu wurde, so gelang es, die Vertagung der im März 1892 von
der Regierung im Landtag eingebrachten Ausgleichsvorlagen durchzusetzen.
Die Regierung beschloß nun, am
Ausgleich festhaltend,
in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke auf administrativem Wege vorzuschreiten und veröffentlichte nach
Schluß des Landtags
zunächst eine Verordnung, die Errichtung eines deutschen Bezirksgerichts in Weckelsdorf betreffend.
Der von den
Jungczechen
im österr. Abgeordnetenhaus gestellte
Antrag, den Justizminister Schönborn deswegen in Anklagezustand
zu versetzen, wurde 5. Mai mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch in der kurzen Landtagssession im Sept. 1892 machte der
Ausgleich
keine Fortschritte.
In dem zusammengetretenen Landtag hatte die Regierung wieder
Vorlagen auf Errichtung eines deutschen
Kreisgerichts in
Trautenau und dreier neuer
Bezirksgerichte eingebracht. Als erstere
Vorlage entgegen dem
Verlangen der
Jungczechen17. Mai auf die
Tagesordnung gesetzt wurde, verhinderten sie durch Lärm und Gewaltthätigkeiten die
Beratung. Infolge dieser Vorgänge wurde der Landtag, noch vor Erledigung des
Budgets, geschlossen. Aufrührerische Straßenkrawalle
(besonders am Vorabend des kaiserl.
Geburtstages, 17. Aug.) und vielfache andere Ausschreitungen in
Prag, die
von dem revolutionären czech. Geheimbund «Omladina» (s. d.)
ausgingen, veranlaßten 13. Sept. die Verhängung des Ausnahmezustandes über
Prag und Umgebung. 76 Mitglieder der «Omladina»,
mit der auch die
JungczechenBeziehungen unterhalten hatten, wurden vor Gericht gestellt und nach lärmenden Verhandlungen 21. Febr. größtenteils
zu
Freiheitsstrafen verurteilt. Inzwischen war nach dem Rücktritt des
Grafen Taaffe das Koalitionsministerium unter Fürst
Windischgrätz gebildet worden das alle großen polit. Fragen ruhen zu lassen beschloß, infolgedes zunächst
auch von der weitern Betreibung der nationalen Abgrenzung in Böhmen abgesehen wurde.
Litteratur.Außer den zahlreichen Publikationen des
Vereins für Geschichte der
Deutschen in Böhmen (wie: Deutsche
Chroniken aus Böhmen, 3 Bde.,
Prag 1879-84), der Gesellschaft der Wissenschaften in
Prag, des Landesarchivs und des
Böhm.
Museums
vgl.: Pelzel, Geschichte der Böhmen (4. Aufl., 2 Bde.,
ebd. 1817);
Palacky, Geschichte von Böhmen (5 Bde. in 10 Abteil.,
ebd. 1845-74);
Gindely,
Staré paměti dějin českých (Monumenta historiae bohemica, 4 Bde.,
ebd. 1864-67);
Eduard, Romanist und Theolog, geb. in
Stettin,
[* 6] studierte in
Halle
[* 7] und
Berlin
[* 8] Theologie,
Philosophie und
Philologie, habilitierte sich 1854 für
Theologie in
Halle, wurde 1866 außerord., 1868 ord. Professor
der roman.
Sprachen daselbst und ging 1872 in gleicher Eigenschaft nach
Straßburg;
[* 9] seit 1879 im
Ruhestand, lebt er seit 1883 in
Lichtenthal bei
Baden-Baden.
[* 10] Auf theol. Gebiete bethätigte er sich durch die Veröffentlichung des «Tractatus
de deo et homine» des
Spinoza
(Halle 1852) sowie durch die
Schriften: «Über Verfasser und Abfassungszeit der johanneischen
Apokalypse»
(ebd. 1855),
auch hat er ungedruckte Werke des
Juan de Valdés u. s. w. als
«SpanishReformers of two centuries from 1520» (2 Bde., Straßb.
¶
mehr
1874-83) und «Sleidanus' Reden an Kaiser und Reich» (Stuttg. 1879) herausgegeben. Auf romanistischem Gebiete schrieb er mehrere
Aufsätze in den mit K. Witte herausgegebenen ersten Bänden des «Jahrbuchs der DeutschenDante-Gesellschaft» (Lpz. 1867-70),
auch über DantesSchrift«De vulgari eloquentia» (Halle 1868). 1871-85 gab er die «Roman. Studien» heraus; ferner
die altfranz. Rolandsdichtung («Rencesval», Halle 1872) in einem eigenen phonetischen System, und ein Schriftchen «Über die
provençal. Poesie der Gegenwart» (ebd. 1870). 1891 veröffentlichte er «Pindars sicil. Oden nebst den epizephyrischen mit
Prosaübersetzung und Erläuterungen» (Bonn). B.s große Sammlung rhätoromanischer Schriftwerke (Verzeichnis vgl. «Roman.
Studien», 1884) ist jetzt auf der königl. Bibliothek zu Berlin.
Joh. Friedr., Geschichtsforscher, geb. zu
Frankfurt
[* 14] a. M., studierte in Heidelberg
[* 15] und Göttingen,
[* 16] ging 1818 nach Italien
[* 17] und ward 1822 Bibliothekargehilfe und Mitadministrator
des Städelschen Kunstinstituts, 1825 Archivarvikar, 1830 erster Bibliothekar in seiner Vaterstadt. Er unternahm jährlich
Reisen zur Durchforschung der Bibliotheken und ArchiveDeutschlands,
[* 18] Frankreichs, Italiens
[* 19] und der Niederlande.
[* 20] Böhmer starb Als Früchte seiner Bemühungen, die zu epochemachenden Werken führten, erschienen zuerst: «Die Urkunden
der röm. Könige und Kaiser von Konrad I. bis Heinrich VII., 911-1313» (Frankf. 1831),
sodann «Reichsgesetze von 900 bis 1400»
(ebd. 1832),
«Regesten des Kaiserreichs unter Heinrich Raspe, Wilhelm, Richard, Rudolf, Adolf, Albrecht und Heinrich VII.
1246-1313» (Swttg. 1844; mit 2 Ergänzungsheften, ebd. 1849 u. 1857),
«Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV.,
Friedrich II., Heinrich VII. und Konrad IV., 1198-1254» (2 Tle., ebd. 1847-49; neu hg. [und ergänzt bis 1272] von J. Ficker
und E. Winkelmann, 3 Tle., Innsbr. 1879-92),
«Wittelsbachische Regesten» (Stuttg.
1854),
«Fontes rerum Germanicarum (Bd. 1-4, ebd. 1843 - 68), eine Sammlung von Geschichtsquellen des 13. und 12. Jahrh. Aus
seinem Nachlasse erschienen "Acta imperii selecta" (hg. von Ficker, Innsbr. 1866-68),
«Die Regesten des Kaiserreichs unter
Karl IV.» (hg. von Huber, ebd. 1876),
«Regesten zur Geschichte der Erzbischöfe von Mainz»
[* 22] (hg. von Will, ebd. 1877 fg.),
«Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern» (neu bearb.
von Mühlbacher, ebd. 1880 fg.) und «Die Regesten des Kaiserreichs unter den Herrschern
aus dem sächs. Hause 919-1024» (neu bearb. von E. von
Ottenthal, ebd. 1894 fg.). -
Vgl. Janssen, Joh. Friedr. B.s Leben, Briefe und kleinere Schriften (3 Bde.,
Freib. i. Br. 1868; Auszug in 1 Bd., ebd. 1870),
und Ranke, J. Fr. (in Sybels «Historischer Zeitschrift»).
Justus Henning, Jurist, geb. zu Hannover,
[* 23] bildete sich namentlich in
Halle, erhielt daselbst 1715 die Professur der Institutionen und des Lehnrechts und starb Aug. 1749 als
Ordinarius der Fakultät und Kanzler des Herzogtums Magdeburg.
[* 24] Sein Hauptverdienst liegt in der Darstellung des evang. Kirchenrechts:
«Jus ecclesiasticum protestantium» (5
Tle., Halle 1714-37; 5. Aufl. 1756-89),
wozu «Jus parochiale» (6. Aufl. 1760) gehört.
Das kath. Recht behandelte er in «Institutiones juris canonici» (5. Aufl.
1770). Weniger bedeutend ist seine Ausgabe des «Corpus juris canonici» (2 Bde.,
Halle 1747).
Jacq., Pflanzengattung aus der Familie der Urticaceen
[* 25] (s. d.)
mit gegen 40 Arten, sämtlich in den wärmern Gegenden. Es sind kleine Bäume oder Sträucher mit gegenständigen oder abwechselnden
Blättern und getrenntgeschlechtigen Blüten; die letztern stehen in Knäueln zusammen; die männlichen
haben ein vierspaltiges Perigon und vier Staubgefäße,
[* 26] die weiblichen ein röhriges Perigon und eine Narbe. Die meisten Arten
zeichnen sich durch die Dauerhaftigkeit und Festigkeit
[* 27] ihrer Bastfasern aus, weshalb einige auch im Großen kultiviert werden.
Die wichtigste Art, Boehmeria nivea Gaud.
(s. Tafel: Urticinen II,
[* 13]
Fig. 3), wird in Indien und in China
[* 28] vielfach angebaut. Ihre Bastfasern, die eine
ganz ungewöhnliche Länge bis zu 22 cm erlangen, liefern das Chinagras (s. d.).
Boehmeria tenacissima Gaud.
wird ebenfalls in Südasien, China und Japan kultiviert, ihre Bastfasern besitzen außerordentliche Festigkeit und werden bis 8 cm
lang; sie liefern die Ramiéfaser (s. Ramié). Außerdem werden die Bastfasern von Boehmeria sanguinea Hassk.
und Boehmeria frutescensBlum. in Indien und dem übrigen Südasien benutzt. In neuerer Zeit werden hauptsächlich das Chinagras und
die Ramiéfaser vielfach auch in Europa
[* 29] in der Textilindustrie verwendet.
Karl Victor, volkswirtschaftlicher Schriftsteller, geb. zu Quesitz bei Leipzig,
[* 30] studierte zu Leipzig 1848-52 Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft und wandte sich dann ganz nationalökonomischen Arbeiten
zu, wobei er sich auch praktisch im Sinne von Schulze-Delitzsch an der Gründung eines Vorschuß- und Kreditvereins in Meißen
[* 31] beteiligte. Nach einer Reise durch Sachsen,
[* 32] Rheinland und Westfalen,
[* 33] Belgien
[* 34] und Frankreich ging er 1856 nach Heidelberg,
um dort eine von Rau und Röscher mitbegründete nationalökonomische Wochenschrift herauszugeben und sich an der Universität
als Docent zu habilitieren.
Ein Jahr darauf folgte Böhmert einem Rufe nach Bremen,
[* 35] wo er 1857-60 das «Bremer Handelsblatt» redigierte, von 1861 bis 1866 als
Syndikus der Bremer Handelskammer fungierte und sich in hervorragender Weise an der Bewegung für Einführung
der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit und an der Gründung des Kongresses deutscher Volkswirte beteiligte. Im Herbst 1866 wurde
Böhmert zum Professor der Nationalökonomie und Statistik am eidgenössischen Polytechnikum und an der UniversitätZürich
[* 36] ernannt und
im April 1875 in gleicher Eigenschaft an das Polytechnikum in Dresden
[* 37] und als Direktor des königlich
sächs. StatistischenBureaus berufen.
«Beiträge zur Geschichte des
Zunftwesens» (Lpz. 1861; von der Fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft zu Leipzig mit dem Preise gekrönt),
«Beiträge
zur Fabrikgesetzgebung. Untersuchung und Bericht über die Lage der Fabrikarbeiter, erstattet an die Gemeinnützige
Gesellschaft des Kantons Zürich"
(Zür. 1868),
«Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen
der Schweiz»
[* 38] (2 Bde., ebd. 1873). Seit 1873 redigiert
er in Gemeinschaft mit Gneist den in Berlin erscheinenden
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mehr
«Arbeiterfreund, Zeitschrift des Centralvereins in Preußen
[* 40] für das Wohl der arbeitenden Klassen». Böhmert bekennt sich in seinen
Schriften entschieden zu den freihändlerischen Grundsätzen von AdamSmith, Cobden und Bastiat, sucht jedoch in dem «Arbeiterfreund»
in dem Kampfe der Manchesterschule und der socialpolit. Partei einer neuen socialstatist. RichtungBahn zu brechen.
Auch hat Böhmert eine internationale Enquete über die Versuche mit Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer angeregt; die Resultate derselben
veröffentlichte er u. d. T. «Die Gewinnbeteiligung.
Untersuchungen über Arbeitslohn und Unternehmergewinn» (Bd. 32 u. 33 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», Lpz.
1878). Seit 1875 giebt auch die «Zeitschrift des königlich sächs.
StatistischenBureaus» und seit 1877 die «Social-Correspondenz»
heraus. Seit 1879 ist Böhmert besonders mit an der Reform der deutschen Armenpflege und an dem Kampf gegen die Trunksucht und Unsittlichkeit
schriftstellerisch und praktisch beteiligt und hat im Auftrage des DeutschenVereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit das
Werk «Das Armenwesen in 77 deutschen Städten und Landarmenverbänden» (2 Bde., Dresd. 1886) herausgegeben.
Böhmert steht in Dresden an der Spitze des Vereins gegen Armennot und Bettelei, des Bezirksvereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke
und des Vereins für Volkswohl.
oder Böhmisch-Bayrisches Waldgebirge, Gebirge mit nordwestl. Streichung zwischen dem linken Donauufer von
Linz
[* 41] bis Passau
[* 42] und dem Südfuße des Fichtelgebirges auf der bayr.-böhm.
Grenze und auf der Wasserscheide zwischen dem Gebiete der Nordsee und des SchwarzenMeers, besteht in seinen Grundmassen vorherrschend
aus Granit und gneisartigen krystallinischen Gesteinen und sendet seine Wasser dem Elb- und Donaugebiete zu. (S. Karten: Bayern
I und II.) Recht eigentlich ein Waldgebirge, da sein Rücken bis zur Höhe von 1170 m mit dichtem Wald bedeckt
ist, zeigt der Böhmerwald einen seltsamen Wechsel von Rücken-, Kamm-, Plateau- und Gipfelbildungen auf, und es fehlt
die gegliederte Abzweigung der Joche und Ausläufer von einem deutlich markierten Mittel- und Hauptrücken.
Die verschiedenen Bergzüge senken sich nach W. und SW. in vielfachen Steilabsätzen in das Naabgebiet
und gegen die Donau herab, während sie sich gegen NO. und O. in das innere Böhmen im allgemeinen viel sanfter verflachen.
Daher der scheidende Charakter des Böhmerwald für Bayern, den er für Böhmen nicht hat. Das 190-237 qkm lange und 30-60 km
breite, 11 508 qkm im weitesten, 5700 qkm im engen Sinne umfassende Gebirgsganze wird durch die 22 km breite Einsattelung
bei Neumark (449 m) oder die Gebirgslücke zwischen Neugedein und der tief eingesenkten, jetzt von der Eisenbahn benutzten
Thalsohle des Cham, der auf der böhm. Seite entspringt und auf der bayrischen
bei dem Orte Cham (370 m) in den Regen mündet, in zwei ganz verschiedenartige Hälften geschieden: in die nordwestliche oder
den BöhmischenWald (czech. Český Les) und in die südöstl., größere, breitere und höhere Hälfte, den eigentlichen
Böhmerwald, bei den CzechenSchumava (Sumava) genannt. Die erstere entsendet nach der bayr. Seite
die Waldnaab, Pfreimt und Schwarzach, nach der böhmischen die Mies und Radbusa, die letztere den Regen mit Cham und die Ilz
nach Bayern, die Moldau und Wotawa nach Böhmen.
Der
nördliche Böhmerwald, dessen westlicher in Bayern liegender Teil Oberpfälzer Wald (s. d.) genannt wird, beginnt im N., ohne mit
dem Fichtelgebirge zusammenzuhängen, an dem südlich von Eger
[* 43] gelegenen Plateau von Waldsassen, auf dem sich der Tillenberg
(Düllenberg, Dillenberg) beim Egerpaß zu 939 m erhebt, und zieht sich dann zunächst gegen SO.
mit Erhebungen, wie dem Pfefferbühel (787 m), dem Pleßberg (764 m), bis zu der nur 460 m hohen Einsenkung
bei dem Pfraumberg (847 m) als ein walzenförmiger, mit abgerundeten Kuppen besetzter Bergzug, der gegen W. in Steilrändern,
gegen Böhmen in sanftern Mittelgebirgen abfällt.
Jenseit der Pfraumberger Senke zieht südostwärts in einem Viertelkreisbogen um Bischofteinitz in mehrern Parallelketten
das Klattauergebirge, das in dem Czerkow oder Tscherchowberge 1039 m aufsteigt und gegen S. zu allmählich
zu der erwähnten Gebirgslücke bei Neumark herabsinkt. Südlich der letztern erhebt sich auf bayr.
Seite isoliert derHohebogen mit dem Eckstein (1067 m), dessen Gipfelplateau (der Burgstall) eine schöne Übersicht über
den nördlichen Böhmerwald bietet.
Die Südhälfte des gesamten Gebirgswalls, der eigentliche Böhmerwald (Schumava), besteht aus zwei Parallelketten,
welche die Längenthäler der Moldau nach SO. und der Wotawa und Angel nach N. zu umschließen, aber zwischen denselben durch
die ausgedehnte Bergmasse des Schwarzbergs zusammengehalten werden. Die von letzterm Hauptknoten gegen WNW. gerichtete Gabel,
das Künische Gebirge, enthält in der östl. oder böhm. Kette den gewaltigen Ossa oder Osser (1280 m),
ferner die Seewand (1341 m) am lieblichen Angelthal, und andere Gipfel, während in der höhern westl.
oder bayr. Parallelkette die Arbergruppe, aus dem Gefilde (Kvildy) genannten Hochplateau hervorragend,
mit dem 1458 m hohen GroßenArber (s. d.), dem Kulminationspunkte des ganzen und dem KleinenArber (1391
m), ferner der Rachel (1454 m), der Mittagsberg (1314 m) und der Lusen (1369 m) die bedeutendsten Erhebungen sind.
Die vom Schwarzenberg nach OSO. geöffnete Gabel gestaltet sich im östl. oder böhm.
Arme zuerst als Hochrücken, dann um Winterberg her als ausgebreitete Hochebene mit verschiedenen Einzelgipfeln, wie
dem 1358 m hohen Kubany, und setzt sich endlich als Lissa- und Blanskerwald mit dem Schöninger (1080 m)
gegen das nordwärts gerichtete Querthal der Moldau fort. Der westl. oder bayr.
Arm dagegen erhebt sich zunächst im Dreisesselberg (1331 m) und Plöcklstein (1375 m), der Grenzmarke zwischen Bayern, Böhmen
und Oberösterreich, und im Heidelberg (1210 m), zieht sich nun als zusammenhängender Felsenkamm zu dem
Hochfichtet (1335 m) und fällt dann zu 1040 m und im Unterwuldauer Paß
[* 44] selbst bis 736 m herab.
Das Salnauerqebirge geht vom Kubany am linken Moldauufer bis Oberplan, mit den nicht besonders die Kammhöhe (950 m) überragenden
Kuppen des Spitzberges (1215 m), des Sternberges (1117 m) und der Fuchswiesen (1187 m). Von dem Unterwaldauer
Passe senkt sich der Grenzrücken (das St. Thomasgebirge), welcher in südöstl. Richtung gegen Hohenfurth zieht. In der Mitte
liegt, von großen Forsten umgeben, die Ruine Wittigshausen (1041 m). Die weitere Fortsetzung des
Salnauer Zuges bilden die Berge von Prachatitz und Krumau (Chum 1185 m und Aibin 1089 m). Das südl.
Ende des Böhmerwald bildet
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mehr
unter dem Namen der Donauberge, Karlsberge u. s. w. eine vielfach gespaltene Bergmasse von 630 bis 720 m
Höhe und fällt mit steilen Wänden zur Donau ab. Der weite Sattel des nur noch 700 m hohen Passes von Kerschbaum, durch
den die Linz-Budweiser Eisenbahn führt, trennt dieselbe von einer andern ähnlich gestalteten Bergmasse,
welche die südöstliche bis 1137 m hohe Vorstufe des Böhmerwald bildet und unter dem NamenGreinerwald, Gfällerwald und Manhartsberg
als steiler Rand die Donau begleitet. Eine bedeutende westl. Vorstufe des Hauptwalls des Böhmerwald ist
der BayrischeWald oder Bayerwald, der, durch die Thäler des Regen und der Ilz von der Hauptmasse geschieden,
steil zur Donau abfällt und im Predigtstuhl 1026 m, im Hirschenstein 1091 m, im Dreitannenriegel 1216 m aufsteigt. Der BayrischeWald ist der schönste Teil des Böhmerwald, ausgezeichnet durch malerische Donauufer, runde Kuppen, Schlösser und obstreiche Thäler
(Winkel).
[* 46]
Geologisch betrachtet besteht der nördl. Teil des Böhmerwald vom Czerkow bis zum Regenflusse aus Glimmerschiefer,
in dem häufig Granaten
[* 47] vorkommen. Der Hauptbestandteil des eigentlichen Böhmerwald ist Gneis mit einzelnen großen
Granitlagern. Die Richtung der Gneisschichten geht nach Nordwesten. Der Gneis ist auf der böhm. Seite der
Hercyner, auf der bayrischen der rötliche Bojer. Granitgebirgszüge, die sich sehr deutlich vom Gneis
unterscheiden, sind das Plöcklstein- und das Salnauergebirge, welche, besonders der Dreisesselberg, durch seine großen tafeligen
Granitblöcke das Ansehen riesiger Ruinen haben.
Der Granulit tritt am meisten im Blanskerwalde, besonders beim Schöninger (1080 m) hervor. Reiche Graphitlager finden sich
bei Schwarzbach und Mugrau. Am Kubany finden sich noch weite Bestände jungfräulich erhaltener Urwälder
aus Buchen, Fichten und Tannen, welche geschützt werden. Der Waldreichtum ist im ganzen Gebirge bedeutend und die Tanne
[* 48] zeigt
sich überall in Riesenformen. Die obern mit Triften bedeckten Kuppen stehen in ihren Alpenpflanzen dem Riesengebirge weit
nach, sind am Arber und Rachel am reichlichsten. Berühmt ist die Region der «Filze» in 1000 m Höhe, in
denen Knieholz von der Bergkiefer oder Sumpfbirke dichte Gebüsche bildet und die hochnordische Zwergbirke vorkommt.
Der Böhmerwald ist ungemein reich an Niederschlägen. Stubenbach hat eine jährliche Regenmenge von 2199 mm (Budweis 636, Prag nur 389 mm).
Das Maximum liegt im Februar, April und Oktober, das Minimum im August und September. Das Klima des bayrischen
Böhmerwald ist milder als das des böhmischen. Der Böhmerwald ist reich an schönen und tiefen Seen, insbesondere
sind zu nennen der Schwarze See (1185 m hoch, 19 ha groß, 90 m tief), der Teufelssee (990 m hoch, 9 ha
groß, 34 m tief), der GroßeArbersee (934 m hoch, 10 ha groß, 34 m tief), der Rachelsee (1054 m hoch, 15 ha groß, 90 m
tief) und der Plöcklsteinsee (1058 m hoch, 13 ha groß, 58 m tief). Die bedeutendsten Städte des eigentlichen Gebirges sind
Cham am Einfluß des Cham in den Regen, 370 m ü. d. M.; Furth, Waldmünchen, Zwiesel in Bayern, Wallern (741
m), Winterberg, Bergreichenstein, Neuern in Böhmen.
Der rauhe und unzugängliche Charakter hat dem Böhmerwald stets eine wichtige histor. Bedeutung verliehen, und sein
scheidender Einfluß machte sich mehr geltend als bei manchen höhern Gebirgen. Die Slawen fanden in ihm
eine natürliche Grenze
westl. Vorschreitens, und seine düstern Wälder und versteckten Schluchten boten in den kriegbewegten
ZeitenDeutschlands dem Flüchtlinge Zuflucht, aber auch von Zeit zu Zeit dem Verbrecher sichere Räuberhöhlen. Die eigentliche
Gebirgsnatur gewährt dem Bewohner nur karge Spenden.
Sie liefert an Getreide
[* 49] bloß Hafer,
[* 50] Flachs, wenig Obst an den Abhängen, aber schöne Weiden zur Viehzucht
[* 51] und einen reichen Holzvorrat, der unmittelbar verarbeitet, roh verflößt oder im Verein mit nutzbaren Mineralien
[* 52] in den Glashütten,
Eisenhämmern und verschiedenen Industriewerkstätten verwendet wird. Der Waldreichtum des hat jedoch in der neuesten Zeit
durch verheerende Orkane und die darauf folgende Verwüstung des Borkenkäfers eine empfindliche Einbuße
erlitten.
Die Bewohner sind kräftig, genügsam, kühn, aber roh, verschlagen und starrsinnig und bewahren Sitte und Brauch der Vorfahren.
Die Sprache
[* 53] der Wäldler ist mit dem Überwiegen deutscher Elemente auch vorherrschend deutsch, aber im volltönigen, vokalreichen,
eigentümlichen Dialekte sehr von der bayr. Mundart verschieden. Die Sprachgrenze
zwischen Deutschen (im W.) und Czechen (im O.) läuft von Kaplitz im S. über Krumau, Kalsching, Prachatitz, Winterberg, Hartmanitz
im Kreise
[* 54] um Schüttenhofen (czechisch) herum, nähert sich bei Neugedein, Taus und Klentsch hart der bayr. Grenze, weicht
sodann über Bischofteinitz, Staab bis nahezu Pilsen
[* 55] (czechisch) zurück, um bei Manetin (czechisch) nach
Osten umzubiegen. Zur Hebung
[* 56] des Deutschtums im südwestl. Böhmen wurde 1884 der Deutsche Böhmerwaldbund gegründet, der Ende 1889 in 179 Ortsgruppen
über 22000 Mitglieder zählte.
Borowsky,
Führer durch den Böhmerwald (ebd. 1883);
Führer durch den Böhmerwald, hg. vom Deutschen Böhmerwaldbunde (Budw. 1888);
Bernau, Der Böhmerwald. Mit 200 Originalillustrationen
(Prag 1889-90).
Schilderungen des Volkslebens im Gebirge gewähren die Bilder und Erzählungen Joseph Ranks: Aus dem Böhmerwald (3
Bde., Lpz. 1851). Karten: Wagner, Generalkarte vom südwestl. Böhmen [1:220000] (2. Aufl., Prag 1891); Waltenberger, Karte
des bayrischen und des Böhmerwalds [1:250000] (3. Aufl., Passau 1892); ders., Routenkarte des
bayrischen und des Böhmerwalds [1:300000] ebd. 1891).
czech. Český Dub, Stadt in der österr. Bezirkshauptmannschaft Turnau in Böhmen,
am Jeschkenbache und am südl. Abhange des Jeschkenberges, in der Nähe der vom Jeschken bis
zum Bösigberge ausgedehnten Basaltfelsen «die Teufelsmauer», ist Sitz eines Bezirksgerichts (127 qkm, 24 Gemeinden, 83 Ortschaften, 16 196 meist
czech. E.), Steueramts und hat (1890) 2594, als Gemeinde 2650 (945 czech.) E., Post, Telegraph,
[* 58] ein Schloß
mit Fideikommißherrschaft (20 qkm) des Fürsten Rohan; zwei der bedeutendsten Fabriken Österreichs von Woll- und Halbwollwaren,
Dampfziegelei. Der Ort ist eine deutsche Sprachinsel in czech. Sprachgebiete.
1) Bezirkshauptmannschaft in Böhmen, hat 689,43 qkm, (1890) 66 813 (32 155 männl., 34 658 weibl.)
E., darunter 1337
¶
mehr
Evangelische, 64 302 Römisch-Katholische und 1151 Israeliten; 9013 Häuser, 14 270 Wohnparteien in 104 Gemeinden mit 179 Ortschaften
und umfaßt die Gerichtsbezirke Böhmisch-Brod, Řičan und Schwarz-Kosteletz. - 2) Böhmisch-Brod, czech. Český Brod, Hauptstadt der Bezirkshauptmannschaft
Böhmisch-Brod, 32 km östlich von Prag am Bache Schembera und an der Linie Wien-Brünn-Prag-Bodenbach der Österr.-Ungar.
Staatsbahn, ist Sitz der Bezirkshauptmannschaft, eines Bezirksgerichts (271 qkm, 43 Gemeinden, 62 Ortschaften, 28 472 czech.
E.) und Dekanats sowie Standort des 49. böhm. Landwehrbataillons und hat (1890) 4087 czech. E., Post, Telegraph, eine schöne
im Renaissancestil erbaute Turnhalle, zwei Zuckerfabriken, je eine Brauerei und Dampfmühle. - Bis zur
Besetzung durch die Hussiten (1421) gehörte Böhmisch-Brod den Erzbischöfen von Prag. In der Nähe fand die große Hussitenschlacht
statt, in der die Taboriten von den Calixtinern und Katholiken eine völlige Niederlage erlitten und deren Anführer, Prokop
d. Gr. und der Kleine, fielen. Mit dieser Schlacht endete der 15jährige Hussitenkrieg. 1638 wurde Böhmisch-Brod von
den Schweden
[* 60] verwüstet und lag seitdem viele Jahre hindurch verödet.
Bäder.Böhmen ist reich an kohlensäurehaltigen, durch Auslaugung der Gesteine mehr oder weniger reichlich
mit Salzlösungen geschwängerten Quellen von warmer oder kalter Temperatur. Man zählt deren mehrere Hunderte, von denen aber
nur ein Teil als Heilquellen benutzt wird. Unter letztern befinden sich mehrere der berühmtesten Kurorte
«Europas. Die wichtigsten der sog. Böhmische sind:
1) Karlsbad, heiße alkalische Glaubersalzquelle; 2) Marienbad, kalte desgleichen; 3) Franzensbad, desgleichen
kalt und eisenreich; 4) Teplitz, warme und laue alkalische (Natron-)Quelle; 5) Wartenberg, ein Kaltwasserbad von steigendem
Rufe; 6) Johannisbad, am Südfuße der Schneekoppe. Ferner: die Stahlquellen von Stecknitz, Sternberg, Tetschen,
Mariaschein u. s. w., der zum Sudetengebirge gehörige alkalisch-salinische Eisensäuerling
von Liebwerda, der dem Selterser Wasser ähnliche alkalische Säuerling von Gießhübel bei Karlsbad, der natronreiche Säuerling
von Bilin bei Teplitz, die mehr künstlich durch Auslaugen der verwitterten Basalte erzeugten Bitterwässer
von Seidschütz, Sedlitz und Püllna. -
Vgl. Kisch, Die Heilquellen und Kurorte Böhmens (Wien 1879) und die einzelnen Artikel.
König Georg Podiebrad wies den Brüdern 1457 auf dem Lititzer Gute Kunwald bei Senftenberg Wohnsitze an.
Trotz Verfolgungen wuchs ihre Zahl immer mehr und 1467 entschlossen sich die Brüder auf einer Versammlung zu Lhotka bei Reichenau,
nach apostolischem Muster eine Ordnung der Einrichtung der ersten Kirche herzustellen. Durchs Los bestimmten sie drei aus ihrer
Mitte zu Priestern und von diesen wiederum einen als Bischof; diese ordinierte ein Bischof der Waldenser.
Gegen die anfangs herrschenden strengern
Grundsätze erhob sich bald eine mildere Partei. Diese gelangte 1494 auf der Synode
zu Reichenau zur Herrschaft unter Lukas von Prag, der als zweiter Begründer der Brüderunität bis an seinen Tod
großen Einfluß hatte, obgleich auf seinen Antrieb die oberste Leitung statt einem Bischof einem engern
Rat von vier Senioren übertragen ward.
Die strengere Partei bestand noch etwa 50 Jahre lang neben der Brüderunität (Unitas fratrum) unter dem Namen der Amositen
oder «Kleinern Partei». Weder die friedlichen Bekehrungsversuche der Dominikaner (um 1500), noch die blutigen Verfolgungen
unter König Wladislaw II. (1503-16) führten die Brüder zur kath. Kirche zurück. Auch Luther gegenüber, mit dem sie mehrfach
verhandelten, bewahrten die Brüder, solange Lukas an ihrer Spitze stand, ihre Eigentümlichkeit in Beibehaltung des Cölibats,
der Siebenzahl der Sakramente, der kath. Abendmahlslehre, in Verwerfung der Rechtfertigung allein aus dem Glauben
und Forderung apostolischer Lebenszucht.
Nach Lukas' Tod (1528) verloren die Brüder immer mehr ihren eigentümlichen Charakter und wandten sich, um Duldung zu gewinnen,
erst der luth., später mehr der reform. Lehrweise zu. So schlossen die aus Anlaß erneuerter Verfolgung 1548 nach Polen ausgewanderten
Brüder 1570 mit den Lutheranern und Reformierten den Vergleich von Sandomir, auf Grund dessen ihnen in dem
Dissidentenfrieden 1572 Duldung zugesichert ward. Demselben Zweck diente in Böhmen die Confessio Bohemica (1575), ein Vergleich
der Brüder mit den Lutheranern, Reformierten und Calixtinern, auf Grund dessen KaiserRudolf II. 1609 den Majestätsbrief ausstellte.
Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) hatte die fast gänzliche Vernichtung der Brüder in Böhmen zur Folge.
Nur im stillen konnten sie sich sammeln und ihr BischofAmosComenius (s. d.) mußte 1627 sein Vaterland verlassen; doch erlebten
sie in der Stiftung der erneuerten Brüdergemeine (s. d.) unter Zinzendorf eine zweite Blüte.
[* 61] Vereinzelte Überreste der alten
Böhmische kamen auch unter Joseph II. wieder zum Vorschein, mußten sich aber zu einer der beiden allein geduldeten
evang. Konfessionen,
[* 62] der Augsburgischen oder Helvetischen, bekennen.
Die Eigentümlichkeit der Brüder liegt weniger auf dem Gebiete der Lehre
[* 63] als darin, daß sie in Nachahmung apostolischer Kirchenverfassung
und Kirchenzucht eine Erneuerung des ganzen Lebens im Geiste des Christentums erstrebten; und wirklich
gelang es ihnen wie kaum einer andern Gemeinschaft, die Grundsätze des Christentums im Leben zur Durchführung zu bringen;
eigentümlich blieb ihnen das Verbot des Eides, des Kriegsdienstes und der Übernahme von Staatsämtern.
Kämme heißt der südl. Zug
des Riesengebirges, der durch das Mummelthal,
den Elbgrund und das Weißwasser vom nördl. Hauptzuge geschieden ist, von Harrachsdorf an der Mummel über den
Kahlen- oder Mummelberg, den 1371 m hohen Kesselsberg und den Korkonosch (Krkonoš, wo im S. der
GroßenSturmhaube [1424 m] die Elbe nach Süden hin durch die Kämme bricht), dann als scharfkantiger Ziegenrücken (1313-1424
m) bis zum 1555 m hohen Brunnberge und Blaugrund an der Aupa 22 km weit reicht und ganz in Böhmen gelegen ist. - Böhmischer
Kamm heißt auch ein anderer Zug,
der an der Südwestseite des Glatzer Gebirgsvierecks 22 km weit von der Hohen Mense
(1085 m) nach SO. fast parallel dem Habelschwerdter Gebirge zieht, von dem er durch das Längenthal der von den 784 m hohen
Seefeldern herabkommenden Erlitz- oder Wilden Adler
[* 66] getrennt wird; danach heißt der Zug
auch Erlitz- oder Adlergebirge.
Die mittlere Höhe des Kammes ist 995 m; die Seifnerhöhe (946 m), der Mückenberg (995 m) bei Stuhlseiffen und die Deschnaer
Koppe an der Südwestseite der Seefelder (1111 m) sind die höchsten Gipfel; letztere bedeckt ein mächtiges Walddickicht.
Kommerzialbahnen, Privatbahnen
[* 67] von Königgrätz
[* 68] über Sadowa nach Wostroměř
(34,2 km), von Welelib nach Jičin (45,52 km), von Kopidlno nach Bakow (39,89 km), von Nezwiestitz nach Rokitzan (26,89 km),
mit Zweigbahnen 203 km (Betriebsstrecken Ende 1890), auf der ersten Strecke auf der letzten Strecke eröffnet,
stehen unter der Direktion der k. k. Privileg. Böhmische Kommerzialbahnen zu Wien. Die Konzessionsdauer reicht bis 9. Mai 1971. Sämtliche
Aktien und Obligationen sind im Besitz der Österr.-Ungar. Staatseisenbahngesellschaft. Der Reingewinn betrug 1890: 272 153 Fl.
(S. österreichisch-Ungarische Eisenbahnen.)
Nordbahn, eine seit 1883 mit der Turnau-Kralup-PragerBahn fusionierte Eisenbahngesellschaft,
die von 1873 an auf 90 Jahre genehmigt ist und deren Einlösungsrecht für den Staat mit begonnen hat. Die Konzessionsdauer
für die Linien der ehemaligen Turnau-Kralup-PragerBahn reicht nur bis Sie umfaßt die Linien Prag-Jungbunzlau-Bakow-Turnau
(103,83 km, eröffnet), Bakow-Georgswalde-Ebersbach (98,19 km, eröffnet), mit Zweiglinien 320 km
(Ende 1890), unter der Generaldirektion der k. k. Privileg.
Nordbahn. 22 kleine Anschlußbahnen (42,2 km) werden betrieben. 1892 brachte der Personenverkehr 914 304 Fl., der Güterverkehr 3 326 810 Fl.
Die Gesamteinnahmen betrugen 4 289 044 Fl., die Betriebsausgaben 1 738 720 Fl., die sonstigen Ausgaben einschließlich 372 990 Fl.
Steuern betrugen 441 037 Fl., der Dienst der Prioritäts-Obligationen 1 102 269 Fl., sodaß ein Überschuß von 1 007 018 Fl.
(gegen 787 488 Fl. in 1891) verblieb. Die Dividende der Aktien 1886-91 betrug 6, 6, 7, 7, 5½, 5⅔ Proz.
(S. Österreichisch-Ungarische Eisenbahnen.)
Mägdekrieg, ein Krieg, den zufolge einer alten böhm. Sage nach dem Tode der Königin Libussa deren Freundin
Wlasta begonnen haben soll, um das weibliche Geschlecht
in Böhmen zur Herrschaft zu bringen. Mehrere Jahre lang, heißt es,
habe sie von ihrer dem Wyschehrad gegenüber gelegenen festen Burg Djewin (Mädchenburg) mit Amazonen das
Land beherrscht, bis es den Männern gelungen sei, diese Burg zu erobern und dem Reiche Wlastas ein Ende zu machen. K. E. Ebert
hat den Gegenstand behandelt in: Wlasta, böhmisch-nationales Heldengedicht in drei Büchern (Prag 1829).
Schweiz heißt seit 1795 das Sandsteingebiet zwischen der Elbe, dem Kamnitzbache und der Nordgrenze Böhmens
gegen Sachsen, welches viele malerische Gegenden und eigentümliche Felsbildungen enthält.
Den Centralpunkt derselben bildet
Dittersbach (s. d.).
Steine heißen einesteils die in den böhm. vorzüglichen Glasschleifereien nach Art
verschiedener Edelsteine
[* 70] gefärbten und geschliffenen künstlichen Glasflüsse, andernteils aber auch jene böhm. Minerale,
die man zu den eigentlichen Edelsteinen zählt, so z.B. der Citrin (s. Bergkrystall), der den NamenBöhmischer Topas (frz. Topaze
occidentale oder de Bohême; engl. Bohemian quartz) führt.
Der ausgezeichnetste böhm. Edelstein ist der böhm. Granat
[* 71] (s. d.).
Treiben (Jägerspr.), ein Feldtreiben auf Hasen, wobei eine an den Flügeln vorgezogene, aus Schützen
und Treibern bestehende Kette eine größere Fläche abstreift.
Diese Jagdart gründet sich auf die Erfahrung, daß Hasen, die
mehrfach aufgestoßen werden, nach ihren alten Lagern zurückzukehren streben.
Auf dem Rückwege werden sie von den stets
vorrückenden Schützen erlegt.
Weine. In Böhmen wird seit alten ZeitenWein gebaut. KaiserKarl IV. veredelte im 14. Jahrh. den Weinbau durch
Einführung der Burgunder Reben und schützte die Weinberge durch zahlreiche Privilegien. Allmählich beschränkte sich der
Anbau von Wein auf das Elbthal (Gebiet von Leitmeritz und Melnik), von wo in den Handel besonders die Tschernoseker
und Melniker Sorten gelangen. Die Ausdehnung
[* 72] der Weingärten in ganz Böhmen belief sich 1890 auf 861 ha. Das gute Weinjahr 1878 lieferte 11 805,
1880, ein Mißjahr, nur 3905, 1890 6160 hl. Der Durchschnittsertrag ist jetzt 12000 hl, welches
erhöhte Resultat auf die Thätigkeit des Weinbauvereins für das Königreich Böhmen zurückzuführen
ist, der 1882 ins Leben trat. Als ältere gute Jahrgänge gelten die von 1865, 1868 und 1872. Als ergiebigste Rebensorten
werden gepflegt Riesling, Traminer und der rote Burgunder. Die Böhmische Weine sind feurig, einzelne Sorten schwer. Die Preise derselben
stellen sich im ganzen sehr hoch, weil sie sich in festen Händen befinden und Notverkäufe nur ausnahmsweise
vorkommen.
Westbahn, Privatbahn von Prag über Pilsen bis zur bayr. Grenze (184 km), mit Zweigbahn 194 km (Ende 1892),
auf der ersten Strecke auf der letzten Strecke eröffnet, steht unter der Betriebsdirektion
der k. k. Privileg. Böhmische Westbahn in Prag. Die Gesellschaft betreibt außerdem die von ihr gepachtete Strecke Bayr. Grenze-Furth (6,7
km) und 14 ihr nicht gehörende Kohlenflügelbahnen (26,65 km). 1892 betrugen die Einnahmen
aus dem Personenverkehr 787 003 Fl. (1891: 855 559), aus dem
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