Corvina (s. d.); in Mailand
[* 2] die
Ambrosianische Bibliothek (s. d.). Die Aufhebung von
Klöstern infolge der
Reformation gab Veranlassung
zur Gründung von fürstlichen und städtischen Bibliothek später haben der Dreißigjährige
Krieg wie die Napoleonischen
Beraubungen
deutschen und italienischen Bibliothek empfindlich geschadet. Doch entstanden noch im 18. wie im 19. Jahrh.
bedeutende Bibliothek, so zu Göttingen
[* 3] (1737),
Bonn
[* 4] (1818),
Straßburg
[* 5] (1872), letztere an
Stelle der während
der
Belagerung eingeäscherten. Jetzt giebt es in
Deutschland,
[* 6]
Frankreich, England,
Holland,
Belgien,
[* 7] in der
Schweiz
[* 8] sowie in
Amerika
[* 9] kaum eine Stadt von Bedeutung, die nicht eine oder mehrere Bibliothek hätte. Eine Übersicht der Bibliothek mit
nähern Angaben über ihre Einrichtungen giebt Edwards, «Memoirs of libraries»
(2 Bde., Lond. 1859),
eine genauere der deutschen Bibliothek
Petzholdts «Adreßbuch der Bibliothek
Deutschlands»
[* 10] (Lpz. 1874-75; neue
Auflage
von P. Schwenke, ebd. 1893) und Dziatzko,
«Entwicklung und gegenwärtiger
Stand der wissenschaftlichen Bibliothek
Deutschlands» (ebd.
1893),
der österreichischen Grassauers «Handbuch für österr. Universitäts-
und Studienbibliotheken»
(Wien
[* 11] 1883),
der nordamerikanischen
«Public Libraries in the
United States of
America» (2 Bde.,
Washington
[* 12] 1876). Ein Verzeichnis der Bibliothek vom Mittelalter bis zur Neuzeit bietet
Vogels «Litteratur öffentlicher und Korporationsbibliotheken»
(Lpz. 1840),
für die Gegenwart P. E.
Richter, «Verzeichnis der Bibliothek mit gegen 50000 und
mehr
Bänden», I. und II. (ebd. 1890
u. 1892); für das Mittelalter ist am ausführlichsten Gottlieb,
«Über mittelalterliche
Bibliothek» (ebd. 1890). Die wirkliche Bändezahl sind nur wenige Bibliothek genau anzugeben im stande,
so daß man die Angaben über die
Stärke
[* 13] der Bibliothek nur als eine ungefähre (meist viel zu hoch gegriffene)
ansehen darf. Das
Deutsche Reich
[* 14] besitzt eine außerordentliche Menge von größern oder kleinern Bibliothek. Die größten sind
die zu
München
[* 15]
(Hof- und Staatsbibliothek 1000000
Bände Druckwerke, 24000 Handschriften),
Berlin
[* 16] (Königliche
[* 17] Bibliothek 800000
Bände, 24000 Handschriften; 1890 genau
gezählt),
Heidelberg
[* 18] (563 600 Druckwerke [davon 173 600
Broschüren], 8000 Handschriften),Straßburg (500000
Bände),
Dresden
[* 19] (500000
Bände, 4000 Handschriften), Göttingen (440000
Bände, 5000 Handschriften; 1890 genau gezählt),
Darmstadt
[* 20] (400000
Bände, 75000
Abhandlungen, 3200 Handschriften),
Stuttgart
[* 21] (400000
Bände, 3800 Handschriften; 1891 gezählt),
Hamburg
[* 22] (Stadtbibliothek 300000
Bände, 4000 Handschriften),
Leipzig
[* 23] (Universitätsbibliothek 350000
Bände, 4000 Handschriften),
Tübingen
[* 24] (300000
Bände),
Breslau
[* 25] (Universitätsbibliothek 260000
Bände, 7000 Handschriften; 1890 genau gezählt;
Stadtbibliothek nach dem großen Dublettenverkauf 1890/91 150000
Bände, 2900 Handschriften), Freiburg
[* 26] i. Br. (250000
Bände),
Bonn (220000
Bände, 1000 Handschriften; 1890 genau gezählt), Königsberg
[* 27] (200000
Bände; 1890 genau gezählt).
Bibliothekstechnik, seit dem Anfang des 19. Jahrh. Bezeichnung
des
Inbegriffs aller auf die
Verwaltung einer
Bibliothek bezüglichen wissenschaftlichen und technischen Erfahrungsgrundsätze.
Sie zerfällt in zwei gleichstehende
Teile, einen geschichtlichen, die Bibliothekskunde, die sich mit
der
Beschreibung der ältern und neuern
Bibliotheken beschäftigt (s.
Bibliothek), und einen systematischen, die Bibliothekslehre,
die die Grundsätze der
Verwaltung behandelt. Man unterscheidet in der Bibliothekslehre am zweckmäßigsten zwei
Teile, einen
auf die äußerlichen
Bestandteile der
Bibliothek bezüglichen, der das
Gebäude, das Verwaltungspersonal und die Geldmittel
betrachtet, und einen zweiten, den man die
Lehre vom Bücherschatz nennen kann.
Bei der Errichtung eines eigenen Bibliotheksgebäudes ist zu beachten, daß es auf trocknen
Untergrund in eine nach allen
Seiten freie
Lage zu stehen komme, damit die Feuersgefahr möglichst vermindert wird, der Luftzutritt unbehindert stattfindet,
die
Beleuchtung
[* 57] gleichmäßig hell ist, endlich eine bauliche
Ausdehnung
[* 58] in Zukunft ohne Schwierigkeiten
erreicht werden kann. Das
Gebäude darf nicht inmitten eines geräuschvollen, stauberregenden Straßenverkehrs stehen, ebensowenig
vom Verkehr zu weit abliegen. Während man früher für Bibliotheksbauten keine besondere, zweckentsprechende Bauweise anwandte
und die Ausnutzung des Raums, die
Beleuchtung und Übersichtlichkeit der Büchersammlung, die Leichtigkeit
des Verwaltungsbetriebes alles zu wünschen übrig ließen, hat man zur Vermeidung dieser Übelstände in diesem Jahrhundert
¶
mehr
allmählich ein eigenes System, das Magazinsystem, ausgebildet. Der erste Anfang hierzu wurde beim Bau derMünchener Hofbibliothek
(1832-43) gemacht, bei dem die Anwendung von Galerien den Gebrauch der Leitern zur Erreichung der obern Bücherreihen überflüssig
macht. Weitere Fortschritte in den Magazinsystemen, namentlich durch hohe Seitenbeleuchtung und sparsamste Raumverwendung
zeigten die Bauten des Britischen Museums (s. d.) in London (1827-47), sowie der Ste. Geneviève (1843-50)
und der Nationalbibliothek zu Paris.
Die höchste Vollendung hat gegenwärtig das System wohl im Bau der Kongreßbibliothek zu Washington (1888) erfahren, in der
sich das Magazin strahlenförmig um einen achteckigen Lesesaal gruppiert. In allen diesen Bauten bildet
das Büchermagazin von der Sohle bis zur Decke
[* 60] des obersten Geschosses freie Hohlräume, in denen die eisernen Büchergerüste
derart angeordnet sind, daß sie zugleich als Stützen des Daches dienen. In senkrechten Abständen von etwa 2,5 m, so daß
auch die obersten Bücherreihen der Gestelle vom Fußboden aus erreicht werden können, sind die Gerüste
horizontal geteilt durch eiserne, an den Gerüstpfosten befestigte Decken, deren Fußboden aus durchbrochenen Gußeisenplatten
besteht.
Die Büchergestelle laufen senkrecht zu den Längswänden in Abständen von 1 m und sind von einem Mittelgang durchschnitten.
Die Querbretter der Büchergestelle sind durch eiserne Stellzapfen verstellbar und bilden nach oben zu
kleiner werdende Gefache, damit die Bücher nach drei Formaten gesondert aufgestellt werden können, die größeren (Folio)
unten, die kleinern (Quart
[* 61] und Oktav) oben, und zwar empfehlen sich der Raumersparnis halber als Maße für die lichte Höhe
der Gefache bei Oktav 25 cm, Quart 35 cm, Folio 45 cm; für die Tiefe der Gestelle bei Oktav 20 cm, Quart 30 cm,
Folio 40 cm; für die Weite der Gestelle 1 m. Die Galerien stehen unter sich durch Eisentreppen in Verbindung, die Bücherbeförderung
wird durch Aufzüge
[* 62] bewirkt, die Beleuchtung durch eine Verbindung von Oberlicht mit zweiseitigem Seitenlicht.
Die Geschoßhöhe entspricht der von drei Bücherrängen. Die Dächer sind massiv oder in Wellblech
[* 63] herzustellen,
die Verwendung von hölzernen Konstruktionsteilen überhaupt möglichst auszuschließen. Zur Vermeidung der ungünstigen
chem. Einflüsse, denen die Bücher durch feuchte oder zu trockne und warme oder verunreinigte Luft unterliegen, ist auf beständige
Lufterneuerung innerhalb des ganzen Gebäudes Bedacht zu nehmen, was am besten durch Einrichtung von Luftheizung
geschieht. Die Luftwärme darf in den Bücherräumen nicht unter 8° R. herabsinken. - Unter den Verwaltungsräumen sind
zu nennen das Zimmer des Direktors, die Arbeitszimmer der Beamten, wo zumeist auch der bibliogr. Apparat und die Kataloge ihren
Platz haben, sowie das Ausleihezimmer; notwendig sind weiterhin ein Zeitschriften- und womöglich ein
Handschriftenzimmer und vor allem ein geräumiger, behaglicher Lese- und Arbeitssaal, in dem sich eine für die Leser bestimmte
Handbibliothek befindet.
In neuerer Zeit sind alle großen Neubauten deutscher Bibliotheken nach dem Magazinsystem erfolgt, so die Universitätsbibliothek
zu Wien, die Bibliotheken in Karlsruhe,
[* 64] Rostock
[* 65] (1871),Halle
[* 66] (1880), Greifswald
[* 67] (1881),Stuttgart (1883),
Kiel
[* 68] (1884), Wolfenbüttel
[* 69] (1886),Leipzig (1888-91), sowie teilweise auch die Umbauten in Göttingen und Bonn
(1890). BeimLeipzigerGebäude trat insofern eine Neuerung ein, als unter Beseitigung der hohen Hohlräume mit den zahlreichen, durch eiserne
Roste hergestellten Geschossen niedrige doppelseitig beleuchtete Magazinsäle eingerichtet sind, wodurch
ein sicherer Abschluß der Räume gegen Feuersgefahr erreicht und verhindert wird, daß Staub und Schmutz von Geschoß
[* 70] zu Geschoß
durchdringt.
Was das Beamtenpersonal betrifft, so ist erst neuerdings, namentlich in Anregung einer kleinen Schrift von Klette (anonym,
Lpz. 1871), die «Selbständigkeit des bibliothekarischen
Berufes» allgemein anerkannt worden. Die Vorbildung des Bibliothekars muß in wissenschaftlicher
Beziehung eine encyklopädische sein, wobei vor allem auf Erwerbung reicher Sprach-, Geschichts- und Litteraturkenntnisse zu
sehen ist, und in technischer Beziehung teils durch theoretische Vorlesungen über Bibliothekswissenschaft, für die jetzt an der Universität Göttingen
ein eigener Lehrstuhl besteht (Professor Dziatzko), teils durch praktische Ausbildung an einer Bibliothek
erreicht werden. Stets aber muß ein Fachstudium vorangegangen und die Befähigung zu selbständiger Forschung auf einem
Specialgebiet dargethan sein; nur dann wird der Bibliothekar sich auch auf andern wissenschaftlichen Gebieten zurechtfinden
und die litterar. Bewegung verfolgen können, während er ohne Einsicht in die Art und Wege wissenschaftlicher Forschung
bloßer Registrator sein und der geistigen Verflachung und Halbbildung verfallen würde.
Bei Begründung des Bücherschatzes bestimmt der Zweck die Grenzen,
[* 71] innerhalb deren sich die Sammlung bewegen soll. Zweckdienlich
ist hier die Erwerbung eines geeigneten schon bestehenden Büchervorrats, der die Grundlage der Bibliothek zu bilden hat,
woran sich dann der weitere Zuwachs anschließt. Würdige Erwerbungen sind in erster Linie die wissenschaftlich
wichtigen, worunter umfangreiche und kostspielige Serienwerke und Zeitschriften hervorzuheben sind, in zweiter die durch
Entstehung, Schicksale, Material und Aussehen merkwürdigen, dann seltene Werke, wie Handschriften, alte Drucke, verbotene
Bücher, Prachtwerke. Alle in den Besitz der Bibliothek gelangenden Bücher sind sogleich durch einen Stempel
zu kennzeichnen, am besten auf der Rückseite des Titelblattes.
Sodann sind die Titel der Werke, jede Schrift auf einem eigenen Zettel, mit Voranstellung des Verfassernamens oder bei Anonymen
eines sachlichen Ordnungs- oder Stichwortes, genau aufzunehmen, d. h. der Zettelkatalog ist herzustellen, der allen weitern
Katalogisierungs arbeiten als Unterlage zu dienen hat. Demnächst ist der systematische oder wissenschaftliche
(Real-)Katalog anzulegen, nach dem zugleich die Aufstellung der Bücher zu erfolgen hat, so daß ein besonderer Standortskatalog,
wie er bisher vielfach üblich und nötig war, ganz entbehrt werden kann.
Denn die Bibliothek soll in Katalog und Aufstellung die Entwicklung der Wissenschaften veranschaulichen
und so ermöglichen, sämtliche auf einen bestimmten Gegenstand bezüglichen Werke schnell und sicher an einer Stelle beieinander
zu finden. Seit dem Mittelalter sind die verschiedensten Systeme der Anordnung durchgeführt worden. Für die Ausarbeitung
eines Systems hat die praktische Rücksicht auf den Zweck der Bibliothek, auf ihren Umfang und besondern
Inhalt den Ausschlag zu geben. Je größer die
¶
mehr
Bibliothek, desto weiter wird die Gliederung des Schemas zu gehen haben, dessen kleinste Unterabteilungen chronologisch, hier
und da auch wohl besser alphabetisch anzuordnen sind. Das einmal gewählte System ist mit Strenge durchzuführen, bei zweifelhaften
Fällen ist durch Verweisungen nachzuhelfen. Endlich ist aus dem Zettelmaterial durch Umordnung ein alphabetischer Zettelkatalog
und der leichtern Handhabung und Übersicht wegen außerdem noch ein ganz knapp gehaltener alphabetischer
(Nominal-)Index in Bandform zu schaffen.
Nützlich, aber nicht notwendig ist der vielfach empfohlene alphabetische Realkatalog, da die reiche Litteratur der Bibliographien
als Ersatz für ihn eintreten kann. Von Specialkatalogen erscheinen notwendig nur der Handschriften-, Inkunabeln- und Cimelienkatalog
sowie ein Katalog der sog. kleinen Schriften, d. h. der Dissertationen und Programme, die in die allgemeinen Kataloge aufgenommen
diese allzusehr und dazu mit wissenschaftlich minderwertigem Material belasten würden.
Die Aufstellung der Bücher, die nunmehr zu erfolgen hat, geschieht weder in alphabetischer Anordnung noch in der Reihenfolge
der Erwerbung, wie es früher empfohlen, sondern genau nach der Weise des wissenschaftlichen Katalogs,
nur mit der durch Raumersparung gebotenen Einschränkung, daß die Formate nach den angegebenen drei Maßen zu trennen sind,
außerdem bei jeder Unterabteilung für den künftigen Zuwachs ausreichende Lücken freigelassen werden. Als Regel gilt, daß
in jedem Gestell mit dem untersten Fache begonnen und dann aufwärts stets von links nach rechts fortgeschritten
wird. Zur Bestimmung des Raumbedarfes für die Aufstellung rechnet man allgemein für 100 Bände 1 qm Ansichtsfläche der Gestelle.
Bei der Signierung der Bücher, die gleichfalls genau dem Realkatalog zu entsprechen hat, wende man große lat.
Buchstaben für das Wissenschaftsfach (z. B. Geschichte), kleine
für die Hauptabteilung (z. B. preuß. Geschichte) an und zähle
dann ohne Berücksichtigung der Formate von 1 an mit springenden Nummern, z. B. Lc 105, 120 u. s. w.
Für die Bewahrung des Bücherschatzes sorgen am besten jährliche Revisionen des Bestandes sowie öftere Reinigung der Bücherräume
und der Gestelle, Ausstäuben der Bücher im Herbst, wodurch zugleich dem Einnisten der Insekten
[* 73] vorgebeugt
wird, Fernhaltung von Holzeinbänden, den Zufluchtsstätten des Bohrwurms.
Bei der Vermehrung des Bücherschatzes kommt wie bei seiner Begründung der Zweck der Bibliothek, ob Special- oder Centralbibliothek,
in vorwiegende Berücksichtigung, Sie geschieht durch Einzelkauf zweckmäßiger als durch Massenkauf, bei dem
der Erwerb von Dubletten und lückenhaften Serien unvermeidlich ist; ferner durch Austausch oder Verkauf der Dubletten, bei
Institutsbibliotheken durch Austausch der Publikationen des Instituts, durch Zuwendung von Geschenken, endlich durch pflichtmäßige
Ablieferung von Werken seitens der Buchhändler, der sog. Pflichtexemplare (s. d.).
Jede dieser Erwerbungen ist in abgekürzter Form unter Angabe des Lieferanten und des Preises in das
dem geschäftlichen Verkehr mit den Buchhändlern dienende Jahreszugangsverzeichnis sogleich einzutragen, dann binden zu
lassen, in die verschiedenen Kataloge nachzutragen, zu signieren, zu stempeln und so dem Bücherschatze an der gegebenen
Stelle einzuverleiben.
Über die Art
der Benutzung des Bücherschatzes besteht an allen größeren Anstalten ein festes,
meist durch Druck bekannt gegebenes «Reglement» oder «Regulativ», das die Zeit, während der die
Bibliothek geöffnet ist, die Berechtigung zur Benutzung und die Bedingungen, unter denen die Bücherverleihung, wohl auch
die Besichtigung der Anstalt stattfinden kann, näher bestimmt. Unbeaufsichtigter Zutritt zu den Bücherräumen ist stets
nur einer geringen Anzahl von ortsansässigen und dem Beamtenpersonal genau bekannten Gelehrten gestattet.
In engen Grenzen halten muß sich die eigenhändige Benutzung der geschriebenen Kataloge seitens der Besucher der Bibliothek,
von denen nur die wenigsten sie richtig zu gebrauchen im stände sind.
Während es für die Benutzung der Bücher im Lesesaal, den man an größern Anstalten nicht nur tags
über, sondern sogar bei Beleuchtung dem Publikum zu öffnen unternommen hat, keine nennenswerten Einschränkungen geben darf,
sind bei der Bücherverleihung am Orte und noch mehr bei der Versendung nach auswärts, die nie die Interessen der ansässigen
Benutzer schädigen darf, bestimmte Sicherheitsleistungen zu verlangen, wodurch dem einen Hauptgrundsatz
der Verwaltung, dem der Erhaltung desBesitzstandes für die Zukunft, allein Genüge geschehen kann.
Dem andern Grundsatz, die Bibliothek der Wissenschaft so nutzbar als möglich zu machen, wird man dadurch gerecht werden,
daß man mit Ausnahme der für den stetigen Gebrauch der Besucher des Lesesaals bestimmten Handbibliothek
kein Werk von der Verleihung ausschließt, sobald das wissenschaftliche Interesse sie erfordert. Die Frist der Entleihung
ist gewöhnlich eine vierwöchige, die, falls das Werk nicht anderweitig verlangt wird, verlängert werden darf. Kein Werk
darf ohne Leihschein ausgegeben werden. Die Leihscheine, in sich geordnet nach den Namen der Entleiher, werden
sogleich in ein Journal übertragen und zwar alphabetisch nach den Stichworten der Büchertitel. Bei den zur Aufrechterhaltung
der Ordnung erforderlichen Revisionen, die wenigstens halbjährlich stattzufinden haben, ist im allgemeinen Rückgabe sämtlicher
entliehener Werte zu verlangen (der sog. «Sturz»).
Litteratur. Schon im Mittelalter machten Gelehrte die Einrichtung von Bibliotheken zum Gegenstand von Schriften,
so de Bury (Philobiblon, Köln
[* 74] 1473) im 15. Jahrh., später Naudé (Par.
1627; Neudruck 1876), Kayser (Bayreuth
[* 75] 1790);
doch erst im 19. Jahrh. wurde die Bibliothekswissenschaft als solche zugleich mit ihrem
Namen durch Schrettinger in dessen Versuch eines vollständigen Lehrbuchs der Bibliothekswissenschaft (2 Bde.,
Münch. 1808-29) geschaffen und in F. A. Eberts Schriften: Über öffentliche Bibliotheken (Freiberg
[* 76] 1811)
und Die Bildung des Bibliothekars (2. Aufl., Lpz. 1820) weiter ausgebildet.
Seitdem haben sich besonders Molbech (über Bibliothekswissenschaft, deutsch von Ratjen, Lpz.
1833), Zoller (Die Bibliothekswissenschaft, Stuttg. 1846), Schleiermacher (Bibliogr. System der gesamten Wissenschaftskunde, 2 Bde., Braunschw.
1852) und Petzholdt (Katechismus der Bibliothekenlehre, neu bearbeitet von Gräsel, Lpz. 1890) verdient
gemacht, während die Schriften von Constantin (Bibliothéconomie, 2. Aufl., Par. 1841)
und Seizinger (Theorie und Praris der Bibliothekswissenschaft, Dresd. 1863) keinen Fortschritt bezeichnen. Des weitern seien erwähnt: Edwards,
Memoirs of Libraries, including a handbook of library economy (2 Bde.,
Lond. 1859);
l'organisation et de l'administration des bibliothèques publiques et privées (Par. 1882). -
Über Bibliotheksbau schrieben Schmieden in «Baukunde der Architekten» (Berl. 1884) und Kortüm in Durms großem «Handbuch
der Architektur» (Darmst. 1892). - Von Einzelschriften sind sonst zu nennen: Gottlieb, Über mittelalterliche Bibliotheken (Lpz.
1890);
Dziatzko, Instruktion für die
Ordnung der Titel im alphabetischen Zettelkatalog (Berl. 1886);
Hartwig, Schema des Realkatalogs der königl. Universitätsbibliothek
zu Halle a. S. (Lpz. 1888);
Wheatley, How to catalogue a library (Lond. 1889). - Zeitschriften: 1840 begann Naumann sein Serapeum
(bis 1870, Leipzig, 31 Bde.) und Petzholdt seinen Anzeiger für Litteratur der Bibliothekswissenschaft, der in verschiedenen
Fortsetzungen, zuletzt als Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekswissenschaft bis 1886 bestand und dann in dem 1884 mit Unterstützung
des preuß. Kultusministeriums von O. Hartwig und K. Schulz begründeten Centralblatt für Bibliothekswesen (1. bis 11. Jahrg.,
Lpz. 1884-94) aufging.
Größere bibliothekswissenschaftliche Abhandlungen erscheinen in den Beiheften zu diesem Centralblatt
(seit 1888) sowie in Dziatzkos Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten (Berlin, seit 1887). Die amerik. Bibliotheken
haben ihren Vereinigungspunkt in The Library Journal (London und Neuyork, seit 1876), die englischen in The Library Chronicle
(London, seit 1889), die französischen im Bulletin des bibliothèques et des archives (Paris, seit 1884),
die italienischen in der Rivista delle biblioteche (Florenz, seit 1888). Seit 1891 erscheint in Paris auch eine Revue des bibliothèques.
Altertumskunde oder biblische Archäologie, die Wissenschaft von den Altertümern, d. h. den Sitten, Gebräuchen,
bürgerlichen und gottesdienstlichen Einrichtungen der Völker, unter denen die biblischen Schriften entstanden
sind, oder auf die sie sich beziehen. Die Altertümer des israel. und jüd. Volks bilden den Hauptteil. Quellen sind das Alte
und Neue Testament, die Bücher des Josephus (s. d.) «Über jüd. Altertümer» und «Vom jüd. Kriege», sowie die des Philo (s. d.);
die spätere theol.
Die
früheste Bearbeitung der hebr. AltertumskundeversuchteThomas Goodwin in «Moses et Aaron» (englisch, Oxf. 1616; lateinisch
von Reiz,Brem. 1679; deutsch, Zür. 1686). Eine dem modernen Stande der Wissenschaft entsprechende"Hebr.
Archäologie"schrieb Benzinger (Freib. i. Br. 1894). Vom kath.
Standpunkt schrieb Schegg eine «Biblische Archäologie» (hg. von Wirthmüller in der «Theol. Bibliothek», Ser.
I, Bd. 8, Freib. i. Br.
1886-88). In lexikalischer Form bieten den Stoff die biblischen Realwörterbücher. Zu nennen sind: De Wette, Lehrbuch der
hebr.-jüd. Archäologie (Lpz. 1814; 4. Aufl. von Räbiger
1864);
Riehm, Handwörterbuch des biblischen Altertums (2. Aufl. von Baethgen, Bielef. 1893 fg.);
Smith, Dictionary
of the Bible (3 Bde., Lond. 1860-63).
In bahnbrechender Weise
behandelt J. ^[Julius] Wellhausen, Prolegomena zur Geschichte Israels (3. Aufl., Berl.
1886), die religiösen Altertümer. In der Geschichtsdarstellung sind die israel. Altertümer mit behandelt von Stade,
[* 79] Geschichte
des Volks Israel, Bd. 1 (Berl. 1887);
die jüdischen von Schürer, Geschichte des jüd. Volks im Zeitalter Christi (2 Bde., Lpz.
1885-90).
Einleitung, die Wissenschaft, welche die Geschichte der einzelnen biblischen Bücher sowie die Entstehung
der ganzen Sammlung kritisch untersucht. Sie zerfällt in die allgemeine und die besondere Einleitung. Jene handelt
über die Sammlung, Anordnung und das kirchliche Ansehen der biblischen Bücher als eines abgeschlossenen Ganzen, des Kanons
(s. d. und Bibel),
[* 80] über die Handschriften, die alten Übersetzungen, die Schicksale des Textes und die Mittel, ihn in seiner
ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen.
Die besondere Einleitung erörtert Verfasser, Leserkreis, Entstehungsverhältnisse, insbesondere Abfassungszeit und -Ort,
Komposition, Zweck und Inhalt. Das erste einer Biblische Einleitung ähnliche Werk ist das des Junilius in Afrika
[* 81] (um 550) «De partibus legis
divinae». Begründer der neuern Einleitungswissenschaft ist der Katholik Richard Simon in der «Histoire critique du VieuxTestament»
(Par. 1678; in Frankreich unterdrückt, daher dann Rotterd. 1685) und der «Histoire
critique du texte du Nouveau Testament» (Rotterd. 1689; deutsch von Cramer u. d. T.
«Kritische Historie des Textes des NeuenTestaments oder Kritische Schriften über das NeueTestament», mit Anmerkungen von Semler, 3 Bde.,
Halle 1776-80). Doch erst durch die freiern Untersuchungen prot.
Theologen, namentlich Semlers (s. d.) um die Mitte des 18. Jahrh.
und unter dem Einflusse Lessingscher Gedanken, erhielt die Biblische Einleitung ihre jetzige Gestalt als eine histor.-kritische Wissenschaft.
Bahnbrechend wirkten in dieser Beziehung Eichhorn («Einleitung ins AlteTestament», 4 Bde., Lpz.
1780-95; 4. Aufl., Gött. 1824; «Einleitung
ins NeueTestament», 5 Bde., ebd. 1820-27) und namentlich De Wette («Beiträge zur Einleitung ins AlteTestament», 2 Bde.,
Halle 1806-7; «Lehrbuch der histor.-kritischen Einleitung in die Bibel Alten und NeuenTestaments», Bd. 1, 8. Aufl.,
Berl. 1869; Bd. 2, 6. Aufl.
1860). Zu den gründlichsten Forschungen über das Neue Testament gehören die Werke K. A. Credners (s. d.). Die Auffassung
der alten Orthodoxie suchten zu erneuern Hengstenberg, «Beiträge zur Einleitung ins
AlteTestament» (3 Bde., Berl.
1831-39);
Hävernick, «Handbuch der histor.-kritischen Einleitung in das AlteTestament» (3 Bde., Erlangen
[* 82] 1839-56; der erste
und dritte Band
[* 83] hg. von Keil);
Keil, «Lehrbuch der histor.-kritischen Einleitung in die kanon. und apokryphischen
Schriften des Alten Testaments» (Erlangen 1853; 3. Aufl. 1873);
Guerike, «Histor.-kritische Einleitung in
das NeueTestament» (Lpz. 1843; 3. Aufl. 1868);
die neue
Bearbeitung von De Wertes «Einleitung ins NeueTestament» von Meßner und Lünemann (1860);
in gewissem Sinne auch V. Weiß, «Lehrbuch
der Einleitung in das NeueTestament» (Berl. 1886).
Völlig neue Gesichtspunkte hat die Wissenschaft der Einleitung ins Alte Testament
gewonnen durch die Ergebnisse der neuern Pentateuchkritik (Vatke, George, Reuß, Kuenen, Wellhausen). Die
Fragen der allgemeinen Einleitung sind in der Weise moderner Wissenschaft behandelt worden von Wellhausen bei der Neubearbeitung
von Bleeks «Einleitung ins AlteTestament» (6. Aufl. 1893). Ed. Reuß («Geschichte
der heiligen Schriften des Alten Testaments», Braunschw. 1881; 2. Aufl. 1890) versucht
die Einleitung im Zusammenhang mit der gesamten Geschichte des israel.
Volks darzustellen. Eine die Resultate der modernen Untersuchungen darstellende Einleitung ins Alte Testament giebt der Holländer
A. Kuenen (deutsch, Tl. 1 u. 2, Lpz. 1885-92); vgl. ferner Cornill, Einleitung in das
Alte Testament (im «Grundriß der theol. Wissenschaften» von Achelis,
Cornill, Ficker u. a., Tl. 2, Bd. 1, 2. Aufl.,
Freib. i. Br. 1892). Besonders hervorzuheben ist noch Holtzmanns «Lehrbuch
der histor.-kritischen Einleitung in das NeueTestament» (Freib. i. Br. 1885; 3. Aufl. 1892).
In England hat Davidson (Lond. 1862) die Einleitung ins Alte Testament wie Neue Testament (1868) behandelt.
Geschichte,Darstellung des geschichtlichen Inhalts der Bibel, kann rein wissenschaftlich kritisch
oder für die Zwecke des Unterrichts berechnet sein. Auch ein Buch, das eine Auswahl einzelner Geschichten aus der Bibel enthält,
heißt Als besonderer Unterrichtsgegenstand tritt die seit der Zeit des Pietismus auf. Zur Förderung dieses Unterrichts
hat außerordentlich Johannen Hübners, Rektors des Johanneums zu Hamburg, 1714 zum erstenmal erschienenes
Buch: «Zweimalzweiundfunfzig biblische Historien aus dem Alten und NeuenTestamente», beigetragen. Es enthielt hinter jeder
Erzählung examinatorische Fragen, hierauf drei «nützlich Lehren»
[* 86] und endlich «Gottselige Gedanken» in Form eines zum Auswendiglernen
bestimmten Reimes. Aus der großen Anzahl neuerer sind als besonders verbreitet die von Kohlrausch,
Preuß, Kurtz, Schorn und Fiedler, Zahn, Berthelt, sowie die des Calwer Verlagsvereins hervorzuheben.
Theologie, weniger passend biblische Dogmatik genannt, eine im 18. Jahrh. unter den Protestanten entstandene
Wissenschaft, die ursprünglich darauf ausgeht, die Lehre der Bibel aus ihr selbst, unabhängig von der
Kirchenlehre darzustellen,
jetzt aber die gesamten religiösen und ethischen Ideen der biblischen Schriften unter besonderer
Betonung
[* 87] ihrer Zusammenhänge und geschichtlichen Entwicklung vorführt. Dem ältern Protestantismus galt seine Dogmatik als
der auch exegetisch und geschichtlich vollkommen angemessene Ausdruck der Schriftlehre, daher sich für ihn die
Beschäftigung mit der Heiligen Schrift auf die exegetische Behandlung der für die kirchlichen Dogmen angeführten biblischen
Beweisstellen beschränkte.
Bei den Fortschritten aber, welche die Kenntnis der alten Sprachen, die Auslegung und die Kritik im 18. Jahrh. machten, und
bei der immer bestimmter hervortretenden Notwendigkeit, zwischen den Anschauungen des ursprünglichen Christentums
und der kirchlichen Dogmatik zu scheiden, ergab sich von selbst das Bedürfnis einer besondern Biblische Theologie Diese
sollte einen Probierstein für die kirchliche Dogmatik und deren beanspruchte Schriftgemäßheit gewinnen. Daher erregte
Büsching, als er in seiner «Epitome theologiae e solis sacris literis concinnatae»
(Lemgo 1757) die «biblisch-dogmatische» Theologie der «scholastischen» gegenüberstellte,
bei den Orthodoxen großen Anstoß.
Supranaturalisten, wie Zachariä («Biblische Theologie», 4 Tle., 1771-75) und Storr («Doctrinae christianae pars theoretica
e sacris literis repetita», Stuttg. 1793; deutsch: «Lehrbuch
der christl. Dogmatik», hg. von Flatt, 1803-13), wollten höchstens einen formellen
Unterschied der biblischen und der kirchlichen Lehre zugeben. Dagegen suchte der Nationalismus die sachliche
Verschiedenheit beider nachzuweisen und auch die biblischen Lehrvorstellungen selbst aus dem Volks- und Zeitcharakter zu erklären.
Der Vater der neuern Biblische Theologie im streng wissenschaftlichen Sinne ist Joh. Phil. Gabler, der sie in seiner «Oratio de justo discrimine
theologiae biblicae et dogmaticae» (Altdorf 1787) zuerst in klarer Weise als eine histor. Disciplin definiert
hat; doch stehen auch die Schriften der folgenden Jahrzehnte noch unter dem Einflusse der altrationalistischen Tendenz, als
den Kern des Christentums die sog. allgemeinen vernünftigen Wahrheiten der Moralreligion nachzuweisen,
wobei ein wirklich geschichtliches Verständnis der biblischen Vorstellungen nicht möglich war.
Erst De Wette («Biblische Dogmatik Alten und NeuenTestaments», Tl. 1 der «Christl. Dogmatik», Berl. 1813; 3. Aufl.
1830) führte eine strengere histor. Methode ein, durch die einmal der Unterschied des Alten und NeuenTestaments, dann die
verschiedenen Entwicklungsstufen innerhalb jedes von beiden (im Alten Testamente: Hebraismus und Judaismus; im NeuenTestamente:
Lehre Jesu und Lehre der Apostel) zur Geltung gebracht und damit die Biblische Theologie unter den dogmengeschichtlichen
Gesichtspunkt gestellt wurde. An De Wettes Arbeit reihen sich die Werke von Baumgarten-Crusius («Grundzüge der Biblische Theologie», Jena
[* 88] 1828)
und Daniel von Cölln («Biblische Theologie», hg. von Dav. Schulz, 2 Bde., Lpz. 1836). In
Bezug auf das Alte Testament finden sich bei Vatke («Die Religion des Alten Testaments»; Berl. 1835) fruchtbare
Gedanken, die jedoch wegen ihrer Verquickung mit Hegelschen Principien nicht recht beachtet worden sind. Den streng inspirationsgläubigen
Standpunkt vertreten die Schriften von Kurtz, Hävernick, Hengstenberg und in gebrochener Weise die von Delitzsch,
[* 89] Hofmann,
Oehler. Insonderheit Oehler hat die Biblische Theologie Alten Testaments auf Abwege gelenkt und den
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Blick für die engen Zusammenhänge mit der neutestamentlichen Entwicklung getrübt. Zu einer gesundern Betrachtung versucht
zurückzulenken die «Alttestamentliche Theologie» von Herm.
Schulz (2 Bde., Frankf. 1869; 4. Aufl.
in 1 Bd., 1888). Völlig neue Gesichtspunkte sind der Behandlung der Biblische Theologie durch die moderne Pentateuchkritik zugewachsen,
aus der sich das Problem ergeben hat, die Entstehung des Judentums zu begreifen und an dieses das Christentum
anzuknüpfen.
Auch die Untersuchungen über die Religionen der Semiten wie überhaupt die religionsgeschichtlichen haben neue Gedanken zugeführt.
Im modernen Sinne ist die Biblische Theologie Alten Testaments teils ganz, teils in einzelnen ihrer Teile behandelt worden von
Kuenen, «De Godsdienst van Israel» (Haarlem
[* 91] 1869);
«Volksreligion und Weltreligion» (deutsch Berl.
1883);
Wellhausen, «Prolegomena zur Geschichte Israels» (3. Aufl.,
ebd. 1886);
Chantepie de la Saussaye, «Lehrbuch der Religionsgeschichte»
(Bd. 1 u. 2, Freib. i. Br. 1889);
Stade «Geschichte des Volks Israel» (Bd. 1 u. 2, Berl. 1887 - 88);
Schürer,
«Geschichte des jüd. Volks im Zeitalter Jesu Christi» (Lpz. 1885 - 90).
Für das Neue Testament bezeichnet die sorgfältige
Scheidung der apostolischen Lehrbegriffe, angebahnt durch die Schriften von Usteri (1832) und Dähne (1835) über den paulinischen,
Frommann (1839) über den johanneischen Lehrbegriff, einen wesentlichen Fortschritt. Noch entscheidender
sind die neuern Untersuchungen über das apostolische Zeitalter, zu denen F. Chr. Baur (s. d.) und die Tübinger Schule die
Anregung gaben. Wenn auch deren Ergebnisse modifiziert werden mußten, so eröffneten sie doch zuerst ein wirklich geschichtliches
Verständnis vor allem des paulinischen Evangeliums und des spätern Paulinismus, aber auch der judenchristl.
oder urapostolischen Lehrform und der johanneischen Theologie.
Die Arbeiten von Holsten, Lüdemann, Pfleiderer über den paulinischen, Köstlin, Hilgenfeld, Scholten über den johanneischen
Lehrbegriff, sowie die zahlreichen Untersuchungen über Leben und Lehre Jesu haben der neutestamentlichen Theologie ein völlig
verändertes Ansehen gegeben. Selbst ziemlich konservative Theologen, wie Weiß («Lehrbuch der Biblische Theologie des
NeuenTestaments», Berl. 1868; 5. Aufl. 1888), machten dem kritischen
Standpunkte erhebliche Zugeständnisse. -
Stadt im Kreis
[* 93] Eckartsberga des preuß. Reg.-Bez.Merseburg, 23 km nordwestlich von Naumburg
[* 94] a. d. Saale, in 123 m Höhe, an dem zur Unstrut gehenden Saubache, hat (1890) 1467 evang. E., Post, Telegraph;
[* 95] Papierfabrik,
eine Eisenquelle (10 - 12° C.), eine alkalische Salzquelle (10 - 15° C) und seit 1874 ein neues Badehaus (Aktiengesellschaft).
-Bibra ist sehr alt; 952 schloß Graf Billung, der zu «Bivora» eine Burg hatte,
mit KaiserOtto einen Vertrag und stiftete ein Benediktinerkloster,
das später in ein Augustinerchorherrenstift verwandelt wurde. 1571 fiel ein Teil des Stiftungsvermögens an die Stadt Bibra.
Ernst, Freiherr von, Naturforscher und Schriftsteller, geb. zu Schwebheim
in Unterfranken, studierte zu Würzburg
[* 96] die Rechte, dann aber, seiner Neigung folgend, Naturwissenschaften, besonders Chemie. 1849 unternahm
Bibra eine Reise nach Brasilien
[* 97] und Chile;
[* 98] später lebte er meist in Nürnberg,
[* 99] wo er auch seine reichen naturhistor. und ethnogr.
Sammlungen aufstellte, und starb Von B.s wissenschaftlichen Schriften sind hervorzuheben:«Chem.
[* 100] Untersuchungen verschiedener Eiterarten» (Berl. 1842),
«Die narkotischen Genußmittel
und der Mensch» (Nürnb. 1855),
«Die Getreidearten und das Brot»
[* 105] (ebd. 1860),
«Die Bronzen und Kupferlegierungen
der alten und ältesten Völker» (Erlangen 1869) und «Über alte Eisen- und Silberfunde» (Nürnb. 1873). Mit «Erinnerungen aus
Südamerika» (3 Bde., Lpz.
1861) begann B.eine Reihe von belletristischen Schriften, die sich besonders durch ihre landschaftlichen Schilderungen auszeichnen.
Dahin gehören u. a. die Romane «Ein Juwel» (3 Bde.,
Lpz. 1863) und «Hoffnungen in Peru»
[* 106] (3 Bde., ebd. 1864),