III.
Klasse sind nicht gepolstert; die der IV.
Klasse, enthalten meist keine Sitzplätze und sind gewöhnlich nur von den Stirnwänden
aus zugänglich. Neuerdings ist auf den preuß. Staatsbahnen
[* 2] mit der Einrichtung von Sitzplätzen
an den Seitenwänden vorgegangen worden.
Außer den gewöhnlichen Personenwagen sind die oft mit großem Luxus ausgestatteten
Salon- und Schlafwagen und die besonders auf den größern amerik. Eisenbahnen eingeführten Pullmannschen
Hotelwagen zu nennen. (S. Eisenbahnwagen-Mietgesellschaften.)
[* 1]
Fig. 1, Taf.
II, veranschaulicht einen amerik. Personenwagen;
[* 1]
Fig. 4, Taf. I, einen
Schlafwagen der preuß. Staatseisenbahnen;
[* 1]
Fig. 3, Taf.
II, mit links nebenstehendem Grundriß stellt einen zweiachsigen Personenwagen mit Zwischenverbindungen dar. Besonders
in der Nähe volkreicher
Städte kommen auch zweistöckige Personenwagen (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 5)
in Anwendung. In
Rußland, wo schon vor mehrern Jahren während des
Baues der
Transkaspischen Eisenbahn (s. d.) Eisenbahnwagen
zur Abhaltung des Gottesdienstes und des Schulunterrichts für die beim
Bau beschäftigten
Beamten und
Arbeiter und ihre Familien
eingerichtet wurden, werden neuerdings fahrbare Eisenbahnkirchen hergestellt. Es sind dies vierachsige,
höchst elegant ausgestattete und äußerlich und innerlich mit vielen religiösen
Symbolen geschmückte Wagen mit vollständiger
Kircheneinrichtung. Sie sollen in Kriegszeiten während der Truppenbeförderung den höhern Offizieren die
Teilnahme am Gottesdienst
ermöglichen. Ähnliche Wagen bestehen in
Amerika;
[* 3] die
Bischöfe bereisen in denselben ihre ausgedehnte
Diöcese und halten auf den
Stationen, in deren Nähe
Kirchen nicht vorhanden sind, Gottesdienst. - Die
Erleuchtung der Personenwagen
erfolgt durch Öl, Petroleum,
Gas, und in neuerer Zeit auch durch Elektricität.
Die
Heizung
[* 4] der Personenwagen wird auf verschiedene
Weise bewirkt. Die älteste und unvollkommenste Einrichtung ist die
Erwärmung durch Wärmflaschen, die mit heißem Wasser oder Sand (neuerdings auch mit essigsaurem Natron) gefüllt werden.
Trotz ihrer Kostspieligkeit in
Anlage und Unterhaltung ist diese Art der
Heizung die am wenigsten wirksame, indem eine Durchwärmung
der
Coupés nicht erreicht wird; Wärmflaschen kommen daher nur noch selten in Anwendung.
Bei größern Wagenabteilungen, wie in Salon- und Interkommunikationswagen, besteht vielfach Ofenheizung.
Die Füllöfen werden mit Holzkohle, die sog.
Regulieröfen mit
Steinkohlen geheizt; erstere brennen bis zu 20
Stunden; letztere
bis zu 8
Stunden. Die Ofenheizung hat insofern Nachteile, als die Öfen
[* 5] viel Platz wegnehmen, ungleiche Erwärmung hervorbringen
und bei Zusammenstößen u. s. w. gefährlich sind. Bei der besonders
in
Österreich
[* 6] anzutreffenden
Luftheizung ist der Ofen unten am Wagenkasten angebracht; die
Heizung erfolgt mit Koks und hat
sich bei sorgfältiger Behandlung gut bewährt.
Die Heizvorrichtung mit Preßkohlen (auch präparierte oder plastische
Kohle genannt) wird besonders bei dem
Coupé-System
verwendet; sie besteht aus einem luftdichten eisernen, unter den Sitzbänken angebrachten Heizkasten,
der durch eine in der äußern Seitenwand des Wagens befindliche kleine, dichtschließende
Thür zugänglich ist. Die
Kohlenziegel
legt man entzündet in den Heizuntersatz, einen durchlöcherten oben offenen Blechkasten, oder einen
Korb aus Eisendrahtgeflecht,
der alsdann in
den Heizkasten geschoben wird.
Die Preßkohlenheizung,
bis in die neuere Zeit besonders auf den preuß. Staatsbahnen in Gebrauch,
hat sich dauernd nicht bewährt, da das Anwärmen der Wagen ziemlich lange Zeit in
Anspruch nimmt und die Unterhaltung einer
gleichmäßigen
Temperatur große
Aufmerksamkeit und bei kaltem Wetter
[* 7] sehr häufiges Erneuern der Preßkohlen erfordert. Neuerdings
ist immer mehr die Dampfheizung in
Aufnahme gekommen; auch auf den preuß. Staatsbahnen ist ihre Einführung
schon weit vorgeschritten und in noch weiterm
Umfange angeordnet.
Der gewöhnlich der
Lokomotive
[* 8] entnommene
Dampf
[* 9] - die Mitführung besonderer Dampfkessel
[* 10] im Packwagen ist nur vereinzelt -
wird durch unter dem Wagen liegende eiserne Rohrleitungen, die zwischen den Wagen durchGummischläuche
verbunden sind, nach den in den
Coupés unter den Sitzbrettern angebrachten Heizcylindern geführt. Die Regelung der
Temperatur
erfolgt durch Hähne, die in Abzweigungen von der Hauptleitung nach dem Heizcylinder liegen und von den Reisenden nach Belieben
geschlossen oder mehr oder weniger geöffnet werden können. Die Vorzüge der Dampfheizung bestehen hauptsächlich
in der Sicherheit ihrer Handhabung und der Gleichmäßigkeit ihrer Wirkung; freilich ist dabei die Unbequemlichkeit vorhanden,
daß das Aussetzen von Wagen erst vorgenommen werden kann, wenn die an den
Enden des Wagens befindlichen Absperrhähne geschlossen
und die
Gummischläuche gelöst sind. - Auf den preuß. Staatsbahnen werden in der Zeit vom 1. Okt. bis
Ende April sämtliche Personenzüge geheizt, wenn die Lufttemperatur unter + 5° R. sinkt. Die Wärme
[* 11] im Innern des Wagens
soll im allgemeinen + 8° R. betragen. - Die Kosten der Wagen
Heizung betragen: bei der Ofenheizung etwa 4 bis 5
Pf. für den
Wagen und dieStunde, bei der
Luftheizung 0,66 bis 0,89
Pf. für das Wagenkilometer (s. Eisenbahnstatistik),
bei der Preßkohlenheizung etwa 5 bis 7
Pf. für das
Coupé und die
Stunde und bei der Dampfheizung etwa 0,5 bis 0,75
Pf. für
das Wagenkilometer. - Neuerdings machen sich auch Bestrebungen wegen
Heizung von Güterwagen geltend, um
Gegenstände, die, wie
Blumen, gegen Frost empfindlich sind, vor
Beschädigungen bei
Beförderungen während der Winterszeit
zu schützen und sind auch bereits auf den preuß.
Staats- und andern Eisenbahnen Güterwagen mit Heizvorrichtungen versehen
worden.
Die auf den meisten
Bahnen laufenden besondern Postwagen (Taf. I,
[* 1]
Fig. 2 veranschaulicht
einen österr. Postambulanzwagen) dienen zur
Beförderung der
Briefe und
Pakete, die
Gepäckwagen zur
Beförderung
des
Reisegepäcks. Die zur
Beförderung der
Güter bestimmten Wagen zerfallen in bedeckte, offene (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 1 und
3; Taf. II,
[* 1]
Fig. 2 und 7) und für besondere Zwecke hergerichtete, wie
die Viehwagen (Taf. I,
[* 1]
Fig. 6), die Langholz-, Fleisch-,
Vierwagen u. s. w. Die oben offenen Güterwagen für
Kohlen, Sand
u. dgl. heißen auch Loren (engl. Lowries, Einzahl
Lowry).
[* 1]
Fig. 8, Taf. II, stellt einen Wagen zum
Transport von großen
Geschützendar. - Die Tragfähigkeit der Güterwagen
auf den
Bahnen des europ. Festlandes beträgt gewöhnlich 10 t (1 t = 1000 kg),
einzelne Wagen haben auch eine Tragfähigkeit von 12,5 bis 15 t. Die engl.
Bahnen besitzen Güterwagen von meist geringerer
Tragfähigkeit (6-8 t), während in
Amerika die Tragfähigkeit gewöhnlich eine höhere
¶
mehr
ist; es giebt Güterwagen bis zu 40 t Tragkraft. Die
[* 12]
Fig. 3 und 6, Taf. I, und
[* 12]
Fig.
2, Taf. II, enthalten Beispiele von amerik. Güter- und Viehwagen.
Die Preise für Wagen stellten sich im Sommer 1891 durchschnittlich etwa wie folgt:
Über die Leistungen, Reparaturkosten u. s. w. der Wagen s.
Eisenbahnstatistik. Das Gewicht eines zweiachsigen Personenwagens I./II. Klasse beträgt bis 13 t, das eines dreiachsigen
bis 18 t, das eines vierachsigen bis 30 t; ein bedeckter zweiachsiger Güterwagen wiegt bis 9, ein offener
bis 7 t. Die Länge eines zweiachsigen Personenwagens beträgt bis 9 m, eines dreiachsigen bis 11 m und eines vierachsigen
bis 16 m. Bedeckte Güterwagen sind 7-8 m lang.
Neuerdings ist zur Abschwächung der zerstörenden Wirkung von zusammenstoßenden Eisenbahnzügen die Einstellung eines zusammenschiebbaren,
sog. Pufferwagens zwischen Packwagen und Lokomotive vorgeschlagen worden. Das Untergestell des Wagens
besteht aus übereinander verschiebbaren Hälften; auf demselben ruht ein zweiteiliger, ineinander verschiebbarer cylindrischer
Kessel, der mit Preßluft gefüllt ist. Die Spannung der Luft ist so gewählt, daß der Wagen erst bei starken Stößen zur
Wirkung kommt.
Über dieAnlage und Einrichtung der Betriebsmittel enthalten Vorschriften:
4) die technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der zum VereinDeutscher Eisenbahnverwaltungen
gehörenden Eisenbahnen (s. Eisenbahnverein);
5) die Bestimmungen über die technische Einheit im Eisenbahnwesen (s. Eisenbahneinheit).
Eine besondere Gattung von Eisenbahnfahrzeugen bilden die Bahndraisinen, nach dem Forstmeister Drais zu Mannheim
[* 15] (1817) genannt,
der einen zweiräderigen, zum Selbstfahren eingerichteten Wagen erfand. Es sind leichte, vierräderige, offene Wägelchen
mit einigen Sitzplätzen und einer Vorrichtung zur Selbstfortbewegung, die vorzugsweise von Bahnmeistern
und Oberbeamten zur Besichtigung der Bahnlinie verwendet werden. Neuerdings kommen auch nach dem System der Straßenvelocipede
gebaute Eisenbahndraisinen zur Verwendung (Taf. II,
[* 12]
Fig. 9). - Über Schneepflüge (Taf. II,
[* 12]
Fig. 4, 5 und 6) s. d.
Die deutschen (normalspurigen) Eisenbahnen besaßen 1. Jan.bez. an Betriebsmittel: 15 475 Lokomotiven (darunter
die preuß. Staatsbahnen 10 564), 28 901 Personenwagen (preuß.
Staatsbahnen 17
037) und 308 336 Gepäck- und Güterwagen (preuß. Staatsbahnen 212 031). Auf den österreichischen und
mit Ungarn
[* 16] gemeinsamen normalspurigen Eisenbahnen waren vorhanden: 4237 Lokomotiven, 8936 Personenwagen, 98 687 Lastwagen.
Ungarn verfügte (soweit die Bahnen dem Deutschen Eisenbahnverein angehörten) über 1580 Lokomotiven, 2985 Personenwagen
und 38 418 Lastwagen.
Die Betriebsmittel der Eisenbahnen der Erde können - zuverlässige Zahlen liegen allerdings nicht vor - 1888 auf rund 105000 Lokomotiven, 230000
Personen- und 2½ Mill. Güterwagen angenommen werden, wovon etwa zwei Drittel auf die europ.
und ein Drittel auf die außereurop. Länder entfallen dürften. Für die Herstellung von Eisenbahnbetriebsmitteln bestehen
zahlreiche in- und ausländische Fabriken. Ein Verzeichnis von Lokomotiv- und Eisenbahnwagenfabriken und ihrer Leistungsfähigkeit
in Deutschland,
[* 17] Österreich-Ungarn
[* 18] und der Schweiz
[* 19] enthält der «Geheftete Teil» des alljährlich in Wiesbaden
[* 20] bei J. F. Bergmann erscheinenden, von Edm. Heusinger von Waldegg begründeten «Kalenders für Eisenbahntechniker». -
Vgl. Heusinger
von Waldegg, Handbuch für specielle Eisenbahntechnik, Bd. 2:
Der Eisenbahnwagenbau (2. Aufl., Lpz. 1874);
vonWeber, Schule des Eisenbahnwesens (4. Aufl., ebd. 1885);
G. Meyer, Grundzüge
des Eisenbahn-Maschinenbaues, Teil 2: Die Eisenbahnen (Berl. 1884).
Die Betriebsorganisation oder Wirtschaftseinrichtung eines Landgutes wird meistens auf
eine längere Reihe von Jahren festgestellt. Es werden dabei die Ausdehnung,
[* 21] Beschaffenheit und Benutzungsweise des Bodens,
die vorhandenen Gebäude, die örtliche und klimatische Lage des Gutes, Transport- und Absatzverhältnisse,
das vorhandene Kapital, die Arbeitskräfte, die Einrichtung technischer Nebengewerbe in Betracht gezogen und danach die Fruchtfolge,
das Verhältnis zwischen Marktfrüchten und Futtergewächsen, die Anzahl und Gattung des Zug- und Nutzviehs, der Bedarf an
Gesinde sowie der an Inventar und endlich die Größe des nötigen umlaufenden Betriebskapitals festgestellt.
der Eisenbahnen, die Gesamtheit der Vorschriften über die Beförderung von Personen
und Gütern und die hierdurch entstehenden Rechte und Pflichten der Eisenbahnen einerseits und der dieselben benutzenden Personen
andererseits. Derartige Vorschriften wurden unter der Bezeichnung Betriebsreglement zuerst von dem Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen
(s. Eisenbahnverein) angenommen. Durch Art. 45 der Deutschen Reichsverfassung ist sodann bestimmt, daß
das Reich dahin wirken werde, daß baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglement eingeführt
werden.
Solche Reglements wurden für das Deutsche Reich
[* 22] (ausschließlich Bayern)
[* 23] zuerst 1870 und später wiederholt in abgeänderter
Fassung erlassen. Das seit für das Deutsche Reich geltende hat durch Beschluß des Bundesrats
vom die Bezeichnung Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands (s. Eisenbahn-Verkehrsordnung) erhalten und
wurde von der bayr. Regierung unterm auch für die bayr.
Eisenbahnen mit Geltung vom ab eingeführt.
In Österreich und Ungarn ist die Bezeichnung Betriebsreglement für die mit der Verkehrsordnung im wesentlichen
gleichlautenden Bestimmungen beibehalten, ebenso im Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen, dessen neuestes Betriebsreglement gleichfalls in
Geltung trat.
¶
mehr
Die sachlichen Abweichungen des österr. und des ungarischen Betriebsreglement von der deutschen Verkehrsordnung sind nur unerheblich;
dasselbe schließt sich in einigen Punkten enger als die Verkehrsordnung an das Berner internationale Übereinkommen über
den Eisenbahnfrachtverkehr (s. Eisenbahnrecht II, 3) an, auch da, wo dieses mit dem Handelsgesetzbuch
in Widerspruch steht, während die deutsche Verkehrsordnung unzulässige Abweichungen vom Handelsgesetzbuch
nicht enthalten kann, weil sie nicht durch Gesetz festgestellt ist. Die Beförderungsbedingungen für einzelne Gegenstände
der durch Bundesratsbeschluß vom neu festgestellten Anlage B, insbesondere Sprengstoffe, sind in Österreich-Ungarn
andere als im DeutschenReich.
Erheblicher sind die Verschiedenheiten des Betriebsreglement des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. In diesem fehlen
die Abschnitte der Verkehrsordnung über die Beförderung von Expreßgut (s. d.), von Leichen und von lebenden Tieren ganz, und
nur die Abschnitte über Beförderung von Personen und Gepäck stimmen mit denen der Verkehrsordnung vollständig überein. Der
Abschnitt über die Beförderung von Gütern enthält einen genauen Abdruck des Berner Übereinkommens nebst
den Ausführungsbestimmungen, denen einige Zusatzbestimmungen mit den entsprechenden Paragraphen der Verkehrsordnung beigefügt
sind. Um kenntlich zu machen, aus welcher Quelle
[* 25] die verschiedenen Teile der einzelnen Paragraphen in dem Abschnitte über Güterverkehr
entnommen sind, sind diese in verschiedenen Lettern gedruckt.
Die Betriebsreglement stellen sich in rechtlicher Beziehung als Verwaltungsordnungen der einzelnen Bahnen und, insoweit
sie auf Vereinbarungen verschiedener Verwaltungen beruhen, als vertragliche Abmachungen dar. Dem Publikum gegenüber haben
sie die Bedeutung von veröffentlichten Vertragsbedingungen. Auch die Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands besitzt
nicht Gesetzeskraft, weil sie nur vom Bundesrate ohne Mitwirkung des Reichstags beschlossen ist. Sie bildet
daher lediglich eine Verwaltungsvorschrift des Bundesrats für die deutschen Eisenbahnverwaltungen; für das Publikum hat
sie ebenfalls nur die Bedeutung von Vertragsbedingungen, die erst durch Abschluß des Frachtvertrags bindend werden. -
von Buschmann, Das neue Eisenbahn-Betriebsreglement
in Gegenüberstellung zum internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (Wien
[* 26] 1892).
Ackerbausystem, landwirtschaftliches Betriebssystem oder Wirtschaftssystem, die Gesamtheit
derjenigen Regeln und Grundsätze, nach welchen ein bestimmter Boden bewirtschaftet wird, um auf demselben die größtmögliche
Menge Pflanzensubstanz hervorzubringen. Das Betriebssystem ist demnach der besondere Charakter, welchen eine Landwirtschaft annimmt infolge
der Einwirkung von äußern, allgemeinen und lokalen Einflüssen. Bis zu gewissem Grade sind die Betriebssystem abgängig von den beiden
Hauptfaktoren der Vegetation, Klima
[* 27] und Boden.
Diese zu regeln und zu modifizieren, wie es dem jeweiligen Zwecke des Betriebes entspricht,
ist Aufgabe der Wirtschaftskunst.
Gewöhnlich macht man einen Unterschied zwischen extensivem Betrieb und intensivem Betrieb; bei dem erstern wird mit den
möglichst geringen, bei letzterm mit den möglichst großen Mitteln der höchste Reinertrag oder die größte
Bodenrente zu erzielen gesucht. Natürlich kann jedes System einer Wirtschaft ebensowohl extensiv als intensiv betrieben werden.
Neben Boden, Klima und Lage beeinflußt der Absatz oder die thunlichst vorteilhafte Verwertung der gewonnenen Produkte die Bildung
eines am meisten. Die Aufstellung und Befolgung eines Betriebssystem ist keineswegs Bedingung der Produktion, im Gegenteil
wird letztere auf dem weitaus größten Teil der Erde ohne ein solches erzielt. Die Bodenkultur auf ihrer niedrigsten und
auf ihrer höchsten Stufe hat keine Systeme; diese bilden gewissermaßen nur den Leitfaden, mittels dessen sich die minder
Vorgeschrittenen endlich bis zur völligen Freiheit des Betriebes hinanarbeiten. Die bestehenden landwirtschaftlichen
Betriebssystem lassen sich in folgende Gruppen bringen ^[Doppelpunkt fehlt]
1) Die Brandwirtschaft. Die Vegetation eines Bodens wird in bestimmten Zeiträumen durch Feuer zerstört, das durch die Asche
gekräftigte Erdreich als Acker bestellt, solange es sich hinreichend ertragsfähig zeigt, sodann wiederum dem Wildwachstum
überlassen. Diese in uncivilisierten Gegenden häufige Kulturmethode ist auch in Deutschlands Waldgebirgen
noch hier und dort mit regelmäßiger Wiederkehr üblich. Als verbesserte Brandwirtschaft ist zu betrachten die im nordwestl.
Europa
[* 28] noch vielfach durchgeführte Moorbrand-Plaggenwirtschaft. Sie ist auf dem Terrain der Heiden und Moore heimisch; die oberste
Narbe des Bodens mitsamt der Pflanzendecke wird abgeschält, die «Plaggen»
genannten Stücke werden in Haufen gesetzt, langsam schwelend verbrannt, die Asche verteilt und untergeackert. Hierauf wird
das Neuland, vielleicht mit einiger Düngernachhilfe, mehrere Jahre hindurch mit Buchweizen, Roggen oder Hafer
[* 29] bestellt, alsdann
der Natur überlassen; abermals überziehen es Heidekräuter oder Moorgräser, bis es wiederum reif ist
zum Plaggenhauen. Diese Betriebsart verursacht den Höhenrauch (s. d.); sie ist
schon den alten Römern bekannt gewesen, wie eine Stelle in Virgils «Georgica» zeigt. Zur Urbarmachung jungfräulicher Territorien
ist überall die Hilfe des Feuers unentbehrlich. Nicht zu verwechseln mit der Moorbrandwirtschaft ist die in der neuesten
Zeit so höchst erfolgreich eingeführte Melioration der Moordammkultur (s. Moorkultur) nach Rimpau u. a.
2) Die Koppel- oder Dreeschwirtschaft. Ein kleinerer Teil oder auch die Hälfte des Areals kommt unter den Pflug
[* 30] und wird jährlich
mit Nutzpflanzen bestellt, der andere Teil bleibt zur Weide,
[* 31] aber im Wechsel mit dem ersten, liegen, und der Reinertrag wird
aus der Viehzucht
[* 32] gewonnen. Bloße Gras- oder reine Weidewirtschaft, wie sie in den Marschen oder auf
Gebirgsweiden sich findet, hat mit Ackerbau nichts zu thun; sie beschränkt sich auf die Erzeugung von tierischen Produkten.
3) Die Körnerwirtschaft widmet sich ausschließlich dem Anbau der Cerealien, welche nur mit dem Wechsel zwischen Winter-
und Sommerfrucht aufeinander folgen; die hierdurch unausbleibliche Erschöpfung des Bodens wird auszugleichen gesucht durch
die Brache, ein Jahr der Ruhe ohne Bestellung. Die Körnerwirtschaften heißen auch
¶
mehr
Feldersysteme, und zwar nach der Anzahl der Felder oder Abteilungen eines Landguts, die nebeneinander mit verschiedenen Nutzpflanzen
bestellt sind; sonach hat man Zweifelderwirtschaft, Dreifelderwirtschaft u. s. w. Letztere,
schon bei den alten Römern allgemein und durch sie nach Deutschland gebracht, war und ist noch das verbreitetste aller Betriebssystem. Sie
bringt nach Brache zweimal Getreide
[* 34] und muß das zur Produktion des Düngers notwendige Futter von außen,
d. i. von Wiesen beziehen, ohne welche letztere sie nicht haltbar ist.
Durch die Einführung des Klees und der Kartoffeln wurden die Körnerwirtschaften in ihrem Wesen erschüttert; die letztern
waren nicht anders unterzubringen als in der Brache, welche zu diesem Zwecke bestellt werden mußte. An
die Stelle der reinen Brache, welche nach der Bearbeitung mit dem Pfluge den Namen Schwarzbrache führt, tritt also bei der
«verbesserten Körnerwirtschaft» die grüne oder besömmerte Brache. AlleKörnerwirtschaften begünstigen vorzugsweise den Raubbau,
die Ausbeutung der Pflanzennährstoffe des Bodens ohne genügenden Ersatz, zumal wenn sie nicht durch
ein bedeutendes Areal an Weiden und Wiesen oder durch besondere günstige lokale Verhältnisse von außen unterstützt werden.
4) Die Wechselwirtschaft beruht auf dem Princip, daß nicht alle Nutzpflanzen dem Boden die gleiche Menge von Nährstoffen
entziehen, sondern bald des einen, bald des andern in größerm Maße bedürfen, so daß, wenn z. B. der
Acker durch den Bedarf einer Getreideernte die Fähigkeit verloren hat, eine zweite Getreideernte zu liefern, er immer
noch im stande ist, eine gute Ernte
[* 35] an Hackfrüchten oder Futterkräutern zu gewähren. In diesem Falle hatte die Körnerfrucht
den Gehalt des Bodens an Phosphorsäure, dessen sie zu ihrer Entwicklung bedarf, erschöpft, nicht aber
denjenigen an Kali, den die nachfolgende Frucht dann vorwiegend in Anspruch nahm.
Das Wesen der Wechselwirtschaft besteht demnach darin, daß sie das Areal zur Hälfte mit Marktpflanzen, zur andern Hälfte
mit Futtergewächsen bestellt. Allein auch diese Kombination schließt die Bodenerschöpfung keineswegs aus,
sie verlangsamt sie nur. Der Fruchtwechsel (wie diese Wirtschaft ebenfalls häufig genannt wird) verstattet durchaus nicht
eine völlige Wiedergabe aller dem Boden entzogenen Bestandteile der Pflanzennahrung: das verkaufte Getreide, die Wolle und
die Milch der Tiere, die Mineralbestandteile und Proteinstoffe der Rübe und der Kartoffel, sie gehen meistens verloren für
den Boden, der sie erzeugte, es muß daher eine Zeit kommen, wo der Boden daran darbt und dies in der Abnahme seines Produktionsvermögens
deutlich zeigen wird.
Auf die Dauer kann die Wechselwirtschaft nur bestehen unter Beihilfe des sog. künstlichen Düngers, welcher dem Acker diejenigen
Mineralbestandteile wiedergiebt, welche ihm trotz der reichhaltigen Unterstützung durch eine gesteigerte
Viehhaltung dennoch entzogen werden. Da bei diesem Betriebssystem die Hälfte des Areals dem Futterbau gewidmet ist, so muß auch die
Viehzucht die Hälfte des Reinertrags bringen. Die Wechselwirtschaft ist übrigens nicht, wie vielfach angenommen, neuern
Ursprungs, sie ist gleichfalls schon den alten Römern bekannt gewesen und von ihnen geübt worden; sie
schieden die für das Frumentum (Getreide) und die für die Leguminosen
[* 36] (Futterkräuter) bestimmten Feldabteilungen voneinander
und ließen dieselben in der Regel abwechseln. Die richtigen Gesetze der
Wechselwirtschaft datieren aber erst seit den von
Liebig aufgestellten Grundsätzen der Pflanzenernährung.
Die freie Wirtschaft ist kein eigentliches System; dieselbe bindet sich an keine andern Normen als an
diejenigen des Gleichgewichts zwischen Erschöpfung und Ersatz; sie produziert, nicht was sie kann, sondern was sie will.
Möglich ist es aber nur mit Erfolg, sobald genügende Betriebsmittel zu Gebote stehen und Intelligenz sie leitet. Das Wesen
der freien Wirtschaft besteht darin, daß eine bestimmte Fruchtfolge niemals im voraus festgesetzt ist,
ebenso die sich gleichbleibende Schlageinteilung des Ackerlandes wegfällt. Sie ist ein Industrialbetrieb, dessen Produktion
sich der Nachfrage anzubequemen weiß; sie ist der Gipfel der Hochkultur.
Die geographische Verbreitung der Wirtschaftssysteme nachzuweisen, ist eine schwierige, bis jetzt nur mangelhaft gelöste
Aufgabe. Der größte Teil der produktiven Erdoberfläche wird gegenwärtig noch gar nicht systematisch
bewirtschaftet, sondern nur benutzt; den nächstgrößten Raum nimmt wahrscheinlich die freie Wirtschaft ein, welche in China,
[* 37] Japan, Indien, Nordamerika
[* 38] vollkommen einheimisch ist. Die Verbreitungskreise der Körnerwirtschaft und der Weidewirtschaft
halten sich so ziemlich die Wage;
[* 39] die Brandwirtschaft findet sich nur vereinzelt.
Aus der Litteratur über die Betriebssystem sind hervorzuheben: Koppe, Revision der Ackerbausysteme (Berl. 1818);
Kreißig, Ökonomische
und physik.
Beleuchtung
[* 40] der wichtigsten Feldbau- oder Wirtschaftssysteme (Lpz. 1833);
Schwerz, Natur, Wahl und Wert aller bekannten
Fruchtfolgen und Feldsysteme (Bd. 3 von dessen Anleitung zum
praktischen Ackerbau, 3. Aufl., Stuttg. 1843);
derjenige, für dessen Rechnung ein Gewerbe betrieben wird. Der Begriff ist wichtig für die Anwendung
des Haftpflichtgesetzes und des Unfallversicherungsgesetzes. Die Betriebsunternehmer sind nur in geringem Umfange in der Lage, sich an den
auf Grund der Arbeiterversicherungsgesetze
¶
mehr
geschaffenen Einrichtungen zu beteiligen. Hinsichtlich der Krankenversicherung sind sie befugt, eine auf Grund früherer Versicherungspflicht
etwa bestehende Zugehörigkeit zu einer Gemeindekrankenversicherung oder Orts- u. s. w.
Krankenkasse freiwillig fortzusetzen; auch können Orts- u. s. w. Krankenkassen bestimmen, daß Betriebsunternehmer das Recht haben sollen, in
die Kasse einzutreten (KrankenversicherungsgesetzZiffer 5, §. 26, Abs. 4). Zur Unfallversicherung können
Unternehmer versicherungspflichtiger Betriebe für ihre eigene Person zugelassen werden, wenn das Statut einer auf Grund des
Unfallversicherungsgesetzes errichteten Berufsgenossenschaft dies zuläßt (Unfallversicherungsgesetz §. 1, Abs. 2). Unternehmer
von Bauarbeiten sind zur Versicherung der eigenen Person, sofern ihr Jahresarbeitsverdienst 2000 M. nicht übersteigt, kraft
Gesetzes ermächtigt; bei höherm Jahresarbeitsverdienste kann ihnen die Versicherung der eigenen Person
durch Statut gestattet werden.
Durch das Statut können kleine Unternehmer von Bauarbeiten, d. h. solche Unternehmer, welche nicht regelmäßig wenigstens
einen Lohnarbeiter beschäftigen, auch der Unfallversicherungspflicht hinsichtlich der eigenen Person unterworfen werden (Bau-Unfallversicherungsgesetz
§§. 2, 48), und von dieser Befugnis ist von sämtlichen Baugewerks-Berufsgenossenschaften Gebrauch gemacht
worden. Die gleichen Bestimmungen wie für Baugewerbtreibende gelten für Unternehmerland- und forstwirtschaftlicher Betriebe,
jedoch mit der Maßgabe, daß die statutarische Versicherungspflicht der Unternehmer nicht nach der Zahl der beschäftigten
Lohnarbeiter, sondern nach der Höhe des eigenen Jahresarbeitsverdienstes sich richtet, so daß Land- und Forstwirte, deren
Jahresarbeitsverdienst 2000 M. nicht übersteigt, kraft Reichsgesetzes durch Statut der Versicherungspflicht
unterworfen werden können (Landwirt-Unfallversicherungsgesetz §. 2); von dieser Befugnis haben verschiedene Berufsgenossenschaften
Gebrauch gemacht.
Durch Landesgesetz kann eine Verpflichtung land- und forstwirtschaftlicher Betriebsunternehmer zur Unfallversicherung der eigenen Person, ohne
besondere reichsgesetzliche Beschränkung, also in weiterm Umfange eingeführt werden (a. a. O. §. 1, Abs.
3). Für die Invaliditäts- und Altersversicherung können Betriebsunternehmer der Versicherungspflicht durch den Bundesrat unterworfen werden,
sofern sie nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigen oder Hausgewerbetreibende sind (Invaliditätsversicherungsgesetz
§. 2). Im übrigen sind die in gleichem Umfange, in welchem sie durch den Bundesrat für versicherungspflichtig erklärt
werden können, bis zum 40. Lebensjahre zur freiwilligen Selbstversicherung berechtigt (a. a. O. §. 8), und können außerdem
ein früher bestandenes Pflichtverhältnis durch freiwillige Fortentrichtung der Beiträge in der Lohnklasse II freiwillig
fortsetzen. An sich müssen sie bei der Selbstversicherung und der freiwilligen Fortsetzung der Versicherung auch die Zusatzmarke
des Reichs beibringen; sie sind hiervon jedoch befreit, wenn sie mindestens 5 Jahre versicherungspflichtig
waren und regelmäßig nicht mehr als einen Lohnarbeiter beschäftigen (a. a. O. §. 118). (S. Arbeitgeber, Anzeige.)
Für das bürgerliche Recht hat der d. i. arglistige Täuschung, eine doppelte Bedeutung. Derselbe begründet,
wenn der Getäuschte durch den Betrug Schaden erlitten hat, in allen Fällen einen Anspruch gegen den Betrüger
auf
das volle Interesse (s. d.). Diese Wirkung teilt der Betrug mit der
Arglist (s. d.), welche beide die Römer
[* 48] unter dem Namen dolus zusammenfaßten, soweit jemand durch Betrug zur Abgabe eines Versprechens
bestimmt ist und der Betrüger Anspruch auf Erfüllung erhebt, steht ihm wie bei der Arglist die exceptio
doli entgegen.
Hat der Getäuschte bereits erfüllt, oder handelt es sich um eine andere Willenserklärung als ein Versprechen, z. B.
eine Zahlung, eine Auflassung, eine Cession, eine Veräußerung, so kann der Getäuschte dem Betrüger gegenüber seine Willenserklärung
anfechten und Wiederherstellung des frühern Zustandes, also Rückgabe und Schadenersatz unter Beiseitesetzung
des geschlossenen Rechtsgeschäfts fordern, nach Preuß. Allg. Landrecht und nach Gemeinem Recht wenigstens dann, wenn er, sofern
er nicht in den Irrtum versetzt wäre, das Geschäft überhaupt nicht abgeschlossen haben würde (sog. dolus causam dans),
während, wenn er es anders abgeschlossen hätte, z. B. billiger gekauft
oder teurer verkauft hätte, er nur die Differenz fordern kann. Ob der Irrtum das Wesentliche des Geschäfts betroffen hat
oder einen Nebenumstand, ist unerheblich: entscheidend ist allein, daß der Getäuschte durch den Betrug zur Abgabe dieser Willenserklärung
bestimmt ist.
Unerheblich ist es auch, ob der Getäuschte den Betrug hätte vermeiden können. Auch der Dumme hat bei dem
gröbsten Betrug dieselben Rechte wie der Kluge bei einem fein eingefädelten. Ob die Anfechtung der Willenserklärung nur dem
Betrüger gegenüber gestattet ist, so daß der unschuldige Dritte an seinen Rechten nichts einbüßt, oder ob der Getäuschte
schlechthin wieder in den vorigen Stand eingesetzt wird, darüber gehen die Rechte auseinander, soweit
der letztere Standpunkt inne gehalten wird, muß nur der, welcher vom Betrüger erworben hat, oder wer am Betrug nicht
teilgenommen hat, unbeschadet seines Schadenersatzanspruches gegen den Betrüger, dasjenige zurückgeben, was er ohne den
Betrug des Dritten nicht haben würde.
Der Betrug übt auch seinen Einfluß auf die Gültigkeit der Ehe (s. Ehebetrug) und einer durch Betrug veranlaßten letztwilligen Verfügung.
Nach bürgerlichem Recht stehen dieselben Rechtsmittel zu, wenn die Täuschung durch den Gebrauch falscher oder gefälschter
Urkunden bewirkt wird, wie wenn sich der Betrüger anderer Mittel bedient. Ein Anlaß zwischen Fälschung
und Betrug zu unterscheiden besteht hier nur für gewisse Fälle. Nach der Deutschen Civilprozeßordn. §. 543 findet z. B. die
Restitutionsklage (s. d.) statt, wenn eine Urkunde, auf welcher ein rechtskräftiges Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt
oder verfälscht war.
Strafrechtlich gehört zum Thatbestand des Betrug eine Vermögensbenachteiligung. Diese Beschränkung entspricht
der gemeinen Volksanschauung. Das Deutsche Strafgesetzbuch straft (§. 263) als Betrüger denjenigen, welcher in der Absicht,
sich oder einem andern einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines andern dadurch beschädigt,
daß er durch Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Thatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält.
Die Thatsachen brauchen nicht äußere, sinnlich wahrnehmbare, es können auch innere sein. Auch derjenige
betrügt daher, der einem andern erklärt, er wolle mit einem neuen von dem andern auszustellenden Wechsel ein früheres
Gefälligkeitsaccept einlösen, während er zur Zeit der Erklärung diese
¶
mehr
Absicht nicht hatte; die unwahre Absicht ist die falsche Thatsache. Dasselbe kann von der Erklärung, Zahlung leisten zu wollen,
gelten, wenn die Absicht als eine ernstlich gemeinte, gegenwärtig wirklich vorhandene vorgespiegelt wurde und es sich nicht
nur um ein Versprechen, daß man in Zukunft Zahlung leisten wolle, handelt. Hierher gehört der sog. Kreditbetrug.
Wenn jemand in der Absicht, sich für sein Geschäft Kredit zu verschaffen, sich für einen pünktlichen Zahler oder für einen
sichern Mann ausgiebt, obgleich er bereits überschuldet ist, so macht er sich des Betrug schuldig.
Denn, wenngleich er dem Kreditgeber unaufgefordert über seine Vermögensverhältnisse keine Auskunft zu
geben braucht, so muß er doch, wenn er sie einmal gab, überall wahrheitsgemäß verfahren. Hier liegt das Strafbare auch
in dem Unterdrücken der Thatsache, daß er überschuldet war. Nicht das bloße Verschweigen ist strafbar, aber das Schweigen
da, wo Reden Pflicht (Rechtspflicht), insbesondere mit Rücksicht auf eine vorangegangene Thätigkeit geboten
war.
Deshalb wird derjenige als Betrüger bestraft, der bei bewußter ZahlungsunfähigkeitSpeisen und Getränke im Gasthause bestellt
(Zechprellerei), ebenso der, welcher, ohne eine Fahrkarte gelöst zu haben, heimlich auf der Eisenbahn fährt, wie auch derjenige,
welcher eine fremde, als unübertragbar bezeichnete Abonnements- oder Tageskarte auf der Eisenbahn benutzt, und endlich
derjenige, welcher Wechsel als Waren- oder Kundenwechsel zum Diskont hingiebt, auf welchem gänzlich vermögenslose Personen
(Strohmänner) als Aussteller oder Giranten fungieren. Betrug liegt hier selbst dann vor, wenn die Wechsel eingelöst wurden oder
ihre Einlösung beabsichtigt war.
Unter Vermögensbeschädigung ist die dem Getäuschten nachteilige Differenz zwischen dem Geldwerte zu verstehen,
welchen dessen Vermögen nach und infolge der durch die Täuschung hervorgerufenen Verfügung thatsächlich hatte, und demjenigen
Geldwerte, den es gehabt hätte, wenn die Täuschungshandlung nicht vorgekommen wäre. Von diesem Gesichtspunkte aus werden
die in der Praxis oft zweifelhaften Fälle zu behandeln sein, ob Vermögensgefährdung, ob entgangener Gewinn, ob Lieferung
einer andern als der gewollten Ware (statt Bitterwasser «Hunyadi
Janos» selbst vom Lieferanten fabriziertes) Vermögensbeschädigung sei, und ob im letztern Falle der Affektions- (Liebhaber-)
oder der individuelle Gebrauchs-, oder der Umsatz-(Verkehrs-)Wert entscheidet.
Der Beschädigte braucht nicht notwendig auch der Getäuschte zu sein: Im Prozesse kann durch Täuschung des Richters der
Prozeßgegner geschädigt werden, wenn der Richter nicht durch bloß einseitiges Parteivorbringen, sondern
durch Vorlegung materiell unrichtiger Beweismittel getäuscht wird. Zwischen der Vermögensbeschädigung und der Täuschung
muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Derjenige, welcher einem unter Vorspiegelung von Gebrechen, Unglücksfällen
u. s. w. bettelnden Menschen ein Geschenk giebt, nicht weil er durch die Vorspiegelungen irre geführt
wurde, sondern um den Lästigen los zu werden, der wird nicht betrogen. In dies Gebiet gehören auch oft Anpreisungen, wie
sie im kaufmännischen Verkehr herkömmlich sind, und können auch die mit Gründungsprospekten in Verbindung stehenden Negociationen
gehören, deren Strafbarkeit übrigens zum Teil durch das Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf
Aktien und die Aktiengesellschaften vom besonders vorgesehen ist.
Die Strafe des Betrug ist nach Deutschem Strafrecht Gefängnis bis zu 5 Jahren, daneben fakultativ Geldstrafe bis zu 3000 M. sowie
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Bei mildernden Umständen kann ausschließlich auf Geldstrafe erkannt werden.
Wenn Angehörige (s. d.), Vormünder oder Erzieher betrogen
sind, so wird deren Strafantrag erfordert, der zurückgenommen werden kann. Der Betrug im zweiten Rückfall wird mit Zuchthaus
bis zu 10 Jahren und zugleich mit Geldstrafe von 150 bis 6000 M., bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten
und fakultativ mit Geldstrafe bis 3000 M., und wesentlich ebenso der Versicherungsbetrug bestraft. -
Des Versicherungsbetrugs (§. 265) macht sich schuldig, wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte
Sache in Brand setzt, oder ein Schiff,
[* 50] welches als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist,
sinken oder stranden macht.
Das Österr. Strafgesetz von 1852 begreift unter Betrug sehr verschiedene Delikte: Falscheid, Amtsanmaßung,
falsches Maß und Gewicht, Fälschung von Urkunden, Stempeln, Münzen,
[* 51] Grenzen,
[* 52] und hat demgemäß auch sehr verschiedene Strafen:
einfacher Arrest von einer Woche bis lebenslangem schwerem Kerker (§§. 461, 204). Auch der Entwurf von 1889, der sonst wesentlich
dem deutschen Rechte folgt, hat verschiedene Strafsatzungen je nach der Höhe des Schadens und der Beschaffenheit
der betrügerischen Absicht: Gefängnis, Zuchthaus bis 10 Jahre, Geldstrafe bis zu dem Doppelten des Schadens.
Das Vergehen des Betrug ist erst durch die neuere Gesetzgebung genauer ausgebildet, gegen verwandte Delikte (Fälschung)
abgegrenzt und auf den Fall der Vermögensschädigung beschränkt. Im röm.
Recht hatte man den Begriff des Stellionats (stellio, die Eidechse, behende und geschickt im Entschlüpfen) aufgestellt, um
alle betrüglichen Handlungen zu treffen, welche sich den bereits vorhandenen Gesetzen nicht unterordnen ließen. Kanonisches,
und deutsches Recht bieten nichts für die Ausbildung des Betrug, sondern behandeln nur einzelne Fälschungsfälle.
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Vgl. von Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts (3. Aufl., Berl. 1888) und die dort angegebene Litteratur;
Rommel, Der Betrug (Lpz. 1894; auch Plenarbeschluß des Reichsgerichts vom (Entscheidungen, XVI,1: Rechtsprechung,
IX, 253).
in kath. Ländern ein Bildwerk aus Stein oder Holz,
[* 53] an Gebäuden, besonders in Nischen,
und im Freien auf einem Postamente zur Verrichtung der Andacht aufgestellt. In der Zeit des got. Baustils wurden solche Werke
besonders reich mit Pfeilern, Bögen, Baldachinen (s. d.) und Fialen
[* 54] ausgestattet. Das älteste derartige in Deutschland erhaltene
Bildwerk, das Marktkreuz zu Trier,
[* 55] stammt aus dem J. 958; künstlerisch wertvoll ist: die roman.
Predigersäule bei Regensburg
[* 56] (etwa 1345), das 36 Fuß hohe Hochkreuz bei Bonn von 1333, die 72 Fuß hohe bei Wiener-Neustadt
von 1382, die 48 Fuß hohe sog. «Spinnerin am Kreuz»
[* 57] bei Wien von 1451 bis 1452. In der Mitte sind vorzugsweise der gekreuzigte
Chbristus oder Scenen aus der Leidensgeschichte, dann aber auch Heilige angebracht. Verwandt ist die Marter-
oder Passionssäule mit den Leidenswerkzeugen Christi. Die Betsäule
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