oder Papiermasse gebildet. Die aus einem Stück hergestellten Scheibenräder (s. Fig. 6) sind entweder aus Stahlguß oder
aus Hartguß (in der Schale oder Coquille gegossen, um eine harte Lauffläche zu erhalten). Eine Abart bilden die schmiedeeisernen
Scheibenräder mit aufgeschweißten Radreifen. Wegen der beim Bremsen
[* 5] der aus einem Stück hergestellten Räder
durch Erhitzung entstehenden Gefahr des Zerspringens ist die Anbringung von Bremsen bei solchen Rädern auf den meisten europ.
Eisenbahnen verboten.
Die Räder erhalten, um das Gleiten in Krümmungen zu hindern, eine etwas geneigte (kegelförmige) Lauffläche, die nach der
Innenseite sich zu dem Spurkranz erweitert, der zur Führung der Achsen auf die Schienen dient. Die Achsen
werden jetzt nur aus Gußstahl angefertigt und haben von der Tragfähigkeit des Wagens abhängige Abmessungen; häufig vorkommende
Maße sind: Durchmesser in der Mitte 12 cm, in der Nabe des Rades 13 cm und in den von den Achsbüchsen umschlossenen Schenkeln
9,5 cm. Die Räder werden auf die Achsen geschoben und mittels hydraulischer Pressen unter Anwendung eines
Druckes bis 250000 kg an die richtige Stelle gebracht.
Hinsichtlich der Zahl der Achsen unterscheidet man zwei-, drei- und mehrachsige Wagen. Bei letztern, welche besonders auf
amerik. Eisenbahnen Verwendung finden, liegen je zwei oder drei Achsen in einem besondern Gestell an den
beiden Enden des Wagens. Das Gestell ist drehbar, um den leichten Durchgang der Wagen durch die Krümmungen der Bahn zu sichern.
Zu gleichem Zweck werden neuerdings bei zwei- und dreiachsigen Wagen sog.Lenkachsen angewendet, welche sich beim Durchfahren
der Krümmungen radial einstellen. Seit einiger Zeit werden auch in Deutschland vierachsige Wagen (für
den Personen- und Postverkehr) gebaut. An den Kopfschwellen befinden sich elastische Vorrichtungen, Puffer (H in
[* 4]
Fig.
1), um die Stöße beim Anschieben der Wagen abzuschwächen. In die an der Kopfschwelle angebrachte Pufferhülse b
[* 4]
(Fig.
7) schiebt sich die Pufferstange a der Stoßplatte i, wenn ein Stoß erfolgt, und drückt durch den Ansatz
c der Pufferstange die Spiralfeder e zusammen.
Früher wurden anstatt Spiralfedern Kautschukringe angewendet; da dieselben indes sehr leicht beschädigt wurden und teuer
waren, kommen jetzt nur noch Puffer mit Spiralfedern zur
Verwendung. Auf den europ. normalspurigen
Bahnen sind die Wagen mit zwei Puffern versehen, das Einpuffersystem kommt nur bei schmalspurigen
Bahnen vor; in Amerika dagegen ist das Einpuffersystem verbreitet. Unter dem Untergestell des Wagens befindet sich die ebenfalls
elastisch angeordnete Zugstange KL und LK
[* 4]
(Fig. 1), die an den Kopfschwellen in Zughaken endigt. Die Verbindung der letztern
erfolgt nicht durch Ketten, sondern durch Schraubenkuppelungen, die ein allmähliches Zusammenziehen der
Wagen gestatten. Vielfach sind auch noch sog. Sicherheitskuppelungen (Ketten) bei M
[* 4]
(Fig. 1) angebracht, die nach Zerstörung
der Hauptkuppelung in Thätigkeit treten. Um die gefährliche Kuppelung
[* 6] der Stangen durch Menschenhände zu vermeiden, sind
besonders in Amerika, begünstigt durch das daselbst bestehende Einpuffersystem, selbstthätige Wagenkuppelungen zur
Anwendung gekommen.
Von 180 873 Güterwagen auf den Eisenbahnen des Staates Neuyork
[* 7] sollen in Gemäßheit eines Gesetzes vom J. 1884, das eine
derartige Einrichtung bei allen neugebauten oder ausgebesserten alten Wagen verordnet, bereits 35 473 mit selbstthätigen
Kuppelungen
[* 8] versehen sein. Ein ferneres Gesetz vom J. 1885 ordnet die Einführung selbstthätiger
Kuppelungen bei allen Eisenbahnwagen bis zum an. An den Gestellen der Eisenbahnfahrzeuge sind endlich noch
die Bremsen angebracht (s. Eisenbahnbremsen). Nach ihrer Bestimmung zerfallen die Eisenbahnwagen
in Personen-, Post-, Gepäck- und Güterwagen.
Bei den Personenwagen unterscheidet man das Coupé-System mit drei bis sechs von der Seite zugänglichen
Abteilungen und das besonders bei den amerik. Bahnen angewandte Interkommunikationssystem mit einem in der Mitte befindlichen
Gange, an dessen beiden Seiten die Sitzplätze angebracht sind und zu welchem von der Vorder- und Hinterseite des Wagens
aus Thüren führen. Eine neue Art Personenwagen mit Coupé-Abteilung und Interkommunikation durch einen
Seitengang wurde von Heusinger von Waldegg konstruiert. (S. auch Korridorzug.) Die Personenwagen der beiden ersten Klassen
sind fast durchgängig mit gepolsterten Sitzen und Seitenwänden versehen, wobei erstere beim Schlafen gewöhnlich noch ausgezogen
werden können. Die Personenwagen
¶
mehr
III. Klasse sind nicht gepolstert; die der IV. Klasse, enthalten meist keine Sitzplätze und sind gewöhnlich nur von den Stirnwänden
aus zugänglich. Neuerdings ist auf den preuß. Staatsbahnen
[* 10] mit der Einrichtung von Sitzplätzen
an den Seitenwänden vorgegangen worden. Außer den gewöhnlichen Personenwagen sind die oft mit großem Luxus ausgestatteten
Salon- und Schlafwagen und die besonders auf den größern amerik. Eisenbahnen eingeführten Pullmannschen
Hotelwagen zu nennen. (S. Eisenbahnwagen-Mietgesellschaften.)
[* 9]
Fig. 1, Taf.
II, veranschaulicht einen amerik. Personenwagen;
[* 9]
Fig. 4, Taf. I, einen
Schlafwagen der preuß. Staatseisenbahnen;
[* 9]
Fig. 3, Taf.
II, mit links nebenstehendem Grundriß stellt einen zweiachsigen Personenwagen mit Zwischenverbindungen dar. Besonders
in der Nähe volkreicher Städte kommen auch zweistöckige Personenwagen (s. Taf. I,
[* 9]
Fig. 5)
in Anwendung. In Rußland, wo schon vor mehrern Jahren während des Baues der Transkaspischen Eisenbahn (s. d.) Eisenbahnwagen
zur Abhaltung des Gottesdienstes und des Schulunterrichts für die beim Bau beschäftigten Beamten und Arbeiter und ihre Familien
eingerichtet wurden, werden neuerdings fahrbare Eisenbahnkirchen hergestellt. Es sind dies vierachsige,
höchst elegant ausgestattete und äußerlich und innerlich mit vielen religiösen Symbolen geschmückte Wagen mit vollständiger
Kircheneinrichtung. Sie sollen in Kriegszeiten während der Truppenbeförderung den höhern Offizieren die Teilnahme am Gottesdienst
ermöglichen. Ähnliche Wagen bestehen in Amerika; die Bischöfe bereisen in denselben ihre ausgedehnte
Diöcese und halten auf den Stationen, in deren Nähe Kirchen nicht vorhanden sind, Gottesdienst. - Die Erleuchtung der Personenwagen
erfolgt durch Öl, Petroleum, Gas, und in neuerer Zeit auch durch Elektricität.
Die Heizung
[* 11] der Personenwagen wird auf verschiedene Weise bewirkt. Die älteste und unvollkommenste Einrichtung ist die
Erwärmung durch Wärmflaschen, die mit heißem Wasser oder Sand (neuerdings auch mit essigsaurem Natron) gefüllt werden.
Trotz ihrer Kostspieligkeit in Anlage und Unterhaltung ist diese Art der Heizung die am wenigsten wirksame, indem eine Durchwärmung
der Coupés nicht erreicht wird; Wärmflaschen kommen daher nur noch selten in Anwendung.
Bei größern Wagenabteilungen, wie in Salon- und Interkommunikationswagen, besteht vielfach Ofenheizung.
Die Füllöfen werden mit Holzkohle, die sog. Regulieröfen mit Steinkohlen geheizt; erstere brennen bis zu 20 Stunden; letztere
bis zu 8 Stunden. Die Ofenheizung hat insofern Nachteile, als die Öfen
[* 12] viel Platz wegnehmen, ungleiche Erwärmung hervorbringen
und bei Zusammenstößen u. s. w. gefährlich sind. Bei der besonders
in Österreich
[* 13] anzutreffenden Luftheizung ist der Ofen unten am Wagenkasten angebracht; die Heizung erfolgt mit Koks und hat
sich bei sorgfältiger Behandlung gut bewährt.
Die Heizvorrichtung mit Preßkohlen (auch präparierte oder plastische Kohle genannt) wird besonders bei dem Coupé-System
verwendet; sie besteht aus einem luftdichten eisernen, unter den Sitzbänken angebrachten Heizkasten,
der durch eine in der äußern Seitenwand des Wagens befindliche kleine, dichtschließende Thür zugänglich ist. Die Kohlenziegel
legt man entzündet in den Heizuntersatz, einen durchlöcherten oben offenen Blechkasten, oder einen Korb aus Eisendrahtgeflecht,
der alsdann in
den Heizkasten geschoben wird.
Die Preßkohlenheizung, bis in die neuere Zeit besonders auf den preuß. Staatsbahnen in Gebrauch,
hat sich dauernd nicht bewährt, da das Anwärmen der Wagen ziemlich lange Zeit in Anspruch nimmt und die Unterhaltung einer
gleichmäßigen Temperatur große Aufmerksamkeit und bei kaltem Wetter
[* 14] sehr häufiges Erneuern der Preßkohlen erfordert. Neuerdings
ist immer mehr die Dampfheizung in Aufnahme gekommen; auch auf den preuß. Staatsbahnen ist ihre Einführung
schon weit vorgeschritten und in noch weiterm Umfange angeordnet.
Der gewöhnlich der Lokomotive
[* 15] entnommene Dampf
[* 16] - die Mitführung besonderer Dampfkessel
[* 17] im Packwagen ist nur vereinzelt -
wird durch unter dem Wagen liegende eiserne Rohrleitungen, die zwischen den Wagen durch Gummischläuche
verbunden sind, nach den in den Coupés unter den Sitzbrettern angebrachten Heizcylindern geführt. Die Regelung der Temperatur
erfolgt durch Hähne, die in Abzweigungen von der Hauptleitung nach dem Heizcylinder liegen und von den Reisenden nach Belieben
geschlossen oder mehr oder weniger geöffnet werden können. Die Vorzüge der Dampfheizung bestehen hauptsächlich
in der Sicherheit ihrer Handhabung und der Gleichmäßigkeit ihrer Wirkung; freilich ist dabei die Unbequemlichkeit vorhanden,
daß das Aussetzen von Wagen erst vorgenommen werden kann, wenn die an den Enden des Wagens befindlichen Absperrhähne geschlossen
und die Gummischläuche gelöst sind. - Auf den preuß. Staatsbahnen werden in der Zeit vom 1. Okt. bis
Ende April sämtliche Personenzüge geheizt, wenn die Lufttemperatur unter + 5° R. sinkt. Die Wärme
[* 18] im Innern des Wagens
soll im allgemeinen + 8° R. betragen. - Die Kosten der Wagen Heizung betragen: bei der Ofenheizung etwa 4 bis 5 Pf. für den
Wagen und die Stunde, bei der Luftheizung 0,66 bis 0,89 Pf. für das Wagenkilometer (s. Eisenbahnstatistik),
bei der Preßkohlenheizung etwa 5 bis 7 Pf. für das Coupé und die Stunde und bei der Dampfheizung etwa 0,5 bis 0,75 Pf. für
das Wagenkilometer. - Neuerdings machen sich auch Bestrebungen wegen Heizung von Güterwagen geltend, um
Gegenstände, die, wie Blumen, gegen Frost empfindlich sind, vor Beschädigungen bei Beförderungen während der Winterszeit
zu schützen und sind auch bereits auf den preuß. Staats- und andern Eisenbahnen Güterwagen mit Heizvorrichtungen versehen
worden.
Die auf den meisten Bahnen laufenden besondern Postwagen (Taf. I,
[* 9]
Fig. 2 veranschaulicht
einen österr. Postambulanzwagen) dienen zur Beförderung der Briefe und Pakete, die Gepäckwagen zur Beförderung
des Reisegepäcks. Die zur Beförderung der Güter bestimmten Wagen zerfallen in bedeckte, offene (s. Taf. I,
[* 9]
Fig. 1 und
3; Taf. II,
[* 9]
Fig. 2 und 7) und für besondere Zwecke hergerichtete, wie
die Viehwagen (Taf. I,
[* 9]
Fig. 6), die Langholz-, Fleisch-,
Vierwagen u. s. w. Die oben offenen Güterwagen für Kohlen, Sand u. dgl. heißen auch Loren (engl. Lowries, Einzahl
Lowry).
[* 9]
Fig. 8, Taf. II, stellt einen Wagen zum Transport von großen Geschützendar. - Die Tragfähigkeit der Güterwagen
auf den Bahnen des europ. Festlandes beträgt gewöhnlich 10 t (1 t = 1000 kg),
einzelne Wagen haben auch eine Tragfähigkeit von 12,5 bis 15 t. Die engl. Bahnen besitzen Güterwagen von meist geringerer
Tragfähigkeit (6-8 t), während in Amerika die Tragfähigkeit gewöhnlich eine höhere
¶
mehr
ist; es giebt Güterwagen bis zu 40 t Tragkraft. Die
[* 19]
Fig. 3 und 6, Taf. I, und
[* 19]
Fig.
2, Taf. II, enthalten Beispiele von amerik. Güter- und Viehwagen.
Die Preise für Wagen stellten sich im Sommer 1891 durchschnittlich etwa wie folgt:
Über die Leistungen, Reparaturkosten u. s. w. der Wagen s.
Eisenbahnstatistik. Das Gewicht eines zweiachsigen Personenwagens I./II. Klasse beträgt bis 13 t, das eines dreiachsigen
bis 18 t, das eines vierachsigen bis 30 t; ein bedeckter zweiachsiger Güterwagen wiegt bis 9, ein offener
bis 7 t. Die Länge eines zweiachsigen Personenwagens beträgt bis 9 m, eines dreiachsigen bis 11 m und eines vierachsigen
bis 16 m. Bedeckte Güterwagen sind 7-8 m lang.
Neuerdings ist zur Abschwächung der zerstörenden Wirkung von zusammenstoßenden Eisenbahnzügen die Einstellung eines zusammenschiebbaren,
sog. Pufferwagens zwischen Packwagen und Lokomotive vorgeschlagen worden. Das Untergestell des Wagens
besteht aus übereinander verschiebbaren Hälften; auf demselben ruht ein zweiteiliger, ineinander verschiebbarer cylindrischer
Kessel, der mit Preßluft gefüllt ist. Die Spannung der Luft ist so gewählt, daß der Wagen erst bei starken Stößen zur
Wirkung kommt.
Über dieAnlage und Einrichtung der Betriebsmittel enthalten Vorschriften:
4) die technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebseinrichtungen der zum VereinDeutscher Eisenbahnverwaltungen
gehörenden Eisenbahnen (s. Eisenbahnverein);
5) die Bestimmungen über die technische Einheit im Eisenbahnwesen (s. Eisenbahneinheit).
Eine besondere Gattung von Eisenbahnfahrzeugen bilden die Bahndraisinen, nach dem Forstmeister Drais zu Mannheim
[* 22] (1817) genannt,
der einen zweiräderigen, zum Selbstfahren eingerichteten Wagen erfand. Es sind leichte, vierräderige, offene Wägelchen
mit einigen Sitzplätzen und einer Vorrichtung zur Selbstfortbewegung, die vorzugsweise von Bahnmeistern
und Oberbeamten zur Besichtigung der Bahnlinie verwendet werden. Neuerdings kommen auch nach dem System der Straßenvelocipede
gebaute Eisenbahndraisinen zur Verwendung (Taf. II,
[* 19]
Fig. 9). - Über Schneepflüge (Taf. II,
[* 19]
Fig. 4, 5 und 6) s. d.
Die deutschen (normalspurigen) Eisenbahnen besaßen 1. Jan.bez. an Betriebsmittel: 15 475 Lokomotiven (darunter
die preuß. Staatsbahnen 10 564), 28 901 Personenwagen (preuß.
Staatsbahnen 17
037) und 308 336 Gepäck- und Güterwagen (preuß. Staatsbahnen 212 031). Auf den österreichischen und
mit Ungarn
[* 23] gemeinsamen normalspurigen Eisenbahnen waren vorhanden: 4237 Lokomotiven, 8936 Personenwagen, 98 687 Lastwagen.
Ungarn verfügte (soweit die Bahnen dem Deutschen Eisenbahnverein angehörten) über 1580 Lokomotiven, 2985 Personenwagen
und 38 418 Lastwagen.
Die Betriebsmittel der Eisenbahnen der Erde können - zuverlässige Zahlen liegen allerdings nicht vor - 1888 auf rund 105000 Lokomotiven, 230000
Personen- und 2½ Mill. Güterwagen angenommen werden, wovon etwa zwei Drittel auf die europ.
und ein Drittel auf die außereurop. Länder entfallen dürften. Für die Herstellung von Eisenbahnbetriebsmitteln bestehen
zahlreiche in- und ausländische Fabriken. Ein Verzeichnis von Lokomotiv- und Eisenbahnwagenfabriken und ihrer Leistungsfähigkeit
in Deutschland, Österreich-Ungarn
[* 24] und der Schweiz
[* 25] enthält der «Geheftete Teil» des alljährlich in Wiesbaden
[* 26] bei J. F. Bergmann erscheinenden, von Edm. Heusinger von Waldegg begründeten «Kalenders für Eisenbahntechniker». -
Vgl. Heusinger
von Waldegg, Handbuch für specielle Eisenbahntechnik, Bd. 2:
Der Eisenbahnwagenbau (2. Aufl., Lpz. 1874);
vonWeber, Schule des Eisenbahnwesens (4. Aufl., ebd. 1885);
G. Meyer, Grundzüge
des Eisenbahn-Maschinenbaues, Teil 2: Die Eisenbahnen (Berl. 1884).
Die Betriebsorganisation oder Wirtschaftseinrichtung eines Landgutes wird meistens auf
eine längere Reihe von Jahren festgestellt. Es werden dabei die Ausdehnung,
[* 27] Beschaffenheit und Benutzungsweise des Bodens,
die vorhandenen Gebäude, die örtliche und klimatische Lage des Gutes, Transport- und Absatzverhältnisse,
das vorhandene Kapital, die Arbeitskräfte, die Einrichtung technischer Nebengewerbe in Betracht gezogen und danach die Fruchtfolge,
das Verhältnis zwischen Marktfrüchten und Futtergewächsen, die Anzahl und Gattung des Zug- und Nutzviehs, der Bedarf an
Gesinde sowie der an Inventar und endlich die Größe des nötigen umlaufenden Betriebskapitals festgestellt.
der Eisenbahnen, die Gesamtheit der Vorschriften über die Beförderung von Personen
und Gütern und die hierdurch entstehenden Rechte und Pflichten der Eisenbahnen einerseits und der dieselben benutzenden Personen
andererseits. Derartige Vorschriften wurden unter der Bezeichnung Betriebsreglement zuerst von dem Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen
(s. Eisenbahnverein) angenommen. Durch Art. 45 der Deutschen Reichsverfassung ist sodann bestimmt, daß
das Reich dahin wirken werde, daß baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglement eingeführt
werden.
Solche Reglements wurden für das Deutsche Reich
[* 28] (ausschließlich Bayern)
[* 29] zuerst 1870 und später wiederholt in abgeänderter
Fassung erlassen. Das seit für das Deutsche Reich geltende hat durch Beschluß des Bundesrats
vom die Bezeichnung Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands (s. Eisenbahn-Verkehrsordnung) erhalten und
wurde von der bayr. Regierung unterm auch für die bayr.
Eisenbahnen mit Geltung vom ab eingeführt.
In Österreich und Ungarn ist die Bezeichnung Betriebsreglement für die mit der Verkehrsordnung im wesentlichen
gleichlautenden Bestimmungen beibehalten, ebenso im Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen, dessen neuestes Betriebsreglement gleichfalls in
Geltung trat.
¶
mehr
Die sachlichen Abweichungen des österr. und des ungarischen Betriebsreglement von der deutschen Verkehrsordnung sind nur unerheblich;
dasselbe schließt sich in einigen Punkten enger als die Verkehrsordnung an das Berner internationale Übereinkommen über
den Eisenbahnfrachtverkehr (s. Eisenbahnrecht II, 3) an, auch da, wo dieses mit dem Handelsgesetzbuch
in Widerspruch steht, während die deutsche Verkehrsordnung unzulässige Abweichungen vom Handelsgesetzbuch
nicht enthalten kann, weil sie nicht durch Gesetz festgestellt ist. Die Beförderungsbedingungen für einzelne Gegenstände
der durch Bundesratsbeschluß vom neu festgestellten Anlage B, insbesondere Sprengstoffe, sind in Österreich-Ungarn
andere als im DeutschenReich.
Erheblicher sind die Verschiedenheiten des Betriebsreglement des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. In diesem fehlen
die Abschnitte der Verkehrsordnung über die Beförderung von Expreßgut (s. d.), von Leichen und von lebenden Tieren ganz, und
nur die Abschnitte über Beförderung von Personen und Gepäck stimmen mit denen der Verkehrsordnung vollständig überein. Der
Abschnitt über die Beförderung von Gütern enthält einen genauen Abdruck des Berner Übereinkommens nebst
den Ausführungsbestimmungen, denen einige Zusatzbestimmungen mit den entsprechenden Paragraphen der Verkehrsordnung beigefügt
sind. Um kenntlich zu machen, aus welcher Quelle
[* 31] die verschiedenen Teile der einzelnen Paragraphen in dem Abschnitte über Güterverkehr
entnommen sind, sind diese in verschiedenen Lettern gedruckt.
Die Betriebsreglement stellen sich in rechtlicher Beziehung als Verwaltungsordnungen der einzelnen Bahnen und, insoweit
sie auf Vereinbarungen verschiedener Verwaltungen beruhen, als vertragliche Abmachungen dar. Dem Publikum gegenüber haben
sie die Bedeutung von veröffentlichten Vertragsbedingungen. Auch die Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands besitzt
nicht Gesetzeskraft, weil sie nur vom Bundesrate ohne Mitwirkung des Reichstags beschlossen ist. Sie bildet
daher lediglich eine Verwaltungsvorschrift des Bundesrats für die deutschen Eisenbahnverwaltungen; für das Publikum hat
sie ebenfalls nur die Bedeutung von Vertragsbedingungen, die erst durch Abschluß des Frachtvertrags bindend werden. -
von Buschmann, Das neue Eisenbahn-Betriebsreglement
in Gegenüberstellung zum internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (Wien
[* 32] 1892).
Ackerbausystem, landwirtschaftliches Betriebssystem oder Wirtschaftssystem, die Gesamtheit
derjenigen Regeln und Grundsätze, nach welchen ein bestimmter Boden bewirtschaftet wird, um auf demselben die größtmögliche
Menge Pflanzensubstanz hervorzubringen. Das Betriebssystem ist demnach der besondere Charakter, welchen eine Landwirtschaft annimmt infolge
der Einwirkung von äußern, allgemeinen und lokalen Einflüssen. Bis zu gewissem Grade sind die Betriebssystem abgängig von den beiden
Hauptfaktoren der Vegetation, Klima
[* 33] und Boden.
Diese zu regeln und zu modifizieren, wie es dem jeweiligen Zwecke des Betriebes entspricht,
ist Aufgabe der Wirtschaftskunst.
Gewöhnlich macht man einen Unterschied zwischen extensivem Betrieb und intensivem Betrieb; bei dem erstern wird mit den
möglichst geringen, bei letzterm mit den möglichst großen Mitteln der höchste Reinertrag oder die größte
Bodenrente zu erzielen gesucht. Natürlich kann jedes System einer Wirtschaft ebensowohl extensiv als intensiv betrieben werden.
Neben Boden, Klima und Lage beeinflußt der Absatz oder die thunlichst vorteilhafte Verwertung der gewonnenen Produkte die Bildung
eines am meisten. Die Aufstellung und Befolgung eines Betriebssystem ist keineswegs Bedingung der Produktion, im Gegenteil
wird letztere auf dem weitaus größten Teil der Erde ohne ein solches erzielt. Die Bodenkultur auf ihrer niedrigsten und
auf ihrer höchsten Stufe hat keine Systeme; diese bilden gewissermaßen nur den Leitfaden, mittels dessen sich die minder
Vorgeschrittenen endlich bis zur völligen Freiheit des Betriebes hinanarbeiten. Die bestehenden landwirtschaftlichen
Betriebssystem lassen sich in folgende Gruppen bringen ^[Doppelpunkt fehlt]
1) Die Brandwirtschaft. Die Vegetation eines Bodens wird in bestimmten Zeiträumen durch Feuer zerstört, das durch die Asche
gekräftigte Erdreich als Acker bestellt, solange es sich hinreichend ertragsfähig zeigt, sodann wiederum dem Wildwachstum
überlassen. Diese in uncivilisierten Gegenden häufige Kulturmethode ist auch in Deutschlands Waldgebirgen
noch hier und dort mit regelmäßiger Wiederkehr üblich. Als verbesserte Brandwirtschaft ist zu betrachten die im nordwestl.
Europa
[* 34] noch vielfach durchgeführte Moorbrand-Plaggenwirtschaft. Sie ist auf dem Terrain der Heiden und Moore heimisch; die oberste
Narbe des Bodens mitsamt der Pflanzendecke wird abgeschält, die «Plaggen»
genannten Stücke werden in Haufen gesetzt, langsam schwelend verbrannt, die Asche verteilt und untergeackert. Hierauf wird
das Neuland, vielleicht mit einiger Düngernachhilfe, mehrere Jahre hindurch mit Buchweizen, Roggen oder Hafer
[* 35] bestellt, alsdann
der Natur überlassen; abermals überziehen es Heidekräuter oder Moorgräser, bis es wiederum reif ist
zum Plaggenhauen. Diese Betriebsart verursacht den Höhenrauch (s. d.); sie ist
schon den alten Römern bekannt gewesen, wie eine Stelle in Virgils «Georgica» zeigt. Zur Urbarmachung jungfräulicher Territorien
ist überall die Hilfe des Feuers unentbehrlich. Nicht zu verwechseln mit der Moorbrandwirtschaft ist die in der neuesten
Zeit so höchst erfolgreich eingeführte Melioration der Moordammkultur (s. Moorkultur) nach Rimpau u. a.
2) Die Koppel- oder Dreeschwirtschaft. Ein kleinerer Teil oder auch die Hälfte des Areals kommt unter den Pflug
[* 36] und wird jährlich
mit Nutzpflanzen bestellt, der andere Teil bleibt zur Weide,
[* 37] aber im Wechsel mit dem ersten, liegen, und der Reinertrag wird
aus der Viehzucht
[* 38] gewonnen. Bloße Gras- oder reine Weidewirtschaft, wie sie in den Marschen oder auf
Gebirgsweiden sich findet, hat mit Ackerbau nichts zu thun; sie beschränkt sich auf die Erzeugung von tierischen Produkten.
3) Die Körnerwirtschaft widmet sich ausschließlich dem Anbau der Cerealien, welche nur mit dem Wechsel zwischen Winter-
und Sommerfrucht aufeinander folgen; die hierdurch unausbleibliche Erschöpfung des Bodens wird auszugleichen gesucht durch
die Brache, ein Jahr der Ruhe ohne Bestellung. Die Körnerwirtschaften heißen auch
¶
mehr
Feldersysteme, und zwar nach der Anzahl der Felder oder Abteilungen eines Landguts, die nebeneinander mit verschiedenen Nutzpflanzen
bestellt sind; sonach hat man Zweifelderwirtschaft, Dreifelderwirtschaft u. s. w. Letztere,
schon bei den alten Römern allgemein und durch sie nach Deutschland gebracht, war und ist noch das verbreitetste aller Betriebssystem. Sie
bringt nach Brache zweimal Getreide
[* 40] und muß das zur Produktion des Düngers notwendige Futter von außen,
d. i. von Wiesen beziehen, ohne welche letztere sie nicht haltbar ist.
Durch die Einführung des Klees und der Kartoffeln wurden die Körnerwirtschaften in ihrem Wesen erschüttert; die letztern
waren nicht anders unterzubringen als in der Brache, welche zu diesem Zwecke bestellt werden mußte. An
die Stelle der reinen Brache, welche nach der Bearbeitung mit dem Pfluge den Namen Schwarzbrache führt, tritt also bei der
«verbesserten Körnerwirtschaft» die grüne oder besömmerte Brache. AlleKörnerwirtschaften begünstigen vorzugsweise den Raubbau,
die Ausbeutung der Pflanzennährstoffe des Bodens ohne genügenden Ersatz, zumal wenn sie nicht durch
ein bedeutendes Areal an Weiden und Wiesen oder durch besondere günstige lokale Verhältnisse von außen unterstützt werden.
4) Die Wechselwirtschaft beruht auf dem Princip, daß nicht alle Nutzpflanzen dem Boden die gleiche Menge von Nährstoffen
entziehen, sondern bald des einen, bald des andern in größerm Maße bedürfen, so daß, wenn z. B. der
Acker durch den Bedarf einer Getreideernte die Fähigkeit verloren hat, eine zweite Getreideernte zu liefern, er immer
noch im stande ist, eine gute Ernte
[* 41] an Hackfrüchten oder Futterkräutern zu gewähren. In diesem Falle hatte die Körnerfrucht
den Gehalt des Bodens an Phosphorsäure, dessen sie zu ihrer Entwicklung bedarf, erschöpft, nicht aber
denjenigen an Kali, den die nachfolgende Frucht dann vorwiegend in Anspruch nahm.
Das Wesen der Wechselwirtschaft besteht demnach darin, daß sie das Areal zur Hälfte mit Marktpflanzen, zur andern Hälfte
mit Futtergewächsen bestellt. Allein auch diese Kombination schließt die Bodenerschöpfung keineswegs aus,
sie verlangsamt sie nur. Der Fruchtwechsel (wie diese Wirtschaft ebenfalls häufig genannt wird) verstattet durchaus nicht
eine völlige Wiedergabe aller dem Boden entzogenen Bestandteile der Pflanzennahrung: das verkaufte Getreide, die Wolle und
die Milch der Tiere, die Mineralbestandteile und Proteinstoffe der Rübe und der Kartoffel, sie gehen meistens verloren für
den Boden, der sie erzeugte, es muß daher eine Zeit kommen, wo der Boden daran darbt und dies in der Abnahme seines Produktionsvermögens
deutlich zeigen wird.
Auf die Dauer kann die Wechselwirtschaft nur bestehen unter Beihilfe des sog. künstlichen Düngers, welcher dem Acker diejenigen
Mineralbestandteile wiedergiebt, welche ihm trotz der reichhaltigen Unterstützung durch eine gesteigerte
Viehhaltung dennoch entzogen werden. Da bei diesem Betriebssystem die Hälfte des Areals dem Futterbau gewidmet ist, so muß auch die
Viehzucht die Hälfte des Reinertrags bringen. Die Wechselwirtschaft ist übrigens nicht, wie vielfach angenommen, neuern
Ursprungs, sie ist gleichfalls schon den alten Römern bekannt gewesen und von ihnen geübt worden; sie
schieden die für das Frumentum (Getreide) und die für die Leguminosen
[* 42] (Futterkräuter) bestimmten Feldabteilungen voneinander
und ließen dieselben in der Regel abwechseln. Die richtigen Gesetze der
Wechselwirtschaft datieren aber erst seit den von
Liebig aufgestellten Grundsätzen der Pflanzenernährung.
Die freie Wirtschaft ist kein eigentliches System; dieselbe bindet sich an keine andern Normen als an
diejenigen des Gleichgewichts zwischen Erschöpfung und Ersatz; sie produziert, nicht was sie kann, sondern was sie will.
Möglich ist es aber nur mit Erfolg, sobald genügende Betriebsmittel zu Gebote stehen und Intelligenz sie leitet. Das Wesen
der freien Wirtschaft besteht darin, daß eine bestimmte Fruchtfolge niemals im voraus festgesetzt ist,
ebenso die sich gleichbleibende Schlageinteilung des Ackerlandes wegfällt. Sie ist ein Industrialbetrieb, dessen Produktion
sich der Nachfrage anzubequemen weiß; sie ist der Gipfel der Hochkultur.
Die geographische Verbreitung der Wirtschaftssysteme nachzuweisen, ist eine schwierige, bis jetzt nur mangelhaft gelöste
Aufgabe. Der größte Teil der produktiven Erdoberfläche wird gegenwärtig noch gar nicht systematisch
bewirtschaftet, sondern nur benutzt; den nächstgrößten Raum nimmt wahrscheinlich die freie Wirtschaft ein, welche in China,
[* 43] Japan, Indien, Nordamerika
[* 44] vollkommen einheimisch ist. Die Verbreitungskreise der Körnerwirtschaft und der Weidewirtschaft
halten sich so ziemlich die Wage;
[* 45] die Brandwirtschaft findet sich nur vereinzelt.
Aus der Litteratur über die Betriebssystem sind hervorzuheben: Koppe, Revision der Ackerbausysteme (Berl. 1818);
Kreißig, Ökonomische
und physik.
Beleuchtung
[* 46] der wichtigsten Feldbau- oder Wirtschaftssysteme (Lpz. 1833);
Schwerz, Natur, Wahl und Wert aller bekannten
Fruchtfolgen und Feldsysteme (Bd. 3 von dessen Anleitung zum
praktischen Ackerbau, 3. Aufl., Stuttg. 1843);
derjenige, für dessen Rechnung ein Gewerbe betrieben wird. Der Begriff ist wichtig für die Anwendung
des Haftpflichtgesetzes und des Unfallversicherungsgesetzes. Die Betriebsunternehmer sind nur in geringem Umfange in der Lage, sich an den
auf Grund der Arbeiterversicherungsgesetze
¶