dichtere Baumkronen zu erhalten. Sind diese Gewächse Frühjahrsblüher
(Akazien,
Callistemon,
Azaleen), so geschieht das Beschneiden erst
nach Beendigung der Blütezeit. Dieser allgemeine Frühjahrsschnitt an
Topfpflanzen wird größtenteils während des
Verpflanzens
der Gewächse vorgenommen. Der Schnitt ist stets mit scharfen
Instrumenten
(Messer,
[* 2] Gehölzschere, Baumsäge) auszuführen,
und es dürfen nur glatte Schnittwunden hinterlassen werden, weshalb auch die vermittelst der Säge
[* 3] verursachten
Wunden nachträglich mit dem
Messer glattzuschneiden sind.
Alle bedeutendern Schnittflächen sind mit
Baumwachs zu verstreichen,
da sie andernfalls schwer überwallen und leicht durch Eindringen von Nässe in das Holz
[* 4] zu Faulstellen Veranlassung geben.
(grch. peritome; lat.circumcisio;
hebr. mila), die bei verschiedenen Völkern noch jetzt herrschende
Sitte, die
Vorhaut des männlichen
Gliedes (s. Geschlechtsorgane)
ab- oder einzuschneiden. Diese Körperverstümmelung fand sich im
Altertum besonders in
Äthiopien (nach Herodots
Bericht),
Ägypten
[* 5] und den an dieses angrenzenden asiat. Landschaften und wird noch jetzt von
Juden, Kopten,
[* 6] christl. Abessiniern und
Mohammedanern, außerdem von sehr vielen afrik., von amerik. und austral.
Völkerschaften geübt. Durch den
Islam ging sie von den
Arabern, die sie auf Ismael zurückführten, zu
Türken, Persern und
Indern über.
Bei den Ägyptern geschah sie im 14. Lebensjahre (nach
1 Mos. 17, 25),. wohl nur im Priester- und Kriegerstande,
bei den Völkern des
Islams erfolgt sie zwischen 6. und 15., meist aber im 13.; die
Juden vollziehen sie am achten
Tage nach
der
Geburt. Doch scheint sie zur Zeit des alten Israels beim Eintritt der Mannesreife vorgenommen worden zu sein.
Für die jüngste litterar. Schicht des
Pentateuchs ist die Beschneidung das
Symbol des von Gott mit
Abraham geschlossenen
Bundes (1 Mos. 24, 4). Durch sie wird der «Beschnittene» in den
BundGottes mit Israel aufgenommen
(3 Mos. 12, 3). Sie ist bei
Strafe der Ausrottung anbefohlen und soll am achten
Tage erfolgen. Dies ist die Grundlage der Geltung der
Beschneidung für Glaubensgenossen, Knechte, Schutzverwandte im
Judentum. In
Zeiten ritueller Gleichgültigkeit oder Freisinnigkeit (s.
Reformjudentum) kam sie in Wegfall.
Jeder
Jude, nötigenfalls auch eine Frau, darf sie verrichten; sie geschieht in der Regel mit feierlichem Ritus von eigens
darin geübten Männern, genannt Mohel,d. i. Beschneider. An einigen Orten ist ein Wundarzt zugegen.
Dieser seltsame Gebrauch hat sicher nichts mit diätetischen Rücksichten (Reinlichkeit u. a.)
zu thun, die dem höchsten
Altertum, in das er zurückreicht, völlig fremd sind, sondern wurzelt wie die meisten traditionellen
Körperverstümmelungen in religiösen
Anschauungen der Vorzeit, wie denn die Beschneidung noch jetzt bei vielen wilden Völkern die
Aufnahme unter die waffen-, heirats- und kultfähigen
Männer des
Stammes bedeutet.
Wohl zu unterscheiden sind von der Beschneidung der
Knaben die
Operationen an den weiblichen
Geschlechtsteilen, besonders der Klitoris,
die in vielen, namentlich mohammed.
Ländern herkömmlich sind und vielfach gleichfalls Beschneidung benannt werden. – An die
Stelle
der Beschneidung ist in der christl.
Kirche die
Taufe getreten. Die BeschneidungChristi (Beschneidungsfest,festum circumcisionis)
wurde nach
Luk. 2, 21. bereits gegen Ende des 4. Jahrh. im
Abendlande am 2. Jan. kirchlich gefeiert, ursprünglich als
Buß- und
Fasttag, später als Freudenfest. –
Über dieVerbreitung der Beschneidung vgl. H. Ploß, DasKind in Brauch und
Sitte der
Völker (2. Aufl., 2 Bde., Berl.
1882); ders., Geschichtliches und Ethnologisches über Knabenbeschneidung (Lpz. 1885).
Wer infolge seines Lebenswandels die Unbescholtenheit verscherzt (z. B.
Vagabunden und öffentliche Dirnen), wer wegen gemeiner
Vergehen auch ohne Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft
ist, wird von der Obrigkeit wie von der Gesellschaft anders angesehen als ein Unbescholtener. Bei der
Übertragung einer
Vormundschaft, einer Pflegschaft, einer Konkursverwaltung, bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses,
bei der Auswahl zum
Geschworenen oder Schöffen, bei der Frage,
ob der von den Eltern verweigerte Ehekonsens richterlich zu
ergänzen ist, ob eine
Person aus einer Genossenschaft ausgestoßen, von der
Börse ausgeschlossen werden
darf, in eine
Innung aufzunehmen ist, kommt noch jetzt die in Betracht. Die
Römer
[* 7] faßten derartige Fälle zusammen mit der
Bezeichnung infamia facti oder turpitudo (S. auch
Anrüchigkeit und Ehre.)
Unterthanenverstand, meist ironisch gebrauchter
Ausdruck, herzuleiten aus einem
Erlaß des preuß. Ministers
von Rochow vom worin folgender
Satz vorkommt: «Es ziemt dem
Unterthanen nicht, die Handlungen des Staatsoberhauptes
an den Maßstab
[* 8] seiner beschränkten Einsicht anzulegen.»
Die Beschränkungen des Eigentümers in der
Verfügung über sein Grundstück bestehen teils
im Interesse der Nachbarn (s. Legalservituten), teils in allgemeinem Interesse.
Dahin gehören die Beschränkungen der Waldeigentümer
zur
Erhaltung der Forsten (s. Forstpolizei und Waldgenossenschaften), die baupolizeilichen Beschränkungen (s.
Baupolizei), die Rayonbeschräntungen (s. Festungsrayon), die Deichlasten (s.
Deich),
[* 9] die Zwangspflicht zur
Bildung von Wassergenossenschaften (s.
Wasserrecht), die sich aus dem
Bergrecht
(s.
Bergwerkseigentum 4) ergebenden Beschränkungen, die Unterwerfung unter die Enteignung (s. d.).
im weitesten
Sinne die sprachliche
Darstellung eines Gegenstandes durch Angabe mehrerer
Merkmale. Sie giebt
das Eigentümliche seiner Erscheinung, versinnlicht, individualisiert ihn, während die Erklärung abstrakt ist, den Gegenstand
generalisiert. Gegenstand der Beschreibung kann jedes wirkliche oder als wirklich gedachte Ding
sein (s. Erzählung); doch gehören vorzugsweise die Werke der Natur und Kunst sowie körperliche
und geistige Zustände und Charaktere hierher.
Die Beschreibung muß treu und anschaulich sein, d. h. sie darf nur vorhandene Züge
bieten und muß diese zu einem
Bilde gestalten, das die wirkliche
Anschauung ersetzt. Da die Beschreibung gewöhnlich
belehren oder auf die
Phantasie wirken soll, so hat man sie in Lehrbeschreibung oder Beschreibung schlechtweg und in
Schilderung eingeteilt.
Die poetische Beschreibung oder
Schilderung will durch Zusammenfassung mannigfaltiger, die
Phantasie anregender
Merkmale das Gefühl auf
eine bestimmte
Weise erregen, und löst ihre
Aufgabe um so sicherer, je lebendiger sie individualisiert.
Ein Gedicht, dessen Zweck die ästhetische Beschreibung eines Ganzen ist, heißt ein beschreibendes, im engern
Sinne eins, das einen
Naturgegenstand behandelt. Die
¶
mehr
malerisch-beschreibende Poesie, eine untergeordnete Gattung, hat sich vornehmlich bei den Engländern ausgebildet. Durch den
Einfluß der engl. Litteratur beherrschte sie von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrh.
ganz Europa;
[* 11] Lessings «Laokoon» machte ihrer Vorrangsstellung ein Ende.
In den Wissenschaften heißt Beschreibung die genaue Darlegung eines beobachteten Thatbestandes; beschreibende (deskriptive)
Wissenschaft eine solche, die über die Beschreibung des Thatbefundes nicht hinausgeht. Ihr steht gegenüber die erklärende
Wissenschaft oder Theorie, welche die Thatsachen auch erklären, d. h. auf ihr Gesetz bringen will.
oder berufen, alter Ausdruck für das Herbeirufen geisterhafter Wesen.
Man pflegte den Geist zu beschreien,
damit er Glück brächte.
Jetzt wird der Ausdruck von Abergläubischen in dem Sinne gebraucht: mit Worten
(besonders durch zu großes Lob) schädigen. In christl. Auffassung nimmt man dem heidn.
Glauben den Boden, wenn man der Aussage
über Glück einer Person die Worte «unberufen» oder «unbeschrien»
hinzufügt und wohl auch mit dem Finger drei Kreuze in der Luft macht.
1) Auf dem Gebiete der Verwaltung heißt Beschwerde das Rechtsmittel, welches dem durch einen Akt der Verwaltungsbehörde
Benachteiligten zusteht und welches durch Anrufung der höhern Instanz die Beseitigung jenes Aktes bezweckt. Während früher
die Beschwerde auf diesem Gebiete nur eine formlose Anrufung höherer Behörden war, hat die neuere Verwaltungsgesetzgebung sie unter
bestimmten Voraussetzungen in den Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit (s. d.) eingefügt, ohne daß jedoch
hierdurch die erstere Beschwerde beseitigt worden wäre. In besonderer Weise hat die Reichsgewerbeordnung das
Beschwerdeverfahren für genehmigungspflichtige Anlagen geordnet. Die Grundzüge des Verfahrens sind von Reichs wegen normiert,
die nähern Vorschriften giebt das Landesrecht (Gewerbeordn. §§. 16, 20 fg.).
2) Eine ähnliche Bedeutung hat die in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, z. B.
in Vormundschafts-Nachlaßsachen, in Grundbuchsachen. Darüber enthalten die einschlagenden Landesgesetze
die maßgebenden Bestimmungen. Für Beschwerde dieser Art ist das Deutsche
[* 12] Reichsgericht nicht zuständig.
3) Im Civilprozeß (vgl. Civilprozeßordn. §§. 530-540) bedürfte es neben den Rechtsmitteln
der Berufung (s. d.) und Revision (s. d.),
welche der Korrektur sachlicher, auf mündliche Verhandlung in Form des Endurteils unter den Prozeßparteien
ergehender Entscheidungen dienen, noch eines Rechtsmittels zur endgültigen Entscheidung von prozessualen Nebenstreitpunkten,
welche teils nur die Vorbereitung (Verhandlung) oder Ausführung (Vollstreckung) des Endurteils betreffen, teils gar nicht
zwischen den Parteien, sondern zwischen Parteien und Dritten (z. B. Zeugen) entstehen, also
mehr formaler Natur sind. Dieses Rechtsmittel bildet die Beschwerde. Dieselbe ist ihrem Zweck entsprechend
unter vereinfachte Formen gestellt, auch nicht mit Suspensiveffekt (s. Berufung 1) ausgestattet. Sie zerfällt in die einfache
oder fristlose und die sofortige Beschwerde, deren wesentlicher Unterschied darin beruht, daß die letztere der formellen
Rechtskraft (s. d.) fähig ist, die erstere nicht. - Zulässig ist die
Beschwerde einerseits gegen Entscheidungen, welche ein das Prozeßverfahren betreffendes Gesuch einer Partei, für welches mündliche
Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, zurückweisen, andererseits in gewissen von der Civilprozeßordnung besonders bezeichneten
Fällen.
Über die hat zu entscheiden die nächst höhere Instanz, also bei Beschwerde gegen ein Amtsgericht das übergeordnete Landgericht,
bei Beschwerde gegen ein Landgericht das übergeordnete Oberlandesgericht, bei Beschwerde gegen
ein Oberlandesgericht das Reichsgericht. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist unter Umständen, nämlich wenn
dieselbe einer Partei einen neuen selbständigen Beschwerdegrund bietet, ein Fall, der ausgeschlossen ist beim Vorliegen
zweier gleichlautender Entscheidungen, eine weitere an die noch gegebene höhere Instanz statthaft.
Die Einlegung der Beschwerde erfolgt grundsätzlich beim angegriffenen und nur in dringenden Fällen beim Beschwerdegericht,
und zwar durch Einreichung eines Schriftsatzes, welcher regelmäßig dem Anwaltszwange (s. Anwaltsprozeß) unterliegt, in gewissen
Ausnahmefällen auch durch Erklärung zum Gerichtsschreiberprotokoll. Die Vorbringung neuer Thatsachen und Beweise ist zulässig.
Das Verfahren im weitern fällt dem gerichtlichen Amtsbetriebe anheim. Erachtet das Gericht oder der
Vorsitzende, dessen Entscheidung angegriffen wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie derselben abzuhelfen.
Sonst ist die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen. Vor diesem bedarf es keiner mündlichen Verhandlung; wohl
aber kann schriftliche Erklärung der Beteiligten eingeholt werden. Das Beschwerdegericht hat grundsätzlich
selbst zu entscheiden. Die unstatthafte Beschwerde wird als unzulässig verworfen, die unbegründete zurückgewiesen.
Ist die Beschwerde begründet, so hat das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die dann erforderliche Anordnung
regelmäßig selbst zu treffen; doch kann es solche auch der angegriffenen Instanz übertragen. - Die Regelung der sofortigen
Beschwerde weicht wesentlich insofern ab, als sie einer Notfrist von zwei Wochen unterliegt und auch in nicht
dringenden Fällen beim Beschwerdegericht eingereicht werden kann und die angegriffene Instanz zur eigenen Abänderung des
angegriffenen Beschlusses nicht befugt ist.
4) Im Konkursverfahren ist nach der Deutschen Konkursordnung (§. 66, Abs. 3) bezüglich aller ergangenen
Entscheidungen Beschwerde zulässig, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. In allen diesen Fällen
findet «sofortige» Beschwerde statt (s.
unter 3). Das Recht der Beschwerde steht allen Personen zu, deren Interesse durch die ergangene Entscheidung verletzt wird.
Nach der Österr. Konkursordnung (§. 70) kann derjenige, der sich durch die Verfügungen des «Konkurskommissars»
(s. d.) beschwert erachtet, die Entscheidung des Konkursgerichts einholen, gegen welche (nach §. 257) der «Rekurs»
an den höhern Richter offen steht.
5) Im Strafprozeß (§. 346) ist die Beschwerde zulässig gegen alle von den Gerichten in erster Instanz oder in der
Berufungsinstanz erlassenen
¶
mehr
Beschlüsse (s. d.) und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden (s. d.), des Untersuchungsrichters (s. d.), des Amtsrichters
(s. d.) und eines beauftragten oder ersuchten Richters (s. d.), soweit das Gesetz nicht dieselben der Anfechtung entzieht.
Ausgeschlossen ist die a. gegen Urteile (s. d.) und die der Urteilsfällung vorhergehenden Entscheidungen der erkennenden Gerichte,
sofern letztere nicht Verhaftungen, Beschlagnahmen oder Straffestsetzungen betreffen oder gegen dritte
Personen, die nicht zu den Prozeßbeteiligten gehören, gerichtet sind (§. 347);
beschwerde gegen Beschlüsse und Verfügungen des
Reichsgerichts und der Oberlandesgerichte überhaupt (§. 346);
c. gegen Beschlüsse in der Beschwerde-Instanz mit Ausnahme
der vom Landgerichte erlassenen, Verhaftungen betreffenden Beschlüsse (§. 352);
d. in den in der Strafprozeßordn.
§§. 28 (s. Ablehnung), 46 (s. Wiedereinsetzung), 180 (s. Voruntersuchung), 199, 200, 209 (s. Eröffnung des Hauptverfahrens),
270, 388 (s. Unzuständigkeitserklärung), 279 (s. Schwurgericht) und im Gerichtsverfassungsgesetz §§.
41, 52, 53, 75 (s. Schöffengericht), 94 (s. Schwurgericht) behandelten
Fällen.
Die Beschwerde steht nicht bloß den Prozeßbeteiligten (Angeklagten, Staatsanwalt, Privat- und Nebenkläger),
sondern auch dritten Personen (Zeugen, Sachverständigen, Verteidigern, Dolmetschern, Schöffen, Geschworenen u. s. w.) zu,
sofern sie durch die Entscheidung betroffen werden (§. 346). Man unterscheidet auch hier die einfache Beschwerde, welche die Regel
bildet, von der «sofortigen», welche an eine einwöchige Frist gebunden
ist. (Vgl. Strafprozeßordn. §§. 28, 46, 81, 122, 180, 181, 199, 209, 270, 363, 412, 455, 461, 463,
494, 501; Gerichtsverfassungsgesetz §. 183.) - Die Beschwerde kann zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder schriftlich eingelegt
werden, der Regel nach bei demjenigen Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird (judex a quo), in dringenden Fällen -
die sofortige auch sonst - bei dem Beschwerdegericht (judex ad quem).
Das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, ist bei der fristlosen - nicht bei der sofortigen - Beschwerde befugt, derselben
durch Abänderung seiner Entscheidung abzuhelfen, andernfalls verpflichtet, die Akten vor Ablauf
[* 14] von drei Tagen dem Beschwerdegericht
vorzulegen (§. 348). Die hat der Regel nach keine aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt, s. d.),
doch kann sowohl das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, als auch das Beschwerdegericht die Aussetzung der Vollziehung
der angefochtenen Entscheidung anordnen (§. 349). Die Beschwerde kann auf rechtliche oder thatsächliche Gründe, auch auf neue Anführungen
oder Beweise gestützt und dadurch dem Beschwerdegericht Veranlassung gegeben werden, eine schriftliche
Gegenerklärung zu erfordern, sowie neue Ermittelungen anzuordnen oder selbst vorzunehmen (§. 350). Die Entscheidung erfolgt
ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft (§. 351). Über Beschwerde gegen Entscheidungen
des Untersuchungsrichters, des Amtsrichters und des Schöffengerichts entscheidet die Strafkammer (s. d.) des
Landgerichts, über Beschwerde gegen Entscheidungen der Strafkammern und des Schwurgerichts entscheidet der Strafsenat (s. d.) des Oberlandesgerichts.
Über Beschwerde, die sich auf die Zulässigkeit der Rechtshilfe (s. d.)
und die Handhabung der Sitzungspolizei (s. d.) beziehen, entscheidet in allen Fällen das Oberlandesgericht
(Gerichtsverfassungsgesetz §§. 72, 123,
Nr. 5, 160, 183).
Die Österr. Strafprozeßordnung läßt gegen Entscheidungen der Bezirksrichter, sofern dieselben nicht
der Berufung unterliegen, an den Gerichtshof erster Instanz binnen drei Tagen (§. 481), gegen Verfügungen oder Verzögerungen
des Untersuchungsrichters an die Ratskammer und gegen deren Entscheidung ausnahmsweise, insbesondere über Verhaftung, Beschwerde mit
dreitägiger Frist an den Gerichtshof zweiter Instanz zu (§§. 113, 114) und ordnet im übrigen die
Beschwerde bei den einzelnen Fällen.
6) Wegen Justizverzögerung oder Justizverweigerung findet die Beschwerde sowohl in Civilprozeß- wie in Strafsachen
an die vorgesetzte Behörde statt. Das Deutsche Reichsgericht ist nicht vorgesetzte Behörde der Landesgerichte; nur bei Ablehnung
der Rechtshilfe geht eine A. an das Reichsgericht nach §. 160 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Dagegen
ist nach Art. 77 der Reichsverfassung eine Beschwerde wegen Justizverweigerung an den Bundesrat zulässig.
7) Beim Militär sind die Vorschriften über Beschwerde erst in der neuesten Zeit einer Linderung unterzogen worden,
indem eine Kabinettsorder vom bestimmt, daß der zweite Satz des Kriegsartikels 22 für die
Folge festzusetzen habe, daß der Soldat niemals während oder unmittelbar nach Beendigung des Dienstes, sondern erst am folgenden
Tage seine Beschwerde anbringen darf. Im weitern Verfolg dieser grundlegenden Änderung sind dann auch die Bestimmungen
über die Beschwerdeführung der Personen des Soldatenstandes vom Feldwebel abwärts in diesem Sinn abgeändert
worden. Nicht berührt sind bei dieser Neuerung die alten Vorschriften, nach denen die Beschwerde von Soldaten in einem besondern
Dienstwege zur Kenntnis der Vorgesetzten desjenigen, über welchen Beschwerde geführt wird, zu gelangen haben.
Nach dem Betriebsreglement für die Eisenbahnen Deutschlands
[* 15] vom das
im wesentlichen auch für den Deutschen Eisenbahnverein (s. Eisenbahnverbände) Gültigkeit hat, muß auf jeder Station ein
Beschwerdebuch ausliegen und den Reisenden zur Eintragung von Beschwerden über Beamte, Bahneinrichtungen u. s. w. vorgelegt werden.
Die
Verwaltung soll baldmöglichst auf alle Beschwerden antworten, die unter Angabe des Namens und des Wohnortes des Beschwerdeführers
erfolgen.
derjenige, welcher durch eine behördliche Verfügung oder eine gerichtliche Entscheidung verletzt ist
und deshalb Anlaß hat, Beschwerde (s. d.) zu führen oder ein Rechtsmittel einzulegen. Im Erbrecht ist Beschwerter derjenige, welcher
infolge einer letztwilligen Verfügung etwas zu leisten hat. In der ältern Rechtssprache nennt man den Beschwerter den Onerierten.
Der gemeinrechtliche Satz, daß niemand mehr an Vermächtnissen auferlegt werden darf, als ihm von dem
Erblasser zugewendet ist, ist in der Fassung «niemand kann mit Vermächtnissen
weiter beschwert werden, als der Vorteil reicht, welchen er auf den Todesfall erhält», in das Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2389 übergegangen;
vgl. auch Bayr. Landr. III, 6, §. 6. Wie schon
im Gemeinen Rechte, so wird der Satz von fast allen neuern Rechten in Verbindung gebracht mit den Grundsätzen über die Schuldenhaftung
des Erben, vgl. z. B. Preuß. Allg. Landr. I, 12, 333-335 mit §§. 287, 296; Code civil und Bad.
[* 16] Landrecht Art. 926 fg.; Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §§. 690, 692, 693, 801, 802, u. a.
die Anwendung gewisser Wörter, Formeln und Gebräuche, um übernatürliche Wirkungen hervorzubringen
oder zu bekämpfen. Der Glaube an derartige Wirkungen der Beschwörung geht ins tiefste Altertum zurück und ist noch jetzt, auch unter
den civilisierten Völkern, vielfach verbreitet. Er bildet einen Teil des Aberglaubens (s. d.), dem auch die Amulette, das
Abgraben, Abbinden,
[* 18] Abschreiben, Besprechen u. s. w. ihre Entstehung verdanken. Im Altertum waren vor allem die Chaldäer (s. d.)
und Babylonier als Beschwörer berühmt.
Unter den Israeliten fand die Sache weitere Ausbildung durch die Kabbala und wurde auf Salomo zurückgeführt, dessen Siegelringe
besonders Zauberkraft zugeschrieben wurdet Auch die Griechen, mehr noch die Römer, vorzüglich in den
spätern Kaiserzeiten, als die religiösen Anschauungen des Orients eindrangen, huldigten diesem mystischen Treiben. Von ihnen
und vielfach verquickt mit dem nordischen Aberglauben ging die Beschwörung ins Mittelalter über. Berühmt ist besonders die Formel
des Abrakadabra (s. d.). Die altgerman.-heidn.
Zeit übte die in großem Umfange. Noch jetzt ist eine Menge von Zauberformeln und Zauberschriften unter
Katholiken wie Protestanten weit verbreitet. «FaustsHöllenzwang» (s. d.) stammt aus dem Ende des 16. Jahrh.
Dahin gehört ferner das sog. Romanus-Büchlein (Venedig,
[* 19] ohne Jahr) mit vielen Zauberformeln. Andere derartige Werke werden
auf Albertus Magnus, Salomo, geheimnisvolle Venetianer, die Kabbala u. s. w. zurückgeführt. Eine andere
Entstehung hat die kirchliche Beschwörung oder der Exorcismus (s. d.). Diese kirchlichen Formeln traten oft im Volke an die Stelle der
altheidnischen. Man bediente sich der Beschwörung gegen Wetterschlag, Blutungen, Kriegs- und Feuersgefahren u. dgl. Über Beschwörung der Toten s.
Nekromantie.
KarlGeorgChristoph, Jurist und Politiker, geb. zu Rödemiß bei Husum
[* 20] im Herzogtum Schleswig,
[* 21] studierte
in Kiel
[* 22] und München
[* 23] die Rechte und ging 1833 nach Göttingen,
[* 24] 1835 als Privatdocent nach Heidelberg
[* 25] und wurde
noch in demselben Jahre Professor in Basel,
[* 26] 1837 in Rostock,
[* 27] 1842 in Greifswald.
[* 28] Dort wurde er zum Abgeordneten für die Deutsche
Nationalversammlung gewählt und war ein Führer des rechten Centrums; er bekämpfte den Einfluß Österreichs im Reichsministerium,
wirkte für die preuß. Erbkaiserpartei und war Mitglied der Deputation, welche dem Könige
von Preußen
[* 29] die Kaiserkrone antrug.
Dann beteiligte er sich an der Parteiversammlung in Gotha,
[* 30] wo die Unterstützung der preuß.
Unionspolitik beschlossen wurde. 1849 war er Mitglied der preuß. Zweiten Kammer, wo er seinen Platz auf der Linken nahm.
Ostern 1859 kam er als Professor an die Universität zu Berlin,
[* 31] war 1861 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses
und nahm in Beziehung auf die Militärreorganisation eine vermittelnde Stellung ein. 1874 wurde er in den Reichstag gewählt,
wo er sich der nationalliberalen Partei anschloß. 1875 ward er auf Präsentation der Berliner
[* 32] Universität als lebenslängliches
Mitglied ins preuß. Herrenhaus berufen, dessen zweiter Vicepräsident er in der
letzten Zeit war. Er starb in Harzburg. Beseler schrieb: «Lehre
[* 33] von den Erbverträgen»
(2 Tle. in 3 Bdn., Gött. 1835-40),
«Zur Beurteilung der sieben Göttinger Professoren und ihrer Sache» (Rost.
1838),
«Volksrecht und Juristenrecht» (Lpz. 1843). Diese Schrift, in welcher er die Savignysche Auffassung, daß das
Recht in dem Juristenstande seine ausschließliche Vertretung finde, bekämpfte, verwickelte ihn in einen heftigen Streit
mit der Historischen Schule. Ferner gab er die Schrift von Uwe Lornsen, «Unionsverfassung Dänemarks und Schleswig-Holsteins»
(Jena
[* 34] 1841) heraus und beteiligte sich an der Redaktion der «Zeitschrift für
deutschesRecht». Sein Hauptwerk ist das «System des gemeinen deutschen Privatrechts» (3 Bde.,
Lpz. 1847-55; 4. Aufl., 2 Teile, Berl. 1885). KleinereSchriften sind: «Kommentar über das Strafgesetzbuch für die preuß.
Staaten» (Lpz. 1851),
«Zur Geschichte des deutschen Ständerechts» (Berl.
1860),
Wilh. Hartwig, schlesw.-holstein. Politiker, Bruder des vorigen, geb. auf dem Schlosse Marienhausen
in der Grafschaft Jever (Oldenburg),
[* 35] studierte 1823-26 in Kiel und Heidelberg die Rechte und vertrat dann
als Advokat in Schleswig eifrig die Untrennbarkeit und Selbständigkeit der Herzogtümer und deren deutsche Interessen und
wurde 1844 in die schlesw. Ständeversammlung gewählt, deren Verhandlungen er seit 1846 als Präsident leitete. Auf seine
Veranlassung bildete sich in Kiel die provisorische Regierung, deren Präsident er wurde.
Am trat er in die von der Reichsgewalt eingesetzte Statthalterschaft der Herzogtümer.
Als Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung wurde er zum ersten Vicepräsidenten gewählt. Als 1851 Österreich
[* 36] und
PreußenKommissare zur sog. Pacifikation der Herzogtümer nach Kiel sandten und mit gewaltsamer
Niederwerfung der Herzogtümer drohten, trat er (11. Jan.), da er die Mächte nicht als Rechtsnachfolger der Centralgewalt anerkannte,
nach der Unterwerfung der schlesw.-holstein. Ständeversammlung aus der Statthalterschaft zurück und ging nach Braunschweig,
[* 37] wo ihm der Herzog einen Zufluchtsort angeboten hatte. Nach kurzer Anwesenheit in Heidelberg trat er 1861 als Geh.
Oberregierungsrat und Kurator der UniversitätBonn in
[* 38] den preuß. Staatsdienst. Hier starb er Im Juli 1891 ward ihm
und seinem Mitstatthalter Reventlow in der Stadt Schleswig ein Denkmal errichtet. Beseler schrieb mehrere auf die Verfassungsverhältnisse
Schleswig-Holsteins und Deutschlands bezügliche Schriften und übersetzte Macaulays Geschichte von England (12
Bde., Braunschw. 1852-61 u. ö.).
-
Besmer, Bismer, auch Dänische oder Schwedische Wage genannt, eine Art Schnellwage, bei welcher der zu wägende
Gegenstand mittels eines Hakens an dem einen Ende eines als Wagebalken aufzufassenden Stabes befestigt wird, der an
dem andern Ende ein Gewicht trägt.
Der Wagebalken ist in einer mit Zunge versehenen Hülse
[* 39] aufgehängt, in der er verschoben
werden kann, und trägt eine Skala,
¶
mehr
an der das Gewicht des Gegenstandes, sobald die Zunge einspielt, abgelesen wird.
(holländ. bezemschoon, d. i. besenrein), im Handel derjenige Teil der Ware, der beim Ausleeren von Fässern
oder Kisten am Holze hängen bleibt, z. B. bei rohem Zucker,
[* 41] sowie den dafür üblichen Abzug oder Ersatz;
letzterer wird
meist in Prozenten des Nettogewichts berechnet.
Kehrbesen, Werkzeuge
[* 42] zum Reinigen und Kehren, unterscheiden sich von den Bürsten oft nur durch die größere
Länge der Borsten und dadurch, daß sie mit einem Stiel versehen sind. Die einfachsten sind die Rutenbesen, gewöhnlich aus
Birkenreisern bestehend, die mit Weidenruten zusammengebunden sind; doch verwendet man auch Heidelbeerreisig,
die Ruten des Besenginsters (Brambesen), geschälte Ruten (für Besen zum Kehren von Teppichen, Sofas u. s. w.), ferner Schweinsborsten
(Borstbesen), gespaltenes Bambusrohr und besonders die elastische und sehr haltbare Faser der Piassave (Piassavebesen). Aus
letzterer werden auch die Straßenkehrmaschinen mit Hand- oder Pferdebetrieb angefertigt.
(Bessenyö, spr. béschenjö; auch Bessenova, Bešenova), Name mehrerer Ortschaften und Pußten in Ungarn,
[* 43] Siebenbürgen
und Syrmien. Das Wort wird von dem Volke der Petschenegen (magyar. Besenyök) hergeleitet. Die bedeutendsten Orte sind:
1) Ó-Besenyö (Alt-Bessenova), Groß-Gemeinde im TorontalerKomitat, in fruchtbarer Gegend am Arankaflusse und an der Zweiglinie
Bálkány-Perjántos-Barjas der Ungar. Staatsbahnen,
[* 44] hat (1890) 6331 E., meist kath. Bulgaren (226 Magyaren, 205 Deutsche),
Post und Telegraph.
[* 45] - 2) Uj-Besenyö (Neu-Bessenova, auch Deutsch-Beschenowa), Groß-Gemeinde im Temeser Konütat, nordwestlich
von Temesvár, hat (1890) 3006 deutsche kath. E., Post, Ackerbau und Pferdezucht.
[* 46]
(daemóniaci, obsessi, oder wegen des für einflußreich gehaltenen Mondes [luna] auch
lunatici), die von einem bösen Geiste in Besitz Genommenen. In der Bibel
[* 47] werden die epileptisch Kranken, die von gewaltsamer
Verkrümmung, Taubheit, Blindheit, Wahnsinn, Tobsucht und Melancholie Heimgesuchten, so bezeichnet. Die Ansicht, daß außerordentliche
Zustände und Thätigkeiten des Menschen, die auf die gewöhnlich zur Erscheinung kommenden Kräfte nicht zurückgeführt
werden können, auf der Einwirkung mächtiger Geister beruhen, findet sich überall im Altertum.
Das Gute, das außerhalb der Schranken gewöhnlicher Kraft
[* 48] geleistet wurde, galt als unmittelbare Wirksamkeit der Götter,
oder wie im Judentum und Christentum des GeistesGottes; krankhafte Zufälle, denen keine Willenskraft und kein Mittel der Heilkunst
zu widerstehen vermochte, wurden auf böse Geister zurückgeführt. Zauberformeln, Beschwörungen traten
daher an die Stelle der Heilkunst. Die neutestamentlichen Schriftsteller teilen die Ansicht, daß die bösen Geister, als deren
eigentliche Heimstätte bald die Wüste
(Matth. 4,1; 12,43),. bald die Luftregion
(Eph.
2,2; 6,12). vorgestellt wird, in die Menschen fahren und Wohnung in ihnen nehmen
(Matth. 12,44.
fg.), sie mit Plagen belasten (vgl. z. B.
Mark.
9,14. fg.), aus ihnen herausreden
(Mark. 3,11; 5,7. fg.) und sich ihrer als Werkzeuge bedienen. Die
Heilung solcher Besessene durch Austreibung der
bösen Geister (Dämonen) war nach der Darstellung der synoptischen Evangelien Jesu tägliches
Geschäft. Aber Jesus greift nicht zu magischen Beschwörungen, sondern übt durch die Macht seiner Persönlichkeit
einen psychisch vermittelten Einfluß auf das leibliche Leben der Kranken aus. -
(pers.), eigentlich Bessasistan (d. i. Ort der Zeughändler), der gewöhnlich von Stein erbaute, überwölbte
und abschließbare Teil der Markthallen
[* 50] (s. Bazar) türk. Städte, in denen außer Zeugen Teppiche, Waffen
[* 51] und Bücher feilgehalten werden.
ein Bohrloch (in Gruben oder Steinbrüchen),
nachdem die Patrone eingelegt ist, mit Füllmaterial (Besatz) bedecken, s. Bergbau
[* 52] (Sprengarbeit), S. 757 a.
des Gerichts. Das Verlangen nach einer unparteiischen, in jeder Richtung unabhängigen Rechtspflege hat in
den neuern Gerichtsverfassungsgesetzen dahin geführt, nicht nur die Richter in ihren Stellungen persönlich zu schützen,
sondern auch bei Bestimmung der Zahl und Personen der im einzelnen Fall mitwirkenden Richter jede Willkür auszuschließen.
Während nach dem Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz die Amtsrichter ihre Geschäfte als Einzelrichter
erledigen (§. 22), entscheiden die Kammern des Landgerichts in einer Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß
des Vorsitzenden, die Strafkammern in der Hauptverhandlung erster Instanz und in der Berufungsinstanz bei Vergehen jedoch in
einer Besetzung von fünf Mitgliedern (§. 77), die Senate der Oberlandesgerichte stets in der
Besetzung von fünf, die des Reichsgerichts in der Besetzung von sieben Mitgliedern (§§. 124, 140). Zur Fassung
von Plenarentscheidungen und Entscheidungen der vereinigten Civil- oder Strafsenate des Reichsgerichts über streitige Rechtsfragen
sowie zu den Entscheidungen des vereinigten zweiten und dritten Strafsenats des Reichsgerichts in den Fällen des
Hoch- und Landesverrats gegen Kaiser und Reich ist die Teilnahme von mindestens zwei Dritteilen aller Mitglieder erforderlich;
doch darf an der Entscheidung selbst immer nur eine ungerade Zahl von Mitgliedern teilnehmen, so daß bei Anwesenheit einer
geraden Zahl das dem Dienstalter und bei gleichem Dienstalter das dem Lebensalter nach jüngste Mitglied
kein Stimmrecht hat (§. 139). Vor Beginn jedes Geschäftsjahres werden durch das Präsidium, zu welchem außer dem Präsidenten
und den Direktoren oder Senatspräsidenten, bei den Landgerichten das älteste Mitglied, bei den Oberlandesgerichten die
beiden, bei dem Reichsgerichte die vier ältesten Mitglieder gehören, die Geschäfte unter die Kammern oder Senate
verteilt und die ständigen Mitglieder derselben, sowie für den Fall ihrer Verhinderung die regelmäßigen Vertreter derselben
bestimmt. Eine Änderung im Laufe des Geschäftsjahres ist nur in bestimmten Ausnahmefällen statthaft. Ist der Vorsitzende
einer Kammer oder eines Senats verhindert, so führt das dem Dienstalter und bei gleichem Dienstalter das der Geburt
nach älteste Mitglied der Kammer oder des Senats den Vorsitz (§§. 62 fg., 121, 133). Wegen der Besetzung der Handelsgerichte,
Schöffengerichte, Schwurgerichte s. diese Artikel.
¶
mehr
Nach der Österr. Strafprozeßordnung faßt die Ratskammer (s. d.) ihre Beschlüsse in Versammlungen von drei Richtern, während
der erkennende Gerichtshof erster Instanz mit vier, zweiter Instanz mit fünf, und der oberste Gerichtshof als Kassationshof
mit sieben Richtern besetzt ist (§§. 12, 13, 15, 16). In Civilsachen ist in der Regel der Gerichtshof
erster Instanz mit dem Vorsitzenden und zwei, zweiter Instanz vier Richtern, der oberste Gerichtshof für die verschiedenen
Geschäftsgattungen besonders besetzt (§§. 149, 154, 157, österr. Gesetz vom
die Besichtigung der einem Käufer von auswärts zugesendeten Ware zum Zweck der Prüfung, ob dieselbe empfangbar
ist oder Mängel hat, gehört zu der durch das Deutsche Handelsgesetzbuch Art. 347 vorgeschriebenen Untersuchung.
Dieselbe Bedeutung hat die Besichtigung der vom Frachtführer abgelieferten Waren, um festzustellen, ob ein Anspruch gegen
diesen besteht. (S. Ablieferung.) Ein Kauf auf Besicht oder Kauf auf Probe ist unter der Bedingung geschlossen, daß der Käufer die
Ware genehmige.
Die Bedingung ist im Zweifel eine aufschiebende (s. Aufschiebende Bedingung); geht also die Ware bei dem Käufervor der Genehmigung
unter, so ist das der Schaden des Verkäufers. Der Verkäufer bleibt bis zur Erklärung des Käufers gebunden. Er hört auf
gebunden zu sein, wenn der Käufer bis zum Ablauf der verabredeten oder ortsgebräuchlichen Frist nicht
genehmigt. In Ermangelung solcher Frist kann der Verkäufer nach Ablauf einer den Umständen angemessenen Zeit den Käufer
zur Erklärung auffordern; der Verkäufer hört dann auf, gebunden zu sein, wenn sich der Käufer auf die Aufforderung nicht
sofort erklärt.
Ist die auf Besicht verkaufte Ware zum Zweck der Besichtigung dem Käufer übergeben, so gilt das Stillschweigen
des Käufers bis nach Ablauf der Frist oder auf die Aufforderung als Genehmigung (Handelsgesetzbuch Art. 339). Mit der Genehmigung
ist der Käufer unbedingt gebunden. Lehnt er den Kauf ab, so ist er nicht verpflichtet, Gründe anzugeben; er ist
auch nicht verpflichtet, die Ware zu besehen oder zu proben. Die beste Ware kann bei solchem Abschluß beanstandet werden.
Natürlich haftet der Empfänger auf Schadenersatz, wenn er die Ware unter Beiseitesetzung der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns beschädigt hat. BeimKauf «auf Probe und auf Besicht», «auf Nachstechen» oder «auf
Nachziehen» ist der Käufer zur Ablehnung nur berechtigt, wenn die Ware nicht empfangbar war, Mängel hatte.
Vgl. von Hahn,
[* 55] Kommentar zum Deutschen Handelsgesetzbuch zu Art. 339 (2. Aufl., 2 Bde.,
Braunschw. 1875-83).
1) Oberamt im württemb. Neckarkreis, hat (1890) 28 180 E., 4 Städte und 15 Landgemeinden. - 2) Oberamtsstadt
im Oberamt Besigheim, 24 km nördlich von Stuttgart,
[* 56] in 182 m Höhe, am Einfluß der Enz in den Neckar und an der Linie Bietigheim-Heilbronn
der Württemb. Staatsbahnen, hat (1890) 2991 evang. E., Post, Telegraph, Oberamt, Amtsgericht (Landgericht Heilbronn),
[* 57] Zoll-,
Grenzsteueramt, zwei Lateinschulen, eine gewerbliche Fortbildungsschule und eine Mädchen-Arbeitsschule;
Fabrikation von Öl, Band
[* 58] und Tricotwaren, eine Kunst-, drei Wassermühlen, Ackerbau, Weinbau und Weinhandel. - Die Stadt steht
an der Stelle des von dem Kaiser Probus erbauten Castrum Valerianum, kommt im Mittelalter unter dem
Namen Bassincheim vor, gehörte
seit 1153 zu Baden
[* 59] und kam 1595 durch Kauf an Württemberg.
[* 60]
auch Beschikbai, eine Bucht des Agäischen Meers, an der Westküste Kleinasiens, der türk. InselTenedos gegenüber
und südlich vom Kap gleichen Namens. Die Bai ist nicht tief und bietet einen gegen Nord- und Nordostwinde geschützten guten
Ankerplatz; sie war 1853 der Stationsort der brit.-franz. Flotte, ehe
dieselbe nach Konstantinopel
[* 61] und in das SchwarzeMeer segelte. Neuerdings wird die Besikabai von den Engländern mit Vorliebe als Ankerplatz
für das Mittelmeergeschwader benutzt, weil sie bei etwaigem Kriegsfall die beste Operationsbasis gegen die Dardanellen bietet.
In der Sprache
[* 62] des gemeinen Lebens nennt man den Eigentümer auch Besitzer. Die Rechtswissenschaft
versteht unter Besitz etwas anderes; sie unterscheidet zwischen Sachbesitz und Rechtsbesitz (s. d.). Jener steht im Verhältnis
zum Eigentum, dieser zu andern Rechten: sie verhalten sich zu diesen wie Thatsache und Recht. Der Sachbesitz ist die thatsächliche
Ausübung des Eigentums, der Rechtsbesitz die thatsächliche Ausübung eines andern Rechts. Der Eigentümer
ist insofern Besitzer, als er sein Eigentum ausübt. Er kann aber auch des Besitz entbehren, und ein Dritter kann
die jenem gehörige Sache besitzen.
Der Eigentümer besitzt die ihm gehörigen Sachen - Grundstücke, lebende Tiere oder leblose bewegliche Sachen - wenn er sie
innehat, d. h. wenn er sie in seiner Macht hat (Sächs. Gesetzbuch), wenn
er sie in seiner Macht oder Gewahrsam hat (Österr. Bürgerl. Gesetzbuch), wenn er das physische Vermögen hat, über sie
mit Ausschließung anderer zu verfügen (Preuß. Allg. Landrecht), also: wenn er persönlich oder durch ihm verpflichtete Personen
über sie verfügt oder verfügen kann, sie gebraucht oder gebrauchen kann, sie genießt oder genießen
kann.
«La possession est la détention ou la jouissance d'une chose ou d'un droit que
nous tenons ou que nous exerçons par nous-mêmes, ou par un autre qui la tient ou qui l'exerce en notre nom.» (Code Napoléon.)
Ist die Innehabung, die Macht, in Person körperlich über eine Sache mit Ausschließung anderer zu verfügen,
vorhanden, so muß eine zweite Thatsache hinzutreten, um den Besitz zu begründen: der Wille, diese Macht für sich auszuüben.
Daß dieser Wille vorhanden sei, versteht sich bei dem Eigentümer, welcher die Sache innehat, von selbst. Es
ist nicht erforderlich, daß der Eigentümer sich dieses Besitzwillens in jedem Augenblick bewußt ist, so wenig es erforderlich
ist, daß der Eigentümer in jedem Augenblick über seine Sachen thatsächlich verfügen kann. (S. Besitzerwerb und -Verlust.)
Wenn jemand vor einer Reise seine Wohnung verschließt und nach der Rückkehr alle seine Sachen in der
Wohnung wieder vorfindet, so hat er keinen Augenblick der Zwischenzeit aufgehört diese Sachen zu besitzen, wenn er auch
erst wieder nach der Rückkehr über sie verfügen konnte und in der Fremde gar nicht nach Haus gedacht hat.
Nicht jeder, welcher Sachen körperlich innehat, so daß er die Macht hat, über sie zu verfügen, hat
den Willen, die Sachen für sich zu haben. Diejenigen, welche die Sachen von dem besitzenden Eigentümer mit der Verpflichtung
überkommen haben, sie für ihn zu verwalten oder zu bewahren, übernehmen damit die Rechtsstellung, daß sie die Sachen
in fremdem Namen innehaben. Solange dieses
¶