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Organisation und unter Beschränkung ihrer Zwecke auf eine reichsrechtliche Unfallversicherung. Die Berufsgenossenschaft sind für bestimmte Bezirke (teils das ganze Reich, teils einzelne Teile desselben) gebildet und umfassen innerhalb desselben alle Betriebe derjenigen Berufszweige, für die sie errichtet sind. Nur gewisse fiskalische Betriebe, sowie kommunale Regiebaubetriebe bleiben unter Umständen außerhalb der und haben dann die Unfallversicherung durch besondere Ausführungsbehörden (s. d.) durchzuführen.
In der Bestimmung, daß die Berufsgenossenschaft alle Betriebe umfassen, liegt ihr Zwangscharakter; jeder beitragspflichtige Unternehmer ist kraft Gesetzes Mitglied derjenigen Berufsgenossenschaft, welche für den betreffenden Bezirk und Berufszweig des Unternehmers errichtet worden ist. Die Bildung und Abgrenzung der Berufsgenossenschaft ist teils unmittelbar durch Gesetz, teils in Ausführung der Gesetze durch Beschlüsse der Beteiligten, die der Genehmigung des Bundesrats bedürfen, erfolgt.
Gliederung. Die nicht lediglich handwerksmäßig betriebene Industrie hat sich auf Grund von §. 2 des Unfallversicherungsgesetzes vom in 55 Berufsgenossenschaft gegliedert; dazu treten die auf Grund des Ausdehnungsgesetzes vom in gleicher Weise errichteten 2 Eisenbahn-, 3 Binnenschiffahrts-, 1 Fuhrwerks-, 1 Speditions-, Speicherei- und Kellerei-Berufsgenossenschaft. Zu diesen 62 Berufsgenossenschaft kommen die durch das Bauunfall- und Seeunfallversicherungsgesetz (vgl. Gesetze vom 11. und errichtete Tiefbau-Berufsgenossenschaft und See-Berufsgenossenschaft, sowie 48 Land- ^[richtig: land-] und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaften (s. d.), welche gemäß §§. 18 und 110 des landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes vom teils durch die Landesgesetzgebung, teils durch den Bundesrat errichtet worden sind. Insgesamt giebt es also jetzt 112 Berufsgenossenschaft. Für die Berufsgenossenschaft ist amtlich eine bestimmte Reihenfolge mit fortlaufenden Nummern festgesetzt; die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft haben dabei ihre eigenen Nummern und unterscheiden sich von den übrigen durch ein vorgesetztes L.
Alphabetische vom Reichsversicherungsamt aufgestellte Verzeichnisse ergeben für die industriellen Berufsgenossenschaft diejenigen Berufszweige, welche den einzelnen Berufsgenossenschaft angehören; sie sind in den «Amtlichen Nachrichten des Reichsversicherungsamtes» (Ⅰ, 254; Ⅱ, 134, 204; Ⅲ, 132, 296) abgedruckt. Über die Organisation dieser Berufsgenossenschaft bestehen anderweite Veröffentlichungen des Reichsversicherungsamtes.
Vgl. Amtliche Nachrichten, Ⅶ, 291; Ⅹ, 201.
Umfang der einzelnen Berufsgenossenschaft. Die Berufsgenossenschaft umfassen begrifflich nicht die sämtlichen in ihren örtlichen Bezirken vorhandenen Betriebe aller Art, sondern nur die der betreffenden Gruppe angehörenden unfallversicherungspflichtigen Betriebe und Betriebszweige, außerdem aber auch die Nebenbetriebe der betreffenden Unternehmer, auch wenn diese Nebenbetriebe, sofern sie selbständig wären, zu einer andern Berufsgenossenschaft gehören würden. Je nach der Dichtigkeit, in welcher der betreffende Berufszweig in den einzelnen Gegenden des Deutschen Reichs sich findet, und je nach dem Umfange des Berufszweigs selbst sind denn auch die Bezirke der Berufsgenossenschaft verschieden.
Die land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft schließen sich durchweg an die Verwaltungseinteilung der einzelnen Bundesstaaten an und umfassen die einzelnen Provinzen der größern, sowie die ganzen Staatsgebiete der kleinern Bundesstaaten; sie beschränken sich im allgemeinen auf das Gebiet je eines Bundesstaates, und nur an einzelne preußische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft sind auch Staatsgebiete benachbarter kleiner Bundesstaaten angeschlossen. Von den übrigen Berufsgenossenschaft umfassen 28 das ganze Reich, 24 das Gebiet oder Gebietsteile mehrerer Bundesstaaten und nur 12 beschränken sich auf das Gebiet je eines einzigen Bundesstaates (davon 6 auf Preußen, [* 2] 2 auf Bayern, [* 3] 2 auf Sachsen, [* 4] 1 auf Württemberg, [* 5] 1 auf Elsaß-Lothringen). [* 6]
Eine Folge dieser Einteilung ist nicht nur, daß die Zahl der zu den einzelnen Berufsgenossenschaft vereinigten Betriebsunternehmer und die Zahl der von denselben beschäftigten versicherten Personen überaus verschieden ist (so u. a. bei der Müllerei-Berufsgenossenschaft, der Rheinisch-Westfälischen Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft, der Brennerei-Berufsgenossenschaft), sondern auch, daß die Bezirke der einzelnen Berufsgenossenschaft sich nicht miteinander decken, sondern einander kreuzen, und daß an jedem Orte Deutschlands [* 7] so viel Berufsgenossenschaft arbeiten, als Gruppen von Berufszweigen an diesem Orte vertreten sind.
Insbesondere sind in großen Städten eine ganze Reihe von einzelnen Berufsgenossenschaft thätig. Wird hierdurch die Verwaltung immerhin erschwert, so ergiebt sich doch aus der Gruppierung nach Berufszweigen der große unverkennbare Vorteil, daß die durch ihren Beruf einander nahe stehenden Unternehmer nun auch ihre socialpolit. Interessen gemeinsam wahrnehmen; sie bietet insbesondere auch Vorteile für den Erlaß zweckdienlicher Unfallverhütungsvorschriften, welche, weil von den Interessenten selbst erlassen, den schwierigen Mittelweg zwischen zu großer Strenge und zu geringen Anforderungen innehalten.
Organisation. Die Berufsgenossenschaft sind jurist. Personen mit Selbstverwaltung. Letztere ist bei den land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, wenn auch nicht beseitigt, so doch zurückgedrängt, insofern nämlich die laufende Verwaltung dieser Berufsgenossenschaft von der Genossenschaftsverwaltung oder durch Landesgesetz an Organe der ständischen Selbstverwaltung oder an andere Beamte übertragen werden darf; doch dürfen einzelne wichtige Angelegenheiten, insbesondere die Beschlußfassung über das Statut und über Abänderungen desselben, der selbständigen rechtskräftigen Entschließung der Mitglieder der Berufsgenossenschaft nicht entzogen werden (§§. 26, 110 des landwirtschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes vom Die Berufsgenossenschaft können nach örtlichen Bezirken in Sektionen eingeteilt werden,wodurch eine Decentralisation herbeigeführt wird.
Ihre Organe sind die Genossenschaftsversammlung, die auch aus Delegierten bestehen kann, ferner der Genossenschaftsvorstand, die Sektionsversammlung und der Sektionsvorstand, örtliche Vertrauensmänner sowie beamtete Beauftragte (s. d.). Mit Ausnahme dieser Beauftragten fungieren die übrigen Organe in unbesoldetem Ehrenamte, doch darf ihnen Entschädigung für Zeitverlust gewährt werden. Für die Besorgung des innern Geschäftsgangs können besoldete Bureau-, Kanzlei- und sonstige Beamte angestellt werden, zu denen auch die sog. Geschäftsführer gehören (s. unten).
Wenn auch von dem Zwange zur Teilnahme an den Geschäften der in erster Linie der Arbeitgeber berührt wird, so beteiligen sich doch auch die Arbeitnehmer an einzelnen Aufgaben der Berufsgenossenschaft, insbesondere an der Wahl der Beisitzer der Schiedsgerichte, an den Unfalluntersuchungen und an den Beratungen über Unfallverhütungsvorschriften.
Die Aufgabe der Berufsgenossenschaft besteht in der Durchführung der Unfallversicherung; in Erfüllung dieser Aufgabe sind sie an die gesetzlichen Bestimmungen und an die Vorschriften ihres Statuts gebunden, welches ¶
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letztere sie selbst beschließen. Insbesondere haben die Berufsgenossenschaft den Gefahrentarif, welcher wenigstens bei den industriellen Berufsgenossenschaft obligatorisch ist, aufzustellen, die einzelnen Betriebe in denselben einzuschätzen, die Feststellung der Renten vorzunehmen, die Beiträge auszuschreiben und von den Unternehmern einzuziehen; sie sind ferner befugt, Unfallverhütungsvorschriften für ihre Mitglieder und auch für die versicherten Arbeiter zu erlassen und deren Befolgung durch genaue Überwachung der Betriebe, sowie durch höhere Einschätzung oder Geldstrafen gegen die Zuwiderhandelnden zu erzwingen.
Die Berufsgenossenschaft unterliegen bei Durchführung ihrer Aufgaben der Beaufsichtigung durch das Reichsversicherungsamt (s. d.) oder, falls sie sich nicht über ein Staatsgebiet hinaus erstrecken, für das ein Landesversicherungsamt (s. d.) errichtet ist, der Beaufsichtigung dieses Landesversicherungsamtes; diese Aufsichtsbehörden sind zur Genehmigung des Statuts und seiner Abänderungen, des Gefahrentarifs, der Unfallverhütungsvorschriften u. s. w. befugt, sowie ferner dazu, die Geschäftsführung zu prüfen, Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Genossenschaftsorgane sowie Strafbeschwerden zu entscheiden und die Inhaber der Genossenschaftsämter zur Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften durch Geldstrafen anzuhalten.
Die von den Berufsgenossenschaft oder ihren Organen getroffenen Entschließungen über die Bewilligung oder Ablehnung von Unfallrenten unterliegen zunächst der Berufung an das für die Berufsgenossenschaft errichtete Schiedsgericht, demnächst der Berufung an das Reichs- oder Landesversicherungsamt. Zur gemeinsamen Übernahme der Unfallversicherung können sich mehrere Berufsgenossenschaft zu Rückversicherungsverbänden zusammenschließen; leistungsunfähige Berufsgenossenschaft können durch den Bundesrat aufgelöst werden. Die für die knappschaftspflichtigen Betriebe gebildete Knappschafts-Berufsgenossenschaft hat einige besondere Bestimmungen, die in §. 94 des Unfallversicherungsgesetzes näher aufgeführt sind.
Einteilung. Die einzelnen und ihre Sitze sind folgende:
1) Knappschafts-Berufsgenossenschaft in Berlin; [* 9]
2) Steinbruchs-Berufsgenossenschaft in Berlin;
3) Berufsgenossenschaft der Feinmechanik in Berlin; 4‒11) 6 Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft (Süddeutsche in Frankfurt [* 10] a. M., Südwestdeutsche in Saarbrücken, [* 11] Sächsisch-Thüringische in Leipzig, [* 12] Nordöstliche in Berlin, Schlesische in Breslau, [* 13] Nordwestliche in Hannover; [* 14] die Eisen- und Stahlindustrie in Rheinland-Westfalen hat sich in zwei Berufsgenossenschaft geteilt, nämlich die Rheinisch-Westfälische Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft und die Rheinisch-Westfälische Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft, beide in Düsseldorf); [* 15] 12 und 13) 2 Edel- und Unedelmetallindustrie-Berufsgenossenschaft (Süddeutsche in Stuttgart [* 16] und Norddeutsche in Berlin);
14) Berufsgenossenschaft der Mnsikinstrumentenindustrie in Leipzig;
15) Glas-Berufsgenossenschaft in Berlin;
16) Töpferei-Berufsgenossenschaft in Berlin;
17) Ziegelei-Berufsgenossenschaft in Berlin;
18) Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie in Berlin;
19) Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke in Berlin; 20‒27) 8 Textil-Berufsgenossenschaft (nämlich die Leinen-Berufsgenossenschaft in Bielefeld, [* 17] die Seiden-Berufsgenossenschaft in Krefeld, [* 18] sowie die Norddeutsche Textil-Berufsgenossenschaft in Berlin, die Süddeutsche Textil-Berufsgenossenschaft in Augsburg, [* 19] die schlesische Textil-Berufsgenossenschaft in Breslau, die Elsaß-Lothringische Textil-Berufsgenossenschaft in Mülhausen [* 20] i. E., die Rheinisch-Westfälische Textil-Berufsgenossenschaft in M.-Gladbach und die Sächsische Textil-Berufsgenossenschaft in Leipzig);
28) Papiermacher-Berufsgenossenschaft in Berlin;
29) Papierverarbeitungs-Berufsgenossenschaft in Berlin;
30) Lederindustrie-Berufsgenossenschaft in Berlin; 31‒34) 4 Holz-Berufsgenossenschaft (nämlich die Sächsische in Dresden, [* 21] die Norddeutsche in Berlin, die Bayrische in München, [* 22] die Südwestdeutsche in Stuttgart);
35) Müllerei-Berufsgenossenschaft in Berlin;
36) Nahrungsmittelindustrie-Berufsgenossenschaft in Mannheim; [* 23]
37) Zucker-Berufsgenossenschaft in Berlin;
38) Brennerei-Berufsgenossenschaft in Berlin;
39) Brauerei- und Mälzerei-Berufsgenossenschaft in Frankfurt a. M.;
40) Tabak-Berufsgenossenschaft in Berlin;
41) Bekleidungsindustrie-Berufsgenossenschaft in Berlin; 42.) Berufsgenossenschaft der Schornsteinfegermeister in Berlin, 43‒54) 12 Baugewerks-Berufsgenossenschaft (nämlich die Hamburgische in Hamburg, [* 24] die Nordöstliche in Berlin, die Schlesisch-Posensche in Breslau, die Hannoversche in Hannover, die Magdeburgische in Magdeburg, [* 25] die Sächsische in Dresden, die Thüringische in Erfurt, [* 26] die Hessen-Nassauische in Frankfurt a. M., die Rheinisch-Westfälische in Elberfeld, [* 27] die Württembergische in Stuttgart, die Bayrische in München, die Südwestliche in Straßburg [* 28] i. E.);
55) Deutsche [* 29] Buchdrucker-Berufsgenossenschaft in Leipzig; 56 und 57) 2 Eisenbahn-Berufsgenossenschaft (nämlich die Privatbahn-Berufsgenossenschaft in Lübeck [* 30] und die Straßenbahn-Berufsgenossenschaft in Berlin);
58) Speditions-, Speicherei- und Kellerei-Berufsgenossenschaft in Berlin;
59) Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft in Berlin; 60‒62) 3 Binnenschiffahrts-Berufsgenossenschaft (nämlich die Westdeutsche in Duisburg, [* 31] die Elbschiffahrts-Berufsgenossenschaft in Magdeburg und die Ostdeutsche in Bromberg); [* 32]
63) See-Berufsgenossenschaft in Hamburg;
64) Tiefbau-Berufsgenossenschaft in Berlin. Dazu treten dann noch 48 land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft. Nach dem Berichte des Reichsversicherungsamtes weisen die 112 Berufsgenossenschaft (1893) auf:
Berufsgenossenschaften | Zahl | Sektionen | Betriebe | Versicherte Personen |
---|---|---|---|---|
Gewerbliche | 64 | 358 | 420874 | 5168973 |
Landwirtschaftliche | 48 | 556 | 4769243 | 12289415 |
Zusammen | 112 | 914 | 5190117 | 17458388 |
(Nähere statist. Angaben unter den Einzelartikeln.) Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, daß noch 372 Ausführungsbehörden der Reichs-, Staats-, Provinzial- und Kommunalverwaltungen mit 660462 versicherten Personen beteiligt waren.
Nutzen und Wert der Berufsgenossenschaft An sich sind die ein Gebilde, welches auch zur Übernahme weiterer Aufgaben auf socialpolit. Gebiete geeignet ist; damit ist natürlich nicht gesagt, daß sie zu allen derartigen Aufgaben geeignet seien. So ist ihnen insbesondere die Durchführung der Invaliditäts- und Altersversicherung (für deren Übernahme übrigens auch manche Berufsgenossenschaft wenig Neigung zeigten) entgegen der Absicht der Reichsregierung nicht übertragen worden, weil die Auffassung überwog, daß bei dieser Maßregel, die den Verlauf des ganzen Arbeitslebens erfaßt, und bei dem häufigen Orts- und Berufswechsel der Arbeiter die Gleichheit des Berufs weder bei Arbeitgebern noch bei Arbeitnehmern ausschlaggebend sein könne, daß hier vielmehr die bei territorialer Organisation zu erzielenden Erleichterungen der Verwaltung den Ausschlag geben müßten.
Darüber, ob und welche weitern Aufgaben den Berufsgenossenschaft später zu übertragen sind, läßt sich zur Zeit ein zuverlässiges Urteil noch nicht gewinnen; dabei wird es vor allem auch darauf ankommen, ob die Berufsgenossenschaft selbst geneigt sind, weitere Aufgaben zu übernehmen, und ob sie sich auch ferner bewähren werden. Daß die Berufsgenossenschaft bisher die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt haben, muß trotz des Widerspruchs, der sich von einzelnen Seiten zuweilen erhebt, bedingungslos zugegeben werden; schon die Thatsache einer berufsmäßigen Zusammenfassung der einzelnen Berufszweige, der Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften und die Einschätzung der Betriebe in Gefahrenklassen, sowie die ¶
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zweckmäßige Kontrolle der einzelnen Betriebe beweist dies zur Genüge.
Der Berufsgenossenschaft wird von ihren Gegnern insbesondere eine bureaukratische und kostspielige Verwaltung vorgeworfen. Beides ist unzutreffend. Die Berufsgenossenschaft haben kraft Gesetzes Selbstverwaltung und üben dieselbe auch thatsächlich aus; daß dabei einzelne Obliegenheiten nicht von dem vollbesetzten Vorstande oder den sonstigen Organen, sondern nur von einzelnen, zum Teil auch von bezahlten Beamten erfüllt werden können, liegt in der Natur der Sache und ist um so weniger bedenklich, als seitens der Aufsichtsbehörde mit Nachdruck darauf hingewirkt wird, daß die Geschäftsführer, d. h. die bezahlten Beamten der Berufsgenossenschaft, nicht über ihre Befugnisse hinausgehen und jedenfalls in solchen Angelegenheiten, in welchen Verpflichtungen von finanzieller Tragweite seitens der Berufsgenossenschaft übernommen werden müssen, oder in welchen die Berufsgenossenschaft als solche nach außen hin, z. B. im Verkehr mit Behörden, zu vertreten sind, nicht in den Vordergrund geschoben werden. In letzter Zeit sind denn auch erhebliche Übergriffe der Geschäftsführer nicht mehr zur Kenntnis der Behörden gekommen.
Was sodann die Höhe der Verwaltungskosten anlangt, so gestalten sich dieselben bei den einzelnen Berufsgenossenschaft natürlich ganz verschiedenartig, je nachdem sie kostspielige oder weniger kostspielige Einrichtungen getroffen haben, und mehr oder weniger an Entschädigung für Zeitaufwand der verwaltenden Mitglieder, bez. an Beamtengehältern u. s. w. gewähren. Aber auch aus innern Gründen erreichen die Verwaltungskosten eine verschiedene Höhe. So wirtschaftet eine Berufsgenossenschaft für wenige, aber intelligente Großindustrielle offenbar billiger als eine Berufsgenossenschaft mit einer großen Zahl kleiner Betriebe, eine Berufsgenossenschaft mit kleinem Bezirk in der Regel billiger als eine solche mit großem Bezirk und örtlich auseinander gezogenen Betrieben; endlich eine Berufsgenossenschaft, welche es mit der Unfallverhütung und der Kontrolle der Betriebe ernst nimmt, teurer als eine andere, welche in dieser Beziehung weniger thut. Im übrigen hat der Durchschnitt der laufenden Verwaltungskosten bei industriellen Berufsgenossenschaft, auf den Kopf der versicherten Personen berechnet, nur betragen 1887: 0,75 M., 1888: 0,74, 1889: 0,75, 1890: 0,75, 1891: 0,78, 1892: 0,83, 1893: 0,86 M., und dieser Durchschnitt erscheint thatsächlich nicht hoch.
Keinesfalls darf man diese Verwaltungskosten mit denjenigen Ausgaben in Vergleich stellen, welche die Berufsgenossenschaft zur Deckung der Unfallentschädigungen bisher jährlich aufgebracht haben; denn letztere werden nicht nach ihrem Kapitalwert, sondern nur in Höhe der Jahresbeiträge der thatsächlich zur Auszahlung gelangten Jahresrenten aufgebracht, müssen also wegen dieses Umlageverfahrens bis zur Erreichung des Beharrungszustandes jährlich wachsen, während die Verwaltungskosten sich gleich bleiben.
Wollte man die Ausgaben für Unfalllasten mit denen für die Verwaltung in Vergleich stellen, so müßte man nicht die zur Auszahlung gelangten Jahresbeträge der erstern, sondern deren Kapitalwert in Ansatz bringen; dann ergiebt sich bei annäherndem Überschlag, daß die Verwaltungskosten nur etwa 8 Proz. der Gesamtbelastung ergeben haben. Dies ist überaus wenig, insbesondere wenn man bedenkt, daß die Privatgesellschaften, soweit bekannt, nicht unter 18, wohl aber bis zu 40 Proz. ihrer Gesamtausgaben für Verwaltungskosten aufzuwenden hatten.
Die Gesamtzahl der Verletzten, für welche Entschädigungen festgestellt worden sind, betrug (1893) 206086, darunter 58724 Verletzte aus dem J. 1893. Die anzurechnenden Jahreslöhne betrugen 3366587329 M., die Summe der Entschädigungen (Renten u. s. w.) 34173471 M., wozu die Einlagen in den Reservefonds bis 12285879 M.), die Kosten der Unfalluntersuchungen, Unfallverhütung und der Schiedsgerichte (2318489 M.) sowie die der Verwaltung (5768408 M.) hinzukommen. Die effektiven Ausgaben betrugen 54548616, die effektiven Einnahmen 65974560 M.
Wie sehr die Bildung der Berufsgenossenschaft dem Zuge der Deutschen nach korporativer Vereinigung entspricht, beweist u. a. der Umstand, daß die überwiegende Mehrheit (45) der gewerblichen Berufsgenossenschaft sich wiederum zu einem Verband [* 34] zusammengeschlossen hat, der, in einer am zu Berlin abgehaltenen Versammlung von Berufsgenossenschaftsvertretern geplant, zu Frankfurt a. M. am konstituiert wurde. Der Verband der deutschen hat den Zweck, eine Vereinigung für den Meinungsaustausch und den persönlichen Verkehr der Berufsgenossenschaft zu bilden, die gemeinsamen Angelegenheiten der Berufsgenossenschaft zu vertreten und die weitere Entwicklung der berufsgenossenschaftlichen Gliederung zu fördern.
Seine Satzungen sehen als Vertreter des Verbands den Berufsgenossenschaftstag und den geschäftsführenden Ausschuß vor. Der Ausschuß wird aus mehrern Berufsgenossenschaft gebildet. Derselbe wählt seinen Vorsitzenden, der wiederum dem Berufsgenossenschaftstag präsidiert, und hält Sitzungen nach Bedarf ab. Jeder Berufsgenossenschaftstag bestimmt den Ort der nächstjährigen Zusammenkunft. Bis jetzt fanden Berufsgenossenschaftstage in Frankfurt a. M., Köln, [* 35] Berlin, Straßburg, München, Hamburg, Stuttgart und Dresden statt.
Der Verband hat das Verdienst, ohne jurist. Persönlichkeit zu besitzen, einsichtsvoll seine Aufgaben zu erfüllen. Dem Reichsversicherungsamt steht er als ein mit ihm in den besten Beziehungen stehendes beratendes und vermittelndes Organ zur Seite. Von seinen Bestrebungen sind insbesondere die auf Errichtung von Unfallkranken- und Rekonvalescentenhäusern, von Pensionskassen für die Beamten der Berufsgenossenschaft, Führung einer Lohnstatistik, Erlaß von Normal-Unfallverhütungsvorschriften für gleichartige Gefahren u. s. w., erste Hilfeleistung bei Unfällen durch Schaffung sog. Unfallstationen (s. d.) u. s. w. gerichteten hervorzuheben.
Der Mitte des J. 1894 veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes betreffend die Erweiterung der Unfallversicherung will für den größten Teil derjenigen Betriebe, auf welche der Versicherungszwang erstreckt werden soll (Handwerk, Kleingewerbe, Fischerei, [* 36] Seeschiffahrt auf kleinen Fahrzeugen, Handelsgewerbe u. s. w.), eine neue Organisationsform, nämlich bezirksweise zu errichtende Unfallversicherungsgenossenschaften einführen, welche ohne Scheidung der Berufszweige sämtliche in dem Bezirk vertretenen Betriebe umfassen sollen und deren Verwaltung den Kommunalverbänden obliegen soll. Der Entwurf verspricht sich von diesen Genossenschaften eine erhebliche Herabminderung der Verwaltungskosten und eine schnellere Erledigung der Geschäfte. Nur für einzelne besonders leistungsfähige Gruppen der obengedachten Betriebe soll, wenn dies in den Wünschen der Beteiligten liegt, die berufsgenossenschaftliche Organisation nicht ausgeschlossen sein.
In Österreich [* 37] erfolgt die Unfallversicherung im wesentlichen durch territoriale Versicherungsanstalten; neben diesen ist die Bildung von Berufsgenossenschaft nur ¶
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als ausnahmsweise zulässig erklärt und nur in einem Falle versucht worden.