(Best-Haupt,
Butteil,
Baulebung, Mortuarium,
Tote Hand u. s. w.). Die
Güter der nicht vollfreien
Bauern standen auch nicht im
vollen Eigentum derselben, sondern es hatten sich für sie sehr mannigfaltige und eigentümliche Besitzverhältnisse gebildet.
Abgesehen von den durchaus widerruflich, nur auf Herrengunst verliehenen
Gütern gab es solche, die auf Lebenszeit oder zwei
oder drei Leben verliehen waren
(Todbestände, Schupf- oder Falllehne, Leibgedinggüter,
Behandigungsgüter u. s. w.), außerdem
erbliche
Kolonate, welche zum
Teil aus den Verleihungen der letztern Art hervorgegangen waren (Meiergüter, Schillingsgüter,
Laten- oder Hobsgüter u. s. w.), sowie andere erbpachtartige Verhältnisse (Erbleihe, Erbbestände,
Erbzinsgüter). Auch findet man
Bauerngüter in einem dem eigentlichen
Lehn nachgebildetenVerbande (Bauernlehne,
Schulzenlehne).
Zu den völlig freien Bauerngütern gehörten die Sattelhöfe (Sedelhöfe), welche Bezeichnung auch für gewisse Rittergüter
vorkommt, die ludeigenen
Güter in
Bayern,
[* 2] die Freizinsgüter im Erfurtischen u. s. w. Zu dieser
Klasse sind auch noch diejenigen
zu rechnen, die nur unter einer Vogtei, einer Schutzherrschaft standen und einen Vogtzins und auch wohl
noch andere Lasten tragen mußten, wie die
Güter der Wetterfreien in Osnabrück,
[* 3] die Erbexen im Bremischen, die Erbhöfe
in
Lüneburg
[* 4] u. s. w. Im allgemeinen verknüpfte sich demnach
bis in die neueste Zeit mit dem
AusdruckBauerngut der
Begriff eines
Gutes, das außer den allgemeinen öffentlichen noch besondere sog. bäuerliche Lasten
zu tragen hatte.
Die
Reformen des 18. und 19. Jahrh. aber liefen in
Deutschland
[* 5] darauf hinaus, daß den
Bauern nicht nur die persönliche
Freiheit,
sondern auch das nach einem der ältern Rechtsverhältnisse von ihnen besessene Land vollständig oder zu einem
Teile als
volles Eigentum zugesprochen wurde sowie die überkommenen Leistungen der
Bauerngüter in ablösbare Reallasten
umgewandelt wurden. (S. Grundeigentum, Grundlasten,
Agrargesetzgebung.) Von einer besondern Rechtsstellung, d. h. rechtlichen
Zurücksetzung des
Bauernstandes als solchen kann in
Deutschland keine Rede mehr sein. In
Rußland bilden die
Bauern auch nach
der Aufhebung der
Leibeigenschaft einen besondern
Stand, und zwar den untersten, neben dem die übrigen,
z. B. bezüglich der Kopfsteuerpflicht, bevorrechtet erscheinen.
Wo wider die heutige regelmäßige Gestaltung der
Bauer nicht volles freies Eigentum hat, hat dies in einigen Gegenden Bedeutung
für das
Erbrecht (s.
Anerbe) und in geringem
Maße auch für das eheliche Güterrecht mit Rücksicht auf die Gestaltung der
Rechte des aufheiratendenEhegatten. (S. auch Interimswirtschaft.) Die frühern gesetzlichen
Beschränkungen,
Verbot der
Vereinigung mehrerer
Bauerngüter in einer
Hand,
[* 6] Dismembrationsverbote, welche die
Erhaltung eines kräftigen
Bauernstandes
bezweckten, sind bis auf einen verschwindenden Rest weggefallen. -
Pfarrdorf mit Rittergut im
Kreis
[* 9]
Meiningen
[* 10] des Herzogtums
Sachsen-Meiningen, hat (1800) 410 E., darunter ein
Sechstel Israeliten, die früher sämtlich in einem eigenen
Bezirke («Judenbau») wohnten;
hier lebte
Schiller nach seiner Flucht
aus
Stuttgart
[* 11] als Dr. Ritter auf dem Gute der Frau von Wolzogen Dez. 1782 bis Juli 1783 in
strengster Zurückgezogenheit, vollendete die «Verschwörung des Fiesco»,
schrieb
«Kabale und Liebe» und entwarf den
Plan zum
«DonCarlos».
Das Schillerzimmer ist noch in seinem damaligen Zustande.
Adolf, Theaterdichter und Romanschriftsteller, geb. zu
Wien,
[* 12] trat 1802 mit einem Ritterroman als
Schriftsteller
auf und war 1809-38 Sekretär
[* 13] am
LeopoldstädterTheater.
[* 14] Er starb 19./20. Sept. 1859 zu
Basel.
[* 15] Bäuerle widmete sich mit vielem
Glück dein
WienerVolkstheater und der Lokalposse. Er brachte in den
«Bürgern in
Wien» (1813) die
[* 1]
Figur des
«Staberl» auf, und von seinen zahlreichen
Stücken (nur zum
Teil als «Komisches
Theater», 6 Bde.,
Pest 1820-26,
gesammelt) wurden «Der Leopoldstag» (1818),
«Aline» (1826) und einige andere auch außerhalb
Wiens mit vielem Beifall gegeben. Bäuerle bleibt meist in der niedern
Komik stecken und vertieft seine einfachen
Stoffe und Charaktere
nirgends, ist aber reich an Eingebungen unbefangener Lustigkeit. Die von ihm 1806 begründete «Wiener
Theaterzeitung», die nach seinem
Tode einging, war 1820-47 das verbreitetste
Blatt
[* 16] der österr. Monarchie. Von seinen
Romanen
haben nur die unter dem
PseudonymOttoHorn erschienenen
«ThereseKrones» (5 Bde.,
Wien 1854-55) und «Ferdinand
Raimund» (3 Bde.,
ebd. 1855), die den zwischen Ernst und Scherz schwankenden
Wiener Lokalroman einführen, wegen der Fülle
des Persönlichen und wienerisch Anekdotischen ein größeres Interesse.-
in
Österreich
[* 17] die örtlich beschränkten kleinen Feuerversicherungsvereine.
Der älteste aller
derartigen
Vereine ist der 1710 zu Kremsmünster begründete.
Die Bauernassekuranzen, welche in gewisser
Weise den Kuhgilden (s. Viehversicherung)
und andern kleinen Versicherungsanstalten ähnlich sind, stehen in versicherungstechnischer Hinsicht
hinter den großen Versicherungsanstalten, die die Gefahr über größere Gebiete verteilen, zurück. 1888 gab es 295 Bauernassekuranzen mit 298 080 Mitgliedern.
im allgemeinen die
Befreiung des
Bauern von der persönlichen Unfreiheit, die
sich in der Form der
Leibeigenschaft (s. d.) oder Erbunterthänigkeit
bis in die neuere Zeit erhalten hatte. (S.
Agrargesetzgebung.)
Vorzugsweise ist dieser
Ausdruck gebräuchlich für die
Befreiung der russ.
Bauern, die durch das
ManifestAlexanders II. vom 19. Febr.
vollzogen worden ist. Nicht weniger als 23 Mill. Leibeigene erhielten hierdurch ihre persönliche
Freiheit, wenn sie auch noch während einer Übergangszeit in einer zeitweiligen Pflichtigkeit verblieben. Binnen 2 Jahren
sollten die Grundherren ihnen ihre Häuser nebst angemessenen Landanteilen gegen
Zins oder
¶
Arbeitsleistungen zur Nutznießung überweisen, und es war den Befreiten dann die Möglichkeit geboten, die Häuser nebst
Zubehör, sowie unter Zustimmung der Gutsbesitzer auch das Land als Eigentum zu erwerben. Die Ablösung erfolgte in der Weise,
daß die Leistungen des Bauern nach dem Zinsfuß von 6 Proz. kapitalisiert wurden und von der
so berechneten Summe 20 Proz. sofort an den Grundherrn zu bezahlen waren, während die Regierung demselben
den Rest von 80 Proz. in fünfprozentigen Schatzscheinen oder Loskaufscertifikaten abtrug und
von den Bauern diesen Vorschuß im Laufe von 49 Jahren in Gestalt einer Zins und Amortisation darstellenden Quote von 6 Proz.
desselben einzog.
Als Käufer konnten sowohl Einzelne und Genossenschaften wie auch, im Anschluß an das in Rußland weitverbreitete System des
Gemeindebesitzes (s. Mir), die Bauerngemeinden auftreten, deren Mitglieder dann solidarisch für
die Loskaufssumme wie für die übrigen Abgaben hafteten. Im ganzen wurde ungefähr ein Drittel des adligen Grundbesitzes,
nämlich 35 779 014 Dessiatinen (390 886 qkm) an 9 795 163 Bauern überwiesen. So unabweisbar die in Rußland
auch geworden war, so konnte sie doch, als tiefer Eingriff in das bestehende Wirtschaftssystem, auch nicht ohne manche mißlichen
Folgen bleiben, deren Tragweite durch den geringen Bildungsstand und die zunehmende Trunksucht der Bauern,
vielfach auch durch das mit landwirtschaftlichem Fortschritt nicht vereinbarte System der Feldgemeinschaft vergrößert wurde.
Während bald nach der Emancipation der Bodenpreis in einigen Gouvernements 50 und mehr Prozent hoher stand als der Ablösungspreis
von 1861, war er in andern Landesteilen mehr oder weniger erheblich unter den letztern zurückgegangen. Eine
amtliche Untersuchung der landwirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bauernemancipation wurde 1872 durch eine Kommission veranstaltet, die
einen ausführlichen Bericht mit vielen Anlagen (5 Bde., Petersb.
1873; russisch) veröffentlicht hat. Einen kurzen Überblick desselben giebt Walcker: «Die russ. Agrarfrage» (Berl. 1874).
-
In betreff der Bauernemancipation im allgemeinen vgl. Sugenheim,
Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit in Europa
[* 22] (Petersb. 1861).
Karl Maximilian von, Geodät und Ingenieur, geb. zu Arzberg in Oberfranken, widmete sich
1836-41 zu Nürnberg
[* 23] und München
[* 24] technischen Studien, war bis 1844 an der Bauleitung für die Fichtelgebirgsbahn beteiligt und
wurde hierauf als Hilfslehrer an die Ingenieurschule zu München berufen. Hier wurde er 1846 außerord., 1851 ord. Professor
der Geodäsie und Ingenieurwissenschaften. Von 1858 bis 1868 war Bauernfeind außerdem als Baurat und Referent
im bayr. Ministerium des Innern thätig, 1868 wurde er zum Direktor der nach seinem Plane aus der Münchener Polytechnischen
Schule umgeschaffenen Technischen Hochschule ernannt, welches Amt er bis 1874 und wieder 1880-83 bekleidete.
Seit 1865 Mitglied der königlich bayr. Akademie der Wissenschaften und der europ. Gradmessung,
[* 25] wurde er 1873 vom
König von Bayern in den persönlichen Adelsstand erhoben. Er trat 1890 in den Ruhestand und starb in München. Zu
B.s geodätischen
Schriften gehört: «Theorie und Gebrauch des Prismenkreuzes» (Münch. 1851). Die Erfindung dieses allgemein
angewendeten Instrumentes beruht auf der Entdeckung des Verfassers, daß durch totale Reflexion dreiseitiger
Glasprismen von bestimmter Gestalt einfallende Lichtstrahlen um konstante Winkel
[* 26] von bestimmter Größe abgelenkt werden. Mit
dieser Entdeckung war auch das zum Messen von Entfernungen dienende Bauernfeindsche Distanzprisma erfunden. Hierauf folgte
B.s Hauptwerk: «Elemente der Vermessungskunde» (2 Bde.,
Stuttg. 1856-58; 7. Aufl. 1890). Durch seine «Beobachtungen und Untersuchungen über die Genauigkeit barometrischer
Höhenmessungen» (Münch. 1862) wirkte Bauernfeind bahnbrechend in der vielumstrittenen Frage über den Wert der Barometermessungen,
indem er zeigte, daß und warum die auf diesem Wege gefundenen Höhen eine tägliche Periode haben, also von den durch Nivellieren
erhaltenen nach bestimmten Regeln abweichen.
Anknüpfend an diese Arbeit liefert die Abhandlung über «Die atmosphärische Strahlenbrechung
[* 27] u. s. w.»
l2 Abschn., Münch. 1864-67) eine Theorie dieser Erscheinung. In den «Ergebnissen aus Beobachtungen der terrestrischen Refraktion»
(3 Hefte, Münch. 1880-88) wird zum erstenmal nachgewiesen, daß die trigonometrisch bestimmten Höhen eine tägliche Periode
haben. AndereSchriften sind: «Beobachtungen und Untersuchungen über die Eigenschaften und praktische Verwertung
der Naudetschen Aneroidbarometer» (Münch. 1874),
«Das Präcisionsnivellement in Bayern rechts des Rheins» (endgültig bearbeitet von Oertel, ebd. 1893). Von
den ingenieurwissenschaftlichen Arbeiten B.s sind anzuführen: «Beitrag zur Theorie der Brückengewölbe» (1846),
«Vorlegeblätter
zur Brückenbaukunde» (3. Aufl., 2 Bde.,
Stuttg. 1876),
«Vorlegeblätter zur Straßen- und Eisenbahnbaukunde» (Münch. 1856),
«Vorlegeblätter zur
Wasserbaukunde mit erläuterndem Text» (ebd. 1866),
«Grundriß der Vorlesungen über Erd- und Straßenbau» (ebd. 1875). Eine 1856 verfaßte,
nicht gedruckte Denkschrift über eiserne Brücken gab Veranlassung zur Ausbildung und Patentierung des Paulischen Brückensystems.
Eduard von, Lustspieldichter, geb. zu Wien, studierte daselbst die Rechte,
wurde 1826 Konzeptspraktikant bei der niederösterr. Regierung, erhielt 1830 eine Stelle bei der Hofkammer und 1843 bei der
Lotteriedirektion; später wurde er Leiter des Lottogefälls. Eine Reise durch Süddeutschland nach Paris
[* 28] und London
[* 29] (1845)
verleidete ihm die vormärzlichen Verhältnisse Österreichs, die er schon vorher in seinen als Petition
gegen die Censur eingereichten «Pia desideria eines österr. Schriftstellers» (1842) kritisiert hatte; 1848 verließ er den
Staatsdienst, um sich ganz der Litteratur zu widmen. Er wurde später geadelt und lebte bis zu seinem Tode, zurückgezogen
in seiner Vaterstadt. Nach einigen mißglückten dramat. Versuchen schlugen «Leichtsinn
aus Liebe» (1831) und besonders «Das Liebesprotokoll»
(1831) durch. Von seinen Lustspielen haben dann namentlich «Die Bekenntnisse» (1834),
«Bürgerlich und romantisch» (1835) und
die Allegorie der Staatszustände «Großjährig» (1846) dauernden Bühnenerfolg
gehabt. Nächstdem sind hervorzuheben: «Das Tagebuch» (1836),
«Alkibiades» (1889)
abfielen. B.s Salonstücke sind wahrhafte gesellschaftliche Gemälde, die das moderne Leben selbst, nicht bloß das beschränkte
bürgerlicher Familienkreise, und die geistige Bewegung der Zeit widerspiegeln. Die Charaktere sind lebendig gezeichnet, die
Situationen geschickt und theatralisch wirksam durchgeführt. B.s Lieblingshelden sind geistreiche,
blasierte Junggesellen, die nach bewegter Jugend spät in den Hafen einer glücklichen Ehe einlaufen.
Die Gesprächsführung ist äußerst gewandt und Muster des Konversationstons, geistvoll, elegant und von ungezwungenem Witz,
der auch in B.s Epigrammen «Zahme Xenien» Ausdruck fand. Auf Reichtum der Erfindung und kunstvollen Aufbau legt
Bauernfeld wenig Gewicht. Er verfaßte auch einige Libretti, so zu FranzSchubertsOper «Der Graf von Gleichen», ferner «Gedichte» (Lpz.
1852: 2. Aufl. 1856),
unter denen aber nur die satirischen Beachtung verdienen, und ein «PoetischesTagebuch» von 1820 bis 1886 (Berl.
1887). B.s dramat. Arbeiten sind in seinen «Gesammelten Schriften» (12 Bde., Wien 1871-73) vereinigt; der 12. Band
[* 32] bietet auch die Memoiren «Aus Alt- und Neu-Wien». Den «Dramat. Nachlaß» gab von Saar heraus (Stuttg.
1893). B.s echt wienerisches Wesen zeitigte «Wiener Einfälle und Ausfälle» (1852) und «Ein Buch von uns Wienern in lustig-gemütlichen
Reimlein von Rusticocampius» (1858). Der polit.-doktrinäre Roman «Die Freigelassenen. Bildungsgeschichte
aus Österreich» (2 Bde., Berl.
1875) besteht im wesentlichen aus Aphorismen; Früchte seines Alters waren das satir. Gedicht «Aus der Mappe des alten Fabulisten»
(Wien 1879) und sein «Novellenkranz» (ebd. 1884). -
im Mittelalter in einigen Gegenden auf dem Lande Gerichte, welche von einem Bauernrichter (Gograf) als
Vorsitzendem, fünf bis sechs Bauerngenossen als Beisitzern und einem Gerichtsschrelber abgehalten wurden;
eine um 1350 in Goslar
[* 33] geprägte Silbermünze, auf deren Rückseite die ApostelSimon und Judas, die
Schutzheiligen der Stadt, in ganzer
[* 30]
Figur dargestellt sind.
Der gemeine Mann sah die Apostel mit ihren
Stäben für Bauern mit Knütteln an und nannte daher die Münze Bauerngroschen.
[* 19] Nach den verschiedenen Gewohnheiten
des Landes hat das und die es umgebende Hofstätte sehr verschiedene
Gestalt angenommen. In neuerer Zeit hat man der Erforschung dieser hervorragende Aufmerksamkeit zugewendet,
weil man die kulturgeschichtliche Bedeutung der Fortentwicklung des deutschen und germanischen Bauernhaus, namentlich
auch ihre Bedeutung für die Beurteilung der Stammeseigenarten erkannt hat. Hierbei ging man von der Beobachtung aus, daß
die Aufteilung der Äcker an eine Gemeinde eine jener Einrichtungen ist, die dem Wandel wenig unterliegen,
daß man also aus der Dorfanlage und der Fluranordnung erkennen kann, welche Nation, welcher Stamm ursprünglich am betreffenden
Orte ansässig gewesen ist.
Selbst bei spätern Einwanderungen behielten die neuen Besitzer meist die ursprüngliche Äckerverteilung bei. Die fränk.
Dörfer, namentlich am Rhein, bilden zumeist einen ungeordneten Haufen (das Wort Dorf hat gleichen Stamm
mit dem lat. turba, Haufen), in welchem jeder Bewohner nach Willkür sich auf einem der ihm
gehörigen nach Fluren geteilten Grundstücke so ansiedelt, daß die Häuser dicht aneinander rücken. Das sächs.
Haus steht meist gesondert inmitten des geschlossenen Ackers, so daß eine Dorfbildung gar nicht erstrebt
wird, in slaw. Ansiedelungen sind die Grundstücke konzentrisch auf einen Platz zu gerichtet und stehen die Häuser im Kreise
[* 34] rings um diesen, den «Ring».
Den Stammeseigentümlichkeiten entsprechend haben sich nun auch die einzelnen Formen des Bauernhaus entwickelt. Die
Urformen festzustellen, ist bisber nur vermutungsweise möglich gewesen. Die altgerman. Bauweise ist
das Zimmern. Bei der verhältnismäßig geringen Widerstandskraft des Holzes gegen das Verfaulen und gegen Brand sind Bauernhaus aus
älterer Zeit wie dem 16. Jahrh. nicht mehr vorhanden, oder doch nicht nachweisbar. Im allgemeinen
kann man aber erkennen, daß nicht der Blockbau, sondern der Ständerbau den meisten german. Häusern
eigenartig war. Inwieweit das altgriech. und altital. Haus (s.
Haus) in Vergleich zu ziehen ist, das nach neuern Untersuchungen über den Tempelbau der Griechen ursprünglich auch ein Holzhaus
war, muß noch genauern Untersuchungen vorbehalten werden.
Am weitesten verbreitet in Deutschland ist das fränkisch-thüringische Bauernhaus (s. Tafel: Bauernhäuser I,
[* 30]
Fig. 1 u. 2). Seine Grenze gegen N. zieht sich von der Maas bei Venlo bis zur Ruhrmündung, die Ruhr hinauf bis zur westfäl.
Grenze, längs des Raumes des Rothaargebirges bis südlich von Olpe und nördlich weiter bis nach Osterburg, wendet sich dann
nördlich des Habichtswaldes über Zierenberg nach Münden an der Weser und Hildesheim
[* 35] und trifft die
Elbe bei Tangermünde.
Weiterhin wird die Grenze, die sonst sich ziemlich genau mit jener zwischen mittel- und niederdeutschen Dialekten deckt,
immer ungenauer. Das fränkisch-thüringische Bauernhaus zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß es einen Teil einer geschlossenen
Hofstätte bildet. Es steht mit der Schmalseite gegen die Straße zu; an erstere legt sich ein Doppelthor
für Fußgänger und Wagen, weiterhin die Auszüglerwohnung. Dem Bauernhaus gegenüber befindet sich ein gesondertes
Stallgebäude, dem Thor gegenüber die Scheune. Mitten im Hofe befindet sich die Dungstätte und der Brunnen,
[* 36] hinter der Scheune
der Obst- und Gemüsegarten. Das Bauernhaus selbst ist in drei Teile geteilt: in der Mitte befindet sich die Küche
(der alte Herdraum), von der zumeist vorn
¶
mehr
ein Teil als Flur«Eren» abgetrennt ist. Von hier gelangt man nach dem Stall und nach der Stube. Ursprünglich dürfte der ganze
Van in Holz
[* 38] ausgeführt gewesen sein, früh begann man Küche und Stall, später das ganze Erdgeschoß in Stein auszuführen.
An der Stube behielt man der Wärme
[* 39] wegen lange den Blockbau zwischen Ständern. Dagegen blieb das Obergeschoß
bis in die neueste Zeit hinein meist Holzbau und zwar hier in der neuern Bauform des Riegelwerks. Die Stube, das heißt der
Ofenraum (vom neulat. stufa, der Ofen), zeigt die typische Form aller deutschen Bauernstuben.
In der Ecke, in welcher nach der Straße und nach dem Hof
[* 40] zu Fenster sich befinden, steht die Bank (der «Hofsitz»),
davor der Tisch, gegenüber der Ofen und die Betten. Wenn das Haus größere Verhältnisse annimmt, wird der Bettraum durch
eine Wand abgetrennt und erscheint somit als besondere Kammer.
Das Schweizer Bauernhaus (Fig. 3, 4 u. 5) ist auf denselben Typus zurückzuführen wie das fränkische. Nur sind
der Almwirtschaft entsprechend die Hofanlagen anders gestaltet, sind vor allem die Ställe in Wegfall gekommen. Es besteht
der dargestellte Grundriß demnach nur aus dem Herdraum b mit dem über dem Herde sich aufbauenden großen Rauchmantel und
der durch eine Klappe verschließbaren Esse und einem gesonderten Kochherd. Vom Herdraum ist die Kammer
e abgetrennt; zu ihm führt ein überdeckter Gang
[* 41] (Laube) a. Die Stube c zeigt die Fensterbank in verlängerter Form, den Tisch
und Ofen sowie links am Eingang einen Tellerschrank auch hier ist eine Kammer d abgetrennt. Während beim fränkisch-thüringischen
Bauernhaus das Obergeschoß aufgebaut erscheint, ist es hier durch eine wagerechte Teilung aus dem ursprünglich einheitlichen Raum
entstanden und wird «Gadem» genannt. Die Erwärmung des obern Geschosses geschieht dann auch durch die Ritzen der Bohlendecke
des untern.
Ähnlich ist das alamannische Bauernhaus gestaltet
[* 37]
(Fig. 6, 7 u. 8). Doch wurde im vorliegenden Beispiele der Eren
a zu Gunsten der Stube b beschränkt, ebenso wie der Herdraum d eine größere Ausdehnung
[* 42] auf Kosten der Kammer c erhielt.
Die Obergeschosse sind ebenso wie im Schweizerhaus von den untern abgetrennt, der Herdraum allein hat die volle Stockwerkshöhe.
Die Räume e f g werden in gleicher Weise wie im Frankenhaus zu Ställen und Wirtschaftsräumen benutzt.
Der Schweinestall h, der Keller i, der Abortk und der Brunnen 1 dagegen sind außerhalb des Hauses angeordnet. Das bezeichnende
Merkmal der Anlage ist die Anlehnung an einen Hügel, derart, daß der Bodenraum über eine Brücke
[* 43] von der
Rückseite des Hauses, in großen Bauernhaus mit dem Erntewagen, befahren und als Speicher benutzt werden kann. Es ist also hier das
ganze Hauswesen des Bauern unter ein Dach
[* 44] gebracht. Ursprünglich fehlt dem Herd die Esse und zieht der Rauch durch den Speicher
und durch die Ritzen der Dachdeckung
[* 45] ab.
Das Allgäuer Bauernhaus (Fig. 9) zeigt eine weitere Ausgestaltung der fränk.. Anlage und mag als Beispiel für
die größern in dieser Bauform gelten.
Während allen diesen hochdeutschen Hausformen die Querteilung eigen war, ist das bezeichnende Merkmal für das sächsische
und für die aus diesen entwickelten Typen die hallenförmige Längsteilung, wie sie der Querschnitt des
westfäl. Hauses (s. Taf. II,
[* 37]
Fig. 7) verdeutlicht. Der Flurraum ist die
«Diele», welche ursprünglich den ganzen Bau durchzieht, so daß der Erntewagen diesen durchfahren kann,
ohne gewendet oder
zurückgeschoben werden zu müssen.
In den Nebenräumen finden sich die Ställe und Vorratsräume, welche gleichfalls vielfach durch Einschieben
einer wagerechten Teilung in zwei Geschosse
[* 46] zerlegt werden, deren oberer meist «Hille» heißt. Der Herd
befand sich ursprünglich an einer Seitenwand der Diele, die Ernte
[* 47] wird in dem «Speicher» unter dem Dach untergebracht, der
Rauch durchzieht wieder ohne Esse aufsteigend den Dachraum und sucht sich seinen Ausweg. Im Laufe der Zeit
fand das sächsische Bauernhaus vielfache Umgestaltung. Zunächst wurde eins der Thore in der Achse durch den Herd versetzt und ein
besonderer Herdraum (das «Fleet») geschaffen, welcher mit den Nebenräumen
für den Aufenthalt der Familie (der «Utlucht») und für die häusliche Wirtschaft bestimmt war. An das Fenster der
Utlucht rückte man auch die Bank und den Tisch in üblicher Anordnung. In weiterer Entwicklung ergaben sich Hausformen, von
welchen das dithmarsische Haus (s. Taf. II,
[* 37]
Fig. 3 u. 4) als Beispiel dienen soll. An die vordere Hälfte der Diele k legt sich
die Stallanlage 11, links der Stall für das Rindvieh, rechts für Pferde,
[* 48] je mit einem Wirtschaftsgange
m m und einer kleinen Thür zur Abfuhr des Mistes.
Das Vieh ist stets so gestellt, daß die Köpfe in die Diele schauen. An die Ställe schließt sich die Gesindestube d mit den
feststehenden Betten (Buchten) e e. Die Utlucht ist zur Küche g geworden, an die sich die Speisekammer
h h anschließt, der Wirtschaftsraum gegenüber wurde als tiefer gelegter Molkereikeller c ausgebildet. Von der Diele ist
ein großer Raum a abgetrennt, der «Piesel» oder «Pösel» (neulat. pisalis; mittelhochdeutsch phiesel, wohl von piso, stampfen,
weil mit Estrich versehen), an den sich die Stube f und die für die Auszügler bestimmten Nebenräume b b
b anschließen. In verschiedenen sächs. Gegenden entwickelt sich der Piesel mit seinen Nebenräumen zu einem selbständigen
Gebäude von wechselnden Formen.
Das holsteinische Bauernhaus (Fig. 1 u. 2) entstand in seiner besondern Form dadurch, daß der Herd nicht an die
Hinterwand, sondern an eine Seite der Diele j gerückt wurde, dadurch wurde der Raum d zur Küche und c zur Stube, an welch
letztere sich die Kammer b und der Molkereikeller a anschließen. Die Speisekammer e schließt diese Räume gegen den Pferdestall
k ab. Auf der andern Seite liegt die Gesindestube h, die Backstube g und der Kornspeicher f, den Pferdeställen
gegenüber der Kuhstall i mit dem Gänsestall m. Diese Hausformen sind reizvoll durch die Weiträumigkeit,
Übersichtlichkeit und trauliche Vereinigung von Herrn, Gesinde und Vieh.
Eine Übergangsstufe vom sächs. zum fränk. Haus bildet das
hessische Bauernhaus (Fig. 5 u. 6). Die Diele a ist in der Breite
[* 49] verkümmert, durchschneidet aber immer noch die
beiden Stockwerke der Nebenräume, von welchen b die Stube, c die Küche, d die Speisekammer und f die zweite Kammer, f eine
Auszüglerstube oder einen Vorratsraum, g den Stall mit dem seitlichen Ausgang in den Hof bildet. Vielfach
wird an der Vorderseite auch die Diele in zwei Geschosse zerlegt, so daß über dem Thore eine «Hängestube» erscheint. Zwischen
die altsächs. Hausanlage und das Dach wird vielfach noch ein besonderes Geschoß eingebaut, so daß das Bauernhaus nach außen dreigeschossig
erscheint, wie
[* 37]
Fig. 5 zeigt.
Die Mitte zwischen dem hess. und dem holstein.
Haus nimmt das westfälische Bauernhaus (Fig. 7)
¶
mehr
hinsichtlich der noch bedeutend entwickelten Diele ein; doch ist hier die Hille schon durch die ganze Gebäudelänge durchgeführt.
Grundsätzlich anderer Anordnung erscheint das nordische Bauernhaus, dessen ursprünglichste Form
[* 50]
(Fig. 10)
die in Blockbau ausgeführte rechtwinklige Halle
[* 51] c mit dem Herde d und der für die strenge Kälte nötigen Vorhalle a
ist. In weiterer Ausbildung
[* 50]
(Fig. 11) wird die Halle in den Flura und die Vorratskammer b zerteilt, über diesen Bauteil aber
ein Obergeschoß «Ramloftstube» errichtet.
Die Stube c enthält den Ofen, die Bank und den Tisch sowie das Bett
[* 52] gleich der deutschen Bauernstube. Eine Fortentwicklung
dieser Hausform ist das hinterpommersche Bauernhaus (Fig. 8 u. 9), in dessen Stube g der Backofen h, der Herd i,
der Sommerkamin k, der Nachofen m, der von der Säule 1 gestützte Rauchmantel die verschiedenen Formen für den ursprünglichen
Herd darstellen. Das Spülfaß q, das Spind r, die Bank und der Tisch p und die Betten n und o charakterisieren
die Stube zugleich als Arbeits- und Wohnraum. Die nordische Vorhalle c ist zum Flur geworden, von dem die Leiter d in das Obergeschoß
führt. Unter ihr steht das Gesindebett e; f ist der Stein zum Getreideschroten. Vor dem Flur ist eine neue Vorhalle b
gegen die Straße a gebaut. Die Kammer s und der Stall t vollenden die Gesamtanlage des Blockbaues.
In neuerer Zeit verschwinden die alten Formen des Bauernhaus, die noch zahlreiche Abarten aufweisen, mehr und mehr, wodurch viel von
der eigenartigen Schönheit unserer Dörfer und von der Stammesart verloren geht. Da aber die Formen aus
Lebensgewohnheit und Bedürfnis entstanden sind, so hält sich der moderne Bau von Bauernhaus noch vielfach in den alten Bahnen, wenngleich
manche wichtige und reizvolle Eigentümlichkeiten schon sehr selten zu werden beginnen. -
Vgl. Gilly, Handbuch der Landbaukunst
(3 Tle., Berl., Braunschw. u. Halle 1797-1811);
Viollet-LeDuc, Histoire de l'habitation humaine (Par. 1875);
Engel, Handbuch des landwirtschaftlichen Bauwesens (7. Aufl., Berl.
1885);
Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preuß. Staates (4 Bde. mit Atlas,
[* 53] ebd. 1873);
Hoffmann,
Über landwirtschaftliche Tiefbauten (ebd. 1867);
im Gegensatz zu kleinern frühern Erhebungen verwandter Art besonders Benennung der
großen Revolution vom J. 1525, die sich fast über das ganze obere und mittlere Deutschland erstreckte, nicht bloß die Bauernschaft,
sondern auch die bürgerliche Bevölkerung
[* 55] und zum Teil den Adel ergriff und einige Monate hindurch das ganze Reich in chaotische
Verwirrung stürzte. Schon vor und während der hussitischen Bewegung waren zumal im südl. Deutschland
kleinere agrarische Erhebungen vorgekommen;
1476 trat im StifteWürzburg
[* 56] ein Hirte, der Pfeifer von Niklashausen, unter ungeheuerm
Zulauf mit dem kommunistischen Evangelium und der Predigt gegen den Druck des geistlichen Standes auf;
er ward festgenommen
und als Ketzer verbrannt. 1492 erhoben sich die Bauern des
Abts von Kempten
[* 57] und die niederländ. Käsebröder
(so genannt, weil sie als Zeichen ihrer ArmutKäse und Brot
[* 58] in ihrer Fahne führten);
Auch in den Alpenländern, namentlich in Kärnten, hatte sich
der Bundschuh eingenistet und zu einer Reihe von blutigen Aufständen (1478, 1503, 1513, 1515) geführt, sociale Ursachen waren
in erster Reihe für die Erhebung bestimmend; sie richtete sich gegen «Pfaffen und Adel» und die kirchlich-feudale Ordnung.
Der Druck der bäuerlichen Frondienste und Abgaben war jedenfalls lokal sehr verschieden, wurde aber, zumal die Herren vielfach
bemüht waren, auch die rechtliche Stellung der Bauern zu verschlechtern, fast allgemein als ein Unrecht empfunden und war
der stärkste Hebel
[* 60] zu der Empörung. Der hierdurch erzeugte Haß war seit langem durch eine aufregende,
großenteils astrologische und prophetische Volkslitteratur geschürt worden, als die Reformation mit ihrer vernichtenden
Kritik der Hierarchie und ihrer Predigt von der evang. Freiheit den Sturm entfesselte.
Nachdem schon im Juni 1524 die Bauern der Landgrafschaft Stühlingen (bei Schaffhausen)
[* 61] sich erhoben hatten, verbreitete sich während des
Winters die Empörung durch ganz Oberschwaben, wo auch (unter Mitwirkung der Memminger Reformatoren) ihr
berühmtes, bald allgemein angenommenes Programm, die Zwölf Artikel, entstanden ist (März 1525). Freiheit der Jagd, des Fischfangs,
der Holzung, Aufhebung der Leibeigenschaft und des kleinen Zehnten, Wahlrecht evang. Prediger waren die Hauptforderungen.
Während aber auf dem ursprünglichen Schauplatz der Revolution die Streitkräfte des Schwäbischen Bundes
unter GeorgTruchseß nahe daran waren, der Bewegung ein Ziel zu setzen, wuchsen überall, vom Elsaß bis nach Steiermark,
[* 62] vom
Bodensee bis nach Hessen
[* 63] und Kursachsen die «evangelischen Haufen»
der Bauern aus dem Boden; an das Klosterstürmen reihte sich bald genug die Zerstörung der Adelsschlösser.
Vielfach schloß sich die städtische Demokratie der Bewegung an; so zu Rothenburg
[* 64] ob derTauber, Würzburg, Mühlhausen
[* 65] in Thüringen,
woThomasMünzer (s. d.) seinen kommunistischen Gottesstaat einrichtete.
Manche vom Adel traten gezwungen, manche, trotz des Blutgerichts in Weinsberg, wo Graf Helfenstein mit seinen Rittern durch
die Spieße gejagt wurde, freiwillig in die Reihen der Empörer; unter den Führern erscheint Götz von
Berlichingen (s. d.) und der ritterliche Demokrat Florian Geyer (s. d.).
Es fehlte nicht an mehr oder weniger socialistischen Reformprojekten, wie sie namentlich in dem merkwürdigen aus Franken
stammenden Entwurf einer sehr centralistischen Reichsverfassung und in der Landesordnung des Tirolers Gaißmayer
erhalten sind.
Aber fast ebenso rasch wie die Ausbreitung erfolgte die gründliche Niederwerfung der Revolution, sobald die geistlichen
und weltlichen Herren, deren manche bereits förmliche Verträge mit den Bauernheeren eingegangen waren, sich von ihrem Schrecken
zu erholen anfingen. Luthers mächtige Stimme, die ursprünglich beiden Teilen ihr Unrecht vorgehalten hatte,
erhob sich in erbarmungsloser Schärfe gegen den siegreich vordringenden Aufruhr. Am 12. Mai siegte der Truchseß bei Böblingen, 15. Mai Landgraf
Philipp,
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Georg von Sachsen
[* 67] und Heinrich von Braunschweig
[* 68] bei Frankenhausen über Münzer, am 17. HerzogAnton von Lothringen bei Elsaßzabern; 2. und 4. Juni erlagen
die fränk. Haufen bei Königshofen und Sulzdorf dem Truchseß und dem Pfälzer Kurfürsten Ludwig, der auf dem Heimweg die
pfälz. Empörer (23. Juni) bei Pfeddersheim schlug; bei der Unterwerfung Oberschwabens und der Gebirgsbauern
half der berühmte Frundsberg (s. d.) mit. Die Rache der Herren war entsetzlich; Krieg und Exekutionen sollen über 100000 Menschenleben
gekostet haben. Die nächsten Folgen der Revolution waren die völlige Herstellung der bisherigen bäuerlichen Abhängigkeitsverhältnisse
und die Abkehr der großen Masse des Landvolks von der Reformation, von der sie eine Besserung ihrer wirtschaftlichen
und rechtlichen Lage erwartet hatten.
Vgl. Zimmermann, Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieg (3 Bde.,
Stuttg. 1841 fg.; 2. Aufl., 2 Bde.,
1856; neu hg. von Wilhelm Blos, ebd. 1891);
Jörg, Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522 bis 1526 (Freiburg
[* 69] 1851), tendenziös;
Quellenpublikationen von Baumann: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieg aus Oberschwaben (Tüb. 1877) und Quellen zur Geschichte des
Bauernkrieg aus Rothenburg (ebd. 1878);
Lor. Fries, Geschichte des in Ostfranken (Würzb. 1876‒78);
die Einziehung von Bauernhöfen durch die ritterschaftliche Gutsherrschaft, um das eingezogene Banerngut
dem eigenen Grundbesitz zu inkorporieren, im 16. und 17. Jahrh. in großem Umfang in Mecklenburg,
[* 70] Pommern
[* 71] u.s.w. ausgeübt;
später schritt die Landesgesetzgebung zur Erhaltung desBauernstandes ein, die bäuerlichen Lasten werden
auf ein festes Maß zurückgeführt, die Einziehung heimgefallener oder von den Bauern verlassener Güter wurde untersagt, vielmehr
zur Erhaltung desBauernstandes die sofortige Wiederverleihung an einen andern Bauern zur Pflicht gemacht. Später wurde zum
größten Teil die Erblichkeit gesichert und Ablösbarkeit der gutsherrlichen Lasten gewährleistet.
(Conus hebraeus L.), tropische Art der Kegelschnecken (s. d.) mit weißer Schale, mit schwarzbraunen Querbinden
und dazwischen stehenden ebensolchen viereckigen Fleckchen.
Bauernrennen, Wettrennen zu Pferde, die von der ländlichen Bevölkerung in Anschluß an das Herrenreiten
auf großen Rennplätzen bisweilen abgehalten werden.
Sie haben keinen ernsten Zweck, sondern dienen nur zur Belustigung
der Zuschauer.
Von einer Gewichtsausgleichung wird daher in der Regel abgesehen;
die Pferde sind meist
untrainiert und die Reiter ungeübt, die Bauernreiten haben daher oft den Anstrich des Komischen.
Bezeichnung für die mittelalterlichen Schauspiele, die, unter den Bauern Süddeutschlands, besonders
der Alpenländer, bis ins 18. Jahrh. sehr verbreitet, in
unsern Tagen bis auf wenige Reste untergegangen
sind. Die Aufführungen der Kirchenschauspiele, namentlich der Passionsspiele (s. d.), die als gottesdienstliche Feier galten,
hatten die Landleute zur Nachahmung gereizt. Schon im 15. Jahrh. wurden unter ihnen solche Spiele gehalten, teils als bloße
Wechselreden bei Prozessionen, teils mit theatralischer Zurüstung auf dem Dorfkirchhofe.
Die anfangs sehr einfachen Texte waren von Geistlichen oder Kantoren verfaßt oder nach ältern eingerichtet.
Eine derartige Aufführung, in die Eulenspiegel sein Unkraut säet, erzählt das Volksbuch von ihm. Die Jesuiten begünstigten
die und zeigten sich, um sie zu erhalten, dem volkstümlich dörflichen Geschmack allzu willfährig (s. Mysterien). Dadurch
gerieten die Aufführungen schließlich in argen Verfall und grobe Anstößigkeit, wie A. von Buchers «Spottspiele
von der Sündflut» und Seb. Sailers Farce «Adams und Evens Erschaffung und Sündenfall» (1783) zeigen. In Tirol
[* 72] und Oberbayern,
wo die Bauernspiele mit besonderer Leidenschaft betrieben wurden, beschränkte man sich bald nicht mehr auf biblische
Spiele, sondern führte alle Sonntage in den Schenken Heiligengeschichten und Ritterkomödien auf.
Heute haben sich von den unzähligen Dorfschauspielen, die in der Schweiz,
[* 73] Tirol (an solche lehnen sich Lechleitners «Tiroler
Bauernspiele», Eisen.
[* 74] 1890, zum Teil an), Salzburg,
[* 75] Steiermark, Oberbayern und Schwaben förmlich eingesetzt waren, nur sehr wenige erhalten;
das berühmteste ist das Passionsspiel in Oberammergau (s. d.). Neuerdings erneuerten
auch Brixlegg, Horitz und Liesing bäuerliche Passionsspiele. Profane Bauernspiele blühen noch heute in Kiefersfelden (Oberbayern), neuerdings
auch in Schliersee, ähnliche geschichtliche, doch neuern Ursprungs, in Rothenburg (s. d.)
ob derTauber.
Nur haben diese Bauernspiele durch Spekulation auf die Fremden und Gastreisen (Schliersee) an naiver Ursprünglichkeit erheblich eingebüßt.
–
Vereine bäuerlicher Grundbesitzer, die für die Erhaltung und sittliche und materielle Hebung
[* 80] ihres Standes
zu wirken bestrebt sind. Im Gegensatz zu den landwirtschaftlichen Vereinen richten sie sich mehr unmittelbar auf praktische
Zwecke, die vielfach auch auf das polit. Gebiet überführen. – Am erfolgreichsten hat sich bisher der 1860 gegründete
Westfälische Bauernverein entwickelt. Wenn auch die Mitglieder desselben wohl größtenteils der Centrumspartei angehören,
so läßt er doch nach seinen Statuten (revidiert 1873) ausdrücklich Angehörige der beiden christl. Konfessionen
[* 81] zu, die
einen kirchlichen, moralischen und nüchternen Lebenswandel führen. Im allgemeinen sollen die Mitglieder selbständigen
Grundbesitz haben und Landwirtschaft betreiben, doch können auch Pächter, Gutsverwalter und andere Landwirte
aufgenommen werden. Die Bestrebungen des Vereins sind gerichtet auf Abwendung von Schäden für den Grundbesitz, Beseitigung
von Mißbräuchen, schlechten Gewohnheiten und Luxus, auf Verbreitung der¶