308 als ketzerisch, teils als falsch. 1567 verdammte
Pius V. infolge einer neuen Denunziation 76 (79)
Sätze des Bajus als «ketzerisch
und irrig»; trotz Bajus'
Apologie ward das
Urteil durch ein
Breve von 1569 und 1579 durch eine
BulleGregors XIII. bestätigt. Bajus unterwarf
sich. Er ward 1578 Kanzler der
Universität Löwen,
[* 2] auch
Inquisitor. 1587 verwarf er 34
Sätze der
Jesuiten
als pelagianisch. Er starb Eine spätere
Ausgabe seiner
Schriften (2 Bde., Köln
[* 3] 1696) kam wegen der vom Herausgeber
Gerberon beigefügten Zuthaten auf den Index. Trotz der Unterwerfung des Bajus lebte seine
Auffassung der Gnadenlehre (derBajanismus)
in den
Niederlanden fort. Die
Jesuiten unterdrückten diese
Lehre
[* 4] im 16. Jahrh., aber im 17. brach der Streit nur um so heftiger
in der Form des Jansenismus (s. Jansenisten) aus, als dessen
Vorläufer der
Bajanismus zu betrachten ist. –
Vgl. Linsenmann,Michael und die Grundlegung des Jansenismus (Tüb. 1867).
(spr. boiso),Joseph, ungar. Dichter und Schriftsteller, geb. zu
Szücsi im Heveser
Komitat, war seit 1823 Mitarbeiter an Kisfaludys
Taschenbuch«Aurora», das er 1830–37 selbst leitete. Seine
«Gedichte» (ungarisch, 2. Aufl.,
Pest 1835) stellten ihn unter die besten ungar.
Lyriker. Mit den ersten belletristischen Kräften
gab er 1831–36 «Kritische
Blätter», 1837–43 das
«Athenaeum» und den «Figyelmezö» («Beobachter»)
heraus, in denen er durch strenge Kritik die aufstrebende ungar. Litteratur wohlthätig beeinflußte.
Durch Veröffentlichung der «Ausländischen
Bühne»
(Pest 1830) und als Direktor des neuen Nationaltheaters leistete er dem
jungen ungar. Schauspiel bedeutenden Vorschub. Später wendete er sich histor.
Studien zu und gab die «Történeti Könyvtár» («Histor.
Bibliothek», 6 Bde.,
Pest 1843–45),
Übersetzungen trefflicher ausländischer Geschichtswerke und einen nach dem
Deutschen
bearbeiteten
«UjPlutarch»
(«Neuer Plutarch»,
Pest 1845–47) heraus. Die Opposition betraute ihn 1847 mit der Herausgabe ihres
polit.
Taschenbuchs«Ellenör» («Controleur»,
Lpz. 1847). Nach dem März 1848 ernannte ihn Kossuth zum Redacteur seines
halboffiziellen Organs, des «Kossuth Hirlapja» (Juli bis Dez. 1848). Seit 1850 einer
Gemütskrankheit verfallen, starb er Bajza war (seit 1831) Mitglied der
UngarischenAkademie und (seit 1836) ein sehr
thätiges Mitglied der Kisfaludy-Gesellschaft. Seine «Gesammelten Werke»
gab
Toldy heraus (2. Aufl., 6 Bde.,
Pest 1861). Seine Tochter Helene, geb. 1840, seit 1862 Gattin des Obergespans
FranzBeniczky, ist eine der fruchtbarsten ungar.
Romanschriftstellerinnen, deren Werke zum
Teil auch ins Deutsche
[* 5] übersetzt sind, z. B. «Bei
verschlossenen
Thüren» (deutsch von Kohut, Lpz. 1886),
«Sie ist es» (deutsch von Krücken, mit Charakteristik der Verfasserin
von Hevesi,
Wien
[* 6] 1888).
Die Ba-kalahari verdienen nur im uneigentlichen
Sinne den
Namen eines
Stammes, da sie nur aus einer
Ansammlung
von
Menschen bestehen, die das Elend zusammenführte;
sie sind vielleicht ein unterdrückter Pariastamm der
Betschuanen. –
Vgl. G. Fritsch, Die Eingeborenen Südafrikas (Bresl. 1873).
(engl. Backergunge oder Bakkergan[d]j), Distrikt in der zu der indobrit.
Präsidentschaft
Bengalen gehörenden Division Dhaka, grenzt im N. an die Divisionen Dhaka und Faridpur, im O. an den
Megna
genannten untersten
Teil des
Brahmaputra, im
S. an die
Bai von
Bengalen, im
W. an die Distrikte Dschaßaur
und Faridpur und hat 9450,7 qkm und (1881) 1900889 E. (13303 mehr als 1872), darunter 1267694
Mohammedaner, 624597
Hindu, 4797 Buddhisten, 3717
Christen, 83 Brahmo (theistische
Hindu).
Drei Viertel der (meist röm.-kath.)
Christen sind die Nachkommen von Halbblutkindern, erzeugt von portug.
Vätern mit Hindumüttern.
Sie besitzen eine
Kirche zu Sibpur. Der ganze Distrikt ist sehr niedriges, sumpfiges Alluvialland von
ähnlicher Beschaffenheit wie die sog.
Sundarban. Zwischen
Ganges und
Brahmaputra liegend und durch zahlreiche schiffbare
Arme
derselben bewässert, ist Bakargandsch häufigen
Überschwemmungen ausgesetzt, weshalb die Wohnplätze auf künstlichen Erderhöhungen
errichtet sind.
Der
Boden ist allenthalben, wo ihn nicht Gebüsch bedeckt, überaus fruchtbar. Kulturgewächse sind
Reis,
Zuckerrohr,
Baumwolle,
[* 7] Ölpflanzen, Hülsenfrüchte, namentlich Erbsen. Die Dschangalgebüsche enthalten von wilden
TierenTiger,
Panther, Rhinocerosse, Hirsche,
[* 8] wilde Schweine,
[* 9]
Affen
[* 10] und zahllose
Vögel.
[* 11]
Das Klima gilt für gesund, und die Hitze wird durch
die Nähe der See und die
Ausdünstung der zahlreichen Flußarme vermindert. Sie übersteigt im Schatten
[* 12] selten 30° C. Der Ort Bakargandsch (7060 E.), früher der Sitz der Distriktbehörden, bis Barisal (13186 E.) zum
Hauptorte des Distrikts gewählt wurde, liegt unter 22° 33' nördl.
Br. und 90° 23' östl. L., am Vereinigungspunkt des
Krischnakati- und des Chairabadflusses, 172 km östlich von Kalkutta.
[* 13]
Hauptstadt des rumän. Kreises Bakau (4020 qkm, 159160 E.), an der
Bistritza, 10 km oberhalb ihrer Mündung in
den Sereth, am Rande des Hügellandes gegen das Moldauplateau, an der Linie
Roman-Bukarest der Rumän.
Staatsbahnen
[* 14] und der
Nebenlinie Bakau-Piatra, hat 12675 E. (4000 Israeliten), ein Gymnasium, 8
Kirchen und lebhaften Getreidehandel.
Jan, niederländ.
Philolog und Kritiker, geb. zu
Leiden,
[* 17] ward 1815 außerord., 1817 ord. Professor der
griech. und röm. Litteratur an der dortigen
Universität, wirkte in dieser
Stellung bis 1857 und starb Nachdem
er die Reihe seiner wissenschaftlichen
Arbeiten mit einer geschätzten
Schrift über
Posidonius
(Leid. 1810) begonnen, veröffentlichte
er treffliche, von gelehrten Kommentaren begleitete
Ausgaben des Astronomen Kleomedes
(Leid. 1820), von
Ciceros Werken
«Delegibus»
(ebd. 1842) und
«Deoratore» (Amsterd. 1863) sowie der «Rhetorica»
des Apsines und Longinus (Oxf. 1849). Mit Geel, Hamaker und Peerlkamp gab Bake die «Bibliothecacritica nova» (5 Bde.,
¶
mehr
309 Leid. 1825–31) heraus, während er allein in den «Scholica hypomnemata»
(5 Bde., ebd. 1837–62) eine Reihe größtenteils auf Cicero und attische Redner und Altertümer bezügliche, von Scharfsinn
und feiner Beobachtungsgabe zeugender Aufsätze lieferte. –
Vgl. Bathuizen van den Brink, Rede te nagedachtenisvanM. J.Bake (Amsterd.
1865).
Haupthandelsplatz im Arrondissement Bakel der franz. KolonieSenegambien in Westafrika, am linken Ufer des Senegal
(900 km von der Küste), hat ungefähr (1885) 1250 E. und ein Fort auf beherrschender Höhe mit Steinwällen und vier durch
Mauern verbundenen Warttürmen. Infolge der umliegenden Sümpfe und der Überschwemmungen hat ein so ungesundes
Klima,
[* 19] daß zur militär. BesatzungWeiße nicht verwendet werden können. Der Ort, früher zum Negerreich Galam gehörig, kam
schon 1820 als Militär- und Handelsposten in den Besitz der Franzosen.
Da er auf der Grenze zwischen den Mauren und Berbern stromabwärts und den Negerstämmen stromaufwärts
liegt, so ward um ihn, als einen strategisch wichtigen Platz besonders 1859 und 1886 viel gekämpft. Seit Sept. 1854 besteht
zwischen und St. Louis während der Regenzeit (Juni bis Mitte Oktober) regelmäßige Dampfschiffahrt. Die Umgegend liefert
Datteln, Mais, Reis, Schlachtvieh, Elfenbein und Goldstaub. Der Handel ist bedeutend. Hier treffen die Karawanen
der Eingebornen aus Kaarta, Bondu und Bambuk mit europ. Handelsleuten zusammen.
[* 16] die für Schiffer und Lotsen am Strande, auf Sandbänken oder an Stromufern errichteten Merkzeichen, durch die
teils das Fahrwasser, teils Klippen,
[* 20] Untiefen und andere gefährliche Punkte angedeutet werden. Es sind
mehr oder minder große, an weit sichtbaren Stellen aus Fachwerk
[* 21] aufgeführte Holzgerüste, meist von pyramidaler Form und
an ihrer Spitze mit einer Kugel oder einer andern leicht unterscheidbaren
[* 16]
Figur versehen. Am Eingange von Häfen, welche bei
Stürmen aus gewissen Richtungen für hinausgehende Lotsen nicht passierbar sind, hat man sog. Winkbaken.
Auf diesen befindet sich eine nach verschiedenen Seiten hin bewegliche Stange mit einer Flagge; durch Winken bezeichnet man
den ohne Lotsen einsegelnden Schiffen den zu steuernden Kurs. Wo es nötig ist, Untiefen auf offenem Meere zu kennzeichnen,
benutzt man Bojen (s. d.). Die Errichtung der Baken steht
unter Aufsicht der Seebehörden (s. d.), in Deutschland
[* 22] unter dem Reichsinspektor für das Betonnungswesen (s. Betonnung). Einzelne
Baken werden nach ihrer Gestalt benannt, und zwar als Becherbake, Kugelbake (s. beistehende
[* 16]
Fig. 1), Windmühlenbake, Jungfernbake
[* 16]
(Fig. 2), Pyramidenbake. Auf einigen großen Nordseebaken, z. B.
der Scharhörnbake
[* 16]
(Fig. 3) auf dem Neuwerker Watt, befindet sich vor dem Wasser geschützt ein Unterkunftsraum
mit Trinkwasser und Lebensmitteln versehen für Schiffbrüchige,
die dorthin verschlagen werden.
(spr. behkr),Sir Samuel White, Afrikareisender, der Entdecker des Nilquellsees Mwutan (Albert-Njansa), geb. in
London
[* 23] als Sohn begüterter Eltern, besuchte 1845 Ceylon,
[* 24] wo er einen längern Aufenthalt nahm und mit
seinem Bruder eine Besitzung in dem Gebirge Newera Ellia bewirtschaftete. Seine afrik. Reisen, auf denen ihn stets seine Frau
begleitete, begann er 1861. Er verließ Kairo
[* 25] 15. April, kam 11. Juni nach Berber, reiste von da den Atbara hinauf,
besuchte Kassala, durchzog die Landschaften am Setit, Salam und obern Atbara, ging über Kalabat nach dem Rabat hinüber, wandte
sich dann über den Dinder zum BlauenNil und ging an diesem abwärts nach Chartum.
Hier mietete er 3 Schiffe
[* 26] nebst Bemannung, mit denen er unter Segel ging. Nach 45tägiger
Fahrt kam er nach Gondokoro, wo Speke und Grant mit ihm zusammentrafen, denen er zur Rückkehr nach Europa
[* 27] behilflich
war. Am verließ Baker Gondokoro, überschritt den Assuafluß, kam 23. Jan. an die Karimafälle des Somerset-Nil
und 10. Febr. nach Mruli, in die Residenz des Königs Kamrasi von Unjoro. Von hier ging er westlich und entdeckte 14. März unter
1° 14' nördl. Br. den zweiten Nilquellsee, von den Eingeborenen Mwutan Nsige genannt, dem Baker den NamenAlbert-Njansa gab.
Er fuhr in einem Boote 13 Tage lang an der Ostküste nordwärts bis zur Mündung des Somerset-Nil bei Magungo
(2° 16' nördl. Br.), wo er von einer Höhe aus deutlich den Ausfluß
[* 28] des Sees erkennen und weithin verfolgen konnte.
Da er später auf seiner Rückreise nach Gondokoro den Nil bei Dufile unter 3° 32' nördl. Br. wieder berührte, so
blieb am obern WeißenNil nur eine verhältnismäßig kurze Strecke bis zum Albert-Njansa unerforscht, die später (1876) von
Gessi befahren wurde. Den Somerset aufwärts verfolgend, entdeckte Baker, 30 km von der Mündung, einen 40 m hohen Wasserfall,
den er Murchison-Fall benannte; da er weiter den Fluß entlang bis Karima ging, stellte er die Verbindung
des Ukerewe (Victoria- Njansa) mit dem Mwutan durch den Somerset-Nil außer Zweifel. Im Okt. 1865 traf Baker wieder in England
ein.
Die Königin erhob ihn zum Baronet; die geogr. Gesellschaften in London und Paris
[* 29] verlieben ihm Medaillen. Hierauf erhielt Baker 1869 vom
Vicekönig von Ägypten
[* 30] den Auftrag, an der Spitze einer großen militär. Expedition die Länder am WeißenNil und seinen Quellseen zu erobern und dem Handel zu eröffnen. Zum Pascha und Generalgouverneur der zu erobernden Länder ernannt,
fuhr er im Febr. 1870 von Chartum mit 1100 Mann den WeißenNil hinauf, brachte die Regenzeit an der Mündung
des Seraf zu, gelangte durch diesen mit 59 Schiffen nach Gondokoro, das er Ismailia benannte, und drang unter Kämpfen
bis Unjoro vor. Am kam er nach Gondokoro und im August nach Ägypten zurück. Baker brachte 1879 ein halbes
¶
Jahr in Cypern
[* 33] zu. Er starb auf seinem Gut Sanford Orleigh bei Newton Abbot (Devon).
[* 34] ÜberCeylon schrieb er «The
rifle and the hound in Ceylon» (Lond. 1857),
«Eight years' wandering in Ceylon» (ebd. 1855); über Afrika
[* 35] «The Albert Nyanza,
great basin in the Nile, and explorations of the Nil sources» (2 Bde., ebd. 1866; deutsch von Martin, 3. Aufl.,
Gera
[* 36] 1875),
«The Nile tributaries of Abyssinia» (Lond. 1867; deutsch, 2 Bde.,
Braunschw. 1868),
«Ismailia» (2 Bde., Lond. 1874); über Cypern
«Cyprus as I saw it in 1879» (ebd.1879; deutsch von Oberländer, Lpz.
1880).
(spr. behkr),Valentine, engl. General, bekannt als Baker Pascha, Bruder des vorigen, geb.
1825, trat 1848 beim 12. Ulanenregiment ein, focht 1852-53 mit Auszeichnung im Kaffernkriege und 1855 im Krimkriege. Im J. 1859 wurde
er Major und 1860 Oberstlieutenant und Commandeur des 10. Husarenregiments. Er hielt auf strenge Mannszucht und galt als Autorität
in Bezug auf Kavallerietaktik. 1873 schied er aus dem Dienst, machte dann eine Reise nach Persien
[* 37] und Afghanistan
[* 38] und legte seine
Beobachtungen nieder in der Schrift «Clouds in the East» (Lond. 1876 u. ö.).
Bei seiner Rückkehr nach England 1874 wurde er stellvertretender Generalquartiermeister in Aldershot. 1875 aber mußte Baker wegen
einer Privatklage aus der engl. Armee austreten. 1877 trat er in türk. Dienste
[* 39] und machte den Krieg gegen
Rußland mit; er bekleidete den Rang eines Ferik mit dem Titel Pascha. Baker schrieb eine Geschichte des Feldzuges u. d. T. «Der
Krieg in Bulgarien»
[* 40] (2 Bde., 1879). Nach Beendigung des Krieges trat er in ägypt. Dienste, wo ihm der Auftrag
wurde, eine starke und zuverlässige Gendarmerie zu organisieren.
Als der Krieg im Sudan wieder ausbrach, wurde er nach Suakim geschickt, um von dort eine Etappenstraße nach Berber am Nil zu
eröffnen. Baker rückte am mit 3600 Mann gegen Tokar vor, wurde aber am folgenden Tage bei El-Teb
von Osman Digma mit Verlust von 2400 Mann gänzlich geschlagen. Nach Eintreffen der engl. Truppen machte an der Spitze seines
alten 10. Husarenregiments eine Attacke mit und wurde schwer verwundet. Er kehrte dann nach England zurück, machte 1887 wieder
eine Reise nach Ägypten und starb 17. Nov. in Tel el-Kebir.
(spr. behkwell), Stadt in der engl.
Grafschaft Derby, im NW. von Derby, am rechten Ufer der Wye, hat (1891) 2748 E., eine schöne
Kirche, eine lat. Schule, vielbesuchte Mineralquelle, Baumwollweberei und Marmorschleiferei
(berühmte Mosaikarbeiten aus Marmor, Achat
[* 42] und Jaspis), Bleibergwerke, Steinkohlengruben und Marmorbrüche. 3 km nordöstlich
am Derwent Chatsworth-House, das Schloß des Herzogs von Devonshire, 13 Jahre lang der Kerker der Maria
Stuart, mit einem großen Park (582 ha).
(spr. behkwell), Robert, engl. Landwirt und Viehzüchter,
geb. 1726 zu Dishley in der GrafschaftLeicester,
[* 43] gest. 1795, erwarb sich besonders um die Veredelung der Haustiere Verdienste.
Da er die Beobachtung machte, daß bei den Tieren die Nachkommen den Eltern oder Voreltern in ihren Eigenschaften
fast
ganz glichen, so schloß er, daß durch Paarung der ausgezeichnetsten Individuen von einer Rasse miteinander oder mit
andern von einer gleich tüchtigen Rasse Tiere vom vollkommensten Nutzungswert erzüchtet werden müßten. Mit großem Erfolge
wurden B.s Bemühungen in der Veredelung der Dishley-Schafrasse, des langhörnigen Rindviehs und der großen,
starken Pferde
[* 44] gekrönt. Hauptgrundsatz war, einen Schlag hervorzubringen, der von einer gegebenen Menge Futter das meiste
und beste Fleisch ansetzte. Seine Erfahrungen legte er in der «Domestic Encyclopaedia»
(Bd. 1) nieder.
vandenBrink (spr. báckheus'n), Reiner Cornelis, niederländ.
Geschichtschreiber, geb. zu Amsterdam,
[* 46] widmete sich dem Studium der Litteratur und Geschichte. Von ausländischen
Reisen heimgekehrt, wurde er 1854 Staatsarchivar im Haag
[* 47] und starb daselbst Er war einer
der Gründer des «Gids» (s. d.)
und bewährte sich schon in dieser Zeitschrift als geistreicher und stilvoller Schriftsteller; eine seiner Abhandlungen: «Vondel
met Roskam en Rommelpot», fand außerordentlichen Beifall (neueste Aufl. 1891). Von B.s
Geschichtswerken kommen besonders in Betracht: «Variae lectiones ex historia philosophiae antiquae» (Leiden
1842),
«La retraite de Charles-Quint» (Haag 1842) und «Het
huwelijk van Prins Willem me Annavan Sasken» (Amsterd. 1853). Für die Kenntnis des niederländ.
Archivs veröffentlichte er u. a.: «Het Rijksarchief»
(Haag 1857) und «Cartons vorr de geschiedenis van den nederl. Vrijheidsoorlog». Seine gesammelten Schriften erschienen
(Amsterdam und Haag) 1860-77.
Schwein
[* 48] (spr. báckonjer), eine im Bakonyer Wald einheimische Schweinerasse, welche sich durch Wildheit und
langsame Entwicklung, aber wohlschmeckendes Fleisch auszeichnet.
(spr. báckonjer), in Ungarn
[* 49] der südl. Teil des Höhenzugs, der sich von Gran
[* 50] und Wischegrad an der Donau
in südwestl. Richtung bis zum Zalathal erstreckt, und zwar von der Einsenkung an, die die Bahn von Komorn nach Stuhlweißenburg
[* 51] benutzt, während der nordöstl. Teil Vértesgebirge (s. d.) heißt. Der Bakonyerwald W. hat eine Länge
von 80 bis 90 km, eine Breite
[* 52] von 30 bis 40 km, bedeckt einen großen Teil der KomitateVeszprim und Zala.
Die höchsten Erhebungen liegen an der westl. Seite der Wasserscheide, nördlich von Bakony-Bel, wo der BlaueBerg (Köröshegy) 713 m
und der Kabhegy 601 m erreichen.
Nur die Mitte des Bakonyerwald W. ist noch mit Wäldern, besonders von Buchen und Eichen bedeckt, in welche große
Schweineherden zur Mast getrieben werden; die niedrigern Landrücken sind in Ackerland verwandelt, die Abhänge nehmen Wein-
und Obstgärten ein, die Thäler sind von vielen Dörfern bevölkert. Die geognost. Verhältnisse des Bakonyerwald W. bieten viel Interessantes
dar. Besonders merkwürdig sind die vielen Basaltberge, vor allem der sich unmittelbar am Ufer des Plattensees
bis 437 m erhebende Badacson, an dessen nördl. Seite mächtige Basaltsäulen eine steile Wand bilden. An diesen Basaltbergen
wächst der beste,
¶
mehr
Wein der Plattenseegegend, so der Schomlauer Wein an dem Somlyo (436 m). Ein Abfluß des Bakonyerwald W. nach N. zur Donau ist der
Bakony.
(vom grch. bakterion, Diminutiv von baktron, d. h.
Stab),
[* 54] Spaltpilze oder Schizomyceten, einzellige, rundliche oder cylindrisch-stabförmige pflanzliche Lebewesen von 0,001 mm
oder noch weniger Durchmesser, selten mehr als viermal so lang als breit. Ihr Zellleib besteht aus Protoplasma
(Mykoproteïn), welches bei einigen Chlorophyll (Blattgrün) enthält (Spaltalgen), meist aber farblos ist (Spaltpilze); Kerne
sind bisher nur bei wenigen Formen beschrieben worden. Im Protoplasma können Stärke- und Schwefelkörner vorkommen.
Die Zellen haben eine gallertige Hülle mit starrer innerster Schicht; von dieser Hülle scheinen auch
Geißelfäden auszugehen, welche bei einigen beweglichen Formen beobachtet werden und durch ihre Schwingung
[* 55] die Ortsbewegung
[* 56] der in Flüssigkeiten veranlassen. Die runden Zellformen heißen Kokken (grch. kokkos,Kern, s. Kokkus und Tafel: Bakterien,
[* 53]
Fig. 2 u. 6), die geraden, stäbchenförmigen Bakterien im engern Sinne oder Bacillen
[* 53]
(Fig. 1 u. 3), die schrauben-
oder korkzieherförmig gewundenen Spirillen
[* 53]
(Fig. 4 u. 5, vom grch. speira,d. i. gedrehter Strick) oder auch Spirochäten.
Die Vermehrung der Bakterien geschieht dadurch, daß dieselben sich, wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben, in zwei Hälften
zerlegen; diese werden entweder frei oder bleiben in bestimmter Anordnung nebeneinander liegen, so daß
Verbände, Fäden oder Gruppen, entstehen; so unterscheidet man bei den Kokken Kettenreihen (Streptokokken, vgl. Tafel: Bakterien,
[* 53]
Fig. 2), traubenförmige Gruppen (Staphylokokken), Gruppen zu je vier Kokken (Tetragenus,
[* 53]
Fig.
6), paketförmige zu je 16 durch Teilung in drei Dimensionen (Sarcine) u. s. f. Besonders groß werden
diese Verbände, wenn sie durch starke Quellung der Zellmembranen der einzelnen Kokken zu sog.
Zooglöen sich ausbilden.
Solche Verbände sind z. B. die sog. Kahmhäute, welche auf gärenden
Flüssigkeiten schwimmen und aus unzähligen in einer schleimigen Grundsubstanz eingebetteten Bakterien bestehen,
ferner der sog. Froschlaich der Zuckerfabriken, die Kefirkörner u. a. m.
Da die Form und Farbe dieser Verbände sehr charakteristisch für jede Einzelart ist und man sie mit bloßem Auge
[* 57] gut erkennen
kann, so dienen dieselben als sehr sicheres Unterscheidungsmerkmal bei der Reinzüchtung (s. Bakteriologie II, Untersuchungsmethoden).
Gewöhnlich dann, wenn der Nährboden, auf dem die Bakterien wachsen, erschöpft ist, bilden viele
Arten aus ihrem Protoplasma Sporen (vom grch. spóros, der Same), kleine Körner, welche von großer Widerstandskraft gegen
äußere Einflüsse (Hitze, Kälte, Trockenheit) sind, daher, wenn der Zellleib selbst bereits abgestorben ist, am Leben
bleiben und viele Jahre lang die Kraft
[* 58] bewahren, wieder auszuwachsen und neue Zellgenerationen zu bilden,
sobald sie wieder auf guten Nährboden gelangen.
Entstehen die Sporen im Innern des Zellleibes, so bezeichnet man die Bakterien als endospor (vgl.
Tafel: Bakterien,
[* 53]
Fig. 3); wandeln sich ganze Zellen in Sporen um, so nennt man sie arthrospor. Auf dieser Eigenschaft der
Sporenbildung beruht die Leichtigkeit der Verschleppung keimfähiger Bakterien durch die Luft
und daher ihre eminente Verbreitung. In der Luft wechselt die Zahl der Keime je nach der Lokalität; so fanden sich im Freien
in Berlin
[* 59] 0,1–0,5 Keime
pro Liter, im Krankensaal 11,0 pro Liter, in einem Versuchstierstall 232 pro Liter. Seeluft wurde bisweilen
ganz bakterienfrei gefunden; im Regenwasser fand Miquel 35, im Seinewasser oberhalb Paris 1400, unterhalb
Paris 3200 Keime pro Kubikcentimeter.
Wachstumsbedingungen.
1) Die Temperatur bietet jedem Bakterium ein Optimum, bei welchem das Wachstum am besten vorschreitet, sowie ein Minimum und
Maximum, jenseit welcher Grenzen
[* 60] die Zelle
[* 61] getötet wird. Die Empfindlichkeit für die Temperatur ist bei parasitischen
Bakterien viel feiner als bei saprophytischen (s. unten). Die untere Grenze ist fast unbegrenzt,
selbst bei –110° C. sterben viele Bakterien noch nicht ab; die obere beträgt für Wuchsformen 50–60°, für
Sporen bis zu 130°. 2) Wasser ist für die Bakterien im allgemeinen nötig, wenn auch einzelne Arten, vor allem
aber die Sporen, das Austrocknen sehr lange ertragen.
3) Sauerstoff bedürfen viele Bakterien (aerobiontische), andere werden durch dies Gas getötet (anaerobiontische); viele können
mit oder ohne Sauerstoff vegetieren (fakultativ anaerobiontische).
4) Die chlorophyllhaltigen Spaltalgen vermögen, wie alle übrigen Pflanzen, Kohlensäure zu assimilieren und Sauerstoff auszuscheiden.
Die chlorophyllfreien Spaltpilze dagegen bedürfen zur Ernährung höher organisierter tierischer oder
pflanzlicher Stoffe, welche sie durch ihre Stoffwechselvorgänge zerlegen können, Eiweiße, Kohlenhydrate u. s. w.; im einzelnen
bestehen bezüglich der Zuträglichkeit der Nährböden große Differenzen. Von Bedeutung ist ferner die Reaktion der Nährstoffe;
die beste Entwicklung geschieht bei schwach saurer, neutraler oder schwach alkalischer Reaktion.
Schädlich für das Leben der Bakterien wirken stärkere Säuren und bestimmte Metallsalze. Hierauf
beruht die praktische Verwertung derselben (Karbolsäure, Sublimat, schweflige Säure u. a.) zur Desinfektion
[* 62] und Antisepsis.
Sublimat tötet Sporen schon in einer Verdünnung von 1:20000 in 10 Minuten; Carbolsäure in 5prozentiger Lösung in 24 Stunden.
Sehr stark bakterientötend wirken Chlor, Brom, Jod, Kalk; absoluter Alkohol tötet die Sporen der Milzbrandbacillen
auch nach monatelanger Einwirkung nicht. Die wichtigsten Kokken (Strepto- und Staphylokokken) erliegen schon bei Anwendung
schwächerer (2–3 Proz.) Carbolsäurelösungen.
Unter günstigen Wachstumsbedingungen läuft die Entwicklung der Bakterien sehr rasch ab, manche können sich in 30 Minuten vollständig
bis zur Teilung ausbilden; andere brauchen indessen auch länger. Man hat ausgerechnet, daß, wenn die
Nährböden ausreichten, bei der stetigen Entwicklung von zwei Bakterien aus einem im Laufe einer Stunde, nach drei Tagen bereits aus
einem Bakterium 47 Trillionen mit einem Gewicht von 7½ Mill. kg geworden wären; nach fünf Tagen würden sie den
Raum des ganzen Weltmeers ausfüllen können.
Für die Bewegung der Bakterien ist die Art der Lebensbedingungen insofern maßgebend, als dieselbe z. B.
bei den Aerobionten immer dorthin gerichtet ist, wo Sauerstoff ist (Oberfläche der Flüssigkeiten, daher die oberflächliche
Entwicklung der Kahmhäute, u. a.).
Je nachdem die Bakterien auf toten oder lebenden Nährsubstraten vegetieren, unterscheidet man
Saprophyten und Parasiten; manche Formen können bald saprophytisch, bald parasitisch leben. Die erstern bilden durch Oxydationsprozesse
Verwesung, Fäulnis, Gärung, die letztern wirken
¶
mehr
krankheiterregend. Diese eigentümliche Wirkung beruht im erstern Falle auf der Bildung bestimmter Stoffe, welche, ohne selbst
verbraucht zu werden, große Mengen von hochorganisierten Körpern chemisch verändern und zerlegen, sog.
Fermente, Enzyme. Peptonisierende Bakterien sind solche, die bei ihrem Wachstum auf eiweiß- oder leimhaltigen Nährböden
Peptone bilden. Starre Nährböden (Nährgelatine, geronnenes Eiweiß, erstarrtes Blutserum u. dgl.) werden
durch diese Bakterien verflüssigt.
Die peptonisierenden Bakterien heißen deshalb auch verflüssigende. Die Peptonisierung wird durch Fermente, die diese
Bakterien bilden, hervorgerufen. Die vollständige Zersetzung des Nährsubstrats in seine letzten Endprodukte (Kohlensäure, Wasser)
heißt Verwesung; geht die Zerlegung nur bis zur Bildung bestimmter, noch mehr oder weniger hochstehender
Verbindungen, so nennt man den Prozeß Gärung (hierher gehört die Zerlegung des Zuckers in Alkohol durch Saccharomyces, des
Alkohols in Essig durch Bacterium[Mycoderma] acetiZopf, des Milchzuckers in Milchsäure, bei dem Sauerwerden der Milch, durch
BacilluslacticusHueppe, die Kefirgärung u. s. w.); werden dabei stinkende Gase
[* 64] gebildet, so heißt er
Fäulnis (Bacterium termo Ehrb.
und Proteus, s. d.). Die bei diesen Zersetzungen auftretenden Produkte hemmen, wenn sie eine gewisse Quantität erreicht haben,
bei manchen Bakterien die Lebensthätigkeit und damit das Fortschreiten der Gärung.
Die krankheiterregende Wirkung der pathogenen Bakterien beruht auf der Produktion von dem Organismus schädlichen
Giften (Ptomainen, Toxinen, Toxalbuminen), die, je nachdem der letztere ein guter oder schlechter Nährboden
für die bestimmte Bakterienart ist, in verschiedenem Grade gebildet werden; ihre Kenntnis im einzelnen ist gegenwärtig wegen
der sehr schwierigen Reindarstellung noch in den ersten Anfängen. Bleibt das Wachstum der Parasiten auf eine Körperstelle
beschränkt, so entsteht eine lokale Infektionskrankheit (Furunkel, Hospitalbrand u. ähnl.) unter dem Bilde
einer Entzündung;
auf den Gesamtorganismus wirken dann nur die in dem Entzündungsherd ausgeschiedenen Gifte;
gelangt der
Parasit aber in das Blut und vermag er sich darin zu entwickeln, so wird er durch die Cirkulation des Blutes im ganzen Körper
verbreitet und es entsteht die fieberhafte Infektionskrankheit des ganzen Körpers (z. B. das Rückfallfieber,
der Milzbrandu. ähnl.);
in bestimmten, der Fortbildung günstigen Organen können dann die Bakterien liegen bleiben und lokale Krankheitsherde
bilden. Im allgemeinen wirkt die Blutflüssigkeit bakterientötend, solange sie ihre vitalen Eigenschaften bewahrt. Es entsteht
also eine Art Kampf zwischen dem Organismus und den Bakterien;
vermag der erstere die letztern zu töten, so
tritt Genesung ein, siegen die letztern, so geht der Organismus zu Grunde.
Die verschiedene Natur der einzelnen Bakterienarten
und die verschiedene Widerstandskraft der von ihnen heimgesuchten Organismen, welche sowohl nach Arten und Gattungen, als
nach Individuen und nach den einzelnen betroffenen Organen sehr stark variiert (so wird z. B.
die Hausmaus durch den Bacillus der Mäuseseptichämie getötet, die Feldmaus bleibt dagegen völlig gesund), endlich die
verschiedene Art des Eindringens der Bakterien bedingt die große Mannigfaltigkeit der Infektionskrankheiten.
Den von Bakterien gebildeten Fermenten und Toxinen lassen sich die von andern entwickelten
Farbstoffe an die Seite stellen. So entwickelt sich z. B. auf
Brot
[* 65] und ähnlichen Nährböden der Micrococcus prodigiosusCohn in Gestalt blutroter Flecke, das sog. Blutende Brot (s. d.), Blutwunder u. s. w.
Quantität wie Qualität aller Produkte der Pilze
[* 66] hängen von den äußern Lebensbedingungen ab; Veränderung des Lichts, der
Temperatur, des Nährbodens verändern auch die Stoffwechselprodukte. Diese Thatsache wird bei den pathogenen
Pilzen verwertet, indem man ihre Giftbildung durch geeignete Methoden abschwächt. Impft man mit dem abgeschwächten,
aber immer noch wirksamen Parasiten, so entwickelt derselbe sich zwar, erzeugt aber keine so schwere Krankheit als bei voller
Virulenz, dagegen wird wunderbarerweise der geimpfte Organismus durch das Überstehen der schwächern
specifischen Krankheit widerstandsfähig (immun) gegen stärkere Infektionen. Hierauf beruht die sog. Schutzimpfung, die zuerst
von Jenner empirisch für die Pocken gefunden wurde und neuerdings systematisch namentlich von Pasteur, Behring u. a. bearbeitet
wird. Die Wirksamkeit der Schutzimpfung ist bei den einzelnen Infektionskrankheiten, soweit bekannt, von
verschiedener Zeitdauer. (S. Bakteriologie.)
die Lehre von den Bakterien (s. d.). Sie betrifft nur ein kleines Gebiet der botan.
Wissenschaft, hat sich aber wegen ihrer besondern Bedeutung nicht nur für die Pflanzenkunde, sondern namentlich auch für
die Pathologie der Infektionskrankheiten neuerdings in sehr kurzer Zeit zu einer selbständigen Wissenschaft
entwickelt.
I. Geschichtliches. Seit AthanasiusKircher 1646 Würmer
[* 67] in Pestbeulen gefunden und darauf die Theorie gegründet hatte, daß
manche Krankheiten durch Eindringen solcher Würmer verursacht würden, ist der Gedanke eines Zusammenhangs zwischen Krankheiten
und kleinsten im Organismus schmarotzenden Lebewesen, den übrigens schon röm. Ärzte gehabt hatten, aus dem ärztlichen
Ideenkreis nicht wieder geschwunden. Derselbe wurde besonders gefördert durch die Verbesserung des Mikroskops durch Leeuwenhoek
(1695)), welche diesen großen Forscher zur Entdeckung sehr feiner, beweglicher oder unbeweglicher Stäbchen und Körner in
verschiedenen Medien, darunter namentlich auch im Zahnschleim, führte.
Schon damals bestand die Vorstellung, daß jeder specifischen Krankheit ein specifischer Parasit entspreche.
Aber die Fülle der positiven und negativen Beobachtungen, für deren Kritik kein bestimmtes System Anhaltspunkte oder Vergleichsobjekte
bot, war so groß, die Zahl der möglichen Deutungen so reich, und diese Deutungen so widerspruchsvoll, daß der Kampf der
Anschauungen über die pathol. Bedeutung der fraglichen Gebilde viele Phasen erlebt und selbst nach den
gewaltigen Errungenschaften der neuesten Zeit noch keinen Abschluß erreicht hat. Die Vereinigung dieser pathol. Fragen aber
mit denen der Biologie der Mikroorganismen hat das Interesse für die letztere teilweise immer von neuem geweckt, teilweise
ihr Studium verwirrend kompliziert. Erst die methodisch durchgeführte Systematik der einzelnen Formen
hat die Möglichkeit einer sichern Verwertung derselben für die Ätiologie der Infektionskrankheiten begründet.
In der systematischen Einteilung der niedrigsten Lebewesen leisteten seit Leeuwenhoeks Entdeckung Hervorragendes:
1) Freiherr von Gleichen, genannt Rußwurm (1778); er beschreibt 21 Arten von Infusionstierchen (so genannt aus der Methode,
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sich das Untersuchungsmaterial durch Aufgüsse[Infusa] auf Heu, Schlamm u. s. w. herzustellen).
Sein Werk «Animalcula infusoria fluviatila et marina» (Hanau
[* 70] 1786)) ist die Grundlage aller spätern Forschungen geworden. Er rechnet alle beobachteten Infusorien
zum Tierreich, wobei namentlich die ausführlichen Beobachtungen der Bewegungsformen maßgebend gewesen sein mögen; einzelne
Formen aber schienen ihm bereits Übergänge zwischen Tier und Pflanze zu repräsentieren.
3) ChristianGottfried Ehrenberg, er erweitert in seinem Werke «Die Infusionstierchen als
vollkommene Organismen» (Lpz. 1838) das System durch Hinzufügung zahlreicher neuer Arten, deren physiol.
Thätigkeit durch Fütterungsversuche mit Farbstoffkörnchen bestimmt wird. Das wesentliche Einteilungsprincip für die Unterarten
sind die morpholog. Verhältnisse und die Biegsamkeit der Leiber; so wurden Bakterium (geradlinig, unbiegsam), Vibrio (geradlinig,
biegsam), Spirillum (gekrümmt, unbiegsam) und Spirochäte (gekrümmt, biegsam) unterschieden; die Hauptarten Monas
und Vibrio werden nach der Fortpflanzungsform (Fädenbildung durch Aneinanderreihen) unterschieden. Alle Formen gelten als
Tiere.
4) Nägeli; er faßt 1849 alle Organismen, welche keinen Farbstoff besitzen, keinen Sauerstoff produzieren und in
ihrer Existenz auf die Gegenwart höherer zusammengesetzter tierischer oder pflanzlicher Stoffe angewiesen sind, weil sie
nicht den Kohlenstoff der Kohlensäure assimilieren, als Schizomyceten zusammen, trennt sie von den eigentlichen
Pflanzen und rechnet sie zu den Pilzen, läßt aber auch die Möglichkeit ihrer tierischen Natur offen.
5) Perty (1852); er betont wegen der Ähnlichkeit
[* 71] mancher Infusorien mit niedersten Algenformen die Berechtigung, diese (Spirillina
und Bacterina) zu den Pflanzen zu rechnen.
6) Hallier (1866); er behauptet die intimste Verwandtschaft zwischen Bakterien und Pilzen, und zwar derart, daß die einzelnen
Formen (Morphen) der Schimmelpilze aus einzelnen Kokkenformen, je nach dem Nährboden, auswachsen; als Zwischenform entwickeln
sich Vegetationsreihen der sich teilenden Kokken.
7) Ferdinand Cohn; er rechnet die Bakterien zu den niedersten Algen
[* 72] und ordnet sie, in scharfem Gegensatz
zu Hallier, in ein System nach morpholog. und physiol. Gesichtspunkten, indem er jeder Einzelform volle Selbständigkeit zuerkennt,
wenn auch morpholog. Gleichheit bisweilen die Identität zweier verschiedener Arten vortäusche. Er unterscheidet vier Tribus:
Sphäro-(Kugel-) und Mikro-(Stäbchen-)Bakterien, beide in Zooglöa als Zellfamilien vegetierend, Dermo-(Faden-) und Spiro-(Schrauben-)Bakterien
(beide ohne Zooglöa). Nach der Funktion finden sich chromogene (farbbildende), zymogene (fermentbildende) und pathogene
(krankheiterzeugende) Bakterien. Später erweiterte er das System, indem er die Bakterien mit den Algen vereinigt als Schizophyten
zusammenfaßte und je nach ihrer Anordnung (frei, in Zooglöa oder in Fäden) als Glöogenen und Nematogenen mit zahlreichen
Unterarten schied.
8) de Bary («VergleichendeMorphologie und Biologie der Pilze», Lpz. 1884) und Hueppe («Die Formen der Bakterien», Wiesb. 1880);
sie vervollkommnen das Cohnsche System durch die Einführung der Fruktifikationsform als oberstes
Teilungsprincip; je nach
der Entwicklung der Sporen innerhalb des Zellleibes (Endospore) oder aus ganzen Zellen (Arthrospore) werden die
einzelnen Arten getrennt. Daß die rein morpholog. Principien des Cohnschen Systems nicht vollständig maßgebend sein könnten,
bewiesen zahlreiche Beobachtungen über die Formdifferenzen der Einzelbakterien wie ihrer Zooglöen je nach ihren äußern
Lebensbedingungen und Wachstumsstadien (Pleomorphismus, schon von Dujardin betont); immerhin sind diese Differenzen so unbedeutend
und so genau bestimmbar, daß sie die Benutzung des morpholog. Systems, das vielfach, z. B. von Nägeli,
auf das lebhafteste angegriffen wurde und gegenwärtig noch wird, zur Trennung der Unterarten als maßgebend gestatten.
Die pathologische Forschung hat, von den Einzelfragen der Systematik absehend, sich meist mit der übersichtlichen Gruppierung
der Bakterien in Kokken-, Stäbchen- und Schraubenformen als monomorphen Formen gegenüber der Gruppe
der pleomorphen begnügt, natürlich ohne dem botan. System damit Eintrag zu thun.
In der Erforschung der biologischen Eigenschaften der Bakterien treten neben den bereits genannten noch folgende Namen besonders
hervor.
1) Spallanzani (1776) widerlegt experimentell (durch Abtöten der Keime durch Kochen) die weitverbreitete, namentlich
von Needham vertretene Anschauung, daß die niedersten Organismen durch Urzeugung(Generatio aequivoca) entständen, d. h.
nicht regelmäßig von belebten frühern Generationen, sondern auch von unbelebten Stoffen abstammen könnten.
2) Perty findet (1852) die Fortpflanzung durch Sporenbildung (Gattung Sporonema) und damit die Verwandtschaft mit
den sporenbildenden niedern Pflanzen.
3) Schwann und Cagniard de Latour (1837) entdecken gleichzeitig die Bedeutung des Hefepilzes für die
Gärung.
4) Pasteur (seit 1857) verfolgt die Gärungsbildung und findet für Milchsäure-, Weinsäure-, Buttersäuregärung specifische
Pilze; entdeckt, daß der Buttersäurepilz anaerob ist. Er findet ferner Vibrionen als Ursache der Fäulnis.
5) Schröterund Cohn finden im Anfang der siebziger Jahre die Specifität der einzelnen farbstoffbildenden
(zuerst von Fuchs
[* 73] beschriebenen) Pilzarten. Cohn beobachtet weiterhin das Auswachsen der Sporen zu Bakterien direkt sowie auch
deren Widerstandsfähigkeit. Gleiche Resultate erhält RobertKoch (1876) bei dem Bacillus des Milzbrandes.
6) PaulBertund Pasteur finden die Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen komprimierten Sauerstoff, welcher
die ausgewachsenen Bakterien abtötet.
7) Robert Koch lehrt durch seine Kulturmethoden die Differenzen der Zooglöabildungen und sonstigen Wachstumseigenschaften
kennen und ermöglicht durch dieselben das eingehende biologische Studium der Einzelarten, auf welchem die Anschauungen der
neuesten Zeit im wesentlichen beruhen.
8) Panum, Nencki, Schmiedeberg, Brieger u. a. lehren die Eigenschaften der von den Bakterien erzeugten
Stoffe (namentlich alkaloidartiger Stoffe, der sog. Ptomaine, Toxine u. s. w.) durch chem. Reindarstellung kennen.
9) Nägeli, Büchner, Zopf, Pasteur, Toussaint und viele andere beobachten die Umzüchtung einzelner Arten in gewissem Grade
durch Variation der Lebensbedingungen (Nährboden, Licht,
[* 74] Temperatur); für die pathogenen Pilze wurde diese Umzüchtungslehre
deshalb besonders wertvoll, weil die Erfahrung über die Abschwächung der
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