Im A. begangene
Übertretungen sind nur dann zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder
Verträge angeordnet ist.
Eine im A. vollzogene
Strafe ist, wenn wegen derselben Handlung im Gebiete des
DeutschenReichs abermals eine
Verurteilung erfolgt,
auf die zu erkennende
Strafe in Anrechnung zu bringen (§§. 6, 7). Ist ein
Deutscher im A. wegen eines
Verbrechens oder
Vergehens bestraft worden, welches nach deutschem
Recht die Aberkennung bürgerlicher Ehrenrechte zur Folge
haben kann, so kann in einem neuen
Strafverfahren diese Folge nachträglich herbeigeführt werden (§. 37).
Wegen der Anwendung von
Strafgesetzen eines einzelnen deutschen
Staates auf Handlungen, welche in einem
andern deutschen
Staat begangen sind, und über die Anwendung des bürgerlichen
Rechte auf die in einem andern
Lande begründeten
Privatrechtsverhältnisse s. Kollision.
aus einem Gemenge von Körpern einen bestimmten Gemengteil durch ein Auflösungsmittel
(gewöhnlich Wasser) wegnehmen, wobei die entstehende
Auflösung (Lauge) das gewünschte Produkt ist und das Übrigbleibende
(der
Rückstand) oft wertlosen
Abfall bildet. So wird die
Holzasche ausgelaugt, um die darin enthaltene
Pottasche zu gewinnen;
in den
Alaun- und Vitriolfabriken werden die gerösteten und verwitterten
Erze, in der Sodafabrikation
die Rohschmelzen ausgelaugt u. s. w. Die Hauptaufgabe beim Auslaugen besteht darin,
daß der
Rückstand von allem Löslichen vollständig erschöpft und dabei so wenig wie irgend möglich später zu verdampfendes
Lösungsmittel aufgewendet wird.
Beides erreicht man durch systematisches Auslaugen, bei dem die entstehenden verdünnten Laugen mit reichhaltigem
Material nach und nach zusammengebracht werden, bis man eine gesättigte Lösung erhält, während man reines Wasser nur
zur letzten Behandlung des fast vollständig erschöpften
Rückstandes verwendet. Dazu dienen in der chem.
Industrie besondere
mit Druck arbeitende Vorrichtungen, wie die
Aerostatische Presse (s. d.). Manche gebrauchen den
Ausdruck Auslaugen als gleichbedeutend
mit
Auswaschen. Wenngleich ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden
Operationen nicht besteht, so sollte
von Auslaugen doch nur gesprochen werden, wenn die erhaltene Lösung das wichtigere Produkt ist.
Unter den Gesteine
[* 4] zerstörenden Prozessen besteht derjenige der Auslaugung in der zersetzenden und die löslichen Zersetzungsprodukte
wegführenden
Wirkung des atmosphärischen,
Kohlensäure und Sauerstoff haltenden Wassers. Dieses dringt
durch Klüfte, Risse und Haarspalten in das
Innere der Gesteine und löst auf seinem Wege eine Anzahl ihrer
Bestandteile auf
(Salz,
[* 5]
Gips,
[* 6] Kalk, Dolomit), während es andere mit Hilfe seines Sauerstoffgehalts erst in lösliche
Oxyde (so die Schwefelmetalle
in schwefelsaure Metallsalze) umwandelt, noch andere, z. B. gewisse Silikate,
mittels seines Kohlensäuregehalts zersetzt und die gebildeten
Carbonate fortführt.
Auf diese
Weise werden den Gesteinen ungeheure Mengen von Mineralsubstanz entzogen und durch die
Quellen an die Erdoberfläche
geschafft. Dadurch bilden sich im Innern der
Erdrinde Hohlräume, die oft beträchtliche
Ausdehnung
[* 7] annehmen und dann nicht
selten zu
Einbrüchen der obern Gesteinsschichten Veranlassung geben. So entstehen z. B.
die sog. Erdfälle, trichterförmige Vertiefungen an der Oberfläche. Die von solchen Einstürzen
verursachten Erschütterungen können sogar als
Erdbeben
[* 8] bemerkbar werden.
(lat. Evacuatio,Excretio), die Entfernung von abgesonderten oder in den
Körper gelangten
Stoffen durch die natürlichen Öffnungen des Körpers, im engern
Sinne die
Stuhlentleerung. (s.
Exkremente).
Das Aussehen und die physik.-chem. Beschaffenheit der ausgeleerten
Stoffe ist für die diagnostische Beurteilung der meisten
Krankheiten von der größten Bedeutung.
Die ausleerende Heilmethode (Evacuatio), welche in der ältern
Medizin infolge der herrschenden humoral-pathol.
Anschauungen eine sehr ausgedehnte und oft mißbräuchliche Anwendung fand, wird nur noch in einzelnen Fällen benutzt.
Mittel oder
Evacuantia werden die zur Ausleerende benutzten Heilmittel genannt, also besonders
Brech- und Abführmittel,
ferner harn- und schweißtreibende und auswurfbefördernde
Mittel.
Dieselben wirken teils dadurch, daß sie die den Ausleerungsakten
vorstehenden Muskelpartien (z. B. die des
Darmkanals) in Thätigkeit versetzen, teils dadurch, daß sie
die betreffenden
Absonderungen flüssiger machen, teils dadurch, daß sie die
Kanäle und Mündungen schlüpfriger, geschmeidiger
und schlaffer machen und
so denWiderstand derselben verringern.
bei einem
Kran
[* 9] der schräg aufwärts gerichtete
Balken, der sich mit seinem untern Ende
gegen die Kransäule stützt und an seinem obern Ende an
Ketten oder Seilen die zu bewegende Last trägt. über in der Seemannssprache
s. Schwert.
im Rechtswesen die Thätigkeit, die den
Sinn einer rechtsgeschäftlichen Erklärung oder eines Gesetzes
festzustellen sucht. Die Erklärung kann mehrdeutig und unklar, ihr
Sinn bestritten und ungewiß sein.
Die Auslegung unternimmt es, den
Sinn zu ermitteln, welchen der
Urheber der Erklärung hat ausdrücken wollen. Wo sie nicht zu einer
Gewißheit kommt, begnügt sie sich mit einer Wahrscheinlichkeit; sie geht von der
Voraussetzung aus, daß die
Urheber der
Erklärungen verständige Leute waren, daß sie etwas Verständiges wollten, und daß sie den Zweck mit
angemessenen
Mitteln erreichen wollten. So sucht sie nach der Idee, welche dem
Urheber der Erklärung vorschwebte, bemüht
sich zu finden, was er unter diesen Umständen und wie er
¶
mehr
es wollte. Sie untersucht den sprachlichen Sinn (grammatische Auslegung), ohne an den Worten hängen zu bleiben, sie geht zurück
auf die Vorverhandlungen, die damals abgegebenen Erklärungen, die übrigen klaren Teile der Erklärung, den Zusammenhang
des Ganzen. Wo die Worte nach ihrer buchstäblichen Bedeutung keinen befriedigenden Sinn geben, scheut sich die
rechtswissenschaftliche und richterliche Auslegung nicht, ausdehnend und einschränkend, selbst berichtigend auszulegen.
Die Auslegung hat in der Regel urkundliche Erklärungen zum Gegenstande, sie kann sich auch auf gesprochene, z. B.
von Zeugen bekundete Worte erstrecken. Sie kann die Worte des Gesetzes oder die Worte, mit welchen ein Rechtsgeschäft abgeschlossen
ist, zum Gegenstande haben. Die Methode der Auslegung ist in dem einen Fall dieselbe wie im andern,
wenn auch die Hilfsmittel beider verschieden sind. Die Gesetzgeber haben geglaubt, für die von Gesetzen und von rechtsgeschäftlichen
Erklärungen Regeln aufstellen zu sollen.
Selbstverständlich sind diese Regeln bindend; aber bei der Unbestimmtheit der Regeln helfen sie nicht
viel. So wenig jemand durch die Regeln der Logik denken lernt, so wenig lernt er durch Auslegungsregeln auslegen. Korrekte
juristische Auslegung ist eine Kunst wie die korrekte Anwendung der Gesetze. Der Begabte lernt sie durch Übung. Deshalb sind berufsmäßige
Richter nicht zu entbehren. Legt der Gesetzgeber ein älteres Gesetz durch ein neues selbst aus,
so nennt man das authentische Auslegung. Sie ist unbedingt maßgebend, auch wenn sie das Richtige nicht getroffen hat.
Ebenso kann sich durch gleichmäßige Anwendung eines Gesetzes in einem bestimmten Sinn, usuelle Auslegung, ein Gewohnheitsrechtssatz
gebildet haben, welcher dann nicht minder maßgebend ist. Die durch solche gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche
Vorschrift nicht beschränkte der Gesetze wird die doktrinelle oder rechtswissenschaftliche genannt. Wichtiger noch als bei
der von Gesetzen ist die herkömmliche Auslegung bei Vertragsklauseln, bei denen der Verkehr den Sinn festgestellt bat. - Über in der
Theologie s. Exegese und Hermeneutik; über Auslegung eines Schriftstellers
s. Interpretation.
im staats- und völkerrechtlichen Sinne die Übergabe einer Person durch die Behörden des Aufenthaltsstaates
an die Behörden eines andern Staates, welcher dieselbe zum Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung verlangt hat. Schon Grotius
(1625) hat die Pflicht der Rechtsgewährung unter den Staaten in dem Sinne aufgestellt, daß jeder Staat
den in seinem Gebiete sich Aufhaltenden, welcher einen andern Staat oder dessen Angehörige verletzt hat, entweder selbst bestrafen
oder dem verfolgenden Staate ausliefern muß.
Heute ist allgemein anerkannt, daß für schwere Verbrechen die Auslieferungspflicht auch unabhängig von Staatsverträgen
besteht. Andererseits ist man ebenso einverstanden darüber, daß die Auslieferung nur innerhalb
solcher Grenzen
[* 11] stattzufinden hat, welche mit den verständigen Zwecken der Strafrechtspflege in angemessenem Verhältnisse
stehen. Der Abschluß von Staatsverträgen ist daher ebensowohl angezeigt, um diese Grenzen genauer zu bestimmen, als um das
Auslieferungsverfahren festzustellen, welches unter den allgemeinen Begriff der Rechtshilfe (s. d.) fällt.
Über die zwischen dem DeutschenReiche und andern Staaten bestehenden Vertragsverhältnisse vgl. Hetzer,
Deutsche Auslieferungsverträge (1885); Menzen, Deutsche Auslieferungsverträge
(1891). Neuerdings
ist es auch üblich geworden, die sog. Meistbegünstigungsklausel auf die Auslieferung zu übertragen. Der (auch im Deutschen Strafgesetzbuch
§.9 ausgesprochene) Grundsatz, daß eigene Staatsangehörige nicht ausgeliefert werden, setzt voraus, daß die
heimischen Gerichte nach ihrer Strafgesetzgebung (wie nach §. 4, Nr. 3 des Deutschen Strafgesetzbuchs) zuständig sind, über
die von ihren Staatsangehörigen im Auslande begangenen strafbaren Handlungen zu urteilen (s. Ausland).
Schwierigkeiten macht immer noch die Abgrenzung des mit dem sog. Asylrecht (s. Asyl) zusammenhängenden Grundsatzes, daß wegen
polit. Vergeben nicht auszuliefern sei, den zuerst das belg. Gesetz vom l.
Okt. 1833 in der Ausdehnung auf alle «mit einem solchen Vergehen konnexen Handlungen» aufgestellt hat. Schon 1856 wurde Belgien
[* 12] durch die VorstellungenFrankreichs veranlaßt, eine Ausnahme für das Mordattentat gegen ein fremdes Staatsoberhaupt und dessen
Familie zu machen. Die besonders infolge der russ. Vorgänge seit 1880 lebhafter
angeregten diplomatischen und wissenschaftlichen Verhandlungen über eine allgemeine Einschränkung für die unter dem Deckmantel
polit. Bestrebungen verübten gemeinen Verbrechen haben bis jetzt zu keinem befriedigenden Ergebnisse geführt. -
Vgl. Lammasch,
Das Recht der Auslieferung wegen polit.
oder Ablieferungsschein, die Anweisung (s. d.) an den angewiesenen Inhaber einer Ware, dieselbe
dem den Auslieferungsschein vorlegenden Empfänger für Rechnung des Anweisenden auszubändigen.
Bei der Post werden die quittierten Scheine,
gegen deren Aushändigung Geldsendungen ausgezahlt, Wertsendungen und Pakete ausgehändigt werden, Auslieferungsschein genannt.
Die Post braucht die Echtheit der Unterschrift und die Legitimation des Überbringers nicht zu prüfen (Gesetz vom
§. 49).
Das Deutsche Handelsgesetzbuch Art. 302 versteht unter Auslieferungsschein dasselbe wie unter Lagerschein (s. d.).
die öffentliche Bekanntmachung, durch die demjenigen, welcher eine bestimmte Leistung
machen werde, eine Belohnung versprochen wird, z. B. für Lösung einer Preisausgabe, Ablieferung einer gefundenen Sache,
Anzeige von Verbrechern. Widerruf von seiten des Auslobers muß ebenso öffentlich erfolgen als die und verpflichtet zur Entschädigung
für schon geschehene Schritte vorschriftsmäßiger Ausführung, falls nicht der Widerruf innerhalb bestimmter Frist von
vornherein vorbehalten ist.
Daß eine Auslobung innerhalb der Frist, welche für die Ausführung der Arbeit u. s. w. gesetzt ist, nicht zurückgenommen werden
darf, bestimmt das Preuß. Allg. Landr. I, 11, §. 989 ausdrücklich. Erfolgt die Leistung seitens mehrerer, so ist die zugesagte
Summe der Regel nach nur an den zuerst Leistenden zu bezahlen. Die Verbindlichkeit des durch öffentliche
Bekanntmachung kundgegebenen einseitigen Versprechens ist für das Gemeine Recht überwiegend anerkannt, ebenso in den Gesetzgebungen
von Preußen
[* 14] und Sachsen,
[* 15] in der österr. und franz. Praxis, auch im DeutschenEntwurf §§. 581-584. - In einem andern Sinne
bedeutet Auslobung soviel wie Abfindung (s. d.) bei der bäuerlichen Erbfolge.
der Vorgang, bei welchem durch Leistung einer kleinen Arbeit eine große potentielle
¶
mehr
Energie (oder Spannkraft) veranlaßt wird, sich in mechan. Arbeit umzusetzen. Eine Auslösung ist z. B. die durch einen kleinen Funken
bewirkte Explosion des Pulvers. Die große, hierbei geleistete mechan. Arbeit entsteht nicht aus der kleinen Energie des Funkens,
sondern aus der des Pulvers, dessen Gleichgewicht
[* 17] durch den Funken gestört wurde. Ebenso ist es eine
Auslösung, wenn ein auf einer stumpfen Spitze stehender schwerer Bleiblock durch einen geringen Anstoß stürzt, wenn ein Muskel auf
einen geringen Reiz hin eine große mechan. Arbeit verrichtet u. s. w. Der Name Auslösung wurde von I. R. Mayer (s. Mechanische Wärmetheorie)
eingeführt.
In der Physiologie bezeichnet man das Nervensystem als einen Auslösungsapparat, weil durch die Erregung
feinster Nervenfasern beträchtliche Kraftmengen in den Arbeitsorganen unsers Körpers (Muskeln,
[* 18] Drüsen) freigemacht werden
können. So bewirkt z. B. das Eindringen eines Fremdkörpers in die Stimmritze die heftigsten konvulsivischen Hustenstöße:
die Erregung der sensiblen Nerven
[* 19] der Kehlkopfschleimhaut ruft in den Ganglienzellen
[* 20] der nervösen Centralorgane
sofort eine Reihe von Veränderungen hervor, welche ihrerseits wieder durch die Reizung zahlreicher centrifugaler Nervenfasern
die in den Respirationsmuskeln aufgespeicherten Spannkräfte plötzlich frei machen und so die explosiven Hustenstöße veranlassen.
in der Jägersprache das Aufsuchen von angeschweißtem oder gesundem Wild durch Abspüren (s. d.). - Ein
Land, eine Küste, ein Seezeichen ausmachen bedeutet, es so deutlich erkennen, daß danach die Stellung
des Schiffs wenigstens ungefähr bestimmt werden kann.
oder ausmärzen, bei den Haustieren, besonders aber bei Schafen, das in der Regel im März geschehende Entfernen
der überschüssigen oder in ihren Nutzungseigenschaften nicht mehr befriedigenden Tiere.
Derartiges Vieh wird dann
Brackvieh oder Merzvieh (s. d.) genannt. Im weitern Sinne bezeichnet man mit Ausmerzen überhaupt die Wegschaffung untauglicher Dinge
oder Bestandteile.
die Befreiung Militärpflichtiger vom Militärdienst.
Sie erfolgt, wenn diese wegen Gebrechen zum Dienst
mit der Waffe oder zu einem ihrem bürgerlichen Beruf entsprechenden Dienst ohne Waffe dauernd untauglich befunden werden.
Die ausgemusterte Mannschaft ist nicht landsturmpflichtig.
zuweilen Bezeichnung für die Behörden, an welche das Verfahren und die Entscheidung für gewisse
den ordentlichen Gerichten entzogene Rechtsstreitigkeiten ein für allemal durch Gesetz verwiesen sind. Sie werden auch Sondergerichte
genannt. Für Deutschland
[* 21] gehören dahin die Militärgerichte in Strafsachen, die Konsulargerichte (Gesetz vom
die Prisengerichte (Gesetz vom die Gerichte in den deutschen Schutzgebieten (Gesetz vom Verordnungen
vom 2. Juli und 13. Juli desselben Jahres und vom das Kaiserl.
Patentamt, soweit es über Vernichtung von Patenten entscheidet (Gesetz vom die durch das Unfallversicherungsgesetz
vom und das Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung vom Verordnung vom eingeführten
Schiedsgerichte und das Reichsversicherungsamt, die Gewerbegerichte (Gesetz vom die reichsgesetzlich zugelassenen
Sondergerichte in den einzelnen Ländern: namentlich
die landes- und hausgesetzlichen Sondergerichte für
die Landesherren, die Mitglieder der landesherrlichen Familien und die Mitglieder der fürstl. Familie Hohenzollern,
[* 22] die
Rheinschisfahrts- und Elbzollgerichte, die Auseinandersetzungsbehörden, die Gemeindegerichte zur Erledigung von Bagatellsachen.
Gewöhnlich versteht man unter Ausnahmegerichte (Kommissionen, Specialgerichten) die durch Specialverordnung besonders für Kriminalfälle
berufenen außerordentlichen Gerichte, z. B. die in der deutschen Geschichte
besonders bekannten Mainzer und Frankfurter Centraluntersuchungskommissionen. Wegen der mit diesen außerordentlichen Maßnahmen
verbundenen Gefahren für Recht und Sicherheit der Unterthanen verkündeten eine Anzahl deutscher Landesverfassungen den Satz:
«Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden», die Frankfurter Grundrechte mit dein Zusatz: «Ausnahmegerichte sollen nie
stattfinden»;
in Übereinstimmung hiermit das Deutsche Gerichtsverfassungsgesetz vom «Ausnahmegerichte sind
unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte
und Standrecht (s. d.) werden hiervon nicht berührt. »
zunächst solche in dem allgemein anerkannten Rechte enthaltene Bestimmungen, die eine Ausnahme von
sonst gültigen Regeln, ein jus singulare, vorbehalten, z. B. daß Minderjährige,
in Widerspruch mit dem Satze, daß abgeschlossene Verträge zu halten sind, gegen eingegangene Verpflichtungen oder Veräußerungen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (s. d.)erlangen. Man versteht unter Ausnahmegesetze aber auch Verfügungen der höchsten Exekutivgewalt,
durch welche aus dem Anlasse eines wirtlichen oder vorgeblichen Notstandes verfassungsmäßige Rechte suspendiert werden.
Hierauf kam schon im alten Rom
[* 23] die Ernennung eines Diktators hinaus, ingleichen der Erlaß eines Senatus
consultum extraordinarium, durch das den Konsuln eine ganz diskretionäre Gewalt eingeräumt wurde. Aus den neuern Zeiten
sind als Ausnahmemaßregeln zunächst die zahlreichen Beispiele einer offenen oder verdeckten Kabinettsjustiz anzuführen,
durch welche Angeschuldigte den gewöhnlichen Gerichten entzogen und entweder ohne alles Urteil auf bloße
Lettres de cachet (s. d.) eingesperrt oder vor ein Ausnahmegericht von eifrigen Anhängern der bestehenden Gewalt gestellt
und summarisch abgeurteilt wurden.
Solche Ausnahmegerichte waren unter den Stuarts die Sternkammer (s. d.), in Frankreich die Chambres ardentes (s. d.), unter Napoleon
I. die verhaßten Prevotalgerichte (s. d.) zur Unterdrückung des Schleichhandels
und aller Emeuten. In England begründet die Suspension der Habeas-Corpus-Akte ebenso ein Ausnahmerecht. Andere Ausnahmeverfügungen
betreffen entweder einzelne Körperschaften oder Parteien, wie z. B. das Gesetz des DeutschenReichs betreffend den Orden
[* 24] der
Gesellschaft Jesu, vom das Reichsgesetz vom betreffend die unbefugte Ausübung
von Kirchenämtern (s. Ausweisung), und das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom
oder sie erfassen den gesamtem öffentlichen Zustand, so die Einstellung gewährleisteter Freiheiten, wie z. B. gewisser Grundrechte
der DeutschenBundesakte durch die Karlsbader Beschlüsse (s. d.) von 1819, ferner die Verkündigung des Martialgesetzes
(s. d.) mit der Wirkung des
¶
mehr
Belagerungs- oder Kriegszustandes (s. Belagerungszustand), die Proklamierung des Standrechts, die Suspension oder selbst Aufhebung
von rechtlich bestehenden, die eigenmächtige Octroyierung von neuen Verfassungen. Derartige Ausnahmegesetze setzen immer Ausnahmeverhältnisse
voraus und können nur unter dieser Voraussetzung als gerechtfertigt betrachtet werden, bedingen demgemäß auch eine besonders
hohe Verantwortung der sie erlassenden Staatsgewalt.
Decimus Magnus, röm. Dichter, geb.
um 309 n. Chr. zu Burdigala (Bordeaux),
[* 28] ein Sohn des nachmaligen Leibarztes des Kaisers Valentinian I., Julius Ausonius, wirkte in
seiner Vaterstadt zuerst als Sachwalter, später als Lehrer der Grammatik und der Beredsamkeit. Valentinian übertrug ihm die
Erziehung seines Sohnes Gratian und ernannte ihn zum Comes und quaestor sacri palatii. Nach Valentinians
Tod (375) wurde von Gratian zum Präfekten und (379) zum Konsul ernannt.
Nach dem Tode dieses Kaisers (383) zog sich Ausonius aufs Land zurück. Er starb um 395. Man hat von ihm namentlich Epigramme, Parentalia
(auf gestorbene Verwandte); dann eine Reihe Gedichte auf «professores Burdigalenses»,
20sog. «Idyllia», darunter «Mosella»,
epische Schilderung einer Reise an Mosel und Rhein, Ausonius' bestes Werk; das «Eclogarium»,
allerlei in Verse gebrachte Kapitel vorzugsweise astron. und kalendarischen Inhalts, endlich Briefe in Versen; außerdem in
Prosa eine zu Trier
[* 29] an Kaiser Gratian gehaltene Dankrede für das Konsulat. Seine Gedichte, in der Form gewandt, aber ohne
poet. Wert, sind ergiebige Quellen für die Kenntnis jener Zeit. Die vorzüglichsten Ausgaben sind von Scaliger (Leid. 1575),
Tollius (Amsterd. 1669 u. 1671), Souchay (Par. 1730), Schenkl («Monumenta
Germaniae, Auctores antiquissimi», Tl. V, 2, Berl. 1884) und Peiper (Lpz. 1886). Die «Mosella»
gaben besonders, mit deutscher Übersetzung, Troß (Hamm
[* 30] 1821 u. 1824) und Böcking (Berl. 1828 und im «Jahrbuch
des Vereins von Altertumsfreunden», Bonn
[* 31] 1845) heraus, eine deutsche Übersetzung auch Viehoff (Trier 1885).
czech. Hustopeč, 1) Bezirkshauptmannschaft in Mähren,
[* 32] hat 747,53 qkm und (1890) 72217 E., darunter 3878 Evangelische
und 1509 Israeliten, 78 Gemeinden mit 79 Ortschaften und umfaßt die Gerichtsbezirke Auspitz, Klobouk und Groß-Seelowitz.
- 2) Stadt und Sitz der Bezirkshauptmannschaft sowie eines
Bezirksgerichts (18 Gemeinden und Ortschaften, 24008 E.,
darunter 10184 Deutsche), 30 km südlich von Brünn,
[* 33] an der Linie Lundenburg-Brünn der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn,
hat (1890) 3654 meist deutsche E., Rathaus, got. Pfarrkirche, Unterrealschule, Piaristenkollegium, Dreifaltigkeitssäule,
Landwirtschaft, Weinbau und Handel mit Landesprodukten. Der Wein, schon im 14. Jahrh. geschätzt, geht größtenteils nach Böhmen
und Schlesien.
[* 34] Die früher bedeutenden Viehmärkte sind zurückgegangen.
(lat.), bei den Römern die Ausschau nach den Anzeichen des Willens der Götter, namentlich die Vogelschau
(s. Augurn);
dann auch die aus der Vogelschau sich ergebenden Aussichten auf den Erfolg einer Sache überhaupt, endlich der
(bei der Vogelschau sich erweisende) Beistand der Götter in den menschlichen Angelegenheiten, worauf sich das
Wort zu dem allgemeinen Begriff Oberleitung oder Schutz abgeschwächt hat.
Noch gegenwärtig wird oft gebraucht die lat. Wendungauspiciis regis, «unter dem Schutz und Schirm des Königs», u. a.
die beim Reinigen des Getreides in den neuern Kunstmühlen abfallenden Unreinigkeiten und fremden Körper,
namentlich Staub, Sand, Spreu und Unkrautsamen.
Der Ausputz wird von Händlern aufgekauft, um betrügerischerweise
unter den Grassamen gemischt zu werden, oder man benutzt den vorher geschrotenen Ausputz als Futtermittel, was jedoch wegen der
oft darin vorkommenden giftigen Samen
[* 39] (Kornrade, Taumellolch u. a.) bedenklich ist.
[* 25] Versenker, ein Werkzeug (s. beistehende
[* 25]
Fig. 1), mit
dem man vermöge des konischen fräsenartigen Kopfes roh vorgebohrte Löcher mit einer konischen Äusmündung (z. B. zur Aufnahme
versenkter konischer Schraubenköpfe) versieht oder auch nur den beim Bohren entstandenen Grat entfernt; beim Gebrauch wird
der in einer Bohrwinde (s. Bohrer)
[* 40] befestigt. Der Ausreiber für Drechsler
[* 25]
(Fig. 2) hat den Zweck, schon vorgebohrte
Löcher auf einen bestimmten Durchmesser zu erweitern und gleichzeitig die Lochwandungen zu glätten. Der Querschnitt ist
quadratisch, und die vier Kanten laufen in eine Spitze zusammen. (S. auch Reibahle.)
zum Herausreißen der Baumstümpfe bei Urbarmachung abgeholzter Waldböden und
zum Herausziehen und Lockern eingerammter Piloten dienende Vorrichtung. Sie besteht aus drei starken, in Gelenken beweglichen
Holzfüßen, so daß sie sich unter jedem beliebigen Winkel
[* 41] aufstellen läßt, selbst da, wo Bäume oder andere Hindernisse
im Wege stehen. Eine kräftige schmiedeeiserne Schraubenspindel, die zum Heben des Baumstumpfes dient,
ist am Treffpunkt der drei Füße drehbar in einer starken Mutter eingelagert, in deren Ösen ein
¶
mehr
paar lange Hebebäume gesteckt werden, um das Drehen zu erleichtern; die Schraubenspindel ist an ihrem untern Ende mit einem
Haken versehen, in welchem eine den Baumstumpf umfassende Kette eingehängt wird. Die Schraubenspindel steigt beim Drehen in
die Höhe, die Kette wird straff angespannt und zieht so den Baumstumpf mit den Wurzeln aus der Erde.
die neben Bekleidung und Bewaffnung erforderlichen Stücke der Ausstattung des Soldaten,
als Helm, Leibriemen, Tornister, Mantel, Brotbeutel, Kochgeschirr, Patronentaschen, Feldflasche u. s. w., beim Reiter Kartusche
mit Bandelier, Mantelsack u. s. w. Zur Pferdeausrüstung gehört das Reitzeug, für Zugpferde
das Geschirr. - Um ein Geschütz im Ernstfalle möglichst selbständig zu machen, werden ihm außer der zu verfeuernden Munition
auch noch die Zubehörstücke (s. Geschützzubehör), eine Anzahl von Ersatzteilen zum Auswechseln gegen
unbrauchbar gewordene Stücke (Vorratssachen oder Reservestücke), Laboriergerät zum Fertigmachen der Munition, Schanzzeug
und Werkzeug mitgegeben; bei der Feldartillerie treten hierzu noch Geschirr- und Stallsachen sowie Rohmaterialien zum Ausbessern
geringer Schäden auf der Feldschmiede u. s. w. - Die Ausrüstung eines Schiffs umfaßt die Gegenstände, welche
dasselbe seeklar (s. d.) machen, d. h. zu einer
Seereise befähigen, wie Kohlen, Trinkwasser, Proviant, nautische Instrumente, Flaggen,
[* 43] Signalapparate, Segel, Tauwerk, Anker,
[* 44] Boote. - Über Ausrüstung einer Festung
[* 45] s. Armierung; über in der Technologie s. Appretur.
die Verbreitung der Pflanzen durch Samen, Sporen und andere zur Fortpflanzung bestimmte
Zellen; dieselbe geschieht in sehr verschiedener Art. Als natürliche Aussaat bezeichnet man gewöhnlich diejenige
Art der Verbreitung, die bei den sog. wild wachsenden Pflanzen stattfindet und entweder durch zweckmäßige Verbreitungseinrichtungen
von der Pflanze selbst oder durch mannigfache Einwirkung der Außenwelt erfolgt. Bei der großen Mehrzahl
der Pflanzen werden die Samen, Sporen u. s. w. nur auf verhältnismäßig geringe Entfernungen hin ausgestreut, indem
die Verbreitung durch die Mutterpflanze selbst vollzogen wird.
Der einfachste hierher gehörende Fall der natürlichen Aussaat ist das Herabfallen der Früchte, Samen u. s. w. auf den Boden,
nachdem durch die Reife ein Ablösen derselben von der Mutterpflanze eingetreten ist; so ist es z. B.
bei sehr vielen Gräsern, bei den Buchen, Eichenu. s.w. Hierbei kommen natürlich die Samen direkt unter die Pflanze zu liegen.
Jedoch kann die Pflanze durch zweckmäßige Einrichtungen ihre Samen auch außerhalb ihrer allernächsten Umgebung aussäen,
indem sie dieselben bei der Reife mit oft bedeutender Kraft
[* 46] von sich schleudert. Es sind hierzu die mannigfaltigsten
Einrichtungen vorhanden; so werden z. B. bei verschiedenen Hülsen- und Schotenfrüchten
die Samen durch plötzlich eintretendes uhrfederartiges oder schraubenförmiges Zusammenziehen der Hülsen oder Schoten herausgeschleudert;
ähnlich bei den Früchten des Rührmichnichtan (Impatiens noli tangereL.) und bei
vielen Sauerkleearten
(Oxalis).
Bei der Spritzgurke (Echalium officinale N. ab Es.)
findet während der Ablösung der Frucht von der Mutterpflanze ein plötzliches Herausspritzen der darin enthaltenen Samen
statt. Auch bei einigen Pilzen wird die Verbreitung derSporen durch Wegschleudern bewirkt, so z. B. bei dem Schimmelpilze Mucor
(s. d.). Zu den Einrichtungen, welche das Ausstreuen bewirken,
kommen häufig noch andere hinzu, die das Eindringen der Samen oder Früchte in den Boden und somit die erfolgreiche Keimung
erleichtern; so besitzen z. B. die Samen vieler Erodiumarten (s.
Erodium) eine korkzieherartig gewundene Granne, die infolge starker Hygroskopizität bei Witterungswechsel sich auf- und einrollen
kann und so ein Einbohren der Samen in den Boden bewirkt; ganz ähnliche Verhältnisse finden sich bei
einer Anzahl Gräser,
[* 47] z. B. bei verschiedenen Haferarten, bei dem Federgras (Stipa) u. s. w. - Bei der Verbreitung der Samen
und Sporen durch das Eingreifen der Außenwelt kommen in erster Linie die Windströmungen in Betracht.
An den Samen und Früchten sehr vieler höherer Pflanzen sind die verschiedenartigsten Einrichtungen, «Flugorgane»
genannt, vorhanden, um das Wegführen derselben durch den Wind möglich zu machen. Die bekanntesten sind die Haar- und Federkronen
vieler Kompositen,
[* 48] die Haarschöpfe an den Samen der Weiden, Pappeln, Anemonen, Waldreben (Clematis), ferner die flügelartigen
Ansätze an den Früchten der Ulmen, Eschen, Ahorne und an den Samen der meisten Nadelhölzer.
[* 49]
Sehr kleine Samen, wie die der Orchideen,
[* 50] ebenso die große Mehrzahl der Sporen von Pilzen und höhern Kryptogamen sind meist
von so geringem Gewichte, daß sie auch ohne «Flugorgane» vom Winde
[* 51] sehr weit hinweggeführt werden können. Die Sporen der
meisten Algen,
[* 52] ebenso die Samen und Früchte vieler Wasserpflanzen
[* 53] werden durch Wasserströmungen verbreitet; auch können
die Samen mancher Landpflanzen auf den Bächen, Flüssen sowie durch die Meeresströmungen
[* 54] auf weite Strecken fortgeführt werden.
- Einen nicht minder wichtigen Faktor bei der natürlichen Aussaat bilden die Tiere, und zwar vorzugsweise die Vögel.
[* 55]
Samen, die durch Tiere verbreitet werden, sind gewöhnlich mit Haken, Borstenu. dgl. Versehen. So sind die Früchte vieler Doldenpflanzen
(z. B. der Möhren), Rubiaceen (z. B. Galium aperineL.), ferner mancher Boragineen (z. B. Cynoglossum officinaleL.) mit gekrümmten
oder an der Spitze widerhakigen Borsten versehen, so daß sie in dem Haar- oder Federkleide der Tiere hängen
bleiben. Die Verbreitung der Mistel (Viscum albumL.), die als Schmarotzer auf vielen Bäumen lebt, wird von gewissen Vögeln
besorgt, indem die weißen süßen Beeren von denselben gefressen und so die in den Beeren enthaltenen Samen, welche infolge
ihrer klebrigen Oberfläche an den Schnäbeln hängen bleiben, auf andere Bäume übergeführt werden.
- Künstliche Aussaat ist die absichtliche Verbreitung der Pflanzen durch den Menschen. (S. Säen.)
Das Aussalzen besteht darin, daß man die in Wasser leicht löslichen chem.
Körper, die in einer starken Kochsalzlösung unlöslich sind, aus ihren wässerigen Lösungen dadurch abscheidet, daß man
letztere allmählich unter Umrühren mit Kochsalz versetzt, bis die Körper durch Auflösung des Kochsalzes
abgeschieden werden.
Das Aussalzen wird in der Seifenfabrikation zur Abscheidung der Kernseifen aus dem Seifenleim, ferner in der
Fabrikation vieler
¶
mehr
Farbstoffe, namentlich der in Wasser löslichen Anilin- und Azofarben, technisch angewendet.
(erst seit dem 14. Jahrh., vorher Miselsucht), auch Maalzei oder Lepra genannt,
bezeichnet bei den ältern Ärzten eine Menge von langwierigen, entstellenden und mit abschreckenden Hautausschlägen oder
Geschwüren verbundenen Krankheiten, welche man für ansteckend hielt, so daß man die davon Befallenen
von der bürgerlichen Gesellschaft ausschloß, ans den Städten verjagte, also aussetzte, daher der Name Aussätzige oder Sondersieche
(Leprosen).
Als im Mittelalter die Zahl solcher Kranken zunahm, gründete man für sie besondere Aussatzhäuser (Leproserien), d.h. Hospitäler,
in welchen diese Kranken verwahrt und gepflegt wurden. Vieles, was man ehedem zum Aussatz gerechnet hat, mag
wohl jetzt zu den syphilitischen oder skrofulösen Krankheitsformen gerechnet werden. Aber auch jetzt bleiben noch Krankheiten
übrig, welche man unter den obigen Namen als lepröse Krankheitsformen begreift. Sie kommen hauptsächlich in Küstenländern
unter der ärmern Volksklasse einheimisch (endemisch) vor.
Dahin gehören besonders die tropischen Aussatzkrankheiten im Ost- und Westindien,
[* 57] Brasilien,
[* 58] Surinam u. s. w.),
ferner die Aussatzformen in der Levante und Arabien, in Südeuropa, z. B. die Krimsche Krankheit, die Lova in Griechenland,
[* 59] die Falcadina in Dalmatien, die AsturischeRose, der Galicische in Nordspanien u. s. w. In Nordeuropa sind hierher zu rechnen:
das norweg. Spedalske Sygdom, die Liktraa in Island,
[* 60] vielleicht auch die Radesyge Skandinaviens und die
Dithmarsche Krankheit Holsteins.
Der echte Aussatz ist eine chronische konstitutionelle Erkrankung, welche sehr augenfällige Veränderungen (Verfärbung, Knoten-
und Geschwürsbildung) auf der Haut,
[* 61] den Schleimhäuten, in den Nerven und Knochen
[* 62] veranlaßt und zumeist ein langdauerndes
Siechtum mit schließlichem tödlichem Ausgang zur Folge hat. Man unterscheidet gewöhnlich zwei verschiedene
Formen des den Knollenaussatz oder knotigen Aussatz (Lepra nodosa), bei welchem sich große, anfangs harte Knoten unter der Haut
und den Schleimhäuten bilden, die später allmählich erweichen und in fressende, die benachbarten Weichteile zerstörende
Geschwüre übergehen und den glatten oder an ästhetischen, wohl auch verstümmelnden Aussatz (Lepra
anaestetica s. mutilans), wo erst einzelne Hautstellen mißfarbig (aschgrau oder rotbraun) und völlig
empfindungslos werden, dann aber ein Glied
[* 63] nach dem andern brandig abstirbt und sich aus dem Gelenke ablöst.
Die Verstümmelungen, welche der Aussatz im Gefolge hat, sind mitunter geradezu entsetzlicher Art; bisweilen verlieren
die KrankenNase
[* 64] und Augen, Hände und Füße, so daß nur noch Kopf, Rumpf und ungestaltete Stümpfe von den
Extremitäten übrigbleiben. Als Vorzeichen (Aussatzmäler, Morphaea) gelten seit alten Zeiten bis jetzt die sich bei solchen
Kranken anfangs unter herumziehenden Schmerzen einstellenden mißfarbigen, harten, meist schuppigen, auch wohl unempfindlichen
Flecke auf der Haut.
Die mittlere Dauer des knotigen Aussatz beträgt etwa 9-10, die des glatten oder anästhetischen Aussatz 18 Jahre. Bisweilen
finden sich beide Formen des Aussatz an einem und demselben Kranken gleichzeitig vor. Über dieUrsache dieser verstümmelnden Krankheit,
um deren Kenntnis sich namentlich die norweg. Forscher Danielssen, Boeck und Armauer
Hansen, sowie Hebra,
Virchow und Baetz verdient machten, haben erst die Forschungen der neuesten Zeit genügenden Aufschluß
gegeben: der Aussatz entsteht, wie die Tuberkulose, durch eigenartige Bacillen (Leprabacillen), mikroskopisch kleinste niedrige
Organismen aus der Klasse der Bakterien, die sich in großer Menge in den Knoten und Geschwüren der Kranken vorfinden.
Der Leprabacillus, von Hansen und Neißer 1880 entdeckt, von Bordoni-Uffredazzi künstlich kultiviert, gleicht an Form und sonstigen
Eigenschaften dem Tuberkelbacillus aufs genaueste; nur seine charakteristische Färbung geschieht etwas leichter, und seine
Kulturen haben ein etwas anderes makroskopisches Aussehen. Bei diesen Analogien ist die Veränderung, welche von beiden Bacillenformen
im Gewebe
[* 65] hervorgerufen wird, zwar in vielen Stücken verschieden (so fehlt z. B. die Verkäsung im Lepraknoten),
im wesentlichen aber doch gleicher Natur.
Ein specifisches Heilverfahren des Aussatz ist bis jetzt noch nicht bekannt; man muß sich auf eine rein symptomatische
Behandlung, auf Hebung
[* 66] der Ernährung, Linderung der Schmerzen, örtliche Behandlung und Ausschneidung der
Knoten und Geschwüre u. s. w. beschränken. Nur in den Anfangsstadien der Krankheit scheint eine Heilung möglich, wenn der
Kranke die Gegend, in welcher er vom Aussatz ergriffen wurde, rechtzeitig und für immer verläßt. Neuerdings
sind wiederholt günstige Erfolge durch Einspritzungen mit Tuberkulin erzielt worden.
soviel wie Gutgewicht (s. d.), hier und da aber auch noch eine
besondere Gewichtsvergütung von gewöhnlich ½ bis 1 Proz., die dem Käufer außer dem Gutgewicht gewährt wird.
Ursprünglich
ist der kleine Überschuß an Ware, durch welchen die Wagschale zu Gunsten des Käufers zum Sinken gebracht
wird.
oder Exanthem, diejenigen Hauterkrankungen, bei welchen sich mehr oder minder zahlreiche umschriebene sog.
Hautblüten oder Efflorescenzen (Flecken, Knötchen, Knoten, Quaddeln, Bläschen oder Pusteln) auf der Haut bilden.
Sofern
der Ausbruch derselben von einem Fieber begleitet ist, heißen sie hitzige Ausschlag, während man das Fieber selbst
als exanthematisches Fieber bezeichnet, z. B. Masern, Scharlach, Pocken, gewisse Typhusformen u. s. w. Die Hauptheilmittel gegen
Ausschlag bilden Bäder und Waschungen, Seifen, Teerpräparate, Bleisalben und Ätzmittel. (S. Hautkrankheiten.)
[* 73]