Eigenschaften, also gleiches Gewicht, gleiche
Affinität zu andern u. s. w. besitzen, die
Atome verschiedener Elemente aber
verschiedenes Gewicht u. s. w. haben.Chem.
[* 2]
Verbindungen werden alsdann dadurch zu stande kommen, daß sich mehrere
Atome durch
gegenseitige chem.
Anziehung nach bestimmtem Anzahlverhältnisse zu den kleinsten Partikelchen der chem.
Verbindung
(Molekülen)
zusammenlagern. Vereinigen sich so zwei Elementaratome miteinander zu einem
Molekül, so muß dies in
dem Mengenverhältnisse ihrer
Atomgewichte geschehen; sind dagegen von einem der Elemente im
Molekül der
Verbindung mehrere
Atome vorhanden, so wird die Gewichtsmenge desselben durch das Produkt aus dem Gewichte eines
Atoms und der Anzahl der
Atome
ausgedrückt werden müssen.
Das Gesetz der einfachen multiplen
Proportionen ist dann die notwendige Folgerung der Atomtheorie. Wesentlich gestützt
wird die Atomtheorie weiterhin durch die
Isomerie (s.
Isomer) chem. Körper, indem die Existenz von
Substanzen, die nach Art und Mengenverhältnissen
ihrer
Bestandteile vollkommen gleich, nach ihren Eigenschaften aber durchaus verschieden sind, nur verständlich ist durch
die, übrigens in zahllosen Einzelfällen bereits bestimmt nachgewiesene verschiedenartige Gruppierung derselben Art und
Anzahl von Einzelatomen in den
Molekülen der
Verbindungen.
Ohne die Atomtheorie ist eine wissenschaftliche
Chemie heute undenkbar. Auch
viele physik.
Thatsachen lassen sich ohne sie nicht begreifen.
Zusammen mit der Erkenntnis der Wertigkeit (s. d.) der
Elementaratome hat die Erkenntnis der Gesetze, nach denen ihre Gruppierung zu Verbindungsmolekülen erfolgt,
sich zu entwickeln begonnen. Dieselben werden in ihrer Gesamtheit als die Gesetze der Atomverkettung bezeichnet. Man
beobachtete alsbald, daß mehrwertige Elementaratome sich nicht nur mit einer ihrer
Valenz entsprechenden Anzahl der
Atome
eines zweiten Elements oder auch verschiedener anderer Elemente verbinden können, z. B.:
sondern daß sie auch im stande sind, sich mit nur einem
Teile ihrer Wirkungsfähigkeit oder
Valenz untereinander
zu vereinigen und mit dem andern
Teile andere Elementaratome
an sich zu binden. So liefern Sauerstoff und
Wasserstoff das
Wasserstoffsuperoxyd,
H2O2, dadurch, daß zwei zweiwertige Sauerstoffatome sich unter dem Aufwande nur je einer einzigen ihrer
Valenzen miteinander
verketten und jedes von ihnen mit der zweiten
Valenz ein Wasserstoffatom
an sich anlagert:
H · O · O · H.
Im höchsten
Grade ist dieser Verkettungsweise seiner
Atome der vierwertige
Kohlenstoff fähig (s.
Kohlenstoffkerne und
Isomer),
und es sind daher die Gesetze der Atomverkettung für die organischen oder Kohlenstoffverbindungen am meisten entwickelt.
(grch.) oder Erschlaffung, der Zustand, in welchem der
Tonus, d. h. die
Spannkraft oder Elasticität
der tierischen Gewebe,
[* 3] verloren gegangen ist. Der atonische Zustand kann bedingt sein von einer mangelhaften Einwirkung der
Nerven
[* 4] auf die kontraktilen Fasern eines Gebildes, z. B. der Gefäßwandungen von
Lähmung der vasomotorischen
Nerven, aber
auch von
Erweichung, Auflockerung
und Schwund des betreffenden Gewebes. Die Behandlung atonischer Zustände
muß vor allem eine allgemeine Kräftigung des Körpers erzielen und bedient sich außer einer zweckmäßigen
Ernährung und
methodischen
Abhärtung teils der zusammenziehenden, teils der stärkenden und reizenden Heilmittel, namentlich des galvanischen
Stroms.
L., Alpenrebe, Pflanzengattung aus der Familie der Ranunkulaceen (s. d.),
sehr nahe verwandt mit Clematis (s. d.) und häufig mit ihr vereinigt, umfaßt
nur wenige
Arten in Europa,
[* 5]
Asien
[* 6] und Nordamerika.
[* 7] Die einzige deutsche und zwar nur alpine Art, Atragene alpinaL., ist kletternd
mit bis 2 m langen, oft von Felsen herabhängenden Stämmchen oder
Ästen, gegenständigen, langgestielten,
doppelt-dreizähligen
Blättern und einzeln in den Blattachseln stehenden, langgestielten schönen
Blüten, deren kreuzförmig
ausgebreiteter, bis 3 cm breiter
Kelch eine violette
Farbe besitzt.
(Rio
[* 9] Atrato),
Fluß im nordwestl.
Teile von Columbia
[* 10] in
Südamerika,
[* 11] im Departamento
Cauca, entspringt in 3216 m
Höhe in den Zitarabergen der Westcordillere, unter 5º 20' nördl.
Br. Er läuft in einem gegen N. gerichteten
niedrigen Längenthale und mündet auf der Westseite des Golfs von
Uraba in einem sumpfigen Delta
[* 12] mit 5 Haupt- und 11 kleinen
Armen. Die Länge seines Laufs beträgt 456 km, mit den kleinen
Krümmungen 665 km. Er ist durchschnittlich 290 m breit, an der
breitesten
Stelle sogar 530 m, und 4-20 m tief.
Sein
Bett
[* 13] ist sehr schwach geneigt und behält eine fast immer gleiche Wasserfülle. Das
Thal
[* 14] des Atrato wird von der Südseeküste
nur durch einen mehrfach sich senkenden, selbst an den höchsten Punkten kaum 320 m über das
Meer ansteigenden Höhenzug
getrennt.
Schon von
Humboldt hatte auf die Möglichkeit einer Kanalverbindung des
Stillen Oceans mit dem
Atlantischen Ocean durch den Atrato hingewiesen; die namentlich von seiten der
Vereinigten Staaten
[* 15] angeregten Untersuchungen und
Pläne zur Verwirklichung dieser
Verbindung wurden hinfällig durch das Projekt des Panamakanals (s. d.).
(Etrek), Grenzfluß zwischen dem russ.-asiat.
Transkaspischen Gebiet und
Persien,
[* 18] entspringt in 37°
10' nördl.
Br. und etwa 59° östl. L. von Greenwich in den
Ketten von
Chorassan an der
¶
mehr
Nordostgrenze Persiens, im NO. von Kotschan, in 1225 m Höhe an dem bis 2300 m aufsteigenden Gulistangebirge, fließt nach W.
und mündet als geringer Strom (etwa 10 m breit) nach einem Laufe von ungefähr 500 km in der südöstl.
(grch.), ein eigentümlicher nervöser Krankheitszustand,
bei welchem die Kranken jahrelang nicht zu gehen vermögen und bettlägerig bleiben, obwohl ihr gesamter willkürlicher Bewegungsapparat
bei der Untersuchung sich vollkommen normal erweist. Bei jedem Versuch, das Bett zu verlassen, stellen sich sofort überaus
lästige und qualvolle Empfindungen, Übelkeit, Beklemmung, Ohnmachtsanwandlungen, Schmerzen in Kopf und Nackenu.
dgl. ein; damit ist gewöhnlich eine auffallende Unfähigkeit des Kranken zu geistiger Beschäftigung sowie eine übermäßige
Empfindlichkeit gegen Licht,
[* 20] selbst gegen diffuses Tageslicht verbunden, so daß sich die Kranken fast fortwährend in halbverdunkelten
Zimmern aufhalten müssen. Das Leiden,
[* 21] dessen Wesen noch ganz unerklärt ist, befällt vorwiegend nervös veranlagte Frauen
zwischen dem 25. und 50. Lebensjahre. Der Verlauf der Krankheit ist sehr langwierig; mitunter verschwindet
sie spontan während der klimakterischen Jahre, in andern Fällen trotzt sie jeder Behandlung.
(grch.), in der Medizin der Zustand des Verschlossenseins der natürlichen Öffnungen und
Kanäle des tierischen Körpers, so des Afters, der Scheide, der Gebärmutter,
[* 22] der Harnröhre, der Augenlider, der Pupille (Atresia
pupiliae, s. Pupillensperre), des Mundes u. s. w. In der Mehrzahl der Fälle ist die Atresie angeboren
infolge eines Bildungsfehlers; seltener ist sie erworben durch späteres Verwachsen der Kanäle infolge von Wunden, Geschwüren
u. s. w. Ihre Folgezustände sind meist sehr schwere, zum großen Teile lebensgefährliche, ihre Beseitigung
nur auf operativem Wege durch Spaltung oder Durchstechung der verschließenden Membranen möglich.
Die angeborene Atresie des Afters kommt nicht selten vor und führt infolge der Undurchgängigkeit des Darms schon in den ersten
Lebenstagen sicher zum Tode, wenn nicht rechtzeitig operative Hilfe gebracht wird. Die der Scheide sowie
des Muttermundes führen beim Eintritt der Menstruation unter heftigen, in vierwöchentlichen Pausen wiederkehrenden kolikartigen
Schmerzen zu einer oft sehr beträchtlichen Ansammlung des Blutes in der Gebärmutter, die dadurch allmählich eine Ausdehnung
[* 23] wie in den letzten Schwangerschaftsmonaten erreichen kann. Auch hier ist nur von rein chirurg.
Behandlung Hilfe zu erwarten, ohne welche die Kranken leicht an Zerreißung der Gebärmutter, an Bauchfellentzündung u. s. w.
zu Grunde gehen.
in der griech. Heldensage Sohn des Pelops, Königs von Elis, und der Hippodameia, einer Tochter des Oinomaos,
Enkel des Tantalos,
[* 24] Bruder des Thyestes und Gemahl der Aerope, ermordete auf Anreizung der Hippodameia mit
Thyestes seinen Halbbruder Chrysippos, flüchtete deshalb nach Mykenä
[* 25] zu Enrystheus und erhielt, als dieser im Kampfe
gegen die Herakliden gefallen war, die Herrschaft über Mvkenä. Hier verführte Thyestes seines Bruders Gemahlin. Sie entwandte
dem Atreus das Lamm mit dem Goldenen Vließ, an dessen Besitz der des Throns geknüpft sein sollte, und gab
es dem
Thyestes, der deshalb von Atreus vertrieben wurde. Um sich zu rächen, sandte nun Thyestes den Sohn des Atreus, Pleisthenes,
welchen er bei sich erzogen hatte, ab, um Atreus zu töten; jedoch es trat der entgegengesetzte Fall ein, und
Atreus tötete, ohne es zu wissen, seinen eigenen Sohn.
Nach der gewöhnlichen Darstellung kehrte Thyestes demütig und bittend zurück, Atreus aber, der sich versöhnt stellte, tötete
die Söhne desThyestes, setzte ihr Fleisch dem Vater als Speise vor und ließ während der MahlzeitKöpfe und Arme der Getöteten
hereinbringen. Wegen dieses Greuels kehrte dann nach einigen der Sonnengott seinen Lauf um. Als wegen
des grausigen Mahles das Land des von Unfruchtbarkeit heimgesucht ward, und das Orakel dem Atreus befahl, seinen vertriebenen BruderThyestes zurückzurufen, machte er sich auf, den Thyestes zu suchen, und kam auf der Reise auch zum Könige
Thesprotos, wo er Pelopeia, die Tochter des Thyestes, ohne ihre Herkunft zu wissen, heiratete. Aber diese war schon von ihrem
eigenen Vater schwanger und gebar ihm den Aigisthos (s. d.), der später den Atreus tötete, als dieser ihm
befohlen hatte, seinen VaterThyestes zu ermorden. Seine Söhne (gewöhnlich Atriden, d. h. Söhne des Atreus, genannt)
von der Aerope waren Agamemnon und Menelaos.
[* 26]
im AltertumAdria, Atria, Hadria, Stadt in der ital. ProvinzTeramo (Abruzzo ulteriore I), auf steilem Berge, ist
Bischofssitz und hat (1881) 7433, als Gemeinde 10642 E., eine schöne got.
Kathedrale, Seiden-, Seifen- und Lakritzenfabrikation.
Nahebei merkwürdige Felsenaushöhlungen mit regelmäßigen
Kammern, die als Gefängnis oder Magazin gedient haben.
L., Melde, Pflanzengattung aus der Familie der Chenopodiaceen (s. d.).
Ihre zahlreichen, vorzüglich auf Schutt, fettem oder salzhaltigem Boden, am Meeresstrande, in Steppen und an wüsten Plätzen,
an Mauern und Hecken wachsenden Arten sind meist einjährige Kräuter, einige auch Halbsträucher und Sträucher,
mit unscheinbaren, in ährenförmig, traubig oder rispig gruppierte Knäuel gestellten Blüten von grünlicher, bräunlicher
oder rötlicher Farbe. Sie sind fast über die ganze Erde verbreitet. Die Gartenmelde, Atriplex hortensisL., wird nicht selten in
Küchengärten kultiviert, da ihre Blätter wie Spinat zu benutzen sind. Die in Deutschland
[* 29] gewöhnlichsten Arten,
Unkräuter, sind Atriplex patula und angustifoliaL.
der wesentlichste Teil des altröm. Hauses. Das altröm. Wohnhaus
[* 30] selbst hieß nur da ursprünglich ein einziger
großer Raum die gemeinsame Wohnstätte der Familie bildete; es diente in der Folge zugleich auch als Versammlungsort für
die Klienten bei der Aufwartung. Die in Schränken aufbewahrte Sammlung von Büsten der Vorfahren bildete
bei den alten Römern die Hauptzierde des Atrium. Später, als das Haus geräumiger wurde und besondere Zimmer sich dem Atrium anschlossen,
blieb dieses doch noch immer der wichtigste Raum des Hauses. Es gab mehrere Arten von Atrien, deren Verschiedenheit durch die
Konstruktion des Daches
¶
mehr
bedingt war. Das Atrium testudinatum, wahrscheinlich die älteste Form, hatte ein geschlossenes Dach
[* 32] und empfing das Licht
durch die Thür. Es war zugleich displuviatum, d. h. das Regenwasser wurde nach außen abgeleitet,
wodurch das Freistehen des Hauses bedingt ward. Als später Haus an Haus gebaut wurde, wurde das Wasser nach innen
geleitet und in einer Cisterne gesammelt. So entstand das Atrium compluviatum, so genannt nach der Öffnung im Dache (dem
compluvium), durch die das Wasser aus den Dachrinnen in den untern Hofraum (impluvium) fiel. Je nachdem das Dach durch zwei
Querbalken, durch vier oder mehr Säulen
[* 33] gestützt wurde, unterschied man das Atrium tuscanicum, tetrastylon,
corinthium. In Rom gab es eine Anzahl von Gebäuden alter Konstruktion, die den Namen Atrium führten; so hatte man das Atrium Vestae,
in dem die Vestalinnen wohnten, das Atrium Libertatis u. a. m. Als sich gegen Ende der Republik
infolge der Eroberungen in Asien der Luxus in Rom verbreitete, schmückte man das Atrium mit kostbaren Marmorsäulen
und Statuen. Besonders prächtig waren die Atrien des Scaurus, Verres und Crassus. Zahlreiche Beispiele von einfacher ausgestatteten
Atrien sind in Pompeji
[* 34] (s. d.) erhalten. Auch in der alt christlichen Architektur bildete das Atrium einen wesentlichen Teil der
Basiliken (s. Altchristliche Kunst). In der neuern Baukunst
[* 35] bezeichnet man unter Atrium meist eine besonders
reich geschmückte Vorhalle. - In der Anatomie ist Atrium die Vorkammer des Herzens, die zu oberst liegende Abteilung jeder Herzhälfte
(s. Herz).
L., Pflanzengattung aus der Familie der Solanaceen (s. d.) mit nur wenigen Arten in Europa und
Südamerika. Die einzige in Deutschland wachsende und in einem großen Teil Europas sich findende, zugleich auch die wichtigste
Art ist die als Tollkirsche, Wolfskirsche und Belladonna bekannte Giftpflanze,
[* 36] Atropa belladonneL. (s. Tafel: Giftpflanzen
[* 37] II,
[* 31]
Fig.
1). Der NameBelladonna, d. h. schöne Frau, rührt von der Anwendung her, die man
früher in Italien
[* 38] von den Beeren machte; man benutzte dieselben nämlich zu einem Schönheitswasser, das angeblich der Haut
[* 39] einen blendendweißen Teint geben sollte.
Diese auf kräftigem, humosem Waldboden in schattiger und sonniger Lage, besonders in Gebirgsgegenden wachsende Pflanze treibt
aus ihrem dicken, fleischigen, außen blaßbraunen, innen schmutzigweißen, an Stärkemehl reichen Wurzelstock
bis fingerdicke, 0,60 bis 1,60 m hohe, ästige Stengel,
[* 40] die zuletzt stark verholzen und dann der Pflanze ein strauchähnliches
Ansehen verleihen. Die Äste sind mit eiförmig-länglichen, kurzgestielten Blättern besetzt.
Die einzeln stehenden Blüten haben einen fünfteiligen Kelch und eine glockenförmige, braunviolette Blumenkrone. Aus dem Fruchtknoten
entwickelt sich eine glänzendschwarze, inwendig rote, sehr saftige und säuerlichsüß schmeckende Beere
von der Größe einer Kirsche, die am Grunde von dem stehen gebliebenen und noch vergrößerten Kelche umschlossen erscheint.
Die Atropa blüht vom Juni bis August, ist vom August an mit reifen Früchten beladen und, da diese sehr appetitlich aussehen, eine
für Unkundige und namentlich für Kinder gefährliche Pflanze.
Wenige Minuten nach dem Genusse der Beeren stellen sich Trockenheit und Kratzen im Halse, Schlingbeschwerden, heftiger Durst,
Brechneigung, starke Erweiterung der Pupille des Auges,
Sehstörungen, Schwindel sowie leichte Betäubung mit Hallucinationen
ein. Hierzu gesellen sich bald Muskelunruhe, allgemeine Muskelkrämpfe und rauschartige Delirien, die schließlich
in den Zustand tiefster Betäubung übergehen. Die Augen zeigen sich weit geöffnet, mit stierem Blick und stark geröteter
Bindehaut, die Zunge ist gelähmt.
Endlich sammelt sich vor dem Munde blutiger Schaum, und unter höchster Entkräftung und heftigen Krämpfen erfolgt der Tod.
Noch giftiger als die Beeren sind die Blätter und der Wurzelstock; der Träger
[* 41] des Gifts ist ein namentlich
in der Wurzel
[* 42] enthaltenes Alkaloid, das Atropin (s. d.). Wenn eine Belladonnavergiftung eingetreten ist, muß sogleich
ein Arzt herbeigeholt werden. Bis dieser kommt, ist auf irgend eine WeiseBrechen zu erregen, außerdem Milch, Öl, Essig oder
Tannin zu geben. Gleichzeitig lasse man heiße Fußbäder, womöglich mit Essig und Senf, machen, um eine
Ableitung von dem Gehirn
[* 43] und Rückenmark zu erzielen. Gegen die zurückbleibenden Sehstörungen und Pupillenerweiterung dient
die innere und örtliche Anwendung der Kalabarbohne.
(grch.), in der Medizin der durch mangelhaften Stoffwechsel herbeigeführte Schwund des Gesamtkörpers oder
einzelner Organe oder Organteile. Wird der Stoffwechsel eines Organs aus irgendwelchem Grunde derart gestört, daß die zugeführten
Stoffe die abgeführten nicht vollständig ersetzen können, so hat dies entweder eine bloße Abnahme des
betreffenden Teils an Größe oder Zahl seiner Elemente, oder aber eine gleichzeitige Änderung seiner chem. Mischung
und eine hierdurch bedingte Formveränderung zur Folge. Letztern Vorgang nennt man eine Degeneration oder Entartung, auch
qualitative Atrophie, erstern, in dem nur Abnahme der Größe und der Zahl der Elemente erfolgt, eine einfache
oder quantitative Atrophie.
Als normale Atrophie kann man in der Entwicklungsgeschichte die Rückbildung und das gänzliche oder teilweise Schwinden solcher
Organe bezeichnen, welche im Embryonal- und Larvenleben eine Funktion besitzen, die später nicht mehr geübt oder durch
eine andere ersetzt wird (z. B. das Schwinden der Kiemen und des Schwanzes bei den Larven der Frösche,
[* 44] den Kaulquappen), oder auch solcher Organe, welche als Erbstücke angelegt, aber später rückgebildet und selbst ganz aufgesogen
werden, wie z. B. die Zähne
[* 45] in den Kiefern der Walfischembryonen. (S. Rudimentäre Organe.)
Die Ursachen der krankhaften Atrophie sind sehr mannigfach. Mangel an Nahrung, Störungen der regelmäßigen Verdauung
oder der Aufsaugung des Speisesaftes, überhaupt alle Ursachen einer mangelhaften Blutbildung können im allgemeinen eine Atrophie veranlassen,
ebenso erschöpfende Säfteverluste durch Eiterungen u. s. w., übermäßige Anstrengungen, anhaltendes Fieber. Teilweise Atrophie sind
zumeist die Folge von Entzündungen, von Störungen der Cirkulation des Blutes in dem betreffenden Teile, insbesondere von gehemmtem
Blutzufluß (z. B. durch anhaltenden Druck), von Mangel der zur Anregung des Stoffwechsels nötigen Reize
(z. B. dauernder Unthätigkeit eines Muskels, Nerven u. s. w.), von
¶
mehr
übermäßiger Thätigkeit des Organs, endlich von Zuständen gewisser Nerven, insbesondere derjenigen, welche man als trophische
oder Ernährungsnerven zu bezeichnen pflegt. Zellen und aus Zellen entstehende Fasern sind die Elemente, aus welchen im wesentlichen
alle Organe bestehen: an ihnen also wird sich auch die Atrophie im einzelnen nachweisen lassen, wenn ein
Organ im ganzen atrophiert ist. Im allgemeinen verrät sich die Atrophie eines Organs dadurch, daß es kleiner, trockner,
blutärmer, fester und minder leistungsfähig ist. Die Atrophie ist indes nicht auf die normalen Teile des Organismus beschränkt,
sondern kommt auch oft bei den krankhaften Neubildungen vor. (Über Atrophie des ganzen Körpers s. Auszehrung,
über die Atrophie einzelner Organe s. Gehirnschwund, Leberkrankheiten, Muskelatrophie, Pädatrophie, Rückenmarksschwindsucht, Schrumpfnieren.)
Daturin, Alkaloid von der Zusammensetzung C17H23NO3 ^[C17H23NO33], das sich in allen Teilen
der Tollkirsche (s. Atropa.) und in den Samen
[* 47] des gemeinen Stechapfels (s. Datura) findet. Es wird aus diesen Pflanzen durch angesäuertes
Wasser ausgezogen, die wässerige Lösung verdunstet, mit Natronlauge alkalisch gemacht und mit Äther
ausgeschüttelt, welcher das Atropin aufnimmt. Das nach dem Verdunsten des Äthers hinterbleibende rohe Atropin wird durch Lösen in
verdünnter Schwefelsäure,
[* 48] Behandeln der Lösung mit Tierkohle, Abscheiden mit Ammoniak und Umkrystallisieren aus Alkobol
gereinigt. Es krystallisiert in seideglänzenden Nädelchen oder feinen Prismen, schmilzt ganz rein bei
114°, schmeckt unangenehm bitter und scharf, löst sich wenig in Wasser, leicht in Alkohol und dreht die Schwingungsebene
des polarisierten Lichtes nach links.
Die chem. Konstitution des Atropin ist fast völlig aufgeklärt. Es ist das Salz
[* 49] einer organischen, die Hydroxylgruppe enthaltenden
Base, des Tropins, C8H15NO , und einer den aromatischen Verbindungen angehörenden
Säure, der Tropasäure, C9H10O3 ^[ C9H10O3] = C6H5.CH(CH2OH).COOH ^[C6H5·CH(CH2OH)·COOH].
Das Atropin ist sehr giftig (s. Atropa) und wird in der Augenheilkunde vielfach verwendet, da es, in der geringsten Menge in das
Auge
[* 50] gebracht, Erweiterung der Pupille sowie Lähmung des Accommodationsapparates bewirkt. In denApotheken
wird nur das schwefelsaure Atropin (Atropinum sulfuricum) als offizinell vorrätig gehalten. Dasselbe bildet weiße
Krystalle und ist in Wasser löslich.
Atchin, richtiger Atjeh und Atjih, im Englischen Acheen, bis 1873 selbständiger Malaienstaat, jetzt
Gouvernement des niederländ. Ostindiens, nimmt mit etwa 53000 qkm den nördlichsten Teil der hinterind. InselSumatra ein und
reicht von dem nördlichsten Vorgebirge derselben, der Atjehspitze (engl. Acheen head), im W. bis zu 2° 53', im O. nur
bis 4° 25' nördl. Br. Atschin besteht aus einer westl. und einer östl.
Hälfte; erstere nimmt das Küstengebirge ein, welches sich an der südöstl.
Seite der Insel entlang zieht und in dem sich hier unter 4° 17' nördl. Br. der Berg Abong bis zu 3139 m erhebt; der O. dagegen
enthält bedeutende Strecken mehr wellenförmigen und selbst ganz flachen, niedrig gelegenen, für Gartenbau
und Baumzucht sowie für Reisbau geeigneten Landes, die Fortsetzung der Alluvialebene Ostsumatras. Besonders wichtig ist die
Pfefferkultur mit bedeutender Ausfuhr. Es giebt viele Küstenflüsse, die aber schmal, flach und nur mit leichten
Prahmen
auf kurze Strecken befahrbar sind. Über Fauna und Flora s. Sumatra; häufig kommt die Pfefferranke vor.
Die Bevölkerung der Provinz wird auf 445000 Seelen geschätzt, darunter 242 Europäer. Die Hauptstadt Atschin oder Kota Radscha, 7 km
vom Meere, ist fast ganz neu und schön aufgebaut und von Festungswerken eingeschlossen, die durch eine Militärbahn verbunden
sind. Seit der niederländ. Besetzung blüht der Handel wieder auf.
Geschichte. Es dürfte kaum zweifelhaft sein, daß die Bevölkerung ursprünglich mit dem malaiischen
Volksstamme der Batak (s. d.) gleichartig war, wie denn auch noch bis zu Anfang des 17. Jahrh,
der ganze nördlich von dem Flusse Singkel unter 2° 17' nördl. Br. gelegene Teil von Sumatra, mit Einschluß von Atschin, TannaBatak,
d. h. Land derBatak, genannt wurde. Aus den Batak aber in dem nördlichsten Teile dieses Landstrichs entwickelte
sich zu Anfang des 13. Jahrh, durch ihre Vermengung mit fremden Volkselementen, durch den Handel und Verkehr mit andern Asiaten,
namentlich auch Arabern, durch die Einführung des Islam und andere auf die ursprüngliche Lebensweise
und den Volkscharakter verändernd einwirkende Verhältnisse die Bevölkerung des Reiches Atschin, das von seiner Gründung 1205 bis in
die neueste Zeit seine Unabhängigkeit zu bewahren gewußt hat und wesentlich aus Atschinesen und Malaien besteht, deren
Zahl nicht genau bekannt ist.
Die den Batak verwandten Mantir- und Gaju-Stämme sind ins Innere zurückgedrängt. Die gleichnamige Hauptstadt
wurde eine der reichsten und blühendsten, von den Schiffen aller ostasiat. Handelsvölker viel besuchte Handelsstadt. Seit
die Portugiesen unter Alvaro Talesso 1506 zuerst nach Sumatra kamen und 1509 daselbst an der Nordküste Niederlassungen gründeten,
war der Beherrscher von Atschin, Radscha Ibrahim, ihr erbittertster Feind, der sie 1523 auch von
Sumatra vertrieb.
Der Krieg gegen die Portugiesen dauerte fast ununterbrochen fort, bis diese 1641 von den Holländern mit Hilfe der Atschinesen
aus Malaka vertrieben wurden. Durch den 1824 zwischen Holland und England geschlossenen Vertrag war Holland verpflichtet, auf
Sumatra, nördlich von der Parallele
[* 51] von Singapur
[* 52] (1° 17' nördl. Br.), keine neuen Besitzungen zu gründen.
Allein ein neuer Vertrag vom hob den frühern von 1824 auf, und Seeräubereien und Kränkungen der niederländ.
Souveränität auf Sumatra durch Atschin gaben der Regierung zu Batavia
[* 53] Veranlassung, den Krieg zu erklären. Am 8. April landete
eine Expedition bei der Stadt Atschin, die jedoch tapfer verteidigt wurde, so daß sich die Holländer nach
großen Verlusten28. April zurückziehen mußten.
Eine zweite, stärkere Expedition unter GeneralvanSwieten landete rückte unter fast ununterbrochenen blutigen
Kämpfen bis zum Kraton, der befestigten Residenz des Sultans von Atschin, vor und nahm denselben Doch
blieb das ganze Innere des Reichs und viele Punkte an der Ostküste noch im Besitz des Sultans, und erst nach vielen Expeditionen,
bei denen sich die Atschinesen mit größter Tapferkeit verteidigten, wie bei der Erstürmung von Lohong und
auf niederländ. Seite besonders von den Generalen Pel und van der Heyden Tüchtiges geleistet wurde, schien
der Widerstand der Atschinesen gebrochen. Man ging 1880 daran, das Land politisch zu organisieren; es wurde eine Provinz gebildet
unter dem Namen«Atjeh und Zubehör» mit drei Distrikten.
¶
mehr
Der Versuch aber, das Land als ein vollständig beruhigtes unter Civilgewalt zu bringen, scheiterte, und 1884 mußte wiederum
ein Milltärgouverneur eingesetzt werden. Darauf wurde beschlossen, einen Teil des mit so großen Verlusten und Kosten eroberten
Gebietes wieder zu räumen. Man meinte dadurch sich besser befestigen zu können und war der Überzeugung,
daß doch am Ende die Friedens Partei unter den Atschinesen das Übergewicht bekommen und sich mit dem jugendlichen Sultan
ein Abkommen finden lassen werde. Dieser, der Nachfolger des 1874 verstorbenen Sultans, hat sich in dessen in das Innere des
Landes zurückgezogen und ist vollständig von der Kriegspartei abhängig. Wiederholt wurden die
niederländ. Posten von atschinesischen Banden angefallen.
Vgl. Veth, Atchin en zijne betrekking tot Nederland (Leid. 1873);
eine Specialkarte von Atschin im Maßstabe
von 1:150000 mit begleitendem Text von T. Atschin Liefrinck, welcher den gegenwärtigen Zustand des Landes behandelt,
findet sich in der Tijdschrift van het aardrijkundig Genootschap gevestigt te Amsterdam
[* 55] (Bd. 5, Nr.
2, März 1881);
die Kaart van het terrein des oorlogs in Groot-Atjeh in (Breda 1884) beruht auf amtlichen Aufnahmen; van Langen,
Atehhs Westküste (in der «Tijdschrift van het Aardrijkskundig Genootschap» TweedeSerie, Deel V, 1888;
Karte), Pruys van der Hoeven, Mijne ervaring vanAtjeh(Haag
[* 56] 1886);
Schmidt auf Altenstadt, Telok Semavé. De beste haven op Atjehs
Nordkust (ebd. 1887);
Gouvernements Jenisseisk, hat 58592,2 qkm mit 81468 E., darunter 900 Tataren. - 2) Bezirksstadt
im Bezirk Atschinsk, rechts vom Tschulym, am Atschink und Tetmetka, 175 km von Krasnojarsk, an der Straße vonOmsk
nach Irkutsk, hat (1888) 5131 E., Post und lebhaften Transitverkehr mit China.
[* 58]
(der Imperativ vom ital. Attacare, d. i. verbinden, anschließen), Bezeichnung, die in größern Tonwerken
am Schlüsse eines Satzes angewendet wird und bedeutet, daß der darauf folgende Satz sich ohne Unterbrechung anschließen soll.
(frz. attaque), Angriff; das Vorgeben gegen den Feind, um ihn mit blanker Waffe anzufallen. -
Bei der Kavallerie ist die Attacke eine mit wachsender Schnelligkeit ausgeführte Vorwärtsbewegung, um im vollsten Lauf
der Pferde
[* 59] in den Gegner einzubrechen und ihn mit der blanken Waffe zu vernichten, die einzige Kampfesäußerung (abgesehen
von dem als Notbehelf dienenden Fußgefecht) und die Spitze ihrer ganzen Ausbildung; alle übrigen Bewegungen dienen
nur dazu, sie günstig vorzubereiten und zu entwickeln.
Der Erfolg der Attacke beruht auf der Wucht des Stoßes und
auf der Anwendung der blanken Waffe; letztere kommt bei der Linie durchaus,
bei der Kolonne nur zum kleinern Teil in Anwendung. Die Linie hat ferner vor einer der Zahl nach gleich
starken Kolonne den wesentlichen Vorteil der größern Breite
[* 60] voraus und ermöglicht, mit den überflügelnden Teilen den Gegner
zu umfassen und ihn in der Flanke, seiner schwächsten Stelle, anzufallen. Kavallerie in der Flanke angegriffen, ist unbedingt
geworfen, ebenso wie diejenige, welche sich stehenden Fußes an greifen läßt: in beiden Fällen fehlt
der Gegenstoß. Da auch die Flanken der Infanterie und Artillerie günstigere Angriffspunkte bieten als die feuernden Fronten,
so muß die Kavallerie stets dem Feinde die Flanke abzugewinnen, die eigene Flanke aber gegen den gefährlichen Angriff zu
decken sich bestreben.
Infolgedessen muß der Anspruch größter Bewegungsfähigkeit an die Kavallerie gestellt werden; die Linie
bat dieselbe nicht, da Richtungsveränderungen in ihr schwerfällig sind und sich gangbarer Boden in der erforderlichen Breitenausdehnung
seltener findet. Zum Manövrieren
[* 61] bedarf deshalb die Kavallerie der Kolonne; dieselbe muß außer größter Beweglichkeit im
Gelände auch die schnellste und einfachste Entwicklung zur Linie gestatten. Die Bewegung in Linie und
in starken Gangarten setzt gut ausgebildete Truppen voraus.
Aus Mangel an solchen ließ Napoleon I. in seinen letzten Feldzügen seine Kavallerie vielfach in schwerfälligen Kolonnen angreifen.
Da er durch richtiges Einsetzen derselben trotzdem große Erfolge erreichte, so haben seine Gegner in der von ihm nur
als Notbehelf angewendeten Kolonnenformation einen wesentlichen Faktor des Sieges, eine Auffassung, die
bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus sich bei den Übungen der verschiedenen europ. Kavallerien geltend machte. Bei
der deutschen Kavallerie ist die Kolonnenattacke vollständig verschwunden. - Man unterscheidet geschlossene und Schwarmattacken.
Erstere ritt die preuß. Kavallerie der Fridericianischen Zeit mit der Fühlung Knie hinter Knie, also
in der denkbar engsten Geschlossenheit; später Knie an Knie, also mit weniger enger Fühlung; die deutsche Kavallerie reitet
jetzt Bügel an Bügel, die andern lockerer. Während des Vorgehens im Trabe und Galopp
[* 62] in einer der üblichen Kolonnenformationen
(Zugkolonne, Halbkolonne, Eskadronkolonne) muß die Truppe sich gewandt bewegen und Richtungsveränderungen
auszuführen im stande sein, um womöglich dem Feinde die Flanke abzugewinnen.
Ist die Attackenrichtung gewonnen, wird zur Linie aufmarschiert. Vor der Front einer attakkierenden Linie müssen stets zur
Aufklärung des Geländes Eclaireurs vorausgehen, die auf etwaige Hindernisse rechtzeitig aufmerksam machen; außer dem
bewegen sich auf den Flanken stets Gefechtspatrouillen, um eine seitliche Annäherung des Feindes rechtzeitig
zu melden; an der Attacke nehmen diese Patrouillen keinen Teil, sondern setzen während der selben die Beobachtung fort. In kurzer
Entfernung vom Gegner erfolgt der Chok (Stoß). Auf das Kommando «Marsch! Marsch!» wird mit der Schnelligkeit geritten, wie sie
das Durchschnitts-Leistungsvermögen der langsamern Pferde gestattet; beide Glieder
[* 63] müssen fest geschlossen
bleiben. Der Einbruch er folgt mit Hurra! Erfahrungsgemäß findet bei der Attacke ein wirkliches Niederreiten nur in beschränktem
Maße statt, denn in der Carriere haben sich
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mehr
unwilltürlich die Linien gelockert, und es erfolgt daher mehr ein Ineinanderreiten, zum Teil sogar Durchreiten beider Parteien.
Sind die Linien ineinander geritten, so kommt es zum Handgemenge. Ist die Attacke gelungen, d. h.
wendet sich der Gegner ans dem Handgemenge zur Flucht, so muß der erreichte Erfolg durch eine thatkräftige Verfolgung
bis aufs äußerste ausgebeutet werden, um den Feind nicht wieder zum Sammeln kommen zu lassen. Die Verfolgung darf aber
nicht planlos stattfinden, denn eine solche gefährdet den errungenen Erfolg und führt oft zu Niederlagen; da Kavallerie niemals
schwächer ist als nach gelungener und bei der Verfolgung, so ist es in einem solchen Augenblick durchaus
notwendig, geschlossene Abteilungen in der Hand
[* 65] zu haben, um feindlichen Gegenstößen entgegentreten zu können; hierin liegt
die große Bedeutung einerseits des schnellen Sammelns nach gelungener Attacke, andererseits zurückgehaltener Reserven.
Um aber andererseits durch Zurückhalten von Reserven die attackierende Truppe nicht zu sehr zu schwächen, gilt
es als Grundsatz, daß eine einzelne Eskadron in der Regel ihre ganze Kraft
[* 66] gleichzeitig einsetzt; ein selbständig attackierendes
Regiment kann eine Eskadron als Reserve folgen lassen; eine Gliederung in Treffen findet erst von der Brigade an aufwärts statt.
- Die geschlossene Attacke kann auch in der Form der Echelon-Attacke erfolgen, wobei mehrere Linien
hintereinander oder seitwärts übergreifend mit kleinen Abständen (höchstens bis zu 200 Schritt) sich folgen, um entweder
(gegen Kavallerie) schnell hintereinander frische Truppen in das Handgemenge zu werfen oder (gegen Infanterie) den durch den
Stoß der ersten Staffel erschütterten Widerstand durch die schnell aufeinander folgenden Stöße der folgenden
Staffeln ganz zu brechen. Die Echelon-Attacke kann auch als Notbehelf auftreten, wenn es nicht gelingt, die verfügbaren
Streitkräfte rechtzeitig aufmarschieren zu lassen. - Die Schwarmattacke wird in der Art ausgeführt, daß die einzelnen Reiter
ohne taktische Ordnung sich auf den Feind stürzen, so schnell jedes einzelne Pferd
[* 67] laufen kann. Die Attacke einzelner
Züge oder Eskadrons in Schwarmformation aus dem Verbande einer größern Abteilung heraus wird als Ausfallen bezeichnet.
H. B. K., Pflanzengattung aus der Familie der Palmen,
[* 69] Gruppe der Kokospalmen, durchaus tropisch-amerikanisch,
ausgezeichnet durch mächtige Fiederblätter auf kurzem oder hoch baumartigem Stamm. Die wichtigste Art ist
die hauptsächlich in Brasilien
[* 70] wachsende Attalea funifera Mart.
Die zähen Fasern aus den Blattscheiben kommen unter dem Namen Piassave, Piassaba oder Monkey grass in den Handel und werden
vorzugsweise zur Verfertigung von Besen für Straßenreinigung,
[* 71] auch zur Herstellung fester Bürsten verwendet.
Die Piassavefasern sind aber in ihren feinern Qualitäten das Produkt einer ganz andern Palmengattung, der im Amazonenstromgebiet
verbreiteten LeopoldinaPiassaba Wall. -
Von der Attalea dienen die sehr dickschaligen Nüsse von Schwaneneigröße zum Räuchern bei der Kautschukfabrikation nach Indianersitte,
in Europa (als Coquillas, s. d.) zu Drechslerarbeiten.
Herrscher von Pergamon,
[* 72] geb. 269 v. Chr., folgte 241 v. Chr. seinem Vetter Eumenes I. in der Regierung und
nahm nach einem Siege über die Galater (zu dessen Erinnerung er den Bau des Pergamenischen Altars begann, s. Pergamon) den königl.
Titel an. Er erkämpfte (228 und 227 v. Chr.) mehrere Siege über den jüngern Sohn von Antiochus II. von
Syrien, Antiochus Hierax, der im Kriege gegen seinen Bruder Seleucus sich in einem TeileKleinasiens behauptet hatte. Attalus dehnte
dadurch seine Herrschaft weit über die Grenzen
[* 73] seines kleinen Gebietes aus, wurde aber seit 222 durch
Antiochus III. schwer bedrängt und suchte endlich 211 das Bündnis mit den Römern. Mit wechselndem Glücke kämpfte er damals
und seit 200 v. Chr. wieder auf Seiten der Römer gegen Philipp V. von Macedonien, während Antiochus 198 v. Chr. durch den röm.
Senat veranlaßt wurde, die Feindseligkeiten gegen Attalus einzustellen. Attalus starb
noch vor derSchlacht bei Kynoskephalä in Theben, 72 J. alt.
Attalus II. Philadelphus, Sohn des vorigen, geb. 210 v. Chr., unterstützte zuerst seinen ältern Bruder Eumenes II., den Nachfolger
seines Vaters, und übernahm nach dessen Tode (159 v. Chr.) die Herrschaft. Er war im Bunde mit Rom in alle Kriege
verwickelt, die damals gegen Bithynien, Macedonien und Achaia geführt wurden. Er starb 138 v. Chr.
Ihm folgte fein Neffe, Attalus III. Philometor, Eumenes' II. Sohn. Kaum zur Regierung gelangt, wütete er grausam
gegen Freunde und Verwandte, fiel aber darauf in Schwermut, zog sich von aller Gesellschaft zurück und beschäftigte sich
ausschließlich mit Gärtnerei und Erzguß. Er starb 133 v. Chr., nachdem er in seinem Testamente die Römer
zu Erben eingesetzt hatte. Während er selbst ohne Zweifel nur seine Privatbesitzungen dabei im Auge hatte, verstanden die
Römer sein ganzes Reich darunter und machten 129 v. Chr. den größten Teil desselben zur Provinz.
eigentlich Mohammed Ibn-Ibrahim Ferid eddin Attar, berühmter pers. Dichter, geb. 1119 (513
der Hidschra) in Kerken bei Nischapur als der Sohn eines reichen Spezereihändlers (Attär), übernahm nach dessen Tode das
Geschäft, gab es aber, durch einen Derwisch zum Sufismus (Mystik) bekehrt, auf und wurde Derwisch. Er soll 29 Jahre
in Nischapur, die übrige Zeit seines Lebens in Schadiach gelebt haben und wurde 1229 (627 der Hidschra) von einem mongol.
Soldaten ermordet. Sein wichtigstes Werk in Prosa ist «Tezkiret al oulia»
(türk. «Ewlia», «Biographien der Heiligen»; von seinen Gedichten, die oft, unter andern von Sejid Ass-eddin
aus Amol, kommentiert wurden, sind die berühmtesten das Lehrgedicht über Gegenstände der Moral «Pend Nâme» («Buch des Rats»,
hg. von Hindley: Pendeh-i-Attar, Lond. 1809, und S. de Sacy: Ferid-Eddin, Pend- Nâme, Par. 1819) und das «Mantik at-tair»
(«Vogelgespräche», verfaßt 1184-87, hg. und übersetzt von Garcin de
Tassy: Farid-Uddin Attar, Mantic uttair, ebd. 1863); sodann das «Dschewahir-
Nâme » («Buch der Wesenheiten»). -
Vgl. S. de Sacys Einleitung zum Pend- Nâme; Tholuck, Blütensammlung aus der Morgenland.
Mystik (Berl. 1825); Ouseley, Biographical notices of Persian Poets (Lond. 1846).