Technik, namentlich als Lösungsmittel für
Alkaloide; in Äther gelöste Schießbaumwolle ist das Kollodium, pharmaceutisch wird
sowohl der reine Äther wie die Mischung desselben mit 3
TeilenAlkohol
(Spiritus
[* 2] aethereus, Hoffmanns
Tropfen) verwendet. Auch
als Berauschungsmittel wird der Äther gemißbraucht.
Lichtäther, nach allgemeiner
Annahme der neuern Physik ein äußerst feiner und höchst
elastischer
Stoff, der nicht nur im ganzen Weltraume verbreitet ist, sondern auch die Zwischenräume ausfüllt, durch welche
die kleinsten Teilchen der Körper voneinander getrennt sind. Der Äther ist das
Mittel, durch das sich die Licht- und Wärmestrahlen
fortpflanzen. Als solches müssen ihm, da derselbe Querschwingungen fortleitet (s.
Licht),
[* 3] gewisse Eigenschaften eines starren Körpers zugeschrieben werden, während er andererseits wieder Eigenschaften
einer Flüssigkeit zeigen soll. Im Ä. pflanzen sich nach neuerer
Anschauung auch die elektrischen und magnetischen Zustände
fort, die zu den Vorgängen des Lichtes in engster
Beziehung stehen (s.
Elektro-Optik). Früher galt der Äther als
soq. Imponderabile, d. h. als ein gewichtsloser
Stoff. Aus der
Energie der Lichtwellen hat man gefunden, daß der Äther etwa 15 trillionenmal
leichter ist als
atmosphärische Luft.
Öle,
[* 4] eine Reihe stark riechender, flüchtiger, bei gewöhnlicher
Temperatur meist flüssiger organischer
Substanzen, die sich größtenteils imPflanzenreich fertig gebildet vorfinden und zwar hauptsächlich
in den
Blüten, Samen
[* 5] und Fruchtschalen der stark riechenden
Pflanzen. Sie sind meist sehr leicht beweglich im Gegensatz zu
den fetten Ölen, mit Wasser wenig, mit
Alkohol und
Äther leicht mischbar, brennen lebhaft mit rußender Flamme
[* 6] und sind chemisch
ziemlich indifferent. Einzelne Ö., wie
Terpentinöl und
Citronenöl, waren schon den Alten bekannt, besonders
aber wurden sie aus zahlreichen
Pflanzen von den Alchimisten dargestellt, die in ihnen die wirksamen
Bestandteile der
Pflanzen
(ihre
Quintessenz) vermuteten.
DieÖ. fehlen fast in keiner
Pflanze, kommen jedoch nur in einer beschränkten Anzahl in großen Mengen vor.
Entweder finden sie sich im Zellsaft gelöst oder in besondern Zellen und
Gefäßen, den Öldrüsen und Olgängen, aufgespeichert.
Manche Ö. erhält man durch Fermentwirkung, Einwirkung von Säuren oder
trockne Destillation auf andern Pflanzenprodukten,
wie das
Bittermandelöl. Mehrere der hierher gehörenden
Substanzen hat man auch auf künstlichem Wege erhalten.
Die
Darstellung der Ö. geschieht entweder aus frischen, sehr vielfach aber auch aus getrockneten
Pflanzen.
Im erstern Falle ist sie an den Ort des Wachstums der
Pflanzen gebunden, wo dann häufig zu diesem Zweck Massenkulturen dieser
Pflanzen ausgeführt werden, wenn sie nicht durch klimatische Verhältnisse in reichlicher Menge wild wachsen;
im andern Falle wird die Abscheidung der Öle in eigenen Fabriken vorgenommen, in denen die aus allen
Ländern und allen
Weltteilen
zusammengebrachten Pflanzenteile verarbeitet werden. Bei der Herstellung kommen folgende Methoden in Betracht:
1) Auspressen der frischen Pflanzenteile.
In den äußern Schichten der Schalen der Orangen, Citronen und andererFrüchte
findet sich das Öl in großen
Drüsen; diese
Früchte werden auf einer Art Reibeisen abgeraspelt, aus der so erhaltenen
Masse
fließt durch das
Pressen das Öl mit dem Safte ab und wird von letzterm auf mechan. Wege getrennt.
2)
Destillation
[* 7] der frischen Pflanzenteile, angewandt z. B. bei der Gewinnung des Rosenöls.
Die frischen
Blüten oder sonstigen Pflanzenteile werden mit Wasser so lange destilliert, als das Übergehende noch riecht.
Je nach dem Gehalt der
Pflanzen scheidet sich aus dem
Destillat mehr oder weniger Öl ab, oder es bleibt auch alles gelöst;
nach Abscheidung des Öls
[* 8] unterwirft man das wohlriechende Wasser einer zweiten
Destillation, wobei das
darin noch enthaltene Öl mit den ersten Anteilen der Wasserdämpfe übergeht. Man erhält so wieder einen Anteil Öl nebst
wohlriechendem Wasser, letzteres wird wieder der gleichen Behandlung unterworfen u. s. w.
3)
Destillation trockner Pflanzenteile. Die auf diese
Weise zu verarbeitenden
Substanzen, Samen, Kräuter, Holz,
[* 9]
Wurzeln, werden
zunächst durch Zerquetschen, Zerschneiden, Raspeln,
Mahlen auf geeignete
Weise vorbereitet und dann entweder
unter Zusatz von Wasser oder ohne Wasser in Destillationsapparaten durch direkt einströmenden
Dampf
[* 10] erhitzt, wobei die Öe
mit den Wasserdämpfen sich verflüchtigen und mit diesen gemeinsam verdichtet werden. Nachdem das Öl vom Wasser mittels
der
Florentiner
[* 11] Flasche
[* 12] (s. d.) getrennt ist, wird das noch
mit Öl gesättigte Wasser entweder sofort in den Destillationsapparat zurückgeleitet oder in einem besondern
Apparat der
Rektifikation, wie bei der
Destillation frischer Pflanzenteile, unterworfen.
4) Extraktion. Die trocknen Pflanzenteile werden in geeigneten
Apparaten mit flüchtigen Lösungsmitteln, wie
Äther, Petroleumäther,
Schwefelkohlenstoff, ausgezogen, das Extrakt in Destillierapparaten gelinde erwärmt, wobei das Lösungsmittel
verdunstet, während das ätherische Öl, gemengt mit Fett, Harz und dergleichen
Substanzen, zurückbleibt und durch
Destillation
mit Wasser gereinigt wird.
Manche Pflanzendüfte sind so subtiler Beschaffenheit, daß sie sich nur fixieren lassen, indem man sie auf einen andern
Körper, der sie festzuhalten vermag, überträgt. Hierzu eignet sich nichts so gut wie vollkommen frisches,
gut geläutertes Fett, das man schmelzt und bei möglichst niedriger
Temperatur mit den Pflanzenteilen maceriert. Das so mit
Wohlgeruch beladene Fett dient entweder zur Herstellung von Pomaden, oder es wird mit feinem
Alkohol geschüttelt, an den
es das Riechende abgiebt. Einzelne Riechstoffe widerstehen dieser Behandlung: sie lassen sich aber auf
kaltes Fett übertragen, indem man die
Blüten zwischen mit weichem Fett bestrichene
Glastafeln legt, wobei der
Geruch vom Fett
aufgenommen wird. (S. Enfleurage.)
Die meisten Ö. sind bei gewöhnlicher
Temperatur flüssig, manche scheiden aber bei niedriger
Temperatur feste krystallinische
Substanzen aus, die man nach
Berzelius als
Stearoptene (auch
Kampfer) bezeichnet, während der flüssige
Teil Eläopten genannt wird. Im reinen Zustande sind die
A. Ö. meist farblos, manche aber gelb bis braun, selten grün oder
blau gefärbt. Neben einem starken, oft sehr angenehmen
Geruch besitzen sie einen brennenden, scharfen
Geschmack. Sie sind
zumeist leichter als Wasser, lösen Fette und Harze auf, sieden bei einer
Temperatur von über 100°,
verflüchtigen sich aber schon bei gewöhnlicher
Temperatur ziemlich schnell und erzeugen daher auf Papier und Tuchstoffen
keinen bleibenden Ölfleck.
¶
Von einem gleichartigen chem. oder physik. Verhalten kann daher keine Rede sein, von ihren nähern
Eigenschaften wird aus diesem Grunde bei den einzelnen Ölen in besondern Artikeln gehandelt.
An der Luft absorbieren die meisten A. Ö. Sauerstoff, wobei die nicht zur Klasse der Terpene gehörenden sich in
nichtflüchtige harzartige Produkte verwandeln. Die Anwendung der O. ist eine sehr mannigfaltige. Vorzugsweise benutzt man
sie in der Parfümerie zur Darstellung wohlriechender Seifen, Öle, Pomaden, Esprits, Wässer u. dgl.; ferner zu Liqueuren (Kümmel,
Anis u. s. w.), zum Würzen von Speisen; auch als Heilmittel werden einige benutzt, und die billigen dienen
als Lösungsmittel für Harze zur Firnisbereitung.
Infolge ihres oft hohen Preises sind viele Ö. Verfälschungen ausgesetzt, und wohl auf keinem Gebiete der chem. Industrie
wird diese Fälschung so offenkundig, so systematisch betrieben wie auf diesem, da die chem.
Analyse nur sehr unvollkommene Mittel zur Unterscheidung und Erkennung der echten A. Ö. darbietet. Gewisse
Zusätze, wie fette Öle, Alkohol, Chloroform, sind allerdings leicht nachzuweisen, allein diese bilden die Ausnahme; die Regel
ist die Fälschung mit andern wohlfeilen Ö. (Terpentinöl, Citronenöl, Eukalyptusöl), die sich oft weder durch Reaktionen
noch durch ihre Zusammensetzung von den derVerfälschung unterworfenen unterscheiden, und bei denen man
einzig und allein auf den Geruch angewiesen ist, der sich zwar durch Übung sehr schulen läßt, aber dennoch Täuschungen
unterworfen ist. –
Vgl. Husemann-Hilger, Die Pflanzenstoffe (2. Aufl., Berl. 1848);
(grch.), Grützbeutel oder Grützbreigeschwulst, eine haselnuß- bis hühnereigroße gutartige Geschwulst im
Unterhautzellgewebe, die durch Ansammlung des Talgdrüsensekrets nach vorausgegangener Verstopfung des Ausführungsganges
entsteht und einen breiigen, hauptsächlich aus Fetttropfen, Fettkrystallen und Epidermiszellen bestehenden
Inhalt besitzt. Das Atherom findet sich vereinzelt oder zahlreich am Kopfe, besonders am behaarten Teile desselben, im Gesicht
[* 14] und
Nacken, seltener am Stamme, macht nur dann Beschwerden, wenn es sich entzündet, und wird am zweckmäßigsten mit dem Messer
[* 15] exstirpiert. Wird nur der Inhalt entleert, so füllt sich der Sack gewöhnlich bald wieder mit Fettmassen
an.
(spr. äthert'n), Stadt in der engl. Grafschaft Lancaster, 21 km im NW. von Manchester,
[* 16]
hat (1891) 28724,
als Stadtbezirk (Urban-Sanitary-District) 15833 E., Eisenwerke, Kohlengruben, Seiden- und Baumwollweberei.
(vom grch. áthetos, ohne feste Stellung), eine eigentümliche, zuerst von Hammond beschriebene Krampfform,
welche sich hauptsachlich kundgiebt durch unablässige, oft auch im Schlafe andauernde Krampfbewegungen der Finger und Zehen
und durch die Unmöglichkeit des Kranken, diese Teile in irgendwelcher Stellung ruhig zu halten. Besonders
charakteristisch pflegen die Bewegungen in der Hand
[* 17] und den Fingern zu sein; hier sieht man gewöhnlich ein unterbrochenes
Beugen, Strecken, Spreizen, Durch- und Übereinanderbewegen der einzelnen Finger, welche dadurch oft die seltsamsten Stellungen
einnehmen. Die Athetose ist entweder ein selbständiges Nervenleiden oder sie tritt im Anschluß
an Epilepsie, Hirnschlagfluß, Geisteskrankheitu. dgl. auf. Das Übel ist meist sehr hartnäckig; die Behandlung besteht
in der Anwendung von Bromkalium, Chloralhydrat und des konstanten elektrischen Stroms. –
offizielle Bezeichnung des Königreichs Abessinien. ^[= auch Abyssinien, vor dem 17. Jahrh. Abassia, Abissinia (von arab. Habesch), wird in Europa als ...]
(grch. Aithiopia, in der Bibel
[* 18] Kusch genannt), alte geogr. Bezeichnung, unter der man
in weiterm, gänzlich unbestimmtem Sinne alles dasjenige Südland verstand, das man von dem Volke der Äthiopier bewohnt dachte,
im engern Sinne(Aethiopia supra Aegyptum) aber das südlich von Philä am Nil aufwärts gelegene, im O. vom ArabischenMeerbusen
begrenzte, im SO. bis zu den Küsten des ArabischenMeers reichende Land, also ungefähr das jetzige Nubien,
Abessinien, Adal- und Somalland.
Den Namen Äthiopien übertrugen speciell die christl. Abessinier auf ihr Reich, das sonst nach der Hauptstadt Axum auch Axumitisches
Reich genannt wurde. Seine Entstehung und älteste Geschichte ist in Dunkel gehüllt. Die einheimischen
Nachrichten haben keinen Anspruch auf geschichtliche Wahrheit. Sie knüpfen den Stammbaum des axumitischen Königsgeschlechts
an den israel. König Salomo an, indem sie die axumitische Königin Makeda (als Königin von Saba,
1Kön. 10). zu Salomo
reisen und diesem einen Sohn, Ebna Hakim (auch Menilehek genannt), den Ahnherrn der axumitischen Könige,
gebären lassen.
Eine Liste von über 20 Königen führt von da an das Geschlecht herunter bis auf König Bazen, der zur Zeit Christi geherrscht
haben soll; eine weitere Liste von bald 31, bald 10, bald 14 Namen führt bis auf die Brüder-KönigeEla-Abreha und Atzbeha,
unter deren Regierung Abba-Salâma (Frumentius) das Christentum gebracht haben soll. und die nach einigen
Axum bauten. Für die Zeit von Abreha und Atzbeha an sind wieder verschiedene, nur in einzelnen Namen zusammenstimmende lange
Listen von Königen in Umlauf, welche bis auf die Zâguédynastie, etwa im 10. Jahrh., reichen. Glaubwürdiger
als diese ältern Listen sind die freilich spärlichen auswärtigen Nachrichten (namentlich im «Periplusmaris Erythraei»),
sowie die durch Münzen
[* 19] und mehrere Inschriften gegebenen Anhaltspunkte. Das Reich stand in den ersten Jahrhunderten
unserer Zeitrechnung unter den Einflüssen der griech. Kultur, wie auch die ältesten Landesmünzen
griech. Legenden haben. Früh¶
mehr
32 hatten die Könige bereits auch in Südarabien festen Fuß gefaßt. Die Oberherrschaft über Südwestarabien wurde, mehr
oder weniger bestritten, bis um die Mitte des 6. Jahrh, aufrecht erhalten. Das Christentum fand seit Mitte des 4. Jahrh. im
Reiche Eingang, größere Fortschritte machte es aber erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahrh.
(s. Abessinische Kirche). Jedenfalls waren von etwa 500 n.Chr. an das Königshaus und der Hauptteil des Reichs christlich. 525 fand
der berühmte Krieg des christl. Abessinierkönigs gegen den jüd. König
Dhu-Nuwâs von Himjar (s. Himjariten) statt.
Bald darauf scheint sich die Abhängigkeit Südarabiens gelockert und allmählich aufgehört zu haben.
Im übrigen ist über diese lange Periode des Axumitischen Reichs fast nichts überliefert. Als letzter König der Reihe wird
in den Listen Delnaod genannt. Ihm sei das Reich von dem nichtsalomonischen Hause Zâguê geraubt und die bisherige Dynastie
bis auf einen Prinzen, der in Schoa Zuflucht fand, ausgerottet worden; dieser habe das Geschlecht fortgeführt
und von ihm stamme im achten Geschlecht der spätere König Jekunô-Amlâk ab. Die Dauer der Regierung derer von Zâguê (nach
den meisten Berichten 11 Könige) wird auf 330 bis 376 Jahre angegeben. Aus diesem Hause erstanden mehrere durch ihren Eifer
für das Christentum ausgezeichnete Herrscher, wie Jemrehana-Christos, Lalibalâ, Naakuetô-Laab; besonders
der heil. Lalibalâ ist durch die vielen kunstvollen, schönen Kirchen, die er angeblich durch ägypt. Werkmeister ganz in
Felsen lebendigen Gesteins aushauen ließ, berühmt geworden.
Im J. 1270 kam in Jekunô-Amlâk die alte Dynastie wieder auf den Thron
[* 21] und blieb nun in ununterbrochenem Besitz.
Von Jekunô-Amlâk an werden die Nachrichten etwas sicherer und zusammenhängender, obgleich erst mit dem bedeutenden Herrscher
Zar'a-Jacob (1434–67) die ausführlichen Annalen beginnen. Von seinen Vorgängern ist aus einheimischen Berichten Ausführlicheres
nur bekannt über Amda-Zion (erste Hälfte des 14. Jahrh.) und seine Kriege gegen die Mohammedaner. Die dritthalb Jahrhunderte
von Jekunô-Amlâk bis auf Zar'a-Jacobs Sohn Baëda-Marjam (1468–78) und Enkel Alexander (1478–94)
bilden die zweite Blütezeit des Reichs. Die Könige wußten in diesem Zeitraume ihr Ansehen und die christl. Herrschaft
zu wahren, blieben in ihren Kämpfen mit den umliegenden kleinern Reichen und Stämmen, namentlich auch mit dem moslem. Adal,
siegreich und machten manche von diesen sich zinsbar.
Von König David (Lebna-Dengel, 1508–40) an beginnt das Reich zu sinken. Zu diesem Verfalle wirkten der Reihe nach die Moslems,
die heidn. Gallavölker und die portug.-röm. Bekehrungsversuche zusammen. Die alten Feinde der
Abessinier, die Moslems von Adal, bekamen durch die Hilfe der Türken und deren bessere Schießwaffen in der
ersten Hälfte des 16. Jahrh, das Übergewicht über die Abessinier. Namentlich war es Achmed, genannt Granje, Sultan von Adal,
der unter Lebna-Dengel die abessin. Provinzen der Reihe nach eroberte, Kirchen, Klöster und Dörfer, besonders in Tigre, verwüstete,
Schätze raubte, so daß der König nur noch in unzugänglichen Schlupfwinkeln Zuflucht fand.
Gegen diesen Feind schickte auf die Bitte Davids der König von Portugal
[* 22] Christoph de Gama mit 450 Musketieren und einigen Geschützen
zu Hilfe. Sie trafen unter Davids Nachfolger Claudius (Atznâf-Sagad,
1540–59) ein, und mit ihrer Hilfe gelang es nach und
nach, sich des Vordringens der Moslems und des Sultans Granje zu erwehren (1543). Doch alle Provinzen konnten
auf die Dauer nicht geschützt werden, und einige Punkte der östl. Grenze, namentlich Häfen, gingen
bald ganz an die Türken verloren.
Noch mehr aber als diese Kriege trugen zur Schwächung des Reichs bei die räuberischen Einfälle der Nomaden vom
Gallavolk aus dem Süden her. Während der Kriege mit den Moslems waren sie schon gefährlich geworden; ihre Einfälle begannen
in bedeutenderm Maßstabe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., besonders von König Sartza-Dengel
(Malak-Sagad 1563–97) an. Dem Andrang dieser Gallastämme war der Süden des Reichs bis tief in das Innere
hinein nun über ein Jahrhundert lang ausgesetzt, und wie ein Stamm von ihnen das ReichAdal zu Grunde richtete, so überschwemmten
andere allmählich die schönsten und reichsten ProvinzenAbessiniens und nahmen sie in Besitz.
Erst am Anfang des 18. Jahrh. wurde ihre Kraft
[* 23] gebrochen, so daß Galla in abessin. Provinzen zum Teil wieder
dem Könige zinsbar wurden, teilweise sich mit der christl. Bevölkerung
[* 24] vermischten. Endlich kamen dazu noch die innern kirchlichen
Streitigkeiten und Bürgerkriege infolge der wiederholten Bekehrungsversuche der röm. Kurie.
Schon unter Lebna-Dengel, der die Portugiesen zu Hilfe rief, nahm die röm. KircheAnlaß, ihre Missionare dorthin zu schicken.
Zwar die erste größere jesuitische Mission, mit Nonius
[* 25] Barretus und Andreas Oviedus an der Spitze, die 1556 dorthin abging,
konnte unter den Königen Claudius, Minas (1559–63) und Sartza-Dengel keinen rechten Boden gewinnen und war am Ende des 16. Jahrh.
ganz fehlgeschlagen.
Erst unter König Susneus (1607–32) gelang es den Jesuiten, festen Fuß zu fassen. Susneus unterwarf
sich dem röm. Stuhle, nahm Alfons Mendez als röm. Patriarchen von Abessinien bei sich auf und suchte mit Gewalt die einheimische
Religion zu unterdrücken und das röm. Bekenntnis einzuführen. Doch sah selbst er durch den offenen Aufstand seines Volks sich
schließlich genötigt, die Religionsübung wenigstens freizugeben, und unter seinem Nachfolger Fasiladas
(1632–67) wurden die Jesuiten mit ihrem Anhange aus dem Lande geschafft und der röm. Kirche dort ein Ende gemacht.
Die Geschichte der Könige des folgenden Jahrhunderts: Johannes (1667–82), Jasus I. (1682–1706), Takla-Haimanôt I. (1706–8),
Theophilus (1708–11), Justus (1711–16), David III. (1716–21), Bakafa (1721–30), Jasus II. (1730–55),
bietet wenig Bemerkenswertes. Am Ende dieses Zeitraums, unter Joas (1755–69), waren nicht bloß schon einzelne Provinzen
ganz abgerissen, sondern auch die Macht des Königs über die übrigen ganz gesunken, und ein Ras Michael (ursprünglich Statthalter
von Tigre) hatte thatsächlich die wirkliche Königsmacht an sich gerissen, die er auch unter dem folgenden
Könige Johannes II. (1769) und eine Zeit lang unter Takla-Haimanôt II. (1769–77) behauptete. Die Könige waren nur noch
Namenkönige und Spielbälle in der Hand der Ras (Häuptlinge), die sich um die Oberherrschaft und Bevormundung des Königs
stritten. Die Hauptprovinzen wurden meist selbständig und unabhängig voneinander, und die Geschichte
des Reichs verlief sich in eine Reihe von fortwährenden blutigen Bürgerkriegen, bis es 1854 dem Häuptling Kâsa als
¶
mehr
33 KaiserTheodor II. gelang, die Hauptprovinzen sich zu unterwerfen. Über das Weitere s. Abessinien. Die Könige Ä.s führten
den Titel Negús (auch Nagâsi) oder Negûsa-Nagast (König der Könige). Außer ihren Eigennamen hatten sie noch einen oder
mehrere Reichsnamen, die sie sich bei ihrer Thronbesteigung beilegten. Ihre Residenz war in ältester Zeit
zu Axum, von Jekunô-Amlâk an eine Zeit lang zu Tegulet in Schoa, später zu Gondar in Dembea, obwohl Axum noch lange die Krönungsstadt
blieb.
Doch residierten die Könige wenigstens in den geschichtlich bekannten Zeiten fast nie in den Städten, sondern in mobilen
Lagern, unter Zelten, und wechselten den Ort je nach Bedürfnis. Die Einkünfte des Königs bestanden
in Naturalien, wie Gold,
[* 27] Pferde,
[* 28] Maultiere, Rinder,
[* 29] Herdenvieh, Getreide,
[* 30] Häute, Zeugen und andern Fabrikaten, so daß jede Provinz
jährlich ein bestimmtes Quantum davon zu liefern hatte. Die Einkünfte der Zölle und Wegegelder dagegen wurden meist an die
Beamten der einzelnen Provinzen und Distrikte abgegeben. Im Grunde aber war der König der Herr und Eigentümer
des ganzen Landes; er konnte nach Belieben jedem Manne seinen Grund und Boden nehmen und ihn einem andern schenken.
Nur Kirchen und Klöster haben gewisse liegende Güter als ewige Schenkungen zum Eigentum, und einzelne Familien einzelne Distrikte
zum erblichen Besitz innerhalb der Familie. Die Macht des Königs war durchaus uneingeschränkt; nur über gewisse, durch
jahrhundertelange Sitte geheiligte Grundordnungen wagte auch er sich nicht wegzusetzen. Auch in der Kirche war er wie Schützer
so höchster Herr. Die Statthalter der einzelnen Provinzen und Distrikte scheinen immer verhältnismäßig sehr selbständig
gestellt gewesen zu sein (obgleich jederzeit durch den König absetzbar), und Beispiele, daß sie sich empörten, weist die
Geschichte in Menge aus.
Das Gericht war von der Verwaltung nicht geschieden. Bei Hofe war eine Anzahl gelehrter Männer (Wonbar oder Liq hieß ein solcher),
die zusammen den obersten Gerichtshof bildeten, und mit deren Hilfe schwierige Fälle entschieden wurden.
Seit dem 13. oder 14. Jahrh. hatten sie auch ein geschriebenes Gesetzbuch (Fetcha Nagast),
das weltliches und kanonisches Recht umfaßte, in Ägypten
[* 31] verfaßt und zum Teil aus griech. und röm. Rechtsquellen geschöpft,
in Abessinien aber mannigfach interpoliert und verändert worden war.
Über die ältere und neuere Geschichte Ä.s vgl., außer Ludolf, die Reisewerke von Bruce und Rüppell,
sowie Dillmann in der «Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft» (Bd. 7,
Lpz. 1852) und in den «Abbandlungen» der Berliner
[* 32] Akademie der Wissenschaften (1878, 1880 u. 1884);
Basset, Études sur l’historiede l’Ethiope (Par. 1882);
Perruchon, Histoire des guerres d’Amda Syon (im «Journalasiatique», 1889);
ursprünglich ein Kollektivname, womit man die «Sonnenverbrannten»
(Menschen, die Schwarzen oder Neger, s. d.) bezeichnet. Homer nennt sie «zweigeteilt» und läßt sie als Fabelvolk teils im
äußersten Osten, teils im äußersten Westen wohnen, indem er dabei offenbar von der Voraussetzung ausgeht,
daß die Sonne
[* 33] da am stärksten die Hautfarbe der Menschen beeinflusse, wo sie ihnen am nächsten komme, d. i. da, wo sie auf- und
untergeht. Darum heißen bei ihm die Äthiopier die «äußersten der Menschen», das entfernteste Volk und wohnen am Okeanos,
d. h.
dem die Erdscheibe umwallenden großen Strom.
Bei Hesiod erscheinen sie schon lokalisiert (in Libyen); die alten Geographen machen den Nil oder den ArabischenMeerbusen zur
Grenzscheide des «zweifach geteilten» Volks. Auch Herodot (VII, 70) spricht von zweierlei Äthiopier, denen von Sonnenaufgang (aus
Asien)
[* 34] und denen aus Libyen, die sich durch ihre Sprache
[* 35] und ihr Haar
[* 36] (letzteres bei jenen gerade und schlicht,
bei diesen kraus und wollig) unterschieden. Da Herodot die asiatischen den Indern im Heere des Xerxes zugeordnet nennt, so scheint
er sich die Wohnsitze derselben im heutigen Belutschistan und Afghanistan
[* 37] zu denken.
Die libyschen Äthiopier läßt Herodot von Elephantine an aufwärts wohnen und nennt Meroe als ihre Hauptstadt
(wahrscheinlich in der Gegend des heutigen Assur). Später spricht man nur noch von diesen südlichen afrikanischen Äthiopier. Sie
gelten dem Herodot für die größten und schönsten der Menschen. Ihre Bildungsstufe war nach den Aussagen der Alten eine
niedere; eine Ausnahme bildete der handeltreibende Kulturstaat Meroe. –
Vgl. Tümpel, Die Athiopenländer
des Andromedamythos.
Bibelübersetzung, s. Äthiopische Sprache, ^[= und Litteratur. Die äthiop. Sprache (von den Eingeborenen außer mit diesem, dem Griechischen ...]Schrift und Litteratur.
Sprache,Schrift und Litteratur. Die äthiop. Sprache (von den Eingeborenen außer mit
diesem, dem Griechischen entlehnten Namen, auch Geez genannt) gehört dem semit. Sprachstamme an. Sie war ursprünglich nur
die Sprache eines der lange vor Beginn unserer Zeitrechnung aus Südarabien in Abessinien eingewanderten arab. Stämme, und
zwar desjenigen, der sich im nördl. Abessinien, speciell in der ProvinzTigre und deren Hauptstadt Axum
niederließ.
Die Sprache erlangte aber dann mit der Ausbildung des Axumitischen Reichs (s. Äthiopien) die Herrschaft als Schrift-, Reichs-
und Kirchensprache. Infolge ihrer frühen Fixierung und Erstarrung als Schriftsprache geriet die geschriebene äthiop.
Sprache selbst aber bald in Widerspruch mit der sich lebendig weiter entwickelnden gesprochenen, so daß
zu Ausgang des Mittelalters die erstere längst nur noch eine besondere tote Schriftsprache war. Als herrschende Verkehrssprache
wurde das Äthiopische um diese Zeit durch die Amharische Sprache (s. d.) ersetzt, während sie als Schrift-, namentlich als
Kirchensprache sich bis heute erhalten bat.
Von den beiden aus der Weiterentwicklung der äthiop. Sprache hervorgegangenen Volksdialekten soll der
nördlichere, das Tigrê, der äthiop. Schriftsprache noch am nächsten stehen; leider wissen wir bisher
sehr wenig von diesem Dialekt. Der südlichere, das Tigriña, ist wohl stärker entartet und mehr vom Amharischen beeinflußt.
(Vgl. über diesen Dialekt Prätorius, Grammatik der Tigriñasprache, Halle
[* 39] 1872, und Schreiber, Manuelde la langue TigraïWien
[* 40] 1887.) Eine für ihre Zeit vortreffliche Bearbeitung der äthiop. Sprache gab Job Ludolf in der «GrammaticaAethiopica» (2. Aufl., Frankf. a.M. 1702) und im Lexikon (2. Aufl.,
ebd. 1699); neuerdings wurde sie ausführlich dargestellt von Dillmann in der Grammatik (Lpz. 1857) und
im Lexikon (3 Tle., ebd. 1862–65). Ein kurzes Lehrbuch verfaßte Prätorius (1886).¶
mehr
Das Geez hat eine eigentümliche Schrift, fortgebildet aus der sabäisch-himjarischen, mit der sie ursprünglich identisch
war. Sie wird von links nach rechts geschrieben und hat, obgleich ursprünglich reine Konsonantenschrift, sich doch früh
zu einer Silbenschrift vervollkommnet, indem verfolgende Vokal durch leichte Variationen der Form des voraufgehenden Konsonanten
dargestellt wird.
Die äthiop. Litteratur beginnt, wenigstens soweit sie uns erhalten, erst
nach der Einführung des Christentums in Abessinien und ist vorwiegend kirchlich. Ihre Grundlage bildet die Übersetzung der
Bibel, die mit Ausnahme der Makkabäerbücher sämtliche biblischen Bücher des Alten und NeuenTestaments, auch die apokryphischen,
umfaßt, und an die sich noch andere spätjüd. oder altchristl. Schriften anschließen, wie das Buch derJubiläen, das BuchHenoch, das vierte BuchEsra, die Ascensio Jesaiä, der «Hirt» des Hermas u. a.
Seit 1853 ist eine Gesamtausgabe des Alten Testaments von Dillmann begonnen, aber bis jetzt nicht zu Ende geführt.
Das Neue Testament ist 1548 zu Rom
[* 42] nach einem guten Text, aber sehr fehlerhaft, und dann in der Londoner
Polyglotte noch fehlerhafter gedruckt; eine neue Ausgabe, nach einem gemischten Text, hat Platt besorgt (Lond. 1830). An diese
biblischen Schriften reihen sich Übersetzungen von andern wichtigen kirchlichen und geschichtlichen Werken zum Teil in der
ältern Zeit aus dem Griechischen, zum Teil gegen das Ende des Mittelalters aus dem Arabischen, zum Teil
auch aus dem Koptischen, z. B. Werke der Kirchenväter, Liturgien, Sammlungen der Kanones, Kirchenrecht, Homilien, jüd. und
arab. Chroniken, Heiligengeschichten.
Als Übersetzung eines besonders wichtigen profan-histor. Werkes sei erwähnt die von Zotenberg besorgte Ausgabe der «Chronique
de Jean, évêque de Nikion» (Par. 1883), die nur noch in dieser äthiop.
Übersetzung erhalten ist. Die originalen Werke von einheimischen Schriftstellern sind ebenfalls meist christl.-kirchlichen
Inhalts; zu den wichtigsten gehören die großen Kirchengesangbücher (mit Gesangnoten versehen), die Werke über die
einheimische Königsgeschichte (meist im Tarikstil, d. h. in einer aus Geez und Amharisch gemischten Sprache
geschrieben), der histor.
Roman «Kebra nagast» (aus der alten Geschichte Abessiniens) und eine Menge von Heiligengeschichten. Die Poesie ist ganz in den
Dienst der Kirche getreten; ihre Erzeugnisse bestehen, abgesehen von der edlern Hymnenpoesie der Gesangbücher, fast ganz aus
gereimten Gebeten oder Lobpreisungen von Heiligen. Die Handschriften, in denen uns die äthiop. Litteratur
erhalten ist, sind sämtlich verhältnismäßig jung. Keine einzige stammt aus der Zeit, in der die äthiop.
Sprache noch mehr war als tote Schriftsprache. Größere Sammlungen äthiop. Handschriften finden sich zu Rom, Paris,
[* 43] Tübingen,
[* 44] London
[* 45] (im Britischen Museum), Oxford,
[* 46] Frankfurt
[* 47] a. M., Berlin,
[* 48] München
[* 49] und Wien; die größte hatte früher
Abbadie (s. d.); doch steht seit dem Erwerb der Magdalal-Sammlung von 348 Nummern
das Britische Museum an Reichhaltigkeit obenan.
(grch.), im Altertum im allgemeinen ein Wettkämpfer, der sich an den gymnischen Spielen (s. Agon) beteiligte.
Seit dem 5. Jahrh. v. Chr. wurde das Kampfspiel schon bei den Griechen mehr und mehr ein Erwerbszweig, und die Athletik eine
Kunstfertigkeit, deren Erlernung und Ausübung eine eigentümliche Lebensweise erforderte und an besondere
Regeln gebunden war. Noch mehr machte sich das Handwerksmäßige der Athletik geltend, als das hellenische Leben sich mit
dem römischen zu vermischen begann. In Rom traten die ersten in Griechenland
[* 50] gedungenen Athlet 186 v. Chr. auf.
Völlig zunftmäßig ausgebildet erscheint das Athletenwesen in der röm. Kaiserzeit, wo
es Athletengenossenschaften fast in allen größern Städten des Reichs gab. In Italien,
[* 51] besonders in Rom, wurden die Athletenkämpfe
seit dem Beginn der Kaiserzeit immer beliebter. Den Siegern wurden Geschenke und Ehrenzeichen gespendet. In neuerer Zeit
nennen sich Schaukünstler Athlet, die in Übungen, welche große Körperkraft erfordern, wie im Heben, Tragen,
Stemmen, Hervorragendes leisten.
Vgl. Krause, Die Gymnastik und Agonistik der Hellenen (2 Bde., Lpz. 1841);
Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte
Roms, Bd. 2 (6. Aufl., ebd. 1889).
(spr. äthlóhn), Stadt in der irischen Grafschaft Westmeath, 129 km westlich von Dublin,
[* 52] am Shannon, 5 km
südlich vom Lough (See) Ree, teilt sich in die schmutzige Irishtown (aus dem Gebiete der Grafschaft Roscommon)
rechts und die schöne Neustadt
[* 53] links vom Flusse und hat (1891) 6742 E., eine schone Eisenbahnbrücke (170 m lang), Brennereien,
Leinwandwebereien, Filzhutfabriken und lebhaften Verkehr. Athlone ist ein Hauptstapelplatz für militär.
Vorräte mit Kasernen für 1500 Mann; die Festungswerke (6 ha.) umfassen ein altes, durch König Johann
gegründetes Schloß. Nach der Schlacht an der Boyne belagerte Wilhelm III. Athlone vergebens, das erst General
Ginkell nahm; letzterer wurde deshalb zum Grafen von Athlone ernannt.
seit dem Mittelalter von den Griechen Hagion Oros (spr. ajonoros; daraus der türk.
Name Aineros, d. i. heiliger Berg), von den Italienern Monte-Santo genannt, eine 47 km lange und bis 11 km breite Gebirgsmasse,
die als östlichste der drei Halbinseln der Chalcidice (s. d.) in das Ägäische Meer vorspringt, nur durch
einen schmalen, niedrigen Isthmus mit dem Festlande zusammenhängend. Sie bildet einen einförmigen, bewaldeten Höhenzug
von krystallinen Schiefern, über welchen sich am Südende der Marmorkegel des Athosberges bis zu 1935 m erbebt (zur Geologie
[* 55] des Athos vgl. Neumayr in der «Denkschrift der kaiserl. königl. Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche
Klasse», Bd. 40, Wien 1880). Nach dem Athos fahren Dampfschiffe von Konstantinopel,
[* 56] Smyrna und Saloniki
[* 57] etwa alle 8 -14 Tage.
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Nach Herodot lagen im Altertum fünf Städte dort, Dion, Olophyxos, Akrathoos, Thyssos und Kleonä, mit einer aus Thrakern
und Griechen gewischten Bevölkerung. Die schmalste, 1,8 km breite Stelle der Halbinsel, nahe der macedon. Küste, wollte der
Perserkönig Xerxes zur Durchfahrt für seine Flotte um 482 v. Chr. durchstechen, der Kanal
[* 59] wurde aber nicht
vollendet. In christl. Zeit, doch kaum vor dem 8. Jahrh., bevölkerte
sich der Berg mit Anachoreten (s. d.), die sich um die Laura (s. d.)
von Karyes in der Mitte der Halbinsel scharten, wo ihr Protos (s. Archimandrit) seinen Sitz hatte.
Das erste Koinobion (s. d.), die «größte
Laura» oder die «Laura des heil.
Athanasios», gründete 963 der Grieche Athanasios mit Hilfe des KaisersNikephorosPhokas. Die durch das mächtig emporblühende
Kloster entstandenen Rechtsverschiebungen in der heiligen Gemeinde des Athos ordnete die für die alten Zeiten gültige Verfassung
von 969, die der KaiserJohannesTzimiskes gab. Nach dieser lag die Regierung in den Händen des Protos und
der Hegumenen (s. Hegumenos).
Bald gründeten neben vielen reichen griech. Stiftungen auch andere Nationen dort Klöster, die Iberer (Georgier) das noch jetzt
bestehende Kloster Iberon oder Iwiron, Italiener von Amalfi das der Amalfitaner, Slawen (Bulgaren, Serben) Zographu und Chiliantari.
Das jüngste griech. Kloster, Stawronikita, stammt aus dem Jahre 1543. Von kaiserl. Gunst
beschützt und beschenkt, blühte das Gemeinwesen, dessen Verfassung 1046 revidiert und freier gestaltet wurde, mächtig auf.
Unter AlexiosKomnenos wurden die Klöster reichsfrei. Vom Hellenismus beherrscht, hielten sie sich auch in der fränk.
Zeit nach 1204 zu den Kaisern von Nicäa. Seit dem 13. Jahrh. gewann der Hesychasmus (s. Hesychasten) Ausdehnung,
[* 60] etwa gleichzeitig aber lockerte sich die Disciplin dadurch, daß viele Klöster zum idiorrhytmischen (s. d.)
Leben abfielen.
Die Türken, denen sich die Mönche nach dem Falle von Thessalonich 1430 freiwillig unterwarfen, ließen der Berggemeinde gegen
eine jährliche Abgabe völlige Freiheit der Verwaltung und des Kultus, nur setzten sie einen Beamten nach
Karyes, der jetzt die Würde eines Kaimakam hat. An die Stelle der byzant. Kaiser traten als christl. Schützer die Fürsten
der slaw. Balkanstaaten. Nachdem bereits im 17. Jahrh. durch die
Herrschsucht der Klöster der Protos gefallen, wurde 1783 auf Grund eines neuen Typikon (s. d.) die Verfassung
der Gemeinde durch den PatriarchenGabriel von Konstantinopel geregelt.
Diese gilt mit geringen Abänderungen noch jetzt. Nach ihr liegt die Regierung bei der ständigen Versammlung der Vertreter
der 20 Klöster, die je einen solchen entsenden. Die Versammlung, Synaris genannt, hat noch einen Ausschuß aus vier Epistaten
oder Vorstehern, deren einer, der Protepistates, den Vorsitz in beiden Körpern führt. Der Sitz der Regierung ist, wie in
alter Zeit, der Flecken Karyes. Die Oberbehörde der heiligen Berggemeinde ist der Patriarch von Konstantinopel.
Eine Bildung der neuern Zeit, vielleicht im Zusammenhang mit der Lockerung der Zucht durch die idiorrhythmischen
Klöster, sind die Sketen (s. d.), die sich in Abhängigkeit von den Klöstern ausbildeten. Deren giebt es jetzt 12, selbständige
Klöster 20, darunter die Laura, Iwiron, Watopedi, Russikon die mächtigsten, Kellien gegen 300, Mönche im ganzen an 5000. Die
Mönche leben seit alters im allgemeinen nach den Regeln des Basilius (s. d.), im besondern nach dem Typikon
ihres Klosters,
in strenger Ascese.
Beschwerliche Gottesdienste bei Tag und Nacht, sowie strenge Fasten sind vorgeschrieben. Auch außer der Fastenzeit essen
die Bewohner der Koinobien und Sketen gar kein Fleisch, meist nur Gemüse und Brot,
[* 61] höchstens getrockneten Fisch, die der
idiorrhythmischen Klöster und Kellien auch Eier
[* 62] und Fleisch. Keine Frau darf nach alter Tradition die
Halbinsel betreten, auch duldet man keine weiblichen Haustiere. Die weltlichen Beschäftigungen der Mönche erstrecken sich
auf einigen Gartenbau, Fischfang, Kohlenbrennen, Schnitzen von Kreuzen, Löffeln u. dgl. aus Holz und Elfenbein, Malen von Heiligenbildern,
Fabrizieren von Räucherwerk.
Die Bildung ist bei der Mehrzahl stets gering gewesen, da auch Wissenschaft und Kunst von den Strenggesinnten
stets zur «Welt» gerechnet wurden, der ja die Mönche entfliehen wollen.
Doch hat der Athos zu allen Zeiten Gelehrte und Künstler, namentlich Maler aufweisen können. Um die Mitte des 18. Jahrh, war
der Athos sogar kurze Zeit der Mittelpunkt der griech. Bildung, denn 1749 gründeten die Mönche von Watopedi
nahe beim Kloster eine Akademie, die unter Eugenios Bulgaris (s. d.) großen Aufschwung nahm. Man lehrte dort abendländ. Philosophie,
klassische Bildung und griech. Theologie. Den Nachfolgern des Eugenios aber fehlte der Geist, auch stand die Regierung in Konstantinopel
der Schule feindlich gegenüber, daher ging sie im Anfange des 19. Jahrh.
ein. In neuerer Zeit findet man wieder gebildete Mönche, da namentlich aus den idiorrhythmischen Klöstern manche in Athen
[* 63] und Chalki studieren.
Jedes Kloster bildet ein längliches Viereck
[* 64] von Gebäuden. (Abbildung s. Tafel: Byzantinische Kunst,
[* 58]
Fig. 8.) Im Innenhof steht
die bis auf Vorhalle und Altarraum quadratische, kuppelüberwölbte Kirche, innen mit Fresken aus dem 14. bis 19. Jahrh. und
vielen undatierten Tafelbildern. Besser als anderswo kann man hier die byzant. Kunst auch des jüngsten halben Jahrtausends
kennen lernen, da sie auch unter türk. Oberherrschaft fortwährend gepflegt wurde. Zu großem
Rufe ist in unserm Jahrhundert gelangt das «Handbuch der Malerei
vom Berge Athos» (französisch von Didron 1845; deutsch 1855; griechisch, 2. Ausg.
1885), verfaßt vom Maler und Priestermönch Dionysios wahrscheinlich im 16. oder Anfang des 17. Jahrh., das
man irrtümlich als Kunstkanon der griech. Kirche angesehen hat.
Nahe der Kirche befindet sich das Speisehaus. Außerhalb des Klosters häufig die Mühle, die Schmiede
u. dgl., immer aber der Kirchhof. Jedes Kloster hat einen Hafen. Die Schätze der Klöster sind, außer den Kirchengeräten,
die handschriftlichen Bibliotheken, die für Byzantinertum noch immer großen Wert haben. Die Zahl der griech.
Pergament- und Papierhandschriften beträgt etwa 10000. Namentlich kostbar sind die Urkunden der Kaiser,
Fürsten und Sultane, von denen die Klöster viele besitzen.
In der neuesten Zeit suchen die Russen, nachdem sie das von griech. Mönchen fast verlassene Kloster des heil. Panteleimon
(Russikon) bevölkerten, auch im Gebiete anderer Klöster Platz zu fassen. Doch scheint die Energie des
erwachten Hellenismus bereits die Hochflut der Slaweninvasion überwunden zu baben. Herrschaft über den Athos würde
den Russen gewaltige Macht in der anatolischen Kirche verleihen, daher steht auch die türk. Regierung den eindringenden Russen
feindlich gegenüber.
Vgl. Fallmerayer, Fragmente aus dem Orient (2 Bde., Stuttg. 1845);
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