1) Gouvernement im südöstl.
Teil des Europäischen
Rußlands, grenzt im
NO. und N. an das Uralgebiet und das Gouvernement
Samara, im
W. an das Gouvernement Saratow und das
Land der Donischen Kosaken, im
S. an das Gouvernement
Stawropol, im SO. auf
mehr als 400 km an das
KaspischeMeer, das dort längs der
Küste zahlreiche
Inseln und Halbinseln bildet.
Es umfaßt 208158,7 (nach Strelbitskij 236531,6) qkm und zerfällt in die
Kreise
[* 2] Astrachan, Krasnojarsk, Jenotajewsk, Tschernojarsk
und
Zarew, wozu noch 7 Ulusverwaltungen der Kalmücken und die Ländereien der
Astrachankosaken (s. d.) kommen.
Außerdem liegt im Bereich des Gouvernements das Gebiet der kirgisischen Innern Horde oder
Bukejewschen Horde
(s. d.). Das ganze Gouvernement bildet eine große
Steppe, die sich nach SO. zu senkt und einen
Teil der
Aralokaspischen Senke
(s.
KaspischesMeer) bildet. Sie wird von der Wolga in zwei Hälften geteilt, von denen die am rechten Ufer liegende die Wolga-
oder Kalmückensteppe, die am linken Ufer die Transwolgaische oder Kirgisensteppe heißt. Die
Erhöhungen,
welche rechts den Wolgalauf begleiten, nehmen im Gouvernement Astrachan stark ab; von ihnen zweigt sich bei
Sarepta der Höhenzug
Jergeni (s. d.) nach
Süden zu ab, weiter südlich läuft eine Hügelreihe, der
Daban, in die
Steppe an der
Kuma aus.
Auf der linken Seite der Wolga finden sich nur vereinzelte
Erhöhungen, wie der
Große und der
KleineBogdo, der Tschaptschatschi;
in der
Steppe sind Hügel mit lehmigem
Untergrund zerstreut. In geolog.
Beziehung besteht das Gouvernement fast ganz aus mit
Flugsand vermischtem
Lehm, Salzmooren, aufgeschwemmtem Schlamm, und der
Boden ist fast überall mit
Salz
[* 3] getränkt.
Außer der Wolga und ihren Nebenarmen sind nur wenig
Flüsse
[* 4] vorhanden; die wichtigsten sind im N. der
Kleine und
Große Usenj, im S. die Sarpa und die beiden Manytsche.
Gleichwohl ist das Gouvernement reich an frischem Wasser, das sich in etwa 1 m
Tiefe imBoden findet, und
durch
Anlage von
Brunnen
[* 5] (Chuduken) nutzbar gemacht wird. Seen, besonders salzhaltige, sind sehr zahlreich; sie ziehen sich
längs der ganzen Meeresküste hin; im Innern sind die wichtigsten der Elton- und der Baskuntsckaksee.
Das Klima ist kontinental
asiatisch, mit extremer Sommerhitze und Winterkälte, mit Regenmangel, Schneestürmen
(Burans) und Heuschreckenplage.
Die
Vegetation bildet keine zusammenhängende Rasendecke und ist inselartig zerstreut. Auf den erhöhten
Stellen wächst Wermut,
an den niedern verschiedene Grasarten und Salzkräuter aus der Gattung Salicornia. Nur die Ufer und
Inseln der Wolga haben
einen reichern Pflanzenwuchs. Im Wolgadelta und an der Meeresküste wachsen große
Mengen Schilf, die nicht
nur als
Brenn-, sondern auch als Baumaterial verwendet werden. Die seßhafte
Bevölkerung,
[* 6] hauptsächlich aus
Russen und
Tataren
bestehend, betrug (1889) 479980 E.; dazu kommen 138980 Kalmücken und 237500 Kirgisen, unter denen
sich eine Anzahl Karakalpaten und Turkmenen befinden.
Der
Religion nach zählt man 440833
Christen (meist griech. Katholiken), 276759 Mohammedaner, 136735 Lamaiten, 585
Juden.
Die Hauptbeschäftigung der Bewohner bildet der Fischfang mit Kaviarbereitung und Thransiederei, namentlich der Fang von
Heringen (1887: 278 Mill.
Stück), dann die Salzgewinnung
[* 7] (jährlich 18,7 Mill. Pud, wovon etwa drei Viertel auf den Baskuntschaksee
kommen). Bedeutend ist die Viehzucht;
[* 8] 1887 gab es 226299
Pferde,
[* 9] 766320 Rinder,
[* 10] 2 ¼ Mill. Schafe,
[* 11] 44000 Ziegen, 66000 Kamele.
[* 12] Der Ackerbau ist nur im
Kreis
[* 13]
Zarew und Tschernojarsk von einiger Bedeutung.
Garten
[* 14] und
Weinbau wird besonders bei Astrachan betrieben.
Die Fabriktätigkeit ist gering. Dampfschiffahrt besteht auf der Wolga und
Achtuba. An Eisenbahnen ist nur die 55 km lange
Baskuntschakbahn vorhanden. Als
Tschumaken (s. d.) waren (1876) 6150
Personen tätig.
Die Astrachaner Niederung bildet von jeher das Einfallstor asiat.
Völker nach Europa,
[* 15] der Hunnen, Magyaren,
Avaren. Im 12. Jahrh.
finden sich daselbst die Polowzen, an deren
Stelle im 13. die Mongolen treten. Letztere machten sich 1480 von der
Großen Horde
unabhängig und errichteten ein selbständiges Chanat Astrachan, das außer dem heutigen Gouvernement
auch die benachbarten Gebiete von
Stawropol, Orenburg, Samara und Saratow umfaßte; es wurde 1556 von
Iwan IV. unter russ.
Herrschaft gebracht. 1632 wanderten die Kalmücken ein, 1801 die Kirgisen. Das Gouvernement Astrachan wurde 1717 errichtet,
1785-1832 gehörte es zu
Kaukasien; in seinen gegenwärtigen Grenzen
[* 16] besteht es seit 1860.
2)
Kreis im Gouvernement Astrachan, rechts an der Wolga und auf den
Inseln des Wolgadeltas, und umfaßt 39523,7 (nach Strelbitskij
56302,7) qkm, wovon etwa 15000 aufs Wolgadelta kommen, mit (1888) 56740 E. (11765 Mohammedaner).
3) Hauptstadt des Gouvernements und des Kreises Astrachan, unter 46° 21' nördl.
Br. und 48° 2' östl. L. von Greenwich, 20,7 m unter dem
Schwarzen, 7,6 m über dem
KaspischenMeere, liegt auf drei parallel-laufenden
Hügeln einer
Insel des Wolgadeltas, am linken Ufer des hier 2-3 km breiten Hauptstroms, 90 km vor dessen Mündung ins
Meer,
sowie an der Balda, dem Kutum und andern kleinen Nebenarmen. Mitten durch die Stadt geht der 1817 beendete
2,5 km lange, nach dem Erbauer benannte Warwazische
Kanal.
[* 17] Die Hügel sind durch
Sümpfe¶
mehr
und Salzmoore voneinander getrennt; der wichtigste derselben ist der Kremlhügel, früher Sajazhügel genannt, 12,5 m über
dem KaspischenMeere. Zum Schutz gegen Überschwemmung ist die Stadt von allen Seiten mit Erddämmen umgeben. Die sumpfige Lage,
der Mangel an Trinkwasser, das meist fehlende Straßenpflaster, ein mangelhaftes Abfuhrsystem wirken ungünstig auf die
Gesundheitsverhältnisse. Die Temperatur schwankt von +38,9° C. im Sommer bis -31,7° im Winter, und ist im Mittel 9,8°. Die
Sterblichkeit beträgt 4 Proz., der Zuwachs an Geburten 0,6 Proz. 1884 zählte man in Astrachan 204 Straßen mit 2087 steinernen und 7367 hölzernen
Häusern.
Die Bevölkerung beträgt (1888) 73710 (40200 männl., 33510 weibl.)
E., darunter 56465 Russen, 6200 Armenier, ferner Perser, Tataren u. s. w. In Garnison liegt das 1. Astrachan-Kosakenregiment.
Die Stadt hat einen gemischten europ.-asiat. Charakter. Das wichtigste Gebäude ist der 1582 begonnene, 1692 beendete Kreml
mit 2 Kathedralen, deren hauptsächlichste (der Uspenskij Sobor) 1602 erbaut und 1710 erneuert wurde. Außerdem
sind vorhanden 28 griech.-kath. Kirchen, 2 Klöster, 6 armenisch-gregorianische Kirchen, 1 röm.-kath. Kirche und 2 Kapellen, 1 evang.
Kirche, 1 sunnitische und 6 schiitische Moscheen, 2 Synagogen. Astrachan ist Sitz des Gonverneurs, des griech.-kath. Erzbischofs von
und Jenotajewsk, eines armenisch-gregorianischen Erzbischofs und einer lamaitischen Vorsteherschaft. Es besitzt ein geistliches
Seminar, je 1 Gymnasium für Knaben und Mädchen, 1 Realschule, l armenische Kreisschule, 3 mohammed. Medrese, 3 Mektebe sowie
verschiedene Volksschulen, darunter solche für Armenier, Kalmücken, Tataren, 1 Theater,
[* 19] 1 öffentliche Bibliothek (13968 Bde.),
mehrere Krankenhäuser, 1 Irrenhaus, 4 Buchdruckereien, 4 Zeitungen. An Verkehrsanstalten sind vorhanden Post, Telegraph,
[* 20] Börse
(seit 1870), 4 Bauten, Zollamt und besonders der Hafen, der den gesamten Verkehr des innern Rußlands mit
Centralasien, Persien,
[* 21] Transkaukasien vermittelt. Es treffen jährlich etwa 1775 Schiffe
[* 22] auf der Wolga und 4215 vom Meere her
ein.
Der Wert der Einfuhr und Ausfuhr betrug 1889 30,44 Mill. Rubel. Die Haupteinfuhrartikel sind Baumwolle
[* 23] und Früchte. Von den Gewerben der Stadt blühen am meisten die Fischerei
[* 24] mit ihren Nebenzweigen, wie Kaviarbereitung, Thransiederei
u. s. w., und der Gartenbau, namentlich Gemüse- und Weinbau. Letzterer, 1613 hier eingeführt, liefert jährlich etwa 1200 hl
Wein. Ferner giebt es 5 Wattefabriken, 2 Färbereien, 3 Maschinenfabriken u. s. w.,
im ganzen (1885) 62 Fabrik- und Gewerbeanlagen.
Das alte Astrachan, tatar. Chadschi Tarchan, Adjasch-Tarchan, Chosi-Tarchan, Chosar,
Aschtarakan, Zytrykan oder Sytrykan (bei den Italienern Citracano) genannt, lag etwa 11 km höher als die jetzige Stadt, auf dem
sog. Scharenyj-Hügel. Auf dem jetzigen Platz befindet es sich nicht später als 1568. Im J. 1557 kam
es schon in die Hände der Russen. 1561 wurde es ohne Erfolg von den Osmanen und Krimschen Tataren unter
Selim II. bestürmt. Es hatte dann durch Plünderungen der Kosaken, Einfälle der Tataren und Erdbeben
[* 25] zu leiden. 1667 wurde
es vom Räuber Stenka Rasin eingenommen und niedergebrannt, Scheremetjew dämpfte hier 1705 einen Aufstand
der Strelizen. Peter d. Gr. machte Astrachan zur Basis seiner Kriegsoperationen gegen Zentralasien,
[* 26] welche Stellung es bis 1867 behielt,
wo
die Admiralität und der Kriegshafen von hier nach Baku verlegt wurden. Die von jeher große Bedeutung des Handelshafens
ist in neuerer Zeit durch die Petroleumindnstrie in Baku und durch die Erbauung der Transkaspischen Eisenbahn
noch mehr gestiegen.
Baranken, Baranjen, die nach der russ. Stadt Astrachan benannten lockigen, kleinen, schwarzbraunen
Lämmerfelle. Nach dem Kopfe zu sind die Locken großflammiger, nach dem Schwanzende hin schlichter oder glatter. Man erhält
sie aus dem südl. Rußland, der Tatarei und Persien. Die im Handel vorkommenden tiefschwarzen Astrachan sind stets
gefärbt, jedoch zum Nachteil der Haut,
[* 27] die dadurch mürbe wird. Unter dem Namen Astrachan kommen auch Nachahmungen durch plüschartige
Gewebe
[* 28] im Handel vor, bei denen die gelockte, glänzende Oberfläche der echten Ware oft täuschend nachgeahmt ist. Man erkennt
diese Nachahmungen jedoch sehr leicht an der allzu gleichartigen Beschaffenheit der Locken und dem am
Grunde sichtbaren Gewebe.
Astrakanit, auch Blödit oder Simonyit, ein Mineral, das an der untern Wolga vorkommt und aus dem Wasser
der dortigen Seen auskrystallisiert ist, aber auch in Staßfurt,
[* 29] Ischl,
[* 30] Hallstadt sowie in Mendoza und SanJuan (Argentinien)
und in den Mayo Salt-Minen (Pandschab) gefunden wird;
es ist ein Doppelsalz von schwefelsaurem Natrium
und schwefelsaurem Magnesium.
an dem Unterlaufe und an den Mündungen der Wolga in zerstreuten Ansiedelungen lebend, gehören in
militär. Hinsicht zu dem Militärbezirke Kasan;
[* 31] in Verwaltungsangelegenheiten werden sie
von dem Gouverneur von Astrachan als stellvertretendem Ataman geleitet. Das Gebiet zerfällt in zwei Abteilungen
und hatte 1887 eine Bevölkerung von rund 27500 Köpfen, darunter etwa 25000 Kosaken. Das Astrachankosakenheer stellt im Frieden 1 Reiterregiment
zu 4 Sotnien, im Kriege 3 Reiterregimenter zu 4 Sotnien auf. Die Kriegsstärke beträgt rund 2000 Köpfe und Pferde.
L., Pflanzengattung aus der Familie der Leguminosen
[* 34] (s. d.), Abteilung der Papilionaceen, mit gegen 500,
meist in der nördl. gemäßigten Zone, besonders reichlich in Sibirien, am Himalaja und im westl. Asien
[* 35] wachsenden Arten; krautartige
Gewächse oder Sträucher mit gefiederten Blättern. Von einigen in den Mittelmeerländern und Kleinasien einheimischen Arten
stammt das sog. Tragantgummi, besonders von Astragaluscreticus Lam.
und Astragalus ParnassiiBoiss., die beide in Griechenland
[* 36] und auf Kreta zu Hause sind, sowie AstragalusverusOliv. vom Libanon. (S. Tragant.)
Unter den krautigen Arten verdienen der in fast ganz Europa, namentlich auch in Deutschland
[* 37] unter Gebüsch und in Laubwäldern
auf humosem Boden wachsende süßblätterige Tragant, AstragalusglycyphyllosL., auch DeutschesSüßholz genannt, und der in Südspanien
heimische Astragalus baeticusL.,Kaffeetragant, Stragelkaffee, besondere Erwähnung. Erstgenannte Art ist eine perennierende Pflanze
mit oft sehr langen, kriechenden und kletternden saftvollen Stengeln und gelblichgrünen oder schmutzig violettgrünen Blüten.
Stengel
[* 38] und Blätter enthalten ziemlich viel Zucker,
[* 39] weshalb sie süß, dem Süßholz ähnlich, schmecken;
Kraut und Samen
[* 40] dieser Art waren sonst als Herba und Semen Glycyrrhizae sylvestris offizinell. Der Kaffeetragans, eine einjährige
¶
mehr
Pflanze mit niederliegenden, weichhaarigen Stengeln, gelblichen Blüten und dreikantig-prismatischen Hülsen, wird bisweilen
in Küchengärten kultiviert, weil seine erbsenförmigen Samen geröstet als Kaffeesurrogat benutzt werden können. Diese
Pflanze erlangte Berühmtheit während der Napoleonischen Kontinentalsperre, wo man sie in Europa, auch in Deutschland viel
kultivierte.
[* 33] (grch.), das Sprungbein, der an das Fersenbein sich anschließende Fußwurzelknochen
des Menschen und der Säugetiere. Man bediente sich dieser Knochen
[* 42] von Tieren im Altertum zu einer Art Würfelspiel. - Astragalus (Astragal),
in dem Baustile der Antike und der Renaissance schmale, in halbrundem Profil vortretende horizontale Glieder
[* 43] stabähnlicher
Form, durch welche übereinander liegende Bauglieder voneinander gesondert werden. Besonders häufig
ist dieser Rundstab («Perlenschnur») an der ion. Säule, wo er dann das Kopfende des Säulenschaftes vom Kapital oder das Fußende
von der Basis trennt.
im Sterndienst der altorient. Religionen die Geister der beseelt gedachten Himmelskörper, gingen in
die religiös-kosmischen Anschauungen der Griechen, der Juden und der christl. Welt über. Die Dämonologie des
christl. Mittelalters sah in den Astralgeister bald gefallene Engel, bald Seelen von
Abgeschiedenen, bald aus Feuer entstandene Geister, die zwischen Himmel,
[* 46] Erde und Hölle schweben und keinem dieser Reiche angehören.
Als im 15. Jahrh. der Geister- und Hexenglaube seine Höhe erreichte, erhielten die in den Systemen der sog. Dämonologen,
wie Paracelsus, unter den bösen Geistern die ersteStelle.
nannte Pettenkofer eine von ihm dargestellte, dem Hämatinon (s. d.) nahe stehende, zu Schmuckgegenständen
zu verarbeitende Glasart, die durch Zusammenschmelzen von 80 Teilen Sand, 120 TeilenBleiglätte, 72 TeilenSoda, 24 Teilen Kupferhammerschlag, 18 Teilen
wasserfreiem Borax
[* 47] und 1 Teil Eisenhammerschlag erhalten wird. Nach dem Schleifen erscheint das Glas
[* 48] fast
schwarz, mit bläulich schimmernden Krystallen durchsetzt, bei darauffallendem Sonnenlicht deutlich rot. Der bläulich dichroitische
Schimmer auf tiefdunklem Grunde erinnert an den Glanz von Sternen auf nächtlichem Himmels daher der Name Astralit.
Astralschein, der Lichtschimmer, den man zwischen den Sternen der Milchstraße und, wenn auch weit schwächer,
über den ganzen übrigen Himmel in sternhellen Nächten wahrnimmt.
In der Nähe des
Südpols findet man übrigens zwei Stellen,
an denen das Astrallicht ganz zu mangeln scheint.
Seinen Grund hat das Astrallicht wahrscheinlich
in dem Schimmer unzähliger Fixsterne,
[* 51] die aber zu weit entfernt sind, als daß man sie einzeln wahrnehmen könnte.
ein mit besonderer Sorgfalt gereinigtes, aus Nordamerika
[* 52] in den Handel kommendes Petroleum. Es hat einen
nur schwachen Geruch, ist farblos und wasserhell und sein Entflammungspunkt liegt erst bei 68° C. Bei 15° C. beträgt das
spec.
L., Pflanzengattung aus der Familie der Umbelliferen
[* 53] (s. d.) mit nur wenigen Arten in Europa und Westasien;
krautartige Gewächse mit handförmig geteilten Blättern und vielblütigen Döldchen, die von einem Kranz
lebhaft gefärbter Hüllblättchen umgeben werden, so daß jedes Döldchen wie eine große Einzelblüte aussieht. Die in
den Gebirgsgegenden Deutschlands
[* 54] vorkommende Astrantia majorL., große Sterndolde, schwarze Meisterwurz (wegen des schwarzen Wurzelstocks),
wird häufig als Zierpflanze in Gärten gezogen. Ihr walziger, ringsherum mit dünnen schwarzen Fasern
besetzter Wurzelstock war sonst unter dem Namen Radix Imperatoriae nigrae offizinell.
Lindl., Pflanzengattung aus der Familie der Sterculiaceen (s. d.) mit nur wenigen Arten in Ostindien,
[* 55] auf Madagaskar
[* 56] und der InselRéunion. Es sind Bäume mit einfachen Blättern und schönen, prachtvoll gefärbten Blumen; diese stehen in Dolden,
die von einer Blatthülle umgeben sind, und besitzen eine fünfblätterige Blumenkrone. Die bekannteste
Art istAstrapaea WallichiiLindl. aus Ostindien, mit breiten, herzförmigen, gezähnten Blättern, großen Nebenblättern und glänzend
scharlachroten Blumen, eine der größten Zierden der Warmhäuser, welche sich durch Ableger leicht vermehren läßt.
(Habropyga Cab., s. Pytelia Swains. u. s. w.), klein- und schwachschnäbelige Prachtfinken (s. d.);
sie gelangen in vielen Arten in den Handel und sind um ihrer Zierlichkeit, Anmut, bunten Farben, Harmlosigkeit, Ausdauer und
Züchtbarkeit willen allbeliebt.
Alljährlich werden große Mengen derselben aus Afrika
[* 57] und Australien
[* 58] eingeführt und für
3-6 M., seltenere und schönere Arten aus Australien für 12-80 M. das Pärchen verkauft. -
Bezeichnung für die Kenntnis des Sternhimmels, wie er dem bloßen Auge
[* 59] erscheint, also das Vertrautsein mit den Sternbildern
sowie mit den Namen und der Bezeichnung der Sterne. Da man bei klarem Himmel aus der Lage der Sternbilder
gegen den Horizont
[* 60] jederzeit wenigstens annähernd Zeit und Richtung bestimmen kann, reicht die Beschäftigung mit der Astrognosie bis in
die ältesten Zeiten zurück, und die Astrognosie muß als der älteste und einfachste Anfang der Astronomie
[* 61] bezeichnet werden. - Hilfsmittel
zum Studium der Astrognosie sind Himmelsgloben (s. Globus) und Sternkarten (s. d.). Bei deren Anwendung ist indes
zu beachten, daß die Sternkarten die Sternbilder so darstellen, wie wir sie von der Erde aus sehen, daß man aber beim Gebrauche
des Globus sich in dessen Mittelpunkt versetzt denken muß, um das auf seiner Oberfläche Dargestellte mit dem Himmel
selbst vergleichen zu können.
¶
mehr
Am besten geht man beim Studium der Astrognosie vom Sternbild des Himmelswagens oder GroßenBären aus. Man legt dann die zu benutzende
Sternkarte so, daß auf ihr der Himmelswagen dieselbe Lage wie am Himmel hat, und sucht nun von diesem aus durch Alignements
die benachbarten Sterne und Sternbilder auf, d. h. man denkt sich einzelne Sterne miteinander durch Linien
verbunden und sieht zu, welche andern Sterne etwa in der Verlängerung
[* 63] dieser Linien liegen. Verbindet man beispielsweise
die beiden letzten Sterne des Himmelswagens durch eine gerade Linie, so liegt auf deren Verlängerung der Polarstern.
Vgl. Bode, Anleitung zur Kenntnis des gestirnten Himmels (11. Aufl. von Bremiker,
Verl. 1858);
Möllinger, Lehrbuch der Astrognosie (3. Aufl., Zür. 1878).
Der von dem wohl kaum jemals wirklicher Gebrauch gemacht worden ist, ist in neuerer Zeit durch die Anwendung
der Photographie in der Astronomie völlig überflüssig gemacht worden.
[* 66] astronomischer Ring, eigentlich eine vereinfachte Form der Armillarsphäre
[* 67] (s. d.),
diente, wie letztere, früher zu astron. Bestimmungen und wurde zuerst von Hipparch angewendet, der Länge und Breite
[* 68] damit bestimmte.
Innerhalb eines mit einer Kreisteilung versehenen Ringes (s. nachstehende Abbildung) dreht sich mit diesem konzentrisch ein
zweiter Ring.
Beide Ringe besitzen Absehen oder Diopter,
[* 69] aa und bb. Die Marken cc auf dem innern Ringe geben seine jeweilige Stellung innerhalb
der Teilung des äußern Ringes an. Das Astrolabium diente zum Messen von Winkeln. Sollten Höhenwinkel damit gemessen
werden, so wurde es bei dem Ringe d aufgehängt; der Zenithpunkt der Teilung wurde dann mit Hilfe des Lotes ermittelt. Zur
Messung von Horizontalwinkeln zwischen zwei Objekten war es nur nötig, die Scheibe horizontal aufzustellen. In etwas feinerer
Form, durch Benutzung von Nomen an Stelle einfacher Marken und wohl auch von Fernrohren an stelle der Diopter,
hat sich das Astrolabium unter dein Namen Meßscheibe lange bei den Feldmessern erhalten, ist jetzt aber durch Theodolit
[* 70] und Universalinstrument
völlig verdrängt. Auch in der Marine, wo das Astrolabium zur Ortsbestimmung
[* 71] verwendet wurde, ist es längst dem
viel genauern Sextanten gewichen.
Sterndeutung, jetzt
Bezeichnung für die vermeintliche Kunst, aus der Stellung der
Sterne zukünftige Ereignisse und besonders Schicksale der Menschen vorauszusagen. Früher war der allgemeine
Name für die Wissenschaft der Sternkunde, und ihr verdankt die heutige Astronomie die Überlieferung von Aufzeichnungen vor
Jahrtausenden gemachter Beobachtungen, und auch für die Geschichtsforschung sind die auf Denkmälern verewigten Konstellationen,
welche bei gewissen histor.
Ereignissen stattgefunden haben, zu einer wertvollen Quelle
[* 73] für wichtige Zeitbestimmungen geworden. Die
sichtbaren augenscheinlichen Einflüsse, welche Sonne
[* 74] und Mond
[* 75] auf die Natur üben, sowie der regelmäßig wiederkehrende
Wechsel der Jahreszeit mit dem Kreislaufe desTierkreises führten leicht zu dem Glauben, daß auch den übrigen Gestirnen,
namentlich den Planeten,
[* 76] eine Einwirkung beizumessen sei, zunächst auf die Natur, auf Witterung und Wachstum,
sodann aber auch auf alles Geschaffene, alle Begebenheiten und Schicksale. So entstand die Astrologie, die Kunst, aus den verschiedenen
Stellungen der Gestirne zueinander, der Konstellation (s. d.), vermeintlich
sichere Schlüsse zu ziehen.
Solche Konstellation, mit Bezug auf ein bestimmtes Ereignis durch Beobachtung oder Berechnung festgestellt, wurde Horoskop
[* 77] genannt, Nativität, wenn sie sich auf die Geburt zum Zwecke der Vorhersagung der Geschicke des Neugeborenen
bezog. Die Alten kannten naturgemäß nur diejenigen Planeten, die dem unbewaffneten Auge sichtbar sind. Die Astrologen führten
ihre Prognose oder Weissagung in der Art aus, daß zur Deutung der Zukunft einem jeden der sieben Planeten
(einschließlich Sonne und Mond) besondere Eigenschaften beigelegt wurden, die er verleiht, bestimmte Gebiete der Natur und
aller Dinge, die er regiert, und daß aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Planeten je nach ihrem Standpunkte in den zwölf
Tierzeichen, die unter ihre Herrschaft verteilt waren, und ihrer gegenseitigen Stellung, d. i. den sog.
Anschauungen oder Aspekten (s. d.), nach bestimmten Regeln Schlüsse auf die Gestaltung der Geschicke gezogen wurden.
Die Anfänge der Astrologie sind in dem Lande zwischen Euphrat und Tigris und in Ägypten
[* 78] zu suchen. Aus den in neuerer Zeit in Mesopotamien
gefundenen Keilinschriften geht hervor, daß die ältesten Bewohner jener Gegenden, die Sumerier (Akkadier),
den Sterndienst übten und sich astron. und astrol. Ausdrücke in ihrer Sprache
[* 79] bedienten, und daß von ihnen die Sterndeutung
auf die spätern semit. Bewohner dieser Länder überging. Eben daher rührt das älteste bekannte große astrol.
Werk Sargons I. von Agade, von Layard entdeckt in der Bibliothek des Königs Assurbanipal und von Rawlinson
veröffentlicht. Die Priesterkaste Ägyptens besaß eine ausgebildete Astrologie. Von Ägypten fand die Astrologie über Griechenland und Rom
[* 80] ihren Weg nach dem Abendlande. Bei den Griechen und Römern bezeichnete man anfangs lange die Astronomie mit dem Namen Astrologie. Griech.
Schriftsteller schreiben die Einführung der Astrologie ebenfalls den Chaldäern zu, und Herodot berichtet, daß
der Magier Osthanes, der den Perserkönig Xerxes auf seinem Zuge nach Griechenland¶
mehr
begleitete, den orient. Aberglauben bei den Hellenen zu verbreiten gesucht habe. Bei denRömern, wo das Auspizien- und Augurentum
in hohem Ansehen stand, fand die Astrologie andauernd einen fruchtbaren Boden. Die Sterndeuter hießen Chaldaei, Babylonii, auch Mathematici
(wie die Sterndeutung Mathesis), Genethliaci, Planetarii. Die gebildetern Römer
[* 82] verhielten sich indes in der
Mehrzahl ablehnend gegen dieselbe, und Cicero u. a. widerlegte die in seiner Schrift«De divinatione». Zu wiederholtenmalen
wurden auch die Astrologen zeitweise aus Rom und aus Italien
[* 83] verbannt; so durch die KaiserClaudius 52 n. Chr., Vitellius, Vespasian
u. a. Dennoch fallt die Blütezeit der antiken Astrologie unter die röm.
Kaiserherrschaft.
Aus den Zeiten der Republik wirdL. Tarutius Firmanus als ein angesehener Astrolog genannt. Dem KaiserAugustus widmete der
Dichter M. Manilius seine fünf Bücher «Astronomica», das älteste uns erhaltene Werk der röm.
Litteratur auf diesem Gebiet. Aus dem 4. Jahrh. n. Chr.
stammt die noch erhaltene Schrift des Firmicus «VIII libri matheseos», das
umfangreichste Werk über antike Astrologie. In Syrien stand das gnostische 220-230 n. Chr. von einem SchülerBardesanes' verfaßte
astrol. Werk «Das Buch der Normen der Länder» in besonderm Ansehen.
Eifrige Gegner der waren die christlichen Kirchenväter, welche den darin ausgesprochenen Fatalismus als unverträglich mit
der Freiheit des menschlichen Willens verdammten. Einzelne indes, wie Origenes, glaubten an die von GottesHand
[* 84] am Himmel offenbarten Sckicksale, deren Entzifferung durch Menschen allein sie als sündhaft verwarfen. So mischten auch
einige christl. Sekten, wie die Gnostiker und Priscillianisten, astrol. Spekulationen in ihr Glaubensbekenntnis.
Auch bei manchen Vertretern der philos. Richtung des Neuplatonismus stand die in großem Ansehen, z. B.
bei dem als mathem. Kommentator bekannten Proklus Diadochus im 5. Jahrh., von dessen Schüler Marinus wir eine Biographie seines
Lehrers mit der genauen Nativität desselben besitzen. Sorgfältige Pflege widmeten die Araber und die jüdischen Kabbalisten
der Astrologie, die von ihnen zu einem förmlichen System ausgebildet wurde. Als besonders berühmte Autoritäten
sind zu erwähnen Abu Maschar aus Bath in Chorassan im 9. Jahrh. und Aboazen Hali im 13. Jahrh. Bei den christlichen Völkern
kam die Astrologie namentlich im 14. und 15. Jahrh. zu hoher Blüte.
[* 85]
An den ältesten Universitäten, in Bologna und Padua,
[* 86] waren Lehrstühle für sie errichtet. Die Fürsten
besoldeten Hofastrologen, die in hohem Ansehen standen und großen Einfluß auf alle Regierungshandlungen ausübten. Zwar
wurde die Astrologie gegen Ende des 15. Jahrh. von Savonarola sowie nach ihm von Pico
von Mirandola eifrig bekämpft; aber sie bestand noch bis in das 17. Jahrh. hinein siegreich fort. Protestanten
und Katboliken gehörten zu den Anhängern der Astrologie, unter ihnen Melanchthon.
Als einer der berühmtesten Astrologen im 16. Jahrh. ist Nostradamus zu nennen, dessen vielgeglaubte
Weissagungen noch 1781 vom Papst verboten wurden. Selbst ein so bedeutender Astronom wie Kepler war von diesem Aberglauben nicht
frei und erwarb sich den Ruf eines geschickten Astrologen. Spätere Anhänger der Astrologie aus dem Kreise der
Gebildeten haben sich nur vereinzelt gefunden. Hofastrologen werden noch in Persien, China,
[* 87] Abessinien und an andern morgenländ.
Höfen besoldet.
Vgl.
Uhlemann, Grundzüge der Astronomie und der Alten, besonders der Ägypter (Lpz. 1857);
Maury, La
magie et l'astrologie dans l'antiquité et au moyen-âge (4. Aufl., Par. 1877);
Mensinga, Über alte und neue Astrologie (Berl. 1872);
[* 61] (grch.), Sternkunde, Himmelskunde, die Wissenschaft, die aus den Erscheinungen der Gestirne
ihre Bewegungen und Zustände erkennen lehrt. Die theoretische Astronomie zerfällt in die sphärische, theorische,
physische und physikalische Astronomie 1) Die sphärische Astronomie betrachtet die Örter der Gestirne
an der scheinbaren Himmelskugel ohne Rücksicht auf ihre Entfernung; sie hat es lediglich mit den Richtungen zu thun, in denen
wir die Sterne sehen, und bezieht diese auf gewisse Punkte und größte Kreise am Himmel. Die Lehre von
der scheinbaren täglichen und jährlichen Bewegung der Gestirne, die Theorie der Finsternisse, Präcession,
[* 89] Nutation, Aberration,
[* 90] Parallaxe
[* 91] und Refraktion gehören hierber.
2) Die theorische Astronomie zieht auch die räumliche Entfernung der Gestirne in Betracht und lehrt
aus den beobachteten scheinbaren Richtungen den wahren Ort der Körper im Weltraum herzuleiten. Die Bestimmung der Bahnen der
Kometen
[* 92] und Planeten aus den beobachteten Örtern und umgekehrt die Berechnung der Örter aus den Bahnelementen (Ephemeriden)
bilden ihre Hauptaufgabe.
3) Die physische Astronomie, treffend auch als Mechanik des Himmels bezeichnet, beschäftigt
sich mit den Kräften, welche die Bewegung der Weltkörper hervorrufen. Sie untersucht die Wirkung, die ein Körper auf den
andern vermöge seiner Masse ausübt. Die Theorie der Störungen und das Vielkörperproblem in seiner allgemeinsten Form gehören
in ihr Gebiet. Sie wird auch theoretische Astronomie im engern Sinne genannt.
4) Die physikalische Astronomie hat zum Gegenstand die Erforschung des Zustandes der Weltkörper
nach Form und Zusammensetzung. Diesem Gebiete fällt sowohl die Topographie des Himmels, als auch die Anwendung der Photometrie,
[* 93] Photographie und Spektralanalyse
[* 94] auf die Weltkörper zu. Letztere drei Zweige werden auch als Astrophysik (s. d.) zusammengefaßt.
Mit der Ausbildung der Theorie geht auf jedem der vier vorerwähnten Gebiete die Praxis Hand in Hand. Die
praktische Astronomie liefert einerseits das Beobachtungsmaterial, auf Grund dessen die Theorie sich aufbaut, andererseits verwertet
sie die Ergebnisse der Theorie mit Hilfe der Rechnung. Man hat daher bei der praktischen Astronomie zu unterscheiden zwischen der beobachtenden
und der rechnenden Astronomie, erstere umfaßt die Kenntnis und richtige Benutzung der Instrumente, die verschiedenen
Beobachtungsmethoden, ihre zweckmäßige Auswahl und Anwendung; letztere lehrt die praktische Verwertung der von der Theorie
gegebenen Formeln auf Grund genauer, ziffernmäßiger Rechnungen und Vergleichung der Ergebnisse der Rechnung mit den Ergebnissen
der Beobachtung. Gerade dieses stetige und innige Ineinandergreifen von Theorie und Praxis hat das Lehrgebäude
der Astronomie zu einem so festgefügten gemacht. Der Pflege der Beobachtungskunst dienen die Sternwarten
[* 95] (s. d.); den nicht minder
wichtigen astron. Rechnungen, soweit sie nicht schon auf den Sternwarten mit ausgeführt werden, widmen sich die astron. Recheninstitute.
Die
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mehr
nautische Astronomie, die geographische Astronomie, die Chronologie sind besondere Anwendungen der Lehren
[* 97] der Astronomie zu praktischen Zwecken.
Die älteste Geschichte der Astronomie ist in Dunkel gehüllt. Ihre ersten Spuren finden sich in China, wo schon um 3000 v. Chr. Fuhi
«die Sterne untersucht» haben soll. Die chinesische Astronomie ist indessen auch in ihrer
weitern Entwicklung bis zur neuesten Zeit wesentlich nur als Astrologie zu betrachten. Ein hohes Alter hat die Himmelskunde unzweifelhaft
auch in Indien. Schon frühzeitig hatte man hier genaue Sonnen-, Planeten- und Mondtafeln und verstand die Finsternisse zu berechnen,
freilich nach einer überaus weitläufigen Methode.
Die astron. Kenntnisse der Babylonier und der alten Ägypter kommen im wesentlichen auf möglichst genaue
Bestimmung der Cyklen hinaus, auf eine Kalenderwissenschaft. Erst bei den Griechen scheint die Astronomie einen wissenschaftlichern
Charakter angenommen zu haben, doch gehen ihre frühesten Anfänge nicht über das 7. Jahrh.
v. Chr. zurück. Sie führten die ersten wirklichen astron. Messungen aus; so bestimmten Aristyll
und Timocharis Fixsternörter, Aristarch ermittelte die Entfernung von Sonne und Mond, Eratosthenes gab eine für jene Zeit
sehr genaue Schiefe
[* 98] der Ekliptik und bestimmte nach richtigen Principien die Größe der Erde.
Das Verdienst, zuerst die wahren Grundlagen der Astronomie gelegt zu haben, gebührt Hipparch, wohl dem größten
Astronomen des Altertums (im 2. Jahrh. v. Chr.). Er berechnete Sonnentafeln, bestimmte die Ungleichheiten des Mondlaufs und gab
nach eigenen Beobachtungen mit dem von ihm erfundenen Astrolabium (s. d.) die Länge und Breite von mehr als 1000 Fixsternen
an. Fast drei Jahrhunderte nach ihm trat Ptolemäus (s. d.) auf, der ein sinnreiches System, allerdings
auf falscher Grundlage, erbaute, dessen größtes Verdienst aber darin besteht, daß er uns in seinem «Almagest» fast alles
überliefert hat, was von Beobachtungen der Alten erhalten ist.
Die Römer können nur als Schüler der Griechen einige Bedeutung beanspruchen. Selbst die wichtige Kalenderverbesserung Julius
Cäsars ist ein Werk des dazu berufenen Alexandriners Sosigenes. In der Zeit des allgemeinen Verfalls der
Wissenschaften fanden diese und namentlich die Astronomie eine Zufluchtsstätte bei den Arabern; viele Werke der Alten sind uns nur
in arab. Übersetzungen erhalten geblieben. Das 9. und 10. Jahrh. zeigt die arabische in ihrer
Blüte. Neben vielen andern verdient namentlich Albategnius (s. Al-Batani) hier Erwähnung, der die Präcession
und die Excentricität der Erdbahn bestimmte und die Länge des Jahres bis auf zwei Minuten genau ermittelte. Von Arabien aus
drang die in den folgenden Jahrhunderten auch zu den Persern, Mongolen und usbekischen Tataren; so ist namentlich der Tatarenfürst
Ulugh-Begh zu erwähnen, der selbst Fixsternörter bestimmte.
Mit dem Erwachen der Wissenschaften im Abendlande fand auch hier die Astronomie ihre Förderer. Indessen weisen die ersten Jahrhunderte
nur vereinzelte, untereinander in keinem innern Zusammenhang stehende Leistungen auf, die ihrem Zeitalter kein bestimmtes
Gepräge aufzudrücken vermochten, selbst noch im 13. Jahrh. steht Alfons X. (s. d.) von Castilien, der
mit Hilfe von über 50 Gelehrten neue astron. Tafeln, die Alfonsinischen, berechnen ließ, noch völlig vereinzelt da; das 14. Jahrh.
weist nicht einmal die geringste astron.
Leistung auf. Erst mit dem 15. Jahrh. beginnt
das Aufblühen der Astronomie im Abendlande, und zwar übernimmt zunächst
Deutschland die Führung auf diesem Gebiete. Nikolaus von Cusa erneuerte, wenn auch noch in recht dunkler Form, die Pythagoreische
Lehre von der Bewegung der Erde («De docta ignorantia»),
Sein epochemachendes Werk «De revolutionibus orbium coelestium», das bedeutendste, was seit einer Reihe von Jahrhunderten
auf dem Gebiete der Astronomie geschaffen worden war, erschien erst in seinem Todesjahre 1543,
wenngleich Kopernikus mit der Ausarbeitung seines Systems schon mehr als 30 Jahre vorher begonnen hatte. Trotz mannigfacher
Anfeindungen verschaffte sich die Kopernikanische Lehre bald allgemeine Anerkennung unter den Astronomen, wenn auch die Kirche
späterhin, namentlich zu Anfang des 17. Jahrh., sich feindlich zu ihr
stellte.
Als Zeitgenossen von Kopernikus und eifrige Verfechter seiner Lehre sind besonders zu nennen: Schönberg, Rhäticus und Rheinhold.
Auch der praktischen Astronomie erstand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. in Tycho Brahe ein gründlicher Verbesserer, der die
Genauigkeit der Beobachtungen in einer bis dahin ganz ungeahnten Weise steigerte und in seiner Uranienburg
auf der InselHyen eine Mustersternwarte erstehen ließ, zu welcher die Astronomen aus ganz Europa hinpilgerten. Seine bedeutendsten
Werke sind «Astronomiae instauratae mechanica» (1598) und «Astronomiae
instauratae progymnasmata» (Kopenh. 1589; Prag
[* 101] 1603). Als vorzüglichster Schüler und GehilfeBrahes in seiner praktischen Thätigkeit
ist Longomontanus anzuführen. Die praktische Astronomie fand auch in Wilhelm IV. von Hessen
[* 102] einen
eifrigen Förderer, der die Sternwarte in Cassel erbaute, an der unter ihm Byrgius und Rothmann eifrig arbeiteten. - In das 16. Jahrh.
fällt auch die Verbesserung des Kalenders (s. d.) durch Papst Gregor XIII. (1582). (Clavius, Romani Calendarii
a Gregorio XIII restitui explicatio, 1603.) 1583 ließ Scaliger sein Werk «Opus novum de emendatione temporum» erscheinen,
durch welches er der Begründer der Chronologie wurde; Calvisius mit seinem «Opus chronologicum» (Lpz. 1605; Frankf. astronomie 0. 1620 u. ö.)
stellte sich ihm ebenbürtig zur Seite. Einen, wenn auch nur sehr rohen Versuch, die Größe des Erdumfangs
zu bestimmen, die ersteGradmessung
[* 103] in Europa, machte in Frankreich bereits 1525 Fernel.
Die Lehre von der wahren Bewegung der Himmelskörper im Weltraume, welche im 16. Jahrh. durch Kopernikusdie erste sichere Grundlage
erhalten hatte, fand bereits im 1. Jahrzehnt des 17. Jahrh. in Kepler (s. d.) einen eifrigen Verbesserer.
Auf Grund der von Brahe während eines Zeitraumes von 20 Jahren mit großer Sorgfalt ausgeführten
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