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Pfarreien größere Verbände (unious) zu bilden. (S. auch Armengesetzgebung.)
Pfarreien größere Verbände (unious) zu bilden. (S. auch Armengesetzgebung.)
Der Begriff der Armut umfaßt nur diejenigen Personen, deren wirtschaftlicher Besitz zu ihrem Lebensunterhalte nicht ausreicht. Es gehören dahin einerseits die Erwerbsunfähigen, andererseits die Erwerbsfähigen, die aus zeitlichen oder persönlichen Gründen nicht erwerben können oder wollen. Völlig verschieden davon ist das «Proletariat» (s. Proletarier). Nach den Ursachen, welche bei den einzelnen Personen die Armut hervorrufen, spricht man von unverschuldeter und verschuldeter Armut.
Unmündige, die kein Vermögen besitzen und ihren Ernährer verloren haben, Personen, die ohne ihr Zuthun durch Krankheit oder Unglücksfälle ihr Eigentum eingebüßt haben und arbeitsunfähig geworden sind, Arbeiter, denen ungünstige Verhältnisse im Lande die Erwerbsquellen verschließen, sind unverschuldet arm. Nicht überall ist die Armut gleich verbreitet. Wenig Arme giebt es z. B. bei wilden Volksstämmen in warmen Klimaten, in Ländern, die sich vorzugsweise mit Ackerbau und Viehzucht [* 2] beschäftigen, und wo die meisten Einwohner Grundbesitzer sind.
Viele Arme dagegen finden sich überall da, wo die Bevölkerung stark angewachsen ist, die Industrie fast alle Hände in Anspruch nimmt, der Wettbewerb eine große Rolle spielt, der Grundbesitz in den Händen weniger liegt u. s. w. Gerade die großen und reichen Städte beherbergen besonders auch deshalb viele Arme, weil dort am freigebigsten und oft ganz planlos Almosen gespendet werden. Stellt sich in einem Lande ein Zustand ein, in dem viele Menschen sich außer stande sehen, sich den notwendigen Lebensunterhalt zu erwerben, so nennt man diesen Zustand Massenarmut, Pauperismus (s. d.). Auf die Armut wirken die Zeitereignisse oft mächtig ein. Bedeutende Stockungen in wichtigen Erwerbszweigen, schlechte Ernten, starke Erhöhung der Preise vieler Güter, Revolutionen und Kriege können in wenigen Jahren die Armut außerordentlich steigern.
Die gesamte Thätigkeit zur Beseitigung der Armut faßt man unter der Bezeichnung Armenwesen zusammen. Zu diesem gehören alle diejenigen Maßregeln, welche das Entstehen der Armut verhindern sollen, die vorbeugenden Mittel; ferner diejenigen, welche die Armen und namentlich solche, die ihre Armut verschuldet haben, zwingen sollen, sich mit eigenen Kräften ihre Lebensbedürfnisse zu verschaffen, die Maßregeln der Armenpolizei; drittens die Unterstützung der zeitig und dauernd erwerbsunfähigen Armen, die Armenpflege, sei sie nun öffentliche oder private Armenpflege, und endlich die Beseitigung der vorhandenen Armennot durch allgemeine Einrichtungen sehr verschiedener Art, wie z. B. Arbeitsanstalten, Arbeitsvermittlungsstellen, Verpflegungsstationen, Arbeiterkolonien, Auswanderung u. s. w.
Was die Mittel zur Verhütung der Armut betrifft, so gehören zu ihnen alle diejenigen, welche den Volkswohlstand zu heben geeignet sind; alle Maßregeln, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung der einzelnen Staatsbürger fördern, Kenntnisse und Geschicklichkeiten unter den arbeitenden Klassen, aus denen zumeist die Armen hervorgehen, verbreiten, den Zutritt zu einträglichen Beschäftigungen erleichtern, die Produktion kräftigen, die bessere Verteilung der Güter ermöglichen und auf die Ausdehnung [* 3] des Verkehrs hinwirken.
Außer diesen entferntern Mitteln zur Verhütung der Armut giebt es aber auch andere näherliegende, z. B. die Sparkassen (s. d.), das Gesamtgebiet der Arbeiterversicherung (s. d.), die Hilfs- und Darlehnskassen und -bureaus (s. d.), die Anstalten, die den Ärmern den billigen Ankauf der Lebensbedürfnisse ermöglichen u. s. w. Alle diese Mittel setzen aber freilich, wenn sie wirksam sein sollen, voraus, daß die Personen, denen sie geboten werden, den festen Willen haben, sich vor der Armut zu schützen.
Mit den Personen, die diesen Willen nicht haben, beschäftigt sich die Armenpolizei. Ihr Zweck ist, diejenigen, welche durch eigene Verschuldung arm sind und die Verschuldung fortsetzen, durch Verbote und Zwangsmaßregein zur Erwerbung des eigenen Unterhalts und des ihrer nächsten Angehörigen anzuhalten. In erster Linie hat es die Armenpolizei zu thun mit Bettlern, arbeitsscheuen Landstreichern, sittlich verwahrlosten Kindern u. s. w. In der Regel ist dabei der Armenpolizei das Recht zugesprochen, die bestraften Bettler und Landstreicher nach Abbüßung ihrer Strafe auf Monate und Jahre in Besserungsanstalten und Arbeitshäuser (s. d.) zu verweisen und sie dort zu regelmäßiger Arbeit anzuhalten und an dieselbe zu gewöhnen. Außerdem darf sie dieselben in ihre Heimatsgemeinde zurückschicken und die Entfernung ans derselben untersagen. Ebenso ist ihr die Befugnis erteilt, sittlich verwahrloste Kinder in Rettungshäusern (s. d.) unterzubringen.
Vorzugsweise beschäftigt sich mit den Armen die öffentliche Armenpflege. In der Regel liegt dieselbe in der Hand [* 4] der Gemeinde, der die Armen angehören, seltener in der Hand von Vereinen und Genossenschaften, denen eine gesetzliche Verpflichtung obliegt. Fast allgemein ist die Verpflichtung des Staates und der Gemeinde zur Gewährung der Armenunterstützung anerkannt. Die öffentliche Armenpflege hat sich in der Regel nur mit den ganz oder teilweise erwerbsunfähigen Armen zu beschäftigen. Zu den erwerbsunfähigen Armen gehören in erster Linie arme Kinder, die elternlos (Waisen), oder deren Eltern für sie ausreichend zu sorgen nicht im stande sind oder diese Pflicht versäumen.
Für den Unterhalt solcher Kinder hat die öffentliche Armenpflege ganz und gar oder nur teilweise einzutreten. Das erstere ist der Fall bei den armen Waisen, mit denen sich die Waisenpflege, als Zweig der Armenpflege, beschäftigt, indem sie dieselben in eigenen Anstalten (Waisenhäusern, s. d.) unterbringt und erzieht oder geeigneten Familien als sog. Kostkinder gegen Entschädigung zur Unterhaltung und Beköstigung anvertraut. Ähnlich wird mit Findelkindern verfahren, für die in einigen Staaten (nicht in Deutschland) [* 5] eigene Anstalten, die sog. Findelhäuser (s. d.), bestehen.
Ebenfalls erwerbsunfähig sind auch Personen in hohem Alter und Geisteskranke, für die weder Angehörige, noch, beim Fehlen einer Versicherung, irgendwelche Versicherungsanstalten zu sorgen haben. Erstere werden in Armenhäuser, Versorgungsanstalten, Hospitäler, u. s. w. aufgenommen oder durch Geld unterstützt; letztere in Irrenhäusern untergebracht. Für die armen, hilflosen Kranken sind Krankenhäuser fast überall vorhanden; bringt man sie in Familien unter, so sorgt die Armenpflege für Wohnung, Unterhalt, Pflege, ärztliche Behandlung und Arznei. Zu den teilweise Erwerbsunfähigen dagegen gehören diejenigen Personen, welche durch Körperschwäche, Gebrechen, Kränklichkeit, herannahendes Alter u. s. w. ¶
nur einen Teil ihres Unterhalts zu beschaffen vermögen. Bei ihnen tritt die Armenpflege nur ergänzend ein. Ausnahmsweise werden von der Armenpflege auch arbeitsfähige Personen berücksichtigt, wenn sie aller Bemühungen ungeachtet Arbeit nicht zu finden vermögen. Der Nachweis, daß die Bemühung vergeblich gewesen sei und daß Arbeitsscheu nicht vorliege, muß indes geführt sein, und überhaupt wird diese Art Unterstützung nur dann zugelassen, wenn infolge von ungünstigen Verhältnissen im Lande die Produktion daniederliegt. Doch auch in diesem Falle wird in manchen Ländern, z. B. in England, die unmittelbare Armenunterstützung nicht gewährt, sondern der Eintritt in ein Arbeitshaus (workhouse) gefordert (s. Arbeitshäuser). Ein sehr bedeutsamer Zweig der Armenpflege ist die Armenschulpflege (s. Armenschulen).
Die Bedingungen der Armenunterstützung und die Formen der Armenpflege werden am zweckmäßigsten durch eine Armenordnung bestimmt und geregelt. Dieselbe setzt fest, wer als arm anzusehen, welche Unterstützungen den einzelnen Klassen der Armen und wie sie gewährt werden sollen, welche Behörden an der Spitze der öffentlichen Armenpflege stehen, durch welche Organe (Armenpfleger, Armenkommissionen) die Bedürftigkeit ermittelt und die Armenunterstützung verteilt werden soll, wie die nötigen Mittel zu beschaffen sind, wer verpflichtet ist, einzelnen Armen (z. B. als Anverwandter, Berufsgenosse) zu Hilfe zu kommen, u. s. w.
Vielfache Nachahmung hat das zuerst in Elberfeld [* 7] durchgeführte System erfahren, das eine strenge Individualisierung der Armenpflege mit persönlicher Beratung und Wiederaufrichtung der einzelnen verarmten Personen anstrebt und die thätige Teilnahme der wohlhabenden Einwohner zu Gunsten ihrer notleidenden Mitbürger fordert. Elberfeld ist in verschiedene Armenbezirke und mehrere hundert Quartiere so eingeteilt, daß der einzelne Armenpfleger in der Regel nicht mehr als 4 Familien seine Thätigkeit zu widmen hat.
Dieses System bietet noch den großen Vorteil, daß die öffentliche Armenpflege sich in engste Beziehung zu der Verwaltung der privaten Wohlthätigkeitsanstalten und Vereine setzen kann. Die Kosten der öffentlichen Armenunterstützung werden entweder durch besondere Armensteuern (s. d.) aufgebracht oder von den Gemeinden oder dem Staate bestritten. Letzteres ist das Richtige. Besondere Armensteuern schwächen bei den Steuerzahlern den Trieb zur Privatwohlthätigkeit und erwecken bei den Armen den Gedanken eines persönlichen Rechtsanspruchs. Die Bezeichnung Armentare ist den Engländern entlehnt, welche die Kosten der Armenpflege vorzugsweise durch Armensteuern zu beschaffen pflegen.
Es betrugen die Kosten der öffentlichen Armenpflege in:
Jahr | England im ganzen Pfd. St. | England auf 1 Einw. Pfd. St. | Schottland im ganzen Pfd. St. | Schottland auf 1 Einw. Pfd. St. | Irland im ganzen Pfd. St. | auf 1 Einw. Pfd. St. |
---|---|---|---|---|---|---|
1876/80 | 7653874 | 0,31 | 881752 | 0,24 | 1073655 | 0,20 |
1881/85 | 8316411 | 0,31 | 886567 | 0,23 | 1268167 | 0,25 |
1886/90 | 8342928 | 0,30 | 887661 | 0,23 | 1382296 | 0,29 |
1891 | 8643318 | 0,29 | 880458 | 0,22 | 1405514 | 0,30 |
1892 | 8847678 | 0,29 | 912838 | 0,22 | 1411701 | 0,30 |
1893 | 9217514 | 0,31 | 926544 | 0,23 | 1402353 | 0,32 |
Die Zahl der Unterstützten war folgende in:
England:
Januar | Erwachsene, arbeitsfähige Arme | Sonstige Arme | Arme überhaupt | Auf 100 E. |
---|---|---|---|---|
1876/80 | 106592 | 665211 | 771803 | 3,08 |
1881/85 | 104661 | 687040 | 791701 | 2,96 |
1886/90 | 107065 | 705030 | 812095 | 2,82 |
1891 | 98794 | 676111 | 774905 | 2,60 |
1892 | 99534 | 654951 | 754435 | 2,56 |
1893 | 107178 | 669280 | 776453 | 2,61 |
(Juli) 93 949 | 651606 | 745555 | 2,50 | |
1894 | 116478 | 695963 | 812441 | 2,70 |
Mai | Registrierte Arme | Deren Angehörige | Arme überhaupt | Auf 100 E. |
---|---|---|---|---|
1876/80 | 62380 | 34811 | 97191 | 2,69 |
1881/85 | 59915 | 33507 | 93422 | 2,43 |
1886/90 | 58344 | 32937 | 91281 | 2,31 |
1891 | 57673 | 30610 | 38233 | 2,29 |
1892 Januar | 56903 | 30458 | 87362 | 2,15 |
1893 | 60914 | 32793 | 93707 | 2,29 |
1394 | 62087 | 33237 | 95324 | 2,31 |
Januar | Arme in Armenhäusern | Arme in Specialanstalten | Arme in offener Pflege | Arme überhaupt Auf 100 E. | |
---|---|---|---|---|---|
1876/80 | 50112 | 660 | 36155 | 86927 | 1,65 |
1881/85 | 52315 | 745 | 57683 | 110743 | 2,20 |
1886/90 | 46928 | 692 | 63364 | 110984 | 2,31 |
1891 | 42601 | 1102 | 63426 | 107129 | 2,29 |
1892 | 42018 | 1112 | 60709 | 103839 | 2,23 |
1893 | 42755 | 1109 | 59001 | 102865 | 2,23 |
1894 | 43685 | 1176 | 59170 | 104031 | 2,26 |
Im Deutschen Reiche weist die Armenstatistik auf Grund der Erhebungen vom J. 1885 (seitdem nicht wiederholt) folgende Zahlen auf:
^[img] ¶
Die Privatarmenpflege wird sich, wenn sie wahrhaft wohlthätig wirken soll, immer den durch die staatliche und kommunale Armenpflege gegebenen Schranken anbequemen müssen, während diese ihr Augenmerk darauf zu richten hat, den engsten Zusammenhang mit der Privatwohlthätigteit und deren ausgiebigste Ergänzung zu suchen. Die amtliche Armenpflege muß sich auf das Dringendste beschränken, während doch darüber hinaus vieles wünschenswert erscheint, was nur durch freie Mildthätigkeit, wenn auch keineswegs durch blindes Almosengeben, erreichbar ist.
Ohne organisatorische Einrichtungen wird die Privatarmenpflege fast immer so gut wie wirkungslos bleiben. Dazu drängt schon der Umstand, daß für solche Einrichtungen sich Verhältnismäßig leichter Teilnahme im Volke erwecken läßt als für Almosenspenden. Bisher sind beispielsweise durch Privatwohlthätigkeit für die Jugend Krippen oder Säuglingsbewahranstalten, Kinderhorte, Sonntags-, Nachhilfe- und Erwerbsschulen, Anstalten zur Versorgung mit Schulbüchern und Bekleidung, Taubstummen- und Blindeninstitute, für erwachsene Leute Arbeits- und Arbeitsnachweisungsanstalten, Leih- und Rentenanstalten, Wasch- und Badehäuser, Rettungsinstitute und Vorschußkassen, Suppenanstalten, Einrichtungen zur billigen Beschaffung der Lebensbedürfnisse, Baugesellschaften zur Herstellung guter Wohnungen, für ältere Leute Alters- und Invalidenheime und andere Einrichtungen begründet worden.
In der Regel wirkt die Privatwohlthätigteit durch freie Vereine für bestimmte Zwecke; seltener sind allgemeine Armenpflegevereine. Außerdem beteiligen sich an ihr Vereine und Genossenschaften, und namentlich haben in neuerer Zeit auch in Deutschland die kirchlichen Gemeinden eine eigene kirchliche Armenpflege, welche materielle Unterstützung mit sittlicher und religiöser Hebung [* 9] verbindet, hervorzurufen gesucht. So dürfte in dem Zusammenarbeiten des Staates und der Gemeinde mit der Kirche und der Privatwohlthätigkeit die Zukunft der Armenpflege liegen.
Aus der umfänglichen Litteratur über Armenwesen sind hervorzuheben: de Gérando, De la bien-faisance publique (4 Bde., Par. 1839);
Aschrott, Das englische Armenwesen (Lpz. 188ss);
ders., und Wohlthätigkeit in den Vereinigten Staaten [* 10] von Nordamerika [* 11] (Jena [* 12] 1889);
Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege (2. Aufl., Freiburg [* 13] 1884);
Uhlhorn, Die christl. Liebesthätigkeit (Stuttg. 1882, 1884, 1890);
Böhmert, Das in 77 deutschen Städten u. s. w. (2 Bde., Dresd. 1880-88);
ders., Die Armenpflege (Gotha [* 14] 1690);
Roscher, System der Armenpflege und Armenpolitik (Bd. 5 des «Systems der Volkswirtschaft», 2. Aufl., Stuttg. 1894"; die Artikel Armenwesen, Armenstatistik und Armenlast im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 1 (Jena 1890), wo auch ausführliche Litteraturübersicht.
Grasnelke, Pflanzengattung aus der Familie der Plumbagineen (s. d.) mit etwa 10 Arten, die sehr variabel sind, weshalb die Artenzahl häufig viel zu hoch angegeben wird; es sind perennierende Kräuter mit lauter grundständigen, linealen, gras- oder nelkenartigen Blättern, die einen dichten Büschel bilden, und mit einfachem, blattlosem Stengel, [* 15] der auf seiner Spitze ein halbkugeliges oder kugeliges Köpfchen kleiner, meist rosenroter, seltener weißer Blüten trägt.
Einige südspan. und portug. Arten sind auch Halbsträucher oder Sträucher, welche die Blätter in dichten Büscheln an der Spitze des Stammes und der Äste tragen. Die Grasnelken sind hübsche Pflanzen und namentlich in Südeuropa und Nordafrika zu Hause. Eine Art, Armeria vulgaris Willd. (s. Tafel: Primulinen, [* 8] Fig. 6), wächst auch in Deutschland auf Sandboden häufig. Eine andere, mit niedrigern Stengeln, wahrscheinlich bloß eine Abart der vorigen, Armeria maritima Willd., am Seestrande wild wachsend, wird allgemein unter dem Namen Seenelke zum Einfassen der Gartenbeete benutzt. Die schönste Gartenform ist A, Laucheana; ausgezeichnet durch leuchtendrote Blumen, dankbares Blühen und einen niedrigen rasenartigen Wuchs. Auch die südeurop. Arten können als Zierpflanzen dienen. Sie gedeihen, die strauchigen ausgenommen, im freien Lande, verlangen Sandboden und lassen sich durch Zerteilung der Wurzelstöcke vermehren.
Ritter, Mehlspeise aus Weißbrotscheiben, die man in Ei [* 16] und Milch einweicht und in Butter bäckt.
Konrad, s. Bauernkrieg. ^[= im Gegensatz zu kleinern frühern Erhebungen verwandter Art besonders Benennung der großen ...]
von Lyon, [* 17] s. Waldenser. ^[= oder Waldesier, die Anhänger einer religiösen Bewegung mit reformatorischen Absichten, die ...]
vierkantige Grob- oder Schrubbfeilen, die gröbste, bis 60 cm lange Art der Feilen.
Gust. Moritz, Baron, später Graf, schwed., später finn.-russ. General und Staatsmann, geb. trat als Fähnrich in die Garde zu Stockholm, [* 18] zeichnete sich 1788-90 im Kriege gegen Rußland aus und schloß als Generalmajor 1790 den Frieden zu Werelä ab. Auf dem Sterbebette ernannte Gustav III. ihn zum Oberstatthalter von Stockholm und zum Mitgliede der Regentschaft während der Minderjährigkeit Gustavs IV. Doch der Bruder des Königs, Herzog Karl von Södermanland, später König Karl XIII., erkannte diese Verfügung nicht an, verabschiedete und schickte ihn als Gesandten nach Neapel. [* 19]
Hier entwarf den Plan zu einer Hofrevolution gegen den schwed. Prinz-Regenten. Die Verschwörung wurde jedoch entdeckt, Armfelt entfloh von Neapel und wurde in contumatiam zum Tode verurteilt. Nachdem Gustav IV. Adolf die Regierung übernommen, hob er 1799 das Urteil auf, rief Armfelt nach Schweden [* 20] zurück und ernannte ihn erst zum Gesandten in Wien, [* 21] dann zum General der Infanterie. Als solcher befehligte er 1807 die Truppen in Pommern [* 22] und 1808 das schwed. Heer gegen Norwegen. Nach der Absetzung Gustavs IV. Adolf wurde Armfelt 1809 nach Stockholm berufen und zum Präsidenten des Kriegskollegiums ernannt. Doch legte er schon 1810 dieses Amt nieder und begab sich 1811 nach Finland. In Rußland mit Auszeichnung empfangen, wurde er 1812 in den Grafenstand erhoben, zum Kanzler der Universität Åbo und zum Präsidenten des Komitee für finn. Angelegenheiten sowie zum Mitglied des russ. Senats ernannt. Eine kürzere Zeit war er auch Generalgouverneur von Finland. Armfelt starb zu Zarskoje-Selo. -
Vgl. E. Tegnér, Gustav Mauritz Armfelt (Bd. 1-3, Stockh. 1883-87).
Karl Gust., schwed. General, geb. in Ingermanland, trat 1685 in franz. Kriegsdienste und zeichnete sich bei verschiedenen Gelegenheiten aus. Er kehrte 1700 nach Schweden zurück und nahm seit 1713 als Oberbefehlshaber in Finland Anteil an Karls XII. Kampf gegen Rußland. Er kämpfte tapfer gegen die russ. Übermacht unter Galitzin bei Stor-Kyro im Febr. 1714, mußte sich aber mit großem Verluste nach dem nördl. Österbotten zurückziehen und endlich das Land räumen. Im Sept. 1718 schickte ihn Karl XII. mit etwa ¶
7500 Mann gegen das nördl. Norwegen. Doch nach dem Tode des Königs kam die Hälfte des Heers auf dem Rückmarsche über die öden Tydalsfjelde vor Kälte und Hunger um. Später wurde Armfelt General der Infanterie, Freiherr und Oberbefehlshaber in Finland, wo er 24. Okt. (a. St.) 1736 starb.
(Pediculata), eine kleine Familie Seefische aus der Gruppe der Stachelflosser, deren Brustflossen fast armartig gestaltet sind. Die Mittelhand bildet einen langen, stielförmigen Knochen, [* 24] an dem die Brustflosse wie eine Hand sitzt, auf welche sich stützend die Tiere umherkriechen können. Der meist schmutzigbraune, plumpe Körper ist mit warziger, schleimiger Haut [* 25] überzogen, meist breit und dick, das Maul bald klein und vorgezogen, wie bei dem amerik. Fledermausfisch (Malthe verspertilio L.), bald ungeheuer weit, groß und mit furchtbaren Fangzähnen bewaffnet. Letzteres ist besonders bei dem Froschfisch oder Seeteufel (Lophius piscatorius L., s. Tafel: Fische [* 26] V, [* 23] Fig. 11) der Fall, der im Mittelmeere, dem Atlantischen Ocean und im Kanal [* 27] häufig vorkommt und gelegentlich in die Ostsee eindringt. Auf der Stirn und zwischen den Augen trägt der Fisch einige lange Flossenstrahlen mit kleinen Fähnchen daran, die er, im Schlamme liegend, als Köder benutzt, um kleine Fische anzulocken. Das Fleisch ist beliebt, besonders in Italien. [* 28] Eine verwandte tangfarbene Gattung, Antennarius Comm., lebt zwischen den Tangen des Sargassomeers, aus denen das Männchen für den Laich ein Nest baut.
oder Armfüßler (Brachiopoda), auch Lochmuscheln, eine Klasse wenig artenreicher, früher den Mollusken, [* 29] jetzt den Würmern zugezählter Tiere, die meist in großen Massen vergesellschaftet die Tiefen der Meere bewohnen. Den Körper bedeckt eine zweiklappige, vom «Mantel» abgeschiedene Schale; die beiden Klappen sind jedoch voneinander verschieden; sie entsprechen dem Rücken und dem Bauche der Tiere. Beide sind meist gelenkig miteinander verbunden; sie werden durch Muskeln [* 30] geöffnet und geschlossen.
Die ventrale Schale ist am Gelenk stark nach oben übergewölbt und trägt an der Verwölbung gewöhnlich ein Loch zum Durchtritt des Stieles (vgl. die Abbildung, Tafel: Würmer, [* 31] Fig. 29, Rynchonella psittaca), vermittelst dessen das Tier an andern Gegenständen festsitzt. Der eigentliche Leib füllt nur den hintern Schalenraum aus; von demselben gehen nach vorn zwei mächtige, wenig vorstreckbare, in der Ruhe spiralig eingerollte und in der Schale verborgene Arme, die mitunter durch ein besonderes Kalkgerüst von der Rückenschale aus gestützt werden; zwischen diesen, mit flimmernden Fransen besetzten Armen liegt die Mundöffnung, die in einen kurzen, bei manchen Formen afterlosen Darm [* 32] hineinführt.
Ein Nervensystem, sowie flimmernde Exkretionskanäle sind vorhanden, das Vorhandensein eines gesonderten Herzens ist noch fraglich. Die Armfüßer sind meist getrennt geschlechtig; die aus den abgelegten Eiern ausschlüpfenden Jungen entwickeln sich in noch wenig bekannter Weise durch Verwandlung. Die Armfüßer sind jetzt artenarm, ihre Blütezeit liegt in längst vergangener Vorzeit. Schon in den ältesten versteinerungführenden Schichten treten zahlreiche Armfüßer (Spirifer, Productus [* 33] u. s. w.) auf, im Jura die meisten; einzelne Gattungen, die noch jetzt leben (Lingula, Terebratula u. s. w.) haben daher unter allen Tieren das höchste Alter erreicht. -
Vgl. Owen, On the anatomy of the Brachiopoda (in den «Transactions of the Zoological Society of London», [* 34] 1835);
Vogt, Anatomie der Lingula anatina (in der «Neuen Denkschrift der schweiz. Gesellschaft für Naturwissenschaft», Bd. 7, 1845);
Hancock, On the Organisation of Brachiopoda (in den «Philosophical Transactions», 1858);
Kowalewsky, Entwicklungsgeschichte der Brachiopoden [* 35] (in den «Izvěstija» der Moskauer Gesellschaft naturforschender Freunde, 1874);
Brooks, The development of Lingula ect. (in der Scientific Review of the Chesapeake Zoological Laboratory", 1878);
Blochmann, Untersuchungen über den Bau der Brachiopoden (Jena 1893).
s. Hals. ^[= (Collum), derjenige cylindrische Teil des tierischen und menschlichen Körpers, welcher den ...]
s. Viola ^[= (ital., Viole), der älteste und allgemeinste Name für die Streichinstrumente (s. d.). Die ...] (da braccio).
s. Pterodaktyle. [* 36]
eine schöne Zauberin in Tassos «Befreitem Jerusalem», [* 37] Tochter Arbilans von Damaskus, entfremdet im Lager [* 38] der Kreuzfahrer mehrere tapfere Ritter der Pflicht, entführt den schönsten und jüngsten, Rinaldo, auf eine Insel in ihren Zaubergarten, wo ihn ihre Reize fesseln, bis ihn Gottfried von Bouillons Gesandte befreien. Verzweifelt ficht sie auf Seite der aufgeboten Sarazenen, unter denen Rinaldo gewaltig aufräumt; sie flieht, er trifft sie, hält sie vom Selbstmord ab und erklärt sich zu ihrem Ritter. Der Stoff ist von Gluck (nach dem 1686 verfaßten Text Quinaults) und Rossini zu Opern benutzt; beim erstern ist Armida treu den Absichten Tassos in der Art der Kirke gezeichnet.
im engern Sinne: Ausrüstung einer Batterie, eines Werkes, eines festen Platzes mit Artilleriematerial;
im weitern Sinne: Übergang einer Festung [* 39] aus dem Friedenszustand in den Kriegszustand. In letzterm Sinne unterscheidet man:
1) Fortifikatorische Armierung: Sicherung der Thordurchfahrten und sonstigen Zu- und Ausgänge, Vervollständigung der Sturmfreiheit durch Anbringen von Hindernismitteln und Füllen der Wassergräben u. a.;
Herrichtung der Wälle für den Waffengebrauch durch Abstechen der innern Brustwehrböschung (für die Infanterie) und durch Einschneiden von Scharten (für die Geschütze), [* 40] Anbringen von Traversen, Abholzen des Glacis, Freimachen des Vorgeländes, Vervollständigung der Unterkunftsräume, Vervollständigung der Verkehrswege innerhalb der Festung und nach dem Vorgelände, Anlage von Brieftaubenstationen in umliegenden Dörfern und entferntern Orten, Einrichtungen für den Ballondienst, endlich Vervollständigung der vorhandenen Festungswerke.
Diejenigen Gegenstände, welche zur Verteidigungsinstandsetzung sogleich notwendig, bei Kriegsausbruch aber nicht schnell besorgt werden können, als: Baumaterialien, Schanz- und Werkzeuge, [* 41] elektrische Telegraphen- und Beleuchtungsapparate, [* 42] Meßinstrumente, Brieftauben, Luftballons, Kriegsbrücken u. s. w. sind bereits im Frieden vorrätig zu halten oder doch ihre Beschaffung sicher zu stellen.
2) Artilleristische Armierung: Aufstellung der Geschütze in den Werken nebst den hierzu erforderlichen Arbeiten, Fertigstellung und zweckmäßige Unterbringung des Munitionsbedarfs.
3) Ökonomische Armierung: Beschaffung aller zur Verpflegung und Bekleidung der Besatzung, zur Beleuchtung [* 43] und Heizung, [* 44] ferner zur Ernährung der Pferde [* 45] und des Schlachtviehs notwendigen Vorräte. Der Vorrat an Lebensmitteln für die Besatzung und die im Dienste [* 46] der Verteidigung beschäftigten Civilarbeiter wird auf sechs Monate berechnet.
4) Sanitätsarmierung: Alle zur Pflege der Kranken und Verwundeten nötigen Maßnahmen, ¶
als: zweckmäßige Ausstattung der in der Festung vorhandenen und der durch Einrichtung geeigneter Gebäude neu anzulegenden Lazarette, Verbandplätze und Apotheken, Versorgung derselben mit Instrumenten, Arzneimitteln, Gerätschaften, Tragen, Decken. - Zur Armierung einer Festung im weitesten Sinne gehört auch ihre Ausstattung mit den entsprechenden Truppen, der Besatzung (s. d.).
und Armiger (lat.), Waffenträger, Knappe. ^[= # Albert, Dichter geistlicher Lieder, geb. 25. Juli 1798 zu Alpirsbach, studierte in Tübingen ...]
Armilla oder Ringkugel, eine Zusammensetzung von Ringen, welche die wichtigsten Kreise [* 48] der Himmelskugel darstellen. Sie hat den Zweck, die gegenseitige Lage der Himmelsachse, des Äquators, der Ekliptik und anderer Kreise zu versinnlichen. Daher kann sie in mancher Hinsicht die künstliche Himmelskugel ersetzen, obschon letztere auch noch die Gestirne darstellt und insofern eine viel allgemeinere Benutzung zuläßt. Die ältern Astronomen, zuerst Eratosthenes, später auch Hipparch und Ptolemäus, zuletzt noch Tycho de Brahe, bedienten sich der Ringkugel auch zu wirklichen Beobachtungen und zwar zum Messen von Deklinationen und Stundenwinkeln.
Eine solche Armillärsphäre für Beobachtungszwecke bestand aus zwei rechtwinklig aufeinander stehenden und fest verbundenen Kreisen, deren einer in den Meridian, der andere in die Äquatorebene eingestellt wurde. Ein dirtter ^[richtig: dritter] Kreis [* 49] war als Deklinationskreis in dem Meridiankreis [* 50] drehbar gelagert und zwar so, daß die Drehaxe parallel der Weltaxe ging. In diesem drehbaren Kreis war nun ein mit zwei diametral entgegengesetzten Visieren versehener vierter Kreis konzentrisch verschiebbar. Wurde nun auf einen Stern visiert, so war die Deklination auf dem Deklinationskreis und der Stundenwinkel auf dem Äquatorialkreis abzulesen. Die nebenstehende [* 47] Figur stellt das Instrument als Unterrichtsapparat in vollständiger Form dar.
[* 47] ^[Abb.]
(neuhebr. «Volksverderber»),
bei den spätern Juden Name des Antichrists (s. d.), den sie als einen entsetzlichen Riesen schilderten, rothaarig, mit kahlem Schädel, 12 Ellen hoch und 12 Ellen breit.
Der erste Messias, der Sohn Josephs, werde ihn bekriegen, aber von ihm überwunden und getötet werden.
Der zweite Messias, der Sohn Davids, werde den Armilus schlagen und töten, worauf das Reich der Christen und der Ungläubigen untergehen und das Messiasreich der Juden beginnen müsse.
der Cheruskerfürst, s. Arminius. ^[= # (der Name wird vielfach, aber mit Unrecht, für die röm. Form von "Hermann" gehalten ...]
s. Burschenschaft. ^[= früher gleichbedeutend mit Studentenschaft gebraucht, seit 1815 Name einer bestimmten Richtung ...]
oder Remonstranten, die Anhänger einer von der reform. Kirche der Niederlande [* 51] getrennten Religionspartei, deren Zahl (1890) auf 6000 in 21 Gemeinden geschätzt wird, davon etwa 5000 in Holland. Gegenüber der calvinischen Lehre [* 52] der Prädestination (s. d.) machte J. Arminius (s. d.), der Stifter des Arminianismus, die menschliche Freiheit und die Unterordnung der Symbolischen Bücher unter die Bibel [* 53] geltend. Die von seinem Anhänger J. Utenboggaert 1610 aufgestellte Remonstrantia (daher der Name Remonstranten) enthielt die fünf Artikel: Gott hat von Ewigkeit beschlossen, alle Gläubigen selig zu machen;
Christus ist für alle gestorben, aber sein erlösender Tod kommt nur den Gläubigen zu gute;
der Glaube ist eine Wirkung des Heiligen Geistes im Menschen;
ohne Gottes Gnade vermag der Mensch nichts Gutes, mit ihr alles;
aber der Mensch kann auch der Gnade widerstehen.
Diese Grundsätze wurden 1619 von der Dordrechter Synode (s. d.) verdammt, auf welcher die Gomaristen, die Anhänger des Gomarus (s. d.), auch Kontraremonstranten genannt, sich als Richter auswarfen. 200 arminianische Prediger wurden abgesetzt und ihnen und ihren Gesinnungsgenossen sogar der Hausgottesdienstt untersagt. Seit 1630 erhielten sie Duldung und konnten sich Kirchen bauen und ein Predigerseminar anlegen; aber viele waren bereits ausgewandert. Hochangesehene Gelehrte, wie H. Grotius, S. Episcopius, J. Clericus und J. J. Wetstein gehörten ihnen an. Die Arminianer haben viel für freie Bibelforschung und für Beförderung der Wissenschaft geleistet.
Durch Zulassung der Antitrinitarier (s. d.) gerieten sie auch noch in andern Punkten mit der Kirchenlehre in Widerspruch und bekannten schließlich, daß die Vernunft und die Offenbarung im Einklang stehen und die Schrift nach der gesunden Vernunft erklärt werden müsse. Von den verschiedenen Fraktionen, in welche sie zerfielen, ist die bedeutendste die rein independentische Partei der Kollegianten (s. d.). In Amerika [* 54] befinden sich als besondere Sekten Arminianer-Universalisten, Arminianer-Baptisten und deutsch-arminianische Baptisten. -
Vgl. Regenboog, Geschichte der Remonstranten (aus dem ¶
Hol-908 ländischen, 2 Tle., Lemgo 1781–84);
Schneckenburger, Vorlesungen über die Lehrbegriffe der kleinern prot.
Kirchenparteien (Frankf. a.M. 1863); Dresbach, Die prot. Sekten der Gegenwart (Barm. 1888).
(der Name wird vielfach, aber mit Unrecht, für die röm. Form von «Hermann» gehalten), der Befreier des westl. Deutschlands [* 56] von der Herrschaft der Römer, [* 57] ward im J. 17 oder 16 v.Chr. als der Sohn eines cherusk. Häuptlings Segimer geboren. Er trat frühzeitig mit seinem Bruder Flavus in röm. Kriegsdienst, erwarb sich als Führer cherusk. Hilfstruppen das röm. Bürgerrecht und die Ritterwürde, gewann Kenntnis der lat. Sprache [* 58] und einen tiefern Einblick in die röm. Kriegs- und Staatskunst.
Als er nach Deutschland heimkehrte, während Flavus unter den Römern zurückblieb, fand er den kurz vorher nach Germanien [* 59] gesandten röm. Statthalter Quintilius Varus seit dem Sommer 7 n.Chr. damit beschäftigt, die niederdeutschen Länder zwischen Rhein und Weser in eine röm. Provinz zu verwandeln. Arminius faßte den Plan, sein Vaterland von der Fremdherrschaft zu befreien. Das war aber unmöglich in offener Erhebung gegen eine ausgesuchte und erprobte Armee, die sich überdies durch ein System von Straßen und Befestigungen auf die wohlgesicherte Rheinlinie stützte.
Deshalb griff Arminius zur List; Varus wurde, als er im Sommer des J. 9 n.Chr. mit etwa 25000 Mann an der Weser in der Gegend von Minden [* 60] stand, durch und dessen Freunde in falsche Sicherheit gewiegt; vergeblich warnte ihn Segest, der Führer der röm. Partei unter den Cheruskern. Um zunächst die auf Betrieb Arminius' aufrührerischen Bewohner eines abgelegenen Landstrichs zu züchtigen, zog das röm. Heer auf dem Marsche von der Weser zu Anfang des September in westl. Richtung und kam in den unwegsamen Teutoburger Wald, wo es plötzlich von allen Seiten her durch die Scharen der Deutschen, deren Führer sich bis zum letzten Augenblick im röm. Hauptquartier als angebliche Bundesgenossen aufhielten, angegriffen und nach dreitägigem Kampfe vernichtet wurde.
Die Besatzung von Aliso (s. d.) mit einer Anzahl Flüchtlingen vom Heere des Varus schlug sich durch. Die Feste selbst wurde erobert. Die Kunde dieses Schlags erregte in Rom [* 61] die höchste Bestürzung; die Folge war die vorläufige Aufgabe des Plans, die Elbe zur Grenze des Römischen Reichs zu machen. Die Römer begnügten sich zunächst mit Sicherung der Rheingrenze. Im J. 14 begannen sie aber unter Führung des Germanicus (s. d.) den Angriff von neuem. Im J. 15 verwüstete dieser das Land der Katten.
Auf dem Rückmarsch nach dem Rhein trafen bei ihm Gesandte von Segest ein, der die Römer gegen Arminius zu Hilfe rief. Nach dem Siege im Teutoburger Walde nämlich hatte Arminius die schon an einen andern verlobte Tochter Segests, Thusnelda, entführt, war darauf von Segest gefangen, aber wieder befreit worden. Darauf hatte Segest Thusnelda in seine Gewalt gebracht und auf seine Burg geführt, wurde nun aber von Arminius belagert. In raschem Zuge kehrte daher Germanicus um und entsetzte Segest. So kam mit letzterm und einer großen Anzahl seiner Verwandten und Freunde auch Thusnelda zu den Römern und gebar kurz darauf in röm. Gefangenschaft einen Sohn, den man Thumelicus nannte.
Segest wurde zwar hoch geehrt, mußte aber zwei Jahre später in Rom zusehen, wie sein Sohn Segimund und Thusnelda mit ihrem Kinde den Triumphzug verherrlichten. Die Wegführung der Thusnelda entflammte Arminius aufs höchste, und aufs neue rief er die Cherusker und die Nachbarvölker unter die Waffen. [* 62] Germanicus brach dagegen mit seiner ganzen Macht, etwa 80000 Mann, gegen Arminius auf, der sich in Wald- und Sumpfland zurückzog, bis er die Gelegenheit ersah, den nachrückenden Römern an einem nicht mehr näher bestimmbaren Punkte so wirksam entgegenzutreten, daß nach der Niederlage der Reiterei und der Hilfskohorten die Legionen nur mit Mühe das Schlachtfeld behaupteten und der Rückzug angetreten werden mußte.
Auf diesem wurde die Abteilung des Cäcina von den Deutschen unter Arminius hart bedrängt und entging der vollständigen Vernichtung nur dadurch, daß das Ungestüm Inguiomers, des Oheims den wohlberechneten Plan des letztern vereitelte. Noch großartigere Vorbereitungen traf Germanicus für den Feldzug des J. 16 n.Chr. Mit 1000 Schiffen lief er im Juni in die Ems [* 63] ein, marschierte die Ems hinauf bis an die Haasemündung, von hier durch das Werrathal an die Weser, wo bereits Arminius mit dem deutschen Heere die Feinde erwartete. In dieser Gegend, unweit von Bückeburg, [* 64] auf dem Felde Idistavisus (s. d.), ward nun die größte Schlacht der Römer in Deutschland geschlagen.
Diese ging den Deutschen verloren, weil ihr Ungestüm, ihr Mangel an taktischer Übung und Kriegszucht die Befehle Arminius' durchbrach; aber trotz schwerer Verluste lieferten sie, wahrscheinlich bei Bergkirchen an dem sog. Steinhuder Meer, den Römern eine zweite blutige Schlacht, in der diese zwar siegten, aber doch nur den ungestörten Rückzug erkauften. Schwerere Verluste noch erlitt der auf der Flotte heimkehrende Hauptteil des röm. Heers durch heftige Stürme und Unwetter.
Germanicus hoffte zwar im nächsten Jahre den Krieg zu beendigen, aber der Kaiser Tiberius rief ihn nach Rom zurück, wo er ihn im J. 17 einen glänzenden Triumphzug feiern ließ und mit Ehren überhäufte. Kein röm. Heer wagte seitdem wieder, vom Rheine nach dem innern Deutschland vorzudringen. Kaum war indes der Feind vertrieben, als die Kämpfe unter den Deutschen selbst wieder um so heftiger ausbrachen. Der Markomanne Marbod, der Gründer eines mächtigen, von Böhmen [* 65] bis zur Ostsee ausgedehnten Reichs, hatte seiner Zeit den von Arminius ihm zugesandten Kopf des Varus den Römern ausgehändigt und später dem Kampfe gegen Germanicus teilnahmlos zugesehen.
Jetzt, als den deutschen Völkern als Hort der Freiheit erschien, fielen Semnonen, Gothonen und Langobarden vom Markomannenreiche ab und wandten sich zu Arminius, während dagegen dessen Oheim Inguiomer mit seinem Anhange zu Marbod überging. Daraus entspann sich ein Krieg, und wahrscheinlich im J. 17 trafen die Heere und Marbods aufeinander. Die Schlacht selbst blieb zwar unentschieden, indem beide rechte Flügel geschlagen wurden, aber Marbod zog sich zurück und mußte 19 n.Chr. bei den Römern Hilfe suchen, die ihm Ravenna zum Wohnort anwiesen.
Auch Arminius überlebte Marbods Fall nicht lange. Wie es scheint, wollte er auch im Frieden die Obermacht bewahren und erlag in einem darüber ausgebrochenen Kampfe schon im J. 21 der Hinterlist seiner Verwandten in einem Alter von 37 Jahren. Weib und Kind hatte Arminius nie wiedergesehen, es fehlt überhaupt jede Nachricht über ihr weiteres Schicksal. Nur so viel weiß man, daß schon im J. 47 vom cherusk. Fürstenstamme nur noch der einzige Italicus, ein Sohn von Arminius' Bruder Flavus, ¶