die in der
Aufmerksamkeit und dem Willensimpuls sich äußernde innere Thätigkeit, die der Einheitlichkeit unsers Selbstbewußtseins
ebenso zu
Grunde liegt, wie aller
Bewegung des Gemütslebens und der höhern Geistesarbeit. «Besonders wichtig
ist der
Begriff Apperception für die Herbartianer
(Steinthal, Lazarus); hier bedeutet er die Gesamtheit aller seelischen Vorgänge,
die gemeinsam eine Erkenntnis herstellen.
Neue Erkenntnisse werden danach in jedem Falle unter Mitwirkung
ganz bestimmter schon vorhandener
Vorstellungen geschaffen, und
Aufgabe der
Psychologie ist es, festzustellen, welche vorhandenen
Vorstellungen in jedem Fall wirksam werden und wie die Wirkung erfolgt.
Beispiel: Wird eine Mineraliensammlung von einem Fachmann
und einem Laien gleich lange besichtigt, so kann der Laie nachher nur wenige
Stücke, der Fachmann dagegen
die meisten beschreiben. Da sind also die meisten Sinneswahrnehmungen von der Seele des Laien spurlos abgeglitten, in die
des Fachmannes dagegen ihrem ganzen
Inhalt nach aufgenommen (appercipiert) worden. Da sich nun in
Beziehung auf die Sammlung
der Fachmann vom Laien lediglich durch die bessere Ausbildung der mineralog.
Vorstellungen unterscheidet,
so ist anzunehmen, daß in diesem Falle gerade diese
Vorstellungen die Sinneswahrnehmungen aufzunehmen, die Apperception zu vollziehen
haben. Da nun ähnliche Verhältnisse bei allen seelischen Vorgängen nachweisbar sind, so ist der Hauptbegriff der
Psychologie.
Als die physiol. Begleiterscheinung der Apperception werden Erregungen
in den Stirnregionen des Großhirns angenommen, die durch Leitungsbahnen mit den sensorischen und den motorischen Centren
in
Verbindung stehen. -
Vgl. Kodis, Zur
Analyse des Apperceptionsbegriffes (Berl. 1893).
(spr. appähr),BenjaminNicolas Marie, philanthropischer Schriftsteller, geb. zu
Paris,
[* 2] wirkte erfolgreich
für die Einführung der Methode des gegenseitigen Unterrichts, zuerst 1816 im Norddepartement, nachher
in den Hospitälern und Regimentsschulen, sodaß er 1818 nach
Paris berufen wurde, um hier für die Offiziere und
Unteroffiziere
einen Normalkursus zu eröffnen. 1820 errichtete er eine Schule in dem Militärgefängnisse von Montaigu, die er bis 1822 unentgeltlich
leitete. Appert unternahm 1825 eine
Reise durch ganz
Frankreich, um sich über die Gefängnisse, Schulen und
öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten zu unterrichten, und gründete das «Journal
des prisons», das er 1825-30 herausgab. Seit 1840 war er fast fortwährend auf
Reisen im
Auslande. Seine
Beobachtungen legte
er nieder in den
Schriften «Voyage en Belgique» (2 Bde.,
Brüss. 1849),
in denen er sich als scharfen Gegner des Isolierungssystems
bekundete;
«Die Geheimnisse des
Verbrechens, des Verbrecher- und Gefängnislebens» (2 Bde.,
ebd. 1851),
«Guter
Rat an meine armen Freunde, die Gefangenen» (Berl. 1850) und «Ratschläge
für Direktoren, Geistliche und
Ärzte von Gefängnissen » (Hamb. 1851).
Außerdem sind von
A.sSchriften noch zu nennen:
«Traité d'éducation élémentaire pour les prisonniers» (1822),
«Bagues, prisons et criminels» (4 Bde.,
Par. 1836),
«Dix ans
à la cour
du roi Louis-Philippe» (3 Bde., Berl.
1846; deutsch von Plötz, ebd. 1846) und «Voyage dans les Principautés Danubiennes»
(Mainz
[* 10] 1854).
Methode zur Konservierung von Fleisch und animalischen wie vegetabilischen Nahrungsmitteln
überhaupt besteht wesentlich in Folgendem: Die
Speisen, völlig zum Genusse zubereitet, werden in Weißblechbüchsen gefüllt.
Nachdem die
Gefäße bis auf eine kleine Öffnung verschlossen sind, werden sie in kochendem Salzwasser je nach ihrer
Größe
½-4
Stunden lang etwas über 100° C. erhitzt, worauf man sie luftdicht verschließt und zur Aufbewahrung
hinstellt.
Dieses
Verfahren wurde von François
Appert bereits 1804 ausgeübt und 1809 der Gesellschaft zur Ermunterung der Künste in
Paris mitgeteilt, die dasselbe durch eine
Kommission prüfen ließ. Hierbei wurde nachgewiesen, daß gekochtes Fleisch mit
Brühe, starke Fleischbrühe,
Milch, Molken, grüne Erbsen,
Bohnen, Kirschen,
Aprikosen nach achtmonatiger
Aufbewahrung sich vollkommen gut erhalten hatten. Die franz. Regierung erteilte demzufolge
dem Erfinder einen Preis von 12000
Frs. unter der
Bedingung, daß er seine Methode ausführlich veröffentliche; dies geschah 1810 in
einer
Schrift: «Le
[* 11] livre de tous les ménages, ou l'art de conserver pendant plusieurs
années toutes les substances animales et végétales» (5. Aufl., Par.
1834: deutsch
Prag
[* 12] 1844). In Einzelheiten ist das
Verfahren durch Fastier, Gunter, Willaumez,
Jones u. a. abgeändert und verbessert
worden.
Bei
Jones' Methode werden die
Büchsen, während sie in dem kochenden
Bade stehen, luftleer gemacht. Der angebliche
Vorteil dieser
Methode liegt darin, daß kein so starkes
Kochen des Fleisches erforderlich ist, wodurch das Fleisch schmackhafter
bleibt; mit der Verkürzung der Kochdauer wird aber auch zugleich die Haltbarkeit der Konserven gefährdet, so daß der Wert
des Jonesschen
Verfahrens zweifelhaft erscheint. Spätere Erfahrungen bestätigten aufs glänzendste den Wert der Appertschen
Erfindung, die für lange Seereisen und ähnliche Gelegenheiten ebenso wichtig ist als für den gewöhnlichen
Haushalt, wo der
Verbrauch der Fleischkonserven bereits außerordentlich zugenommen hat.
Die Wirkung des Appertschen
Verfahrens beruht hauptsächlich auf der vollständigen Vernichtung aller
Keime von Gärungs- und
Fäulniserregern. Da die Fäulnisbakterien zum
Teil erst nach längerm
Kochen getötet werden, und da es bei
großen
Massen von zu konservierendem Material lange Zeit dauert, bis alles gleichmäßig erhitzt wird, so ist eine dauernde
Erhitzung dringend geboten. Auf demselben Princip wie beruht das Pasteurisieren (s. d.)
von
Wein und das Scherf-Soxhletsche
Verfahren zur Konservierung der
Milch in Flaschen.
(lat., d. h.
Begierde) nennt man einerseits den mäßigen
Grad des
Hungers, die Eßlust;
andererseits und richtiger das Gefühl, das uns den Genuß eines bestimmten
Stoffs wünschenswert macht. Der Appetit gehört zu
den sog.
Gemeingefühlen (s. d.). Als bloße Eßlust ist der Appetit ganz allgemein
auf alles Eßbare überhaupt gerichtet, während er in dem andern
Sinne mehr als ein Gelüst auftritt,
welches sich auf Dinge richtet, die den Geschmacksnerven angenehm sind, daher er sich oft gerade dann am eigentümlichsten
entwickelt, wenn der
Hunger und die eigentliche Eßlust gestillt sind. Häufig bekommt man nach zu reichlicher
Mahlzeit, nach
sehr fetten,
¶
mehr
758 süßen, weichlichen Speisen Appetit nach scharfschmeckenden Stoffen, welche auch wirklich nützlich sein können, insofern
sie durch Reizung der Magenschleimhaut die Absonderung des Magensaftes und damit die Verdauung befördern, jedoch nur dann, wenn
der Magen
[* 14] im übrigen gesund ist. Liegt aber dem Unbehagen nach dem Essen
[* 15] eine Magenkrankheit oder ein sonstiges
Leiden
[* 16] zu Grunde, so können dabei Reizmittel nur schaden. Dies gilt überhaupt von den Appetit oder Gelüsten (s. d.)
der Kranken (wie auch der Schwangern), denen nur selten ein wirkliches physiol. Bedürfnis
zu Grunde liegt.
Appetitlosigkeit (Anorexie) stellt sich bei fast allen Krankheiten ein, meist dadurch, daß sie die Verdauungsorgane
in Mitleidenschaft ziehen, oft aber lediglich unter Vermittelung des Nervensystems. Schon Gemütsbewegungen, Gram, Schreck,
Furcht, Ärger verscheuchen den Appetit. Die wirklich vorhandene Magenkrankheit steht oft in gar keinem Verhältnisse zur Störung
des Appetit. Sehr schwere Magenleiden bestehen bei gutem Appetit, ganz leichte Affektionen vernichten ihn bisweilen gänzlich.
Nach zu vielem oder zu schwerem Essen den schon verdorbenen Magen durch reizende Substanzen noch mehr anzugreifen,
ist verkehrt; vielmehr ist hier nur die strengste Diät am Platze. Leidet man dagegen an dauernder Appetitlosigkeit, so richtet
es sich nach dem, durch den Arzt zu bestimmenden Grund der Störung, ob man zu gelinden Reizmitteln greifen
darf oder nicht. Magenstärkende Mittel giebt es nicht, nur Mittel, welche wegen ihrer chem. Ähnlichkeit
[* 17] mit dem verdauenden
Magensafte die Verdauung unterstützen, und Mittel, welche die Thätigkeit des Magens anregen. (S. Dyspepsie.)
Andrea, genannt der «Maler der Grazien», geb. in Mailand,
[* 18] studierte zu
Parma,
[* 19] Bologna und Florenz
[* 20] die Werke großer Meister, insbesondere aber wirkten Batoni und R. Mengs auf ihn ein. Er besuchte
Rom
[* 21] dreimal, um in das beinahe verlorene Geheimnis Raffaelscher Freskomalerei einzudringen, und bald übertraf er in diesem
Kunstzweige alle lebenden Maler in Italien.
[* 22] Seine Kunst bewies er vorzüglich in der Kuppel der Kirche Sta.
Maria presso San Celso in Mailand und in den Wand- und Deckengemälden, welche er für den Statthalter Erzherzog Ferdinand in
dessen Landhause 1795 ausführte.
Napoleon ernannte ihn zu seinem Hofmaler. Appiani malte in der Folge beinahe die ganze kaiserl.
Familie sowie mehrere franz. Generale, Minister u.s.w. Er starb in Mailand. Er gehört zu den Vertretern des akademisch-klassticistischen
Stils. Seine besten Werke sind die Deckengemälde im königl. Landhause zu Monza (Geschichte Amors und Psyches) und sein Apollo
mit den Musen
[* 23] in der Villa Bonaparte. Im königl. Palaste zu Mailand malte er 1808–12 Allegorien auf Napoleons
Leben.
aus Alexandria, lebte im 2. Jahrh. n.Chr. unter Trajan, Hadrian und AntoninusPius, war anfangs Sachwalter zu
Rom, und bekleidete später eine der höchsten kaiserl. Beamtenstellen in Ägypten.
[* 24] Er schrieb in griech. Sprache eine röm.
Geschichte von der ältesten bis auf seine Zeit in 24 Büchern, von denen kaum die Hälfte erhalten ist.
Appianus erzählt die Begebenheiten nicht annalistisch, sondern stellt die Geschichte der einzelnen Teile des RömischenReichs dar,
wie sie allmählich zu Rom gekommen sind,
daher die Sondertitel der einzelnen Bücher, z.B. Iberike, Libyke u.s.w. Die
Darstellung ist nüchtern und kunstlos. Appianus folgt seinen jeweiligen Quellen ohne Selbständigkeit, entstellt sie auch öfters
durch Flüchtigkeit. Die erste kritische Ausgabe von Schweighäuser (3 Bde., Lpz.
1785) ist wieder abgedruckt mit den von Appianus Mai gefundenen Bruchstücken in Didots «Bibliothecascriptorum graecorum», Bd. 5 (Par.
1840); bessere Ausgabe von Bekker (2 Bde., Lpz. 1852–53)
und Mendelssohn (2 Bde., ebd. 1879–81); Übersetzungen von Dillenius (3 Bde., Stuttg.
1828–37) und Zeiß (2 Bde., Lpz. 1837–38).
–
(Appingedam), Stadt in der niederländ. Provinz Groningen, an der Linie Delfzijl-Groningen der Niederländ.
Staatsbahnen,
[* 25] an beiden Seiten des Damsterdiep, hat 4341 E., Post, Telegraph,
[* 26] Handwerk und Kleinhandel.
Das nach Appingadam genannte Damsterdiep ist ein von Groningen bis Delfzijl sich ausdehnender Kanal,
[* 27] der 1598 gegraben ward, wobei
teilweise der Lauf des ehemaligen Flüßchens Fivel verfolgt wurde.
Straße (lat. Via Appia), im Altertume die Königin der Straßen genannt, führte von Rom
über Bovillä, Forum
[* 28] Appii, Tarracina (Terracina), Formiä, Minturnä nach Capua und ward von dem Censor Appius Claudius Cäcus 312 v.Chr.
aus militär. Gründen angelegt. Später, vermutlich schon im 3. Jahrh. v.Chr., erhielt sie über Beneventum
eine Fortsetzung bis Brundisium. Auf einem vortrefflichen Unterbau war sie mit sehr harten, ohne jeden
verbindenden Stoff genau ineinandergefügten Polygonsteinen gepflastert; noch gegenwärtig kann man an den vielen wohlerhaltenen
Strecken, besonders bei Tarracina, ihre vorzügliche Bauart erkennen.
Breit genug für zwei sich begegnende Wagen, hatte sie zu beiden Seiten eine erhöhte Einfassung nach Art unserer Fußsteige
und wurde, zumal bei Rom, von zwei fast ununterbrochenen Gräberreihen begleitet, wodurch sie zugleich
die vornehmste monumentale Kunststraße war. Unter den Gräbern ist das bedeutendste und besterhaltene das der Cäcilia Metella,
ein mit Travertinplatten bekleideter großer Rundbau. Näher nach der Stadt zu grenzen die Katakomben des heil. Callistus an
die Straße. 1850–53 wurde sie von Rom an bis zum elften Meilensteine unter der Leitung des ArchitektenCanina ausgegraben und dabei nicht wenige der Grabhäuser und Mausoleen von dem Schutte befreit; freilich ist von ihnen
meistens nur der Kern des Mauerwerks erhalten. –
Vgl. Canina, La prima parte della via Appia dalla porta Capena aBoville
(2 Bde., Rom 1853).
Claudĭus, der Decemvir, aus dem Geschlechte der Claudier (s. d.), wurde 452 v.Chr. zum Konsul designiert, 451 unter
die Decemvirn (s. d.) gewählt und führte wider das Recht nebst seinen Genossen das Amt auch in dem dritten Jahre (449) fort.
Damals machten die Volsker und Sabiner einen Raubzug in das röm. Gebiet. Während die andern Decemvirn
diesen entgegenzogen, blieben und Oppius mit zwei Legionen in Rom. hatte die heftigste Leidenschaft zu Virginia, der
Tochter des Lucius Virginius und Verlobten des frühern VolkstribunIcilius, gefaßt und benutzte die Abwesenheit ihres Vaters
beim Heere, Virginia in seine Gewalt zu bringen. Einer seiner Klienten, MarcusClaudius, mußte angeben,
Virginia sei die Tochter einer seiner Sklavinnen und von der
¶
mehr
kinderlosen Ehefrau des Virginius untergeschoben, und als Richter entschied, daß die angebliche Sklavin einstweilen ihrem
Herrn folgen solle. Jedoch enthüllten Numitorius, ihr Oheim, und Icilius die Absichten des Da ein Aufruhr aufzubrechen drohte,
gab der Decemvir nach und ließ Virginia in den Händen ihrer Familie, erklärte aber, daß er am folgenden
Tage sein Urteil sprechen werde. Virginius, von Numitorius und Icilius herbeigerufen, erschien auf dem Forum nebst seiner Tochter
in Trauerkleidern.
Trotz der Versicherungen des Vaters befahl dem Claudius, die Jungfrau als seine Sklavin wegzuführen. Da bat Virginius den
Decemvir um die Erlaubnis, nochmals die Wärterin in Virginias eigener Gegenwart befragen zu dürfen.
Als einwilligte, ergriff der unglückliche Vater plötzlich das Messer
[* 30] eines in der Nähe befindlichen Fleischers und stieß
es der Tochter in die Brust. Die Auflehnung des Volks und des Heers nötigte die Decemvirn nun ihre Macht niederzulegen, worauf
der Senat (449) die Wiederherstellung der alten Verfassung beschloß. starb 448 im Gefängnisse.
(spr. äpplbi), Hauptstadt der engl. Grafschaft Westmoreland, 46 km im SO. von Carlisle, rechts am Eden, hat
(1891) als Gemeindebezirk 1776 E., eine Lateinschule und eine noch gut erhaltene Burg, die schon 1088 erwähnt
wird und 1686 wiederhergestellt wurde.
Maschinen waren die ersten Buchdruckschnellpressen, bei welchen der Druck von cylindrisch gekrümmter
Schriftform auf senkrecht angebrachtem Cylinder stattfand.
Applegath und Hoë waren die ersten, die solche Maschinen erbauten,
welche als Vorläufer der heutigen Rotationsmaschinen zu betrachten sind. (S. Schnellpresse.)
[* 31]
(spr. äpplt'n), Hauptstadt des County Outagamie im nordamerik.
Staate Wisconsin, nordwestlich von Milwaukee,
am Fox, mit guter Wasserkraft, welche Mühlen,
[* 32] Papier- und andere Fabriken treibt, ist Sitz der methodistischen Lawrence-Universität
und hat (1800) 11 869 E.
& Co., D. (spr. äpplt'n), berühmte Verlagsbuchhandlung in Neuyork,
[* 33] mit Buchdruckerei und Buchbinderei
in Brooklyn, im Besitz von William Henry Appleton, geb. und vier seiner Enkel gleichen Namens. Sie wurde von Daniel
Appleton, geb. in Haverbill (Mass.), gest. in Neuyork, gegründet, der ein Schnittwarengeschäft,
zuletzt in Neuyork, betrieb und daneben 1825 engl. Bücher einzuführen begann, letztern Zweig des Geschäfts leitete besonders
sein ältester Sohn, späterer Teilhaber und seit 1848 Nachfolger, der obengenannte W. H. Appleton, der das Schnittgeschäft
aufgab und sich mit seinem Bruder John Adams Appleton (geb. in Boston,
[* 34] gest. in Staten Island)
ganz dem Buchhandel widmete. 1853 wurden die Buchdruckerei und Buchbinderei errichtet, die 1868 nach Brooklyn verlegt wurden
und fast ein ganzes Straßenviertel einnehmen. 1881 wurden Sortiment und Import aufgegeben.
Der Verlag umfaßt alle Zweige der Litteratur, darunter die hervorragendsten Klassiker der Neuen und Alten Welt.
Ein Hauptunternehmen bildet die «American Cyclopædia» (16 Bde., 1857-63; 2. Aufl.,
mit Illustrationen, 1873-76),
hg. von G. Ripley und Cb. Appleton Dana, nebst einem Jahressupplement, das seit 1881 u. d. T.
«Annual Cyclopædia» herauskommt. Dazu kommen große illustrierte Werke,
wie «Picturesque America», allerhand Schulbücher, eine besondere Abteilung mediz. Schriften, span. Bücher
für Süd- und Mittelamerika.
eine Verzierung von Geweben, bei der die aus anderm Stoffe ausgeschnittenen Ornamente
[* 35] mittels Kettenstichs
(s. d.) oder eines andern Zierstichs aufgenäht und zuweilen noch ausgemalt werden.
Oft treten noch in Plattstich (s. Stickerei) gestickte Ranken u. s. w. hinzu.
Tafelfarben, Körperfarben, nennt man im Zeugdrucke solche Farben, die nicht
auf der Faser erzeugt werden, sondern, ohne Beize, im fertigen, meist unlöslichen Zustande durch Vermittelung eines Klebmittels
aufgedruckt werden.
läßt man Wasserdampf auf die gedruckten Gewebe
[* 36] wirken, so gerinnt das Albumin und befestigt
damit die Farben, die für sich nicht auf der Faser haften würden.
bisweilen Bezeichnung einer höhern Militärschule für ein besonderes Fach, z. B.
Applikationsschule für Artillerie undGenie zu Fontainebleau, Applikationskavallerieschule zu Saumur, Applikationsschule für Artillerie undGenie zu Turin.
[* 37]
(ital., spr. appodschahto),d. i. angelehnt, in der Musik, namentlich beim Gesange, der tragende, bindende
Vortrag, der die Töne ohne fühlbare Lücke verbindet. (S. auch Portament.)
(frz., appŏäng; ital. appunto) heißt im
Wechselverkehr eigentlich derjenige Wechsel, welcher eine gewisse Schuld vollkommen ausgleicht oder eine gewisse Summevoll macht.
Wenn z. B. A 1542 M. von B zu fordern hat und diese Forderung von B durch Einsendung zweier
Wechsel bezahlt wird, von denen der eine auf 1290 M., der andere aber auf 342 M. lautet, so ist der letztere
im wahren Sinne des Wortes ein Appoint. Dem entsprechend sagt man, daß man par appoint oder per appunto remittiere (Wechsel sende)
oder trassiere (Wechsel ausstelle), wenn man genau den Saldo oder Rest durch eine Forderung (oder Rechnung)
übermacht oder durch Wechselausstellung erhebt. In der neuern Zeit nennt man gemeinhin jeden Wechsel ein Appoint, auch
wenn er kein Ausgleichungs- oder Abschlußwechsel ist. Man sagt z. B., daß man ein Appoint auf
Paris erhalten habe. In der letztern Bedeutung entspricht der Ausdruck den Worten: Brief, Papier, Devise (von ausländischen
Wechseln gebraucht). Allmählich hat sich der Gebrauch in diesem Sinne auch auf andere Gelddokumente, namentlich Papiergeld
und
¶
Verkehrsobligationen, übertragen. Man sagt z. B., daß das deutsche Reichspapiergeld (die
Reichskassenscheine, in Appoint (Abschnitten) zu 5,20 und 50 M. bestehe, die Noten irgend einer Bank in Appoint zu 100 M., die Staatspapiere
einer gewissen Kategorie in Appoint (Abschnitten, Obligationen) zu 1000 und 5000 M.
(spr. ópponji), ungar. Grafengeschlecht, schon 1315 urkundlich
nachweisbar, führte ursprünglich den Namen Peech. MagisterThomas von Peech, genannt der «Rote», vertauschte 1392 Schloß
und Herrschaft Esekléz gegen die Herrschaft Nagy-Appony im Neutraer Komitat, von dem alsdann die Familie ihren Namen entlehnte,
doch wird sie 1411 auch noch «Peech» genannt. Sie wurde 1718 mit Lazar
von in den Freiherrn-, in der ältern Linie 1739, in der jüngern 1808 in den Grafenstand erhoben. –
Der Enkel Lazars, GrafAntonGeorgApponyi, geb. gest. begründete
die Apponyische Bibliothek mit einem Aufwande von beinahe 1 Mill. Fl. Sie zählt an 50000 Bände, darunter eine kostbare Sammlung
der Aldinen; sie ist seit 1827 in Preßburg.
[* 45]
Der älteste Sohn AntonGeorgs war GrafGeorg von Nagy-Apponyi, geb. gest. als k. k.
Kämmerer und Besitzer der Majoratsherrschaft Apáty und der Herrschaften Körtweles u. s. w. –
Sein zweiter Sohn, GrafGeorgApponyi, geb. war zuerst Konzipist, dann Hofsekretär an der ungar.
Kanzlei zu Wien, wurde 1844 zum zweiten, 1847 zum obersten ungar. Hofkanzler ernannt und war Führer
der konservativen Partei auf dem Reichstage 1843–44. Vor allem suchte er in den Komitaten eine geordnete Verwaltung herzustellen,
scheiterte aber mit seinen Absichten.
Nach den Märztagen, die auch die Auflösung der Hofkanzlei herbeiführten, lebte in Zurückgezogenheit,
wurde aber 1859 als lebenslängliches Mitglied in den verstärkten Reichsrat zu Wien berufen, trat hier als Verteidiger der
Selbständigkeit Ungarnsauf und wurde einer der einflußreichsten Führer der sog. nationalen Partei. Als mit der
Neugestaltung Österreichs durch das Diplom vom die königl. Kurie als höchster Gerichtshof
in Ungarn
[* 46] wiederhergestellt wurde, kam Apponyi als JudexCuriae nach Pest, wo er den Judex-Kurialkonferenzen zur Reorganisierung der
ungar. Rechtspflege präsidierte, legte aber bald nach Auflösung des Landtags 1862 das Amt des JudexCuriae nieder. 1865 trat
er als Abgeordneter ins Unterhaus und bildete die vermittelnde Partei der «gemäßigten
Konservativen», die auch nach dem Feldzuge 1866 die Ausgleichsverhandlungen mit Wien abermals in Gang
[* 47] brachten. Apponyi schloß
sich dann der Deák-Partei an; seit 1869 lebt er zurückgezogen in Preßburg. – Sein Sohn, AlbertGeorgApponyi, geb.
gehört als Abgeordneter dem ungar. Reichstage an und zählt zu dessen bedeutendsten Mitgliedern. Während
er anfangs als Führer der «gemäßigten Opposition», die 1891 den Namen «Nationalpartei» annahm, konservative Tendenzen vertreten
hatte, trat er später in enge Verbindung mit der extremen Unabhängigkeitspartei, näherte sich aber nach Tiszas Rücktritt
(1890) wieder
der Regierung; 1894 war er der Führer der klerikal-konservativen Opposition gegen die
Civilehe.
(frz., spr. appóhr), bei der Gründung von Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien diejenigen
Einlagen, welche nicht in barem Gelde, sondern in Anlagen oder sonstigen Vermögensgegenständen, wie Fabriken, bestehenden
Geschäften u. s. w., bestehen und ganz oder teilweise gegen Gewährung von Aktien geleistet werden.
in der Grammatik die Hinzufügung eines Substantivs oder eines substantivisch aufzufassenden
Adjektivs zu einem Substantiv, um dies näher zu bestimmen: z. B. «MeinBruder, der Arzt»;
Kant nennt so die successive
Aufnahme einer Reihe gegebener sinnlicher Inhalte in die vorstellende Thätigkeit, welche die erste Vorbedingung dafür bildet,
daß wir sie zur Einheit des Bewußtseins und damit zu Begriff bringen, sie begreifen, appercipieren. (S. Synthesis.) – Juristisch
heißt Apprehension Besitzergreifung (s. Besitzeinweisung).
(frz.), zubereiten, zurichten, Appretur (s. d.) ^[= Zurichtung, Ausrüstung (frz. apprét; engl. finishing), in der Technologie alle die Arbeiten, ...] geben.
Zurichtung, Ausrüstung (frz. apprét; engl. finishing), in der Technologie alle die Arbeiten, durch die gewisse
Fabrikate, wie Leder, Pelzwerk,
[* 51] Papier, insbesondere aber die Gewebe, sowohl in der äußern Erscheinung (Farbe, Glanz, Griff)
als auch im innern Gefüge (Dichte) derart umgeändert werden, daß sie bestimmte Gebrauchseigenschaften,
einen höhern Gebrauchswert oder die für den Handelsverkehr geeignetste Form erlangen. Auch die durch die Zurichtung erteilte
neue Beschaffenheit heißt Appretur. Während die Appretur bei Leder, Papier und andern Fabrikaten sich unmittelbar
an die Herstellung dieser Fabrikate anschließt und daher auch an dem Herstellungsort derselben ausgeführt wird,
wird die der Gewebe, ihrer großen Mannigfaltigkeit wegen, meist von der Fabrikation getrennt und besondern Zurichtungs- oder
Appreturanstalten überwiesen. Im engsten Sinne umfaßt die der Rohgewebe deren Behandlung mit Kleb- und Füllstoffen, um ihnen
Glätte, Glanz und Steifheit sowie den Anschein größerer Dichte zu geben. Im weitern Sinne werden zu derselben
aber auch noch zahlreiche andere Arbeiten gerechnet, über welche im nachfolgenden eine allgemeine Übersicht gegeben ist.
¶
mehr
Von besonderm Einfluß ist für die Wahl des Appreturverfahrens die Art der Gewebfaser, insofern Pflanzenfasern meist eine
andere Behandlung erfordern als die tierischen. Im besondern betreffen die Zurichtungsarbeiten der Gewebe:
appretur. Die Entfernung fester, an dem Gewebe haftender Fremdkörper durch mechan. Auszupfen derselben (Noppen), durch Zerstörung
mit chemisch wirkenden Mitteln (Karbonisieren) oder durch Behandlung in alkalischen Laugen (Waschen, Schweifen,
Walken, Prätschen, Pantschen, Spülen).
b. Die teilweise oder vollständige Abscheidung von Flüssigkeiten aus dem Gewebe entweder auf mechan.
Wege durch Pressen, Wringen, Centrifugieren, Ausschleudern, oder durch einen erwärmten Luftstrom (Trocknen).
c. Die Umänderung der physik. Beschaffenheit der Gewebe,
1) des Gefüges und der Dichte durch Verfilzen der die Gewebefäden bildenden Elementarfasern (Walken der
Streichwollgewebe, s. Tuchfabrikation und Walken), oder durch gegenseitige Verschiebung der Gewebefäden (Kreppen [s. d.] oder
Krausen der Seiden- und Wollengewebe);
2) der Dichte, Steifheit und des Gewichts durch Anwalken von Scherhaaren, Tränken oder Imprägnieren mit Stärke,
[* 53] Gummi, Harz,
Leim u. s. w., sowie Füllung der Gewebeporen mit Mineralpulvern, wie
Schwerspat, Gips,
[* 54] Alaun,
[* 55] Specksteinu. dgl.;
d. Die Abänderung der Oberflächenbeschaffenheit der Gewebe
1) durch Emporheben der Einzelfasern zum Zweck der Bildung einer dichten, sammetartigen Haardecke (Rauhen,
Bürsten, Klopfen);
2) durch Abgleichen oder Entfernen von aus der Gewebefläche hervortretenden Fasern (Scheren
[* 56] und Sengen);
3) durch teilweise Verfilzung der sammetartigen Haardecke von Wollgeweben zum Zweck der Bildung von regel- oder unregelmäßig
angeordneten Knötchen, erhabenen Wellenzügen u. s. w., wie sie dem Ratiné, Perlé, Flocconné und andern
dicken Winterstoffen eigen sind (Ratinieren oder Frisieren);
4) durch Glatt- und Glanzpressen der Gewebe mittels Mangens, Pressens, Kalandrierens, Moirierens oder Aufprägens von Reliefmustern
mittels des Gaufrierens; endlich 5) durch Entfärbung oder Färben der Gewebe mittels der Bleich-, Färb- und Druckverfahren.
e. Die Überführung der Gewebe in die für den Handelsverkehr geeignete Form durch Ausmessen und Zusammenlegen
der Warenstücke.
Gegenwärtig werden die meisten der Zurichtungsarbeiten mit Hilfe mechan. Einrichtungen, der
Appreturmaschinen, ausgeführt. Auf den beigegebenen Tafeln: Appreturmaschinen I und II sind einige viel benutzte Vertreter dieser
Maschinen.
Die zum Waschen der Gewebe (s. Wäsche) dienenden Waschmaschinen werden nach ihrer Konstruktionsform unterschieden
in Trommelwaschmaschinen oder Waschräder, Breitwaschmaschinen, Strangwaschmaschinen und Hammerwaschmaschinen. Taf. I,
[* 52]
Fig. 1 zeigt
eine Trommelwaschmaschine von O. Schimmel
[* 57] + Comp. in Chemnitz.
[* 58] Die cylindrische, innen verzinnte kupferne Waschtrommel a, die
das Gewebe und die Waschflüssigkeit aufnimmt, ist derart gelagert, daß ihre Drehungsachse b c mit der geometr.
Achse einen spitzen Winkel
[* 59] einschließt.
Das
Gewebe wird durch die von dem Deckel d bedeckte Öffnung eingetragen und infolge der Lagerung der Trommelachse bei der
Drehung derTrommel beständig in deren Längenrichtung hin und her geschleudert. Um das Verschlingen der Gewebestücke zu
verhüten, wird die Drehungsrichtung der Trommel durch Vermittelung der Vorgelegeräder h i und wechselweisen
Antrieb der Festscheibe e durch einen offenen und einen gekreuzten Riemen periodisch gewechselt. Das Einrücken des betreffenden
Riemens geht von einem als Zählwerk
[* 60] für die Trommeldrehungen dienenden Schraubenradgetriebe k aus, das Umschlaggewicht l
hält den betreffenden Riemen auf der Scheibe. Bei b befindet sich die Einlaßöffnung für Dampf,
[* 61] Wasser
und Seifenlösung, bei c ist der Ausfluß
[* 62] der gebrauchten Waschflüssigkeit angebracht. Nach etwa 30 Minuten ist der Waschprozeß
beendet. Um die Trommel zu entleeren, dreht man sie mittels der Kurbel
[* 63] m, bis die Öffnung d nach unten kommt. Die Breitwaschmaschinen
(Taf. I,
[* 52]
Fig. 2) sind besonders für das Waschen feiner,
minder fester Stoffe (Kattun, Tüll, leichte Wollenstoffe u. a.) bestimmt.
Das Gewebe wird in denselben, voll ausgebreitet, mittels horizontal und in verschiedenen Höhen gelagerter Leitwalzen a b durch
mehrere aneinander stoßende Waschtröge c¦ c¦¦ c¦¦¦ im Zickzacklauf geführt. Oberhalb der Trennungswand zwischen
zwei Trögen ist je ein Preßwalzenpaar d¦ d¦¦ angeordnet, welches das Gewebe beim Übergang von einem
Trog in den benachbarten von der Waschflüssigkeit befreit. Das aus dem letzten Preßwalzenpaar d¦¦¦ austretende Gewebe
wird durch das Legpendel f zu einem Stoß gehäuft. Um die Leistung der Maschine
[* 64] zu erhöhen, tritt die Waschflüssigkeit in
den letzten Trog c¦¦¦ ein und fließt allmählich den folgenden zu, also dem Gewebe entgegen. – Für
schwerere Stoffe, z. B. Flanell, wollene Damenkleiderstoffe, Tuche, bedient man sich der Strangwaschmaschinen, Walzenwaschmaschinen
oder Walzenwalken. In diesen durchläuft das der Länge nach zusammengefaltete, zuweilen durch Zusammennähen der Enden zu
einem geschlossenen Ring umgebildete Stoffstück abwechselnd einen die Waschflüssigkeit enthaltenden
Trog und oberhalb desselben ein oder mehrere, abwechselnd liegend und stehend gelagerte Preßwalzenpaare, wie dies z. B.
bei der in Taf. I,
[* 52]
Fig. 3 gezeichneten Universalwalkmaschine von L. Ph.
Hemmer in Aachen
[* 65] der Fall ist. – Für noch intensivere Bearbeitung sind die Hammerwaschmaschinen, Hammerwalken oder Kurbelwalken
(Taf. I,
[* 52]
Fig. 5) bestimmt.
Hier gleiten zwei (oder mehr) pendelartig aufgehängte Hämmer a, wenn sie durch die Kurbelgetriebe
[* 66] b c in Schwingung
[* 67] versetzt
werden, in einem cylindrisch ausgehöhlten Troge d, der sowohl die durch Dampf erwärmbare Waschflüssigkeit als das zu einem
Paket zusammengelegte Gewebe enthält. Früher erfolgte die Bewegung der Hämmer ausschließlich durch
Hebedaumen, so daß dieselben, lediglich durch ihr Eigengewicht herabfallend, stoßend auf das Gewebepaket wirkten (Stoßwalken,
Pantsch- oder Prätschmaschinen).
Zum Entwässern der Garne und Gewebe ist das Ausschleudern oder Centrifugieren das vorzüglichste Verfahren, da es sowohl die
Stoffe am meisten schont, als auch die Abscheidung der Flüssigkeit am raschesten und vollkommensten
bewirkt. Versuchen mit verschiedenen Garnen zufolge enthielten diese
¶
mehr
im Mittel nach dem Auswringen noch 54 Proz., nach dem Auspressen 27 Proz.,
nach dem Ausschleudern 29 Proz. der ursprünglich in ihnen vorhandenen Flüssigkeit. Ähnlich
ist es bei dem Entnässen der Gewebe. Während auf der Wring- oder Auswindemaschine das zu einem ringförmigen Strang zusammengefaltete
und über zwei in Umdrehung versetzte Haken gehängte Zeug seilartig zusammengedreht, auf der Auspreßmaschine
das strangartig zusammengedrehte Gewebe zwischen zwei belasteten Preßwalzen durchgeführt wird, ist das Gewebe bei der Centrifugal-
oder Schleudermaschine (Taf. I,
[* 68]
Fig. 4) auf einer rasch rotierenden Walze aufgewickelt oder liegt im Innern einer cylindrischen,
siebartig durchbrochenen Trommel, die um ihre senkrecht stehende Achse b c in rasche Umdrehung versetzt
wird.
Das auszuschleudernde nasse Garn oder Gewebe wird zunächst der Wandung in der Trommel a eingeschichtet und bei dem Umlauf durch
die in ihm erweckte Centrifugalkraft gegen die Trommelwand gepreßt, während gleichzeitig die Flüssigkeit selbst durch
die Öffnungen der Trommelwand flieht und in den die Trommel umhüllenden Mantel m geschleudert wird,
von dem sie durch den Ausguß n abfließt. Bei dem raschen Umlauf der Trommel, der sich bei 800–1000 mm Trommeldurchmesser
mit 1000–1500 Touren in der Minute, also mit etwa 50–60 m Umfangsgeschwindigkeit in der Sekunde vollzieht, wird das die
Trommel bildende Material so bedeutend beansprucht, daß der Betrieb der Centrifuge bei unachtsamer
Bedienung, insbesondere bei ungleichem Eintragen der Trommelfüllung, ohne Anwendung eines besondern selbstthätig wirkenden
Regulators, nicht ungefährlich wird.
Das vollständige Trocknen der Gewebe erfolgt teils im Freien, teils in Trockenkammern. Zur Heizung
[* 69] dieser dient entweder ein
außerhalb stehender Kalorifer (s. Heizung), von dem die auf etwa 60° vorgewärmte Luft dem Trockenraume
zugeführt wird, oder es dienen hierzu von heißem Dampf durchströmte, glattwandige oder gerippte Heizrohre am Boden der Trockenkammer.
Fortdauernde Lufterneuerung beschleunigt das Trockenwerden. Die Gewebestücke werden entweder an Trockenstäben, die auf
Bahnen unterhalb der Decke
[* 70] des Trockenraums ruhen, frei aufgehängt oder zum Zweck der Erhaltung ihrer ursprünglichen
Gestalt und Größe in Trockenrahmen gespannt.
Man kann auch das Gewebe mit Hilfe mechan. Einrichtungen stetig durch die Trockenkammer leiten, wodurch nicht nur die Bedienung
erleichtert, sondern auch der Trockenprozeß abgekürzt wird. Derartige Einrichtungen pflegt man Lufttrockenmaschinen oder
allgemein Trockenmaschinen zu nennen. Zur Leitung des Gewebes dienen im Innern der Trockenkammer horizontal
oder vertikal gelagerte Holzwalzen, um die das Gewebe in einem entsprechend langen Zickzacklauf geführt ist.
Eine besondere Konstruktionsform dieser Trockenmaschinen ist die in Taf. I,
[* 68]
Fig. 6 abgebildete Spann- und Trockenmaschine,
bei der die Luft, durch den Ventilator a angesaugt, auf ihrem Wege nach der Trockenkammerb in einem mit
Dampf geheizten Röhrenkessel c erwärmt wird, um dann das glatt ausgespannte, den Boden und die Decke der Trockenkammer bildende
Gewebe zu durchdringen, während dasselbe stetig durch zwei Nadelketten d (Spannketten) fortbewegt und auf die vorgeschriebene
Breite
[* 71] gestreckt erhalten wird; die punktierte Linie bei a bezeichnet die Stelle des Durchschnittes für
den darüber abgebildeten Querschnitt.
Es können auf einer solchen Maschine von 6 m Länge täglich etwa 6000 m leichte Damenkleiderstoffe,
auf einer solchen von 12 m Länge etwa 1000 m schwere Tuche getrocknet werden. – In den Cylinder- oder Dampftrockenmaschinen
bedient man sich als Wärmequelle durch Dampf geheizter Kupferblechcylinder, die reihenweise über- oder
nebeneinander angeordnet und meist durch besondere Betriebsmechanismen in Drehung versetzt werden, während das zu trocknende
Gewebe sie umspannt und durch Reibung
[* 72] mitgenommen wird. Es werden Trockenmaschinen mit 15 und mehr Trommeln von 500 bis 600 mm
Durchmesser und etwa 2 m Länge gebaut.
Die Temperatur der Trockenfläche beträgt etwa 110–120° C. Taf. Il,
[* 68]
Fig. 1 zeigt
eine derartige Maschine mit drei Trommeln und doppelseitigem Anstrich (d. h. beide Seiten des Gewebes kommen mit der heißen
Cylinderfläche in Berührung). Das durch die Reibungsbremse a an zu schnellem Abwickeln gehinderte Gewebe
wird durch den Breithalter b glatt ausgebreitet, umschließt der Reihe nach die drei Trockencylinder t1 t2 t3 und wird sodann
auf den rotierenden Baum c aufgewunden.
Für die Appretur wollener, halbwollener und seidener Damenkleiderstoffe umgiebt man eine große geheizte Trockentrommel
mit einem endlosen Mitläufertuch aus Filz, welches das Gewebe gegen den Trommelumfang drückt und vor
dem Zusammenziehen schützt, wie dies die in Taf. II,
[* 68]
Fig. 2 dargestellte
Appretur- und Trockenmaschine von Pierron + Dehaitre in Paris zeigt, die das Ausbreiten, Dekatieren (s. d.), Trocknen, Pressen
und Legen des Gewebes selbstthätig besorgt.
Zum Rauhen wollener oder baumwollener Gewebe (Tuch, Barchent u. s. w.) benutzt man die Karden, die Fruchtköpfe
der Kardendistel (DipsacusfullonumL.). Dieselben werden in geeignete Rahmen derart eingespannt, daß ihre hakenförmigen,
scharfen Spitzen nach außen stehen und bei dem Streichen über das ausgespannte, meist angefeuchtete Gewebe die Fasern desselben
zu einem dichtstehenden Flor emporheben. Maschinen zum Rauhen dürften zuerst Ende des 17. Jahrh. in Frankreich
und England benutzt worden sein.
Die einfachste Konstruktionsform der Rauhmaschine stellt Taf. II,
[* 68]
Fig. 3 dar.
Den Hauptteil bildet die mit etwa 3,5 m Umfangsgeschwindigkeit pro Sekunde umlaufende Rauhtrommel a, auf deren Oberfläche
die Rauhkarden b reihenweise mittels Stäben befestigt sind. Das Gewebe läuft langsam von dem gebremsten
Baum c über die als Breithalter wirkenden Leitwalzen nach dem rotierenden Baum d. Werden die Leitwalzen mit Hilfe der Schrauben
[* 73] der Rauhtrommel genähert, so gelangt das Gewebe in den Bereich der Karden.
Bei größern Rauhmaschinen werden zwei parallel nebeneinander liegende Rauhtrommeln benutzt. Man unterscheidet hiernach
einfache und doppelte Rauhmaschinen, sowie solche mit ein-, zwei- bis sechsfachem Anstrich. Die erste doppelte
Rauhmaschine mit vierfachem (Wförmigen) Anstrich wurde 1854 von E. Geßner in Aue angegeben und hat sich vorzüglich bewährt.
Da die Rauharbeit bei einmaligem Durchzug des Gewebes durch die Maschine nicht beendet ist, so muß das Gewebe entweder, wie
in
[* 68]
Fig. 3, abwechselnd von dem Baum c auf den Baum d und umgekehrt gewunden werden, während die Rauhtrommel ihren Drehungssinn
nicht ändert, oder man vereinigt die Gewebeenden durch eine Ketten- oder Reihnaht und läßt den hierdurch gebildeten
¶