der Antragende bis zu dem Zeitpunkt gebunden, in welchem er bei ordnungsmäßiger, rechtzeitiger Absendung der Antwort den
Eingang der letztern erwarten darf. Trifft die rechtzeitig abgesandte
Annahme erst nach diesem Zeitpunkt ein, so besteht der
Vertrag nicht, wenn der Antragende in der Zwischenzeit oder ohne Verzug nach dem Eintreffen der
Annahme
von seinem Rücktritt Nachricht gegeben hat. Ähnliche Bestimmungen enthalten das
Preuß. Allg. Landr. 1,5, §§. 90 fg.,
Österr.
Bürgerl. Gesetzb. §. 862 und der Deutsche
[* 2]
Entwurf §. 122. Nach allen Landesrechten versteht es sich von selbst, daß der
Antragende nicht gebunden ist, wenn er dies bei dem Antrag erklärt, z. B.
mit dem Worte (freibleibend", so daß er sich die Erklärung auf die Antwort des andern
Teils vorbehält. Die
Annahme einer
Offerte kann unter Umständen darin gefunden werden, daß sie nicht abgelehnt wird. Nach Handelsgesetzbuch Art. 323 ist der
Kaufmann, welcher mit einem Auftraggeber in Geschäftsverbindung steht, oder welcher sich gegen diesen
zur Ausführung solcher
Aufträge erboten hat, zu einer Antwort ohne Zögern verpflichtet, widrigenfalls sein Schweigen als
Übernahme des
Auftrags gilt. Eine bedingte
Annahme gilt als
Ablehnung des Antrag verbunden mit einem neuen Antrag. Die im
Handel gebräuchliche
Versendung von Preiscouranten und geschäftlichen
Annoncen enthalten keine verbindliche Offerte, sondern
eine Einladung zur
Abgabe solcher an das Publikum oder den
Adressaten. (S.
Acceptation.)
Im Civilprozeß bedeutet Antrag das an den
Richter gestellte Begehren einer Partei. Das Begehren kann sich auf das
Verfahren (prozessualer
Antrag) oder auf die Sache selbst (sachlicher Antrag, petitum) beziehen. Letzterer bestimmt und grenzt ab,
worüber der
Richter entscheiden soll. Sie unterliegen im
Anwaltsprozeß (s. d.) besondern
Kautelen, indem
sie rechtzeitig durch
vorbereitende Schriftsätze anzukündigen, in der mündlichen Verhandlung aus den Schriftsätzen zu
verlesen oder in Protokollanlagen zu fixieren und im
Urteil hervorzuheben sind. In keinem Falle ist der
Richter befugt, über
dieselben hinaus einer Partei etwas zuzusprechen. Die wichtigsten Sachanträge bilden diejenigen in Klage
und Widerklage, wie in den Rechtsmittelinstanzen.
Im parlamentarischen Leben nennt man Antrag eine bestimmt formulierte Anregung zur Fassung eines parlamentarischen
Beschlusses. Man unterscheidet materielle oder sachliche und formelle oder sog.
geschäftsleitende Antrag. Die letztern bezwecken lediglich eine Einwirkung auf den
Gang
[* 3] der Verhandlungen (z. B. Vertagungsanträge,
Antrag wegen Festsetzung der
Tagesordnung u. s. w.); bei den erstern ist es darauf abgesehen, daß die Versammlung
(die Kammer, der
Reichstag) materiell in einer bestimmten Angelegenheit sich entscheide.
Wird ein materieller von der Versammlung angenommen, so wird er dadurch zu einem Willensausdruck der Versammlung selbst und,
soweit es sich um die Regelung irgend einer materiellen Frage handelt, zu einem Antrag gegenüber dem andern oder
den andern gesetzgebenden
Faktoren. Wo zwei Kammern sind, kann ein solcher Antrag nicht eher an die Regierung
gebracht werden, als bis beide Kammern sich darüber geeinigt haben. Einseitige der einen oder andern Kammer haben nur eine
moralische Wirkung, können
aber als Anregung zu neuen
Vorschlägen dienen, über die Formen und
Bedingungen der Einbringung
eines Antrag sowie über die verschiedenen
Arten der Inbetrachtnahme oder Zurückweisung u. a. m. bestimmt
die Geschäftsordnung.
Gewöhnlich unterscheidet man zwischen selbständigen oder sog. Uranträgen und solchen, die
bei Gelegenheit eines schon in
Beratung befindlichen Gegenstandes (eines Urantrags oder eines Gesetzentwurfs) zu diesen gestellt
werden. Letztere heißen auch Abänderungsvorschläge (s. d.) oder
Amendements. Im
DeutschenReichstag können nach
Abschluß
der ersten bis zum Beginn der dritten Lesung eines Gesetzentwurfs Abänderungsanträge ohne jede Unterstützung
gestellt werden, anderweitige Antrag bedürfen der Unterstützung von 15 Mitgliedern; Abänderungsanträge zu Gesetzentwürfen
bei der dritten
Beratung sowie solche zu Antrag, welche keinen Gesetzentwurf enthalten, der Unterstützung von 30 Mitgliedern;
der letztern Art werden in einmaliger
Beratung und
Abstimmung erledigt, Gesetzentwürfe und alle Antrag des
Bundesrates bedürfen dreimaliger Lesung.
Die erste Lesung eines Gesetzentwurfes (s. d.) läßt Abänderungsanträge
nicht zu.
aufKonkurseröffnung ist nach §95 der
Deutschen Konkursordnung erforderlich, damit eine solche Eröffnung
stattfinden kann.
Zum
Antrag berechtigt ist der Schuldner selbst und jeder Konkursgläubiger. (S. im übrigen
Konkurseröffnung.) Auch nach der österr.
Konkursordnung (§8. 62 fg.) erfolgt die Konkurseröffnung nicht von
Amts wegen,
sondern lediglich auf
Antrag des Schuldners oder eines
Erben oder des Verlassenschaftskurators oder endlich auf denjenigen
eines
Gläubigers.
Obgleich in
Deutschland
[* 4] die Verfolgung des strafbaren Unrechts von
Amts wegen die Regel bildet, so
hängt doch bei einer Anzahl von Delikten die Einleitung des gerichtlichen
Verfahrens von einem besondern
Antrage des Verletzten
ab; so nach dem frühern Gemeinen
Recht bei gewöhnlichen Injurien und
Verleumdungen,
Ehebruch, Entführung,
Notzucht und Familiendiebstahl.
Nach geltendem deutschen
Strafrechte und in der Hauptsache auch nach dem Österr.
Entwurf von 1889 (das
geltende österr.
Strafgesetz kennt den
Strafantrag als
Voraussetzung der Verfolgung nur vereinzelt, so bei der Ehrenbeleidigung)
gehören zu den Antragsdelikte: feindliche Handlungen gegen befreundete
Staaten, deren
Regenten und Gesandte (§§. 102-104);
Ferner aus den besondern
Strafgesetzen des
Reichs namentlich die strafbaren Verletzungen der
Urheber- und Erfinderrechte.
¶
mehr
Antragsberechtigt ist der unmittelbar Verletzte; statt desselben, wenn er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder
ein Geisteskranker und Taubstummer ist, der Vormund oder der gesetzliche Vertreter; neben demselben, wenn er über 18 Jahre,
aber noch minderjährig ist, der gesetzliche Vertreter. Außerdem sind durch besondere gesetzliche Bestimmung zur Antragstellung
berufen unter andern Eltern und Vormund der Verführten, Ehemänner und Väter der Beleidigten und Mißhandelten, die amtlichen
Vorgesetzten. Mehrere Antragsberechtigungen sind voneinander unabhängig. - Der Strafantrag muß bei einem Gerichte oder bei
der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei andern Behörden schriftlich angebracht werden (Strafprozeßordnung
§. 156). Stellvertretung in der Erklärung, durch welche der Antrag gestellt wird, ist zulässig; Vertretung
im Willen, d. h. in der Entschließung über die Stellung des Antrags wenigstens so weit, als die Wahrnehmung vermögensrechtlicher
Interessen in Frage ist, z. B. Gutsverwaltung, Hausadministration. - In demAntrage braucht die Handlung, deren Verfolgung
bezweckt wird, in keiner Weise rechtlich qualifiziert zu sein; eine unrichtige Qualifikation ist unschädlich.
Auch der Benennung oder Bezeichnung der zu verfolgenden Person bedarf es nicht. Dagegen muß der Antrag den Willen zum Ausdruck
bringen, daß die bezeichnete Handlung strafrechtlich bestraft oder verfolgt werde. Ist das geschehen, so sind Vorbehalte
und Beschränkungen wirkungslos; ebenso auflösende Bedingungen (s. d.); aufschiebende Bedingungen führen
die Unwirksamkeit herbei. - Die Antragsberechtiguug ist an die Frist von drei Monaten, beginnend mit dem Tage, seit welchem
der Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntnis gehabt hat, gebunden. - Der Antrag ist unteilbar.
Die Verfolgung findet gegen sämtliche an der That Beteiligte sowie gegen den Begünstiger statt, auch
wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen wurde. Die Unteilbarkeit erstreckt sich auch auf die Zurücknahme
des Antrags. Die Zurücknahme ist nur statthaft in den oben genannten Fällen der §§. 102, 103, 104, 185-187, 189, 247,
263, 292, 370, und, sofern die Vergehen gegen einen Angehörigen verübt sind, in den Fällen der Körperverletzung
und Sachbeschädigung. Zulässig ist die Zurücknahme nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils. - Von den
Antragsdelikte verschieden sind diejenigen, deren Verfolgung nur mit Ermächtigung eintritt (so besonders die Beleidigung von Bundesfürsten
und -Regenten, von gesetzgebenden Versammlungen und polit. Körperschaften).
(spr. angträhg'), Hauptstadt des Kantons Antraigues (159,70 qkm, 11 Gemeinden, 9891 E.)
im Arrondissement Privas des franz. Depart. Ardèche, hat (1891) 750, als Gemeinde 1348 E., Post und Telegraph,
[* 6] zahlreiche Mineralquellen,
Maulbeerbaumzucht und ist nächst Rochemaure der malerischste Punkt der durch vulkanische Gebilde berühmten
Landschaft Vivarais. Überragt von einem alten Schloßturm, liegt Antraigues auf einer 408 m hohen, aus dem Krater
[* 7] (Coupe) des erloschenen Vulkans Aisac geflossenen Basaltmasse, deren Fuß drei reißende Bäche (Bize, Mas, Volane) unterwaschen,
von denen der Name Antraigues (Entres aigues; Interaquas) herrührt. Antraigues beherrscht den Eingang eines dreifach geteilten Thalgrundes
mit dem 560 m langen, von Basaltsäulen gebildeten Riesenweg (Chaussée de
géants).
(spr. angträhg'), Emmanuel Louis Henri Delaunay, Graf d', franz. Publizist und Diplomat, geb. um 1755 in
Villeneuve de Berg, mußte die militär. Laufbahn wegen eines verweigerten Duells verlassen. Von einer
Reise nach der Türkei
[* 8] zurückgekehrt, schrieb er ein freisinniges «Mémoire
sur les États-généraux» (1788). Jedoch trat er 1789 als Deputierter für den Erbadel und das königl. Veto ein. Im J. 1790 trat
er aus der Versammlung, verließ Frankreich und lebte teils in Wien,
[* 9] teils in Petersburg,
[* 10] immer im Dienste
[* 11] des bourbonischen
Königshauses thätig.
Später wurde er zum russ. Staatsrat ernannt und in diplomat. Angelegenheiten nach Dresden
[* 14] geschickt. Hier ward er 1804 auch
von dem österr. Minister Cobenzl benutzt, um eine Defensivallianz mit Rußland herbeiführen zu helfen.
In Dresden schrieb Antraigues die merkwürdige Schrift gegen Bonaparte: «Fragment du 18e livre de Polybe, trouvé sur le mont Athos»,
welche die sächs. Regierung zu seiner Entfernung zwang. Nach seiner Rückkehr nach Rußland erlangte er Kenntnis von den
geheimen Artikeln des Tilsiter Friedens, ging nach England und teilte sie dem dortigen Ministerium mit,
wodurch sein Einfluß so bedeutend wurde, daß Canning in den Frankreich betreffenden Angelegenheiten nichts ohne seine Ratschläge
that und ihm eine reiche Pension aussetzte. Trotz seiner Anhänglichkeit und Thätigkeit für die Bourbonen gelang es ihm
nicht, das volle Vertrauen Ludwigs XVIII. zu gewinnen. Am wurde Antraigues mit seiner Gattin, der berühmten
Opernsängerin Saint-Huberty in Barne bei London
[* 15] durch seinen Bedienten, einen Italiener, ermordet. -
Vgl. Pingaud, Un agent
secret sous la révolution et l'empire.
in der Mechanik das Produkt aus einer konstanten Kraft
[* 17] und ihrer Wirkungsdauer. Wirkt
eine solche konstante Kraft P während einer Zeit t auf einen ursprünglich ruhenden Körper von der Masse m, so wird der Körper
in Bewegung gesetzt und so lange gleichmäßig beschleunigt, als die Kraft P wirkt. Ist die am Ende der Wirkungsdauer t
erreichte Geschwindigkeit v, so besteht zunächst die Gleichung v = p·t, worin p die Beschleunigung ist.
Multipliziert man auf beiden Seiten mit der Masse m, so bekommt man, da m·p = P ist, die Gleichung P·t = m.v.
Das links stehende Produkt aus der Kraft P und ihrer Wirkungsdauer t nennt man den und dieser ist immer
gleich der durch ihn erzeugten Bewegungsgröße (s. d.), die durch das rechtsstehende Produkt aus Masse m und Endgeschwindigkeit
v des Körpers dargestellt wird. Dieser Satz von der Gleichheit des und der Bewegungsgröße gilt auch für die gleichmäßig
verzögerte Bewegung, so daß eine bestehende Bewegungsgröße m.v eines Körpers durch einen negativen,
mit Hemmung gleichbedeutenden Antrieb aufgezehrt wird. Wirken mehrere Kräfte von
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(Einseitige Farbkarte)
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mehr
verschiedener Wirkungsdauer auf einen Körper, erhält er also mehrere Antrieb, so ist am Schlusse die Bewegungsgröße gleich der
Summe der einzelnen Antrieb.
1) Die nordöstlichste GrafschaftIrlands in der ProvinzUlster, grenzt im N. und O. an den Nordkanal, im S. an Down, im W. an
Londonderry, im SW. an den großen Landsee Reagh und hat 3084 qkm (211 qkm Wasser und etwa 933,6 qkm bebaut)
mit (1891) 427 968 E., darunter 181 011 Presbyterianer, 99 888 der irischen KircheAngehörige, 20 223 andere Protestanten, 10 6404 Katholiken
und 182 Israeliten. Die Küsten (150 km) sind hoch, mit den VorgebirgenBenmore-, Ballygalley-Head und Garron-Point;
im N. die gewaltige Masse von Basaltpfeilern, Giant's Causeway genannt.
An der Nordküste liegen die Inselgruppe der Skerries und die Insel Rathlin, an der Ostküste die Maiden-Rocks mit zwei Leuchttürmen.
Den östl. Teil nimmt ein vorherrschend aus Trappgestein bestehendes, zerrissenes Hügelland ein, welches
im Trostan bis zu 553 m aufsteigt und von schönen Thälern (Glens of Antrim) durchzogen ist. Das Innere der Grafschaft ist größtenteils
eben, namentlich im Gebiete des Lough (See) Reagh mit dem Abfluß Bann und dem Zufluß Main. Hier sind bedeutende Torfmoore.
Flachsbau, Spinnerei und Weberei
[* 20] in Leinen sind die Hauptindustriezweige; daneben wird auch Baumwolle
[* 21] und
Schafwolle gesponnen und verwebt. Von Getreidearten gedeiht am besten der Hafer.
[* 22] Die Fischerei,
[* 23] namentlich der Lachsfang,
ist bedeutend. Auch werden Kohlengruben bei Bally Castle und wichtige Salzwerke bei Duncrue Carrickfergus ausgebeutet. Die
Grafschaft ist in 15 Baronien und 71 Kirchspiele eingeteilt und sendet 8 Mitglieder in das Unterhaus, 4 für
die Grafschaft selbst, 4 für Belfast (s. d.), jetzt die Hauptstadt der Grafschaft. Andere wichtige Städte sind Lisburn, Ballymena,
Ballymoney, Carrickfergus, Larne und Antrim.
2) Antrim, das alte Entrum Reagh, Stadt in der Grafschaft Antrim, früher Hauptstadt, 21 km im NW. von Belfast, mit dem
sie durch eine Eisenbahn verbunden, und 1 ½ km von der Mündung des Six-Mile-Water in den Lough Reagh, ist eine Marktstadt
und hat, einschließlich Massereene, (1881) 1647 E., ein Zucht- und ein Arbeitshaus. Bei Antrim befindet
sich der von den alten runden irischen Türmen am vollständigsten erhaltene, 29 m hoch, mit konischem
Dache. In der Nähe Shanes-Castle, der alte Sitz der O'Neil, und Antrim-Castle, der Sitz der Skeffington, Viscounts von Massereene
und Ferrard.
dieses wird nach der Einführung des in
Körperhöhlen und Kanäle bei Blutwärme flüssig und wirkt so auf die erkrankte Schleimhaut. Am häufigsten ist das Antrophor mit
schwefelsaurem Thallin überzogen (Thallinantrophor) und wird mit Vorteil bei der Behandlung der Gonorrhöe benutzt.
Bezeichnung für die Gesamtheit der im Mittelalter in Deutschland üblichen Kriegsmaschinen
(für die die lat. Ausdrücke machina und ingenia gebraucht werden), zerfällt in Deckungsmittel, Stoßzeug, Schuß- und Wurfzeug.
Die Deckungsmittel waren ähnlich wie im Altertum und bestanden aus fahrbaren Holzbrustwehren, bedeckten Hallen und Rolltürmen.
Zum Stoßzeug gehörten der Sturmbock und die Bohrmaschinen,
[* 24] für die die NamenTarant, Fuchs,
[* 25] Krebs
[* 26] vorkamen.
Das Schußzeug für den flachen Schuß bestand aus großen Armbrusten, die als Wagarmbrust (s. d.), Standarmbrust und Turmarmbrust
(s. d.) unterschieden wurden, und sog. Rutten (s. d.).
Als Wurfzeug dienten die Gewerffe, bei denen das Geschoß
[* 27] schleuderartig am langen Arm eines Hebels angebracht war, während
auf dem kürzern Arm desselben ein sehr bedeutendes Gegengewicht wirkte, das entweder fest oder beweglich
sein konnte. Zu den hohen Gewerffen, bei denen das Gegengewicht fest war oder durch Menschenkraft ersetzt werden konnte,
gehörten die Blyden (s. d.), der Tribock, die Petraria. Die niedern Gewerffe hatten bewegliche
Gegengewichte und hießen Mangen (s. d.), deren Einrichtung nur sehr ungenau bekannt ist.
Die Geschosse der Gewerffe bestanden in großen, oft mehrere Centner schweren Steinen, schweren Balken, Brandtöpfen und Viehkadavern.
Die zur Bedienung sämtlicher Kriegsmaschinen bestimmten Mannschaften führten den Namen Blydner und standen unter dem Blydenmeister.
- Für Antwerk sagte man später Zeug; die Erbauer der Kriegsmaschinen wurden Zeugmeister oder Ingenieurs genannt.
1) Provinz im Königreich Belgien
[* 29] und ehemalige Markgrafschaft, grenzt im N. an die niederländ. Provinz Nordbrabant, im SO.
an Limburg,
[* 30] im S. an Südbrabant, im W. an Ostflandern, hat 2831,73 qkm und (1880) 577 232, (1891) 713 740 (358 237 männl., 355 503 weibl.)
kath., meist vläm. E., d. i. 250 auf 1 qkm, und zerfällt in die Arrondissements Antwerpen, Mecheln
[* 31] und Turnhout.
Das Land ist durchaus eben und fruchtbar, besonders bei Mecheln und in den Marschen der Schelde. Der Hauptfluß ist die schiffbare
Schelde, die die Grenze gegen Ostflandern bildet und die Rupel aufnimmt; letztere ist durch Kanäle mit
Brüssel
[* 32] und Löwen
[* 33] verbunden. Das Klima ist mild, aber feucht. Neben Getreide
[* 34] und Kartoffeln werden Flachs, Rübsamen, Krapp,
Futterkräuter, Gemüse und Wiesenheu gebaut. Ferner bestehen Pferde- und Viehzucht
[* 35] sowie Fabrikation von Spitzen, Hüten, Zucker,
[* 36] Tuch-, Woll- und Baumwollwaren; Brauerei undBrennerei.
2) Bis ins 17. Jahrh. Hantwerpen, von ane de Werv, am Hafen, Hauptstadt der Provinz Antwerpen, zugleich Hauptfestung
und einer der wichtigsten Seehäfen Europas, 14 km von der holländischen, 102 km von der deutschen Grenze, 67 km von der
Nordsee und 39 km von Brüssel, rechts an der Schelde, die vor der Stadt bei der Ebbe 350 m breit ist (bei
Fort Lillo 745 m) und zur Flut durchschnittlich 4,29 m ansteigt. Die Stadt liegt 50° 13' nördl. Br. und 4° 23' 45" östl.
L. von Greenwich, wenige Meter über dem Meeresspiegel. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 10,13° C., der Luftdruck 759,4
mm; der Temperaturwechsel ist
schroff und die Witterung unbeständig, durchschnittlich 177 Regentage und 42 Tage mit unbewölktem Himmel.
[* 38] Antwerpen liegt in einer
weiten, fruchtbaren Ebene (zum Teil Polderboden), die nach Holland zu in die sandige, stellenweise sumpfige Campine übergeht,
hierzu Plan: Antwerpen und Umgegend.)
Größe, Bevölkerung.
[* 39] Die Wälle der Festungswerke umschließen ein Gebiet von 14¼ km, und zwar außer
der Stadt den größten Teil der BürgermeistereienBorgerhout (28 882 E.), Berchem (15 503 E.) und Austruweel, deren Gebiet
sich außerhalb der Festungswerke fortsetzt und an die Ortschaften Merxem, Deurne und Kiel
[* 40] anschließt. Jenseit der Schelde
liegt auf der Tête de Flandre das Örtchen St. Annen.
Die Stadt hatte 28 937 Häuser und 238 788 E. (120 141 männl., 118 647 weibl.), mit
den Vorstädten innerhalb der Festungswerke 300000 E. 1830 hatte sie nur 73 506 Bewohner, die Gesamtzunahme betrug demnach
jährlich 2 Proz., 1880-90 3 Proz. Der Zuzug betrug (1890) 13 464 (darunter 1012 Deutsche),
der Abzug 10 874 (670 nach Deutschland); Zahl der Geburten (1890) 8092, 5018 Todesfälle (0,173 pro Mille der Bevölkerung), 331 totgeborene
Kinder, 1764 Ehen.
ÄußereAnlage. Die Häuser der ältesten Stadt lagen um die befestigte Burg. Bei dem zunehmenden Wachstum der Stadt wurden
die Befestigungswerke wiederholt umgestaltet und erweitert, namentlich 1540-43 unter Karl V. durch den
BaumeisterFranz. 1567-71 baute Alba
[* 41] die Citadelle (1874 geschleift). Seit ist Antwerpen zu einer großen Lagerfestung als
«Operationsbasis und Zufluchtsstätte» der belg. Armee unter Benutzung ausgedehnten Überschwemmungsgebietes durch den jetzigen
GeneralBrialmont (s. d.) ausgebaut worden.
Nachdem 1866 vor dem nicht überschwemmbaren Teil der vieleckigen Umwallung, die sich mit zwei Citadellen
an die Schelde lehnte, acht auf 2,5 bis 4 km vorgeschobene, ein verschanztes Lager
[* 42] bildende Forts fertig gestellt waren, stellte
sich mehr und mehr die Notwendigkeit heraus, den Fortsgürtel weiter auszudehnen. Augenblicklich (1890) bestehen die Befestigungen
von Antwerpen aus folgenden Teilen:
1) Stadtbefestigung: die Umwallung mit ehemaliger Nordcitadelle, 12 Angriffsfronten, Fort de Deurne, die Lünetten Deurne und
Hoboken, Tête de Flandre, die Forts Burght und Isabelle.
2) Die Fortslinie: Forts 1-8, Forts Merxem, Cruibeke, Zwyndrecht, Verteidigungsdeich mit Lünette
[* 43] Melsele, Fort Schooten.
3) Die Befestigungen an der untern Schelde: Forts St. Marie, St. Philippe, La Perle, Lillo, Liefkenshoek;
außerdem geplant oder im Bau Redouten Oorderen und Berendrecht.
4) Die vorgeschobene Linie zur Sicherung der Nethe-Übergänge und des Uferwechsels an der Rupelmündung: FortsLierre und
Waelhem, Redoute
[* 44] Dussel und Fort Rupelmonde. Fünf der 12 Angriffsfronten der Enceinte können durch Überschwemmung
des Vorgeländes sturmfrei gemacht werden, zur Deckung der übrigen sieben Fronten baut man gegenwärtig in einer Entfernung
bis zu 26 km noch 18 größere und kleinere Forts rechts von der Schelde, drei starke Forts zur Deckung der Rüpel und der beiden
Nethen, vier andere und einen verteidigungsfähigen Damm zur Deckung des linken Scheldeufers und zwei kleinere
Forts stromabwärts; zugleich erhalten zwei Forts unterseeische Batterien und andere Panzertürme. Mit den sechs Forts, die von
den ältesten Festungswerken herrühren
und zu Kasernen und Niederlagen eingerichtet sind, hat Antwerpen demnach 53 größere und
kleinere Forts. Seine Friedensbesatzung besteht aus 5 Regimentern Infanterie, 3 Regimentern Artillerie,
je 1 Regiment Genietruppen und Train und einigen kleinern Truppenteilen, zusammen ungefähr 22000 Mann, die Kriegsbesatzung
erfordert mit der Garde civique 250000 Mann.
Durch Niederlegung der alten Festungswerke sowie durch den Umbau des Scheldequais (vollendet 1885) hat sich das Aussehen
der Stadt wesentlich geändert. An Stelle der alten Glacis ziehen sich 3¾ km weit 35 m breite, mit vier
Baumreihen bepflanzte Boulevards um die innere Stadt, weitere 4½ km meist in gleicher Weise bepflanzte Boulevards und Avenuen
führen von hier in die neuen Stadtteile hinein, gerade breite Straßen sind durch die engen alten Stadtteile gebrochen, von
denen bereits ein großer Teil der Anlage der 100 m breiten Quais zum Opfer fiel. Zwei öffentliche Parks, die gleich dein zoolog.
und botan. Garten
[* 45] inmitten der Stadt liegen, sowie die Gartenanlagen auf mehrern Plätzen und die Eisenbahn entlang, tragen
in gleicher Weise zur Verschönerung der Stadt bei.
Die Gemälde von Rubens, Murillo, DeVos und die geschnitzten Chorstühle sind im Innern besonders bemerkenswert.
Die spätgot. Jakobskirche (St. Jacques), 1491 begonnen, aber erst im 17. Jahrh. im Rokokostil
vollendet, mit der Grabkapelle der Familie Rubens, St. André (1514) mit kunstreich geschnitzter Kanzel, St. Paul im spätgot.
Stil, 1540-71 erbaut, die neue roman. Josephskirche, die kleine Kapuzinerkirche (St. Antoine de Padoue), 1589 erbaut,
mit Bildern von van Dyck und Rubens, die ehemalige Jesuitenkirche (s. Taf. II,
[* 37]
Fig. 2), 1614-21
von dem Jesuiten Aguillon nach Plänen von Rubens erbaut, 1718 durch Blitz eingeäschert und später einfacher aufgebaut, mit
schönem Glockenturm im Renaissancestil u. a. Die Engländer besitzen zwei, die Norweger eine eigene
Kirche, von den zwei deutschen prot.
Gemeinden beginnt die eine den Bau einer Kirche, die andere teilt die ihre mit den Holländern. Unter den zahlreichen Klöstern
der Stadt beschäftigen sich viele mit dem Unterricht, andere mit der Krankenpflege, auch findet sich hier noch ein Beguinenhof
mit nahezu 200 Insassen. Eins der ältesten weltlichen Bauwerke ist der Steen, das alte Schloß an der Schelde, 1520 an der
Stelle einer ältern Burg erbaut, später Sitz der Inquisition, in neuester Zeit umgebaut und zu einem Museum von Altertümern
eingerichtet. Das Rathaus, 1561-65 von Corn. de Vriendt im Renaissancestil erbaut
(s. Tafel: Rathäuser I,
[* 37]
Fig. 4), wurde nach der Zerstörung durch die Spanier 1581 wiederhergestellt,
im 19. Jahrh. mit Gemälden von Leys geschmückt. Das Hansahaus (Oostersche Haus), 1564-84
von
¶
mehr
demselben Meister als Waren- und Gasthaus für die Hansastädte Bremen,
[* 51] Lübeck
[* 52] und Hamburg
[* 53] erbaut, 1882 auf Deutschlands
[* 54] Veranlassung
mit einer Zeitballstation versehen, brannte 1893 ab. Die Börse wurde 1869-72 an der Stelle der alten, 1858 abgebrannten, in der
frühern Gotik, aber weit größer, aufgebaut. (S. Tafel: Börsengebäude I,
[* 50]
Fig. 3.) Sonst sind noch hervorzuheben:
Banque nationale, Palais de justice, Athénée royal, königl. Schloß, Rubenshaus, ein neuer Renaissancebau an der Stelle,
wo Rubens gewohnt hat. Ferner das Théâtre royal für die Oper und das Théâtre national, die Schouwburg für das vläm. Schauspiel.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Bürgermeister (20000 Frs.) und fünf Schöffen (je 7000 Frs.).
Ersterer (seit 1870 Leopold de Wael) wird vom Könige auf je sechs Jahre ernannt, letztere werden für dieselbe Zeit vom Stadtrat
(Conseil communal) gewählt, dessen 18 Mitglieder von den wahlberechtigten Bürgern ebenfalls auf sechs Jahre gewählt werden.
Bürgermeister wie Schöffen sind nicht Berufsbeamte, sondern meist Kaufleute. Der Bürgermeister ist zugleich
Polizeipräsident, ihm steht ein Commissaire-en-chef zur Seite und an der Spitze jeder der neun Verwaltungsbezirke steht ein
Kommissar.
Die städtische Feuerwehr besteht aus 5 Offizieren, 23 Unteroffizieren und Mechanikern und 80 Pompiers und hat 4 Dampfspritzen.
Wasserleitung
[* 55] und Gasanstalt werden durch Aktiengesellschaften betrieben, zur Straßenbeleuchtung dienen 6880 Flammen,
die Bahnhöfe
[* 56] und der Hafen haben zum Teil elektrische Beleuchtung.
[* 57] Die Stadt hat 183½ Mill. Frs. Schulden, seit 1881 in 2½prozentige
Lose umgewandelt, die nach dem Tilgungsplane 1977 gezogen sein müssen. Die Einnahmen betrugen (1890): antwerpen ordentliche
Einnahmen 13 910 938 Frs.; b. außerordentliche Einnahmen 2 437 050 Frs., zusammen 16 347 988 Frs. Die Ausgaben:
antwerpen ordentliche Ausgaben 13 212 917 Frs. darunter Verwaltung 640 995 Frs., Polizei und Straßenreinigung
[* 58] 2 072 959 Frs., Unterricht 185 5085 Frs.,
Wohlthätigkeitsanstalten 900000 Frs., Künste 323 695 Frs., Kultus 9750 Frs., Amortisation und Zinsen 5 633 055 Frs.);
Behörden. Antwerpen ist Sitz der Provinzialregierung (Gouverneur Baron Osy de Zegwaart), eines Tribunals erster Instanz, Tribunal de
Commerce, Conseil de guerre dela province d'Anvers.
Schul- und Bildungswesen. Die Stadt hat seit 1852 eine höhere Handelslehranstalt mit 14 Lehrern und 154 Studierenden, das
Athénée royal (Gymnasium und Realschule) mit 22 Professoren und 707 Schülern, eine Akademie der schönen Künste (gegründet
1665), von 114 Malern und 29 Bildhauern besucht (1151 Handwerker erhalten unentgeltlichen Unterricht), eine Fortbildungsschule
für Mädchen und andere Fachschulen. Hierzu kommen 2 Mittelschulen für Knaben (478) und Mädchen (463), 19 Knabenschulen
(8319), 19 Mädchenschulen (7940), 13 Kinderbewahranstalten (4058), 92 Proz. aller Kinder genießen unentgeltlichen
Unterricht; ferner 22 Fortbildungsschulen (1913) und zahlreiche Privatschulen, besonders das Jesuiteninstitut (Gymnasium
und Realschule ([800]) und die deutsche Schule (350).
Die Stadt besitzt seit 1890 ein neues Museum mit mehr als 1000 Ölgemälden (besonders der AntwerpenerMaler), Bildhauerarbeiten
und den Photographien und Stichen fast sämtlicher Werke von Rubens, das Museum Plantin-Moretus
mit zahlreichen Kunstschätzen,
das Museum für Altertümer im Steen; ferner ist die Privat-Gemäldegalerie von Notebohm dem Publikum geöffnet. Das Musée
commercial, industriel et ethnographique wurde 1885 gegründet und in das ehemalige Ausstellungsgebäude
[* 59] der franz. Kolonien
gelegt.
Außer den größern Gemäldeausstellungen (alle drei Jahre) veranstalten mehrere Künstlervereine sowie
der Cercle artistique, littériaire et scientifique regelmäßige Ausstellungen. Außerdem bestehen noch mehrere wissenschaftliche
Vereine: Académie d'archéologie de Belgique, Société royale de géographie, Société de médicine, Société de pharmacie,
Société royale d'horticulture et d'agriculture, Société royal de zoologie, Société des bibliophiles
u.a.
Hervorragender Pflege erfreut sich die Musik; in der Musikschule erhielten (1890) 1699 Schüler und Schülerinnen von 34 Lehrern
unentgeltlichen Unterricht; die größten Musikgesellschaften sind: Société royale d'harmonie, Société de musique, Société
de symphonie, Antzwerpsche toonkunstenaarsvereeniging. Die Stadt hat drei Theater
[* 60] (s. oben), eine städtische Bibliothek (56000
Bände), eine Volksbibliothek (15000 Bände) und eine zweite der Gesellschaft «De Toekomst» (21000 Bände),
meist in vläm. Sprache.
[* 61]
Von den 44 in Antwerpen herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften erscheinen 11 täglich, und zwar: 6 in vlämischer, 4 in französischer, 1 in
deutscher Sprache. Die Zahl der Wohlthätigkeitsanstalten ist eine sehr bedeutende. 1890 wurden in den
Krankenhäusern 10 084 Personen aufgenommen, 2859 andere wurden in Versorgungsanstalten, Waisenhäusern, Taubstummenanstaltenu. dgl. verpflegt. Dazu besitzt die Stadt zwei große Krankenhäuser (St. Elisabeth mit 500 Betten, Stuyvenberg mit 400 Betten, 1885 nach
dem Pavillonsystem vollendet), eine Irrenanstalt, je ein Waisenhaus für Knaben und für Mädchen, eine Versorgungsanstalt
für Greise und 20 kleinere Wohlthätigkeitsanstalten. 43 Vereine bezwecken gegenseitige Unterstützung
in Krankheit und bei Unglücksfällen. Unbemittelten Fremden dienen ein Nachtasyl, eine Volksküche, eine Suppenanstalt, den
Deutschen der VereinGermania,
[* 62] den Seeleuten mehrere Seemannshäuser, den Dienstmädchen mehrere Mädchenheime, die Deutschen,
Österreicher, Schweizer u. a. haben Unterstützungsvereine (der Deutsche Unterstützungsverein verausgabte 1890: 18 532 Frs.);
die Stadt gab dennoch für hilfsbedürftige Fremde 53 513 Frs. aus.
Industrie. Hervorzuheben sind: die Spiritusbrennereien (L. Meeus erzeugte allein in einem Jahre über 10 Mill. LiterGenever
und zahlte jeden Arbeitstag 26000 Frs. Steuer), 36 Brauereien, 40 Diamantschleifereien (25 große, 15 kleinere Schleifereien;
Diamantenumsatz jährlich 60 Mill. Frs.) mit mehr als 3000 Arbeitern, 30 Cigarrenfabriken (120 Mill. Stück
jährlich), Zuckerraffinerien, Kerzenfabriken, die Werkstätten der BellTelephone Manufacturing Cie., die Fleischextrakt-Compagnien
von Liebig, Kemmerich, Cibil undKoch, die Reisstärkefabriken von Remy, Färbereien, Lackfabriken, Reismühlen, Schwefelraffinerie
u. s. w.
Handel. Der seit Jahrhunderten in hoher Blüte
[* 63] stehende HandelA.s wurde durch die von den Niederländern
verfügte Sperrung der Scheldemündungen (im 17. Jahrh.) vernichtet und hat sich erst in den
letzten 30 Jahren infolge der Aufhebung des Scheldezolles (1863) und dadurch, daß der Staat¶
mehr
die Ausführung der großartigen Hafen- und Quaibauten übernahm, wieder gehoben.
Jetzt ist Antwerpen eine der ersten Handelsstädte Europas und wetteifert mit Hamburg auf dem Festlande. Die Seele des Handels ist
die Einfuhr. Dieselbe erstreckt sich auf: Weizen (1893: 13,59 Mill. hl gegen 18,04 im J. 1891) aus den Donauländern, Südrußland
und Britisch-Indien;
Pökelfleisch, Speck, Harze, Droguen, Terpentin und Gewürze. Der Handel mit Rohstoffen, unter denen Holz
[* 72] eine große
Rolle spielt, sinkt dauernd; 1893 wurden 437 229 cbm Bauholz eingeführt; ferner Mahagoni- und Cedernholz,
Eben- und Nußbaumholz, afrik. Rinden zum Gerben (Garouille, 2,2 Mill. kg), Wolle (1893: 230 796 Ballen), Häute und Felle (1 504 253 Stück),
Hörner (1.6 Mill.) von La Plata, Elfenbein (224000 kg) aus Westafrika, Hanf (39 335 Ballen) aus Rußland
und Bombay,
[* 73] Baumwolle (352 086 Ballen) auch als Transit nach Deutschland und der Schweiz,
[* 74] Petroleum (728 850 Colli aus Nordamerika
[* 75] und 231000 Fässer aus Südrußland) und Naphtha (5445 Colli).
Die Ausfuhr setzt sich zusammen aus den belg. Produkten und reinen Transitgütern. Es
wurden ausgeführt Rübenrohzucker, Branntwein, ferner die Produkte der Diamantschleifereien, der Textil-,
Tabak-, Teppichfabrikation und Schwefelraffinerien, endlich Portlandcement, Dynamit, Maschinen, Eisenbahnschienen, Werkeisen,
Glas-, Thon- und Porzellanwaren. Die Transitgüter gehen von Antwerpen nach allen Ländern West- und Nordeuropas. Seit 1893 wird ein
regelmäßiger Diamantenmarkt abgehalten.
Die größten Handelshäuser sind in deutschen Händen: J. D. Fuhrmann, E. Osterrieth & Comp., E. Karcher, de Bary &
Comp., N. Rhodius & Comp., Ch. Schmied & Comp.; für Kaffee die vläm. Firmen Antwerpen Huybrechts und F. Ceulemans.
Von den sieben Banken (ohne die Volksbanken) hatte die Banque nationale 1889 einen Umsatz von 1 955 758 527 Frs.,
außerdem sorgten 13 Privat-Bankgeschäfte und mehrere Agenten
auswärtiger Banken für den Geldbedarf des Handels und 137 Wechselmakler
für Vermittelung desselben. Dem Handel dienen ferner 191 Versicherungsgesellschaften, die durch 24 Direktoren und 184 Agenten
vertreten sind. Zur Handelskammer (17 Sektionen mit 10 Schiedskammern) gehören 660 Firmen.
Verkehrswesen. Dem Schiffahrtsverkehre dienen acht große und mehrere kleine Bassins mit zusammen 42½ ha Oberfläche, die
durch drei Schleusen mit der Schelde in Verbindung stehen, und die 3,5 km langen Scheldequais (1879-85 mit einem Kostenaufwande
von mehr als 80 Mill. Frs. erbaut), die selbst den größten Schiffen das Anlegen unmittelbar am Quai erlauben. Die Waren können
durch die Kräne (der größte trägt 120 t) unmittelbar aus den Schiffen in die Waggons und umgekehrt verladen werden. Wie
sich der Verkehr durch diese Einrichtungen gehoben hat, ist aus dem nachfolgenden Vergleich ersichtlich:
Dagegen sind abgegangen: 3279 Schiffe
[* 93] mit 3 271 063 t (darunter 823 mit 1 158 396 t Ballast). Die brit. Flagge steht allen
andern weit voran. Dazu kommen 29 339 Flußfahrzeuge mit 3,24 Mill. t.
Die eigene Handelsflotte zählt (Dez. 1892) 46 Schiffe (42 Dampfer) mit 68 391 t.