629 viel Eisenerz und in den südlicher gelegenen Gegenden von
Benguella reiche, noch nicht ausgebeutete
Minen von
Silber, Kupfer
[* 2] und Schwefel. Überall auf den Hochflächen und Niederungen bedeckt Laterit den
Boden; die
Küste ist von einem schmalen Kreidestreifen
eingefaßt.
AlleFlüsse,
[* 3] mit Ausnahme derjenigen an der Ostgrenze, durchschneiden oder durchbrechen das
Gebirge mit schließlicher
Richtung gegen die See, sind aber wegen der
Stromschnellen, kurze
Strecken ausgenommen, als Verkehrsstraßen
nicht geeignet; die zur
Küste von
Benguella und Mossamedes strömenden versickern während der Trockenzeit teilweise oder
vollständig.
Vom Somboplateau im N. kommen die kleinern
Flüsse, wie Lelundo und M'Brische; vom Kangansagebirge der
Loje und die für
Kanoes schiffbaren Dande und Bengo. Die beiden größten
StrömeQuanza und
Kunene (s. d.) entquellen dem Plateau
von
Bihe; im Distrikt
Benguella entspringt der Katumbela und auf der obersten
Terrasse des Randgebirges der die reiche Landschaft
Dombe bewässernde Kaporolo.
Klima.
[* 4] Bei der
Ausdehnung
[* 5] des
Landes über 11 Breitengrade und bei der allmählichen
Erhebung zu einem mächtigen Gebirgsstock im Innern weicht
das Klima im Norden
[* 6] von jenem im
Süden und das an der
Küste von
jenem auf dem Hochland wesentlich ab. Die
Dauer der Regenzeit am
Kongo (s.
Kongostaat)
[* 7] und
Quanza ist nahezu die gleiche; in
den Niederungen von
Loanda währt sie vom Oktober bis Januar und vom April bis Juni. Im Norden und nahe
der
Küste sind die Regengüsse deftiger, die Wasserdünste erfüllen die Luft mit drückender Schwüle, während im
Süden,
namentlich in
Benguella und Mossamedes, die Trockenheit die Oberherrschaft gewinnt.
Umgekehrt verhält es sich auf den Plateaus im Innern. Die Hochebenen im Norden verdorren während der
Trockenzeit, das Gebirgsland im
Süden hält die zur
Fruchtbarkeit nötige Feuchtigkeit fest. Nach
Süden und nach dem Innern
nimmt die Durchschnittstemperatur ab. Mitteltemperatur in
Loanda 23° C., Mossamedes 20° C.,
Malansche 19,5° C.; kühlster
Monat in
Loanda
(August) 14° C., in
Malansche (Mai) 4,3° C. Dagegen haben die heißesten
Monate fast die
gleiche Temperaturhöhe:
Loanda 31,7° C. (November) und
Malansche 32° C. (Oktober). Die Gesundheitsverhältnisse müssen
in den heißesten und feuchtesten Gegenden, wie in
Loanda und
Benguella, viel ungünstiger sein als in der kühlern und dunstfreiern
Luft von
Bihe und Mossamedes.
Flora und Fauna. Die Verschiedenheit des
Klimas bedingt diejenige der
Fruchtbarkeit.
Über die ausgebrannten Hochflächen im
Norden, nahe dem
Kongo, ziehen sich Savannen hin, die sich zu südeurop. Kulturen neben denen der
Bananen eignen, mit Gebüschkomplexen
von
Eriodendron und Euphorbien und mit vereinzelten
Baobab- und
Wollbäumen. Die Eingeborenen begnügen
sich mit dem Anbau von Maniok. Im südl. Gebirgsland hingegen giebt es saftige Rasen,
Mais-, Hirse- und Tabakfelder und Ernten
von Erdnüssen und
Baumwolle;
[* 8] an der
Küste von
Benguella im Dombedistrikt liefern Zuckerplantagen reiches Erträgnis.
Der üppigste Pflanzenwuchs entwickelt sich in den Flußthälern und Bachschluchten; hier gedeiht außer einer unbedeutenden
Rebe
Zuckerrohr und besonders der
Kaffee in lohnendster Fülle. Berühmt wegen des letztern Produkts ist das
Thal
[* 9] von
Lucalla
(s. d.). Eigentümlich für Mossamedes ist
WelwitschiamirabilisHook. (s. d.). – Die jagdbaren
Tiere, wie
Elefanten, Löwen,
[* 10] Antilopen u.s.w., haben sich aus den kultivierten
Regionen in das
Innere und das Hochgebirge im
Süden zurückgezogen;
nur Panther, Hyänen,
Flußpferde und
Krokodile
[* 11] findet man noch überall. Auch der Chimpanse und zahlreiche andere
Affen,
[* 12] Meerkatzen
und Paviane kommen vor. Rindvieh kommt allein in großen Herden in den Gebirgsthälern östlich von Mossamedes vor.
ihre
Sprache, die verbreitetste, reicht weit in das
Innere hinein;
geistig begabt haben sie an der
Küste sich mancherlei von
europ.
Civilisation angeeignet: alle
Arten von Handwerk, die Kunst des
Lesens und Schreibens und des Musizierens;
mit Vorliebe
wandern sie als geschickte Händler und im
Auftrag portug. Firmen in die fernen Gebiete des
Kassai und
Lulua, oder sie betreiben auf eigenen Landgütern
Acker- und Kaffeebau vermittelst ihrer Sklaven. Im Gebirgslande haben sie
sich zum
Teil noch in voller Reinheit und Wildheit erhalten, ein schönes, stolzes Geschlecht;
jede Gemeinde besitzt ihren
eigenen Häuptling, Soba genannt.
Nördlich von ihnen diesseit und jenseit des
Kongo wohnen die
Bafiote
oder
Kabinda (s. d.), allgemeiner bekannt unter dem Sammelnamen
Kongoneger; sie waren früher
Unterthanen des großen
Kongoreiches
(s. d.), nahmen das
Christentum an und halten daran, wenn auch in sehr verzerrter Form, noch äußerlich fest. Die Zweigstämme
der Mussorongo, Bamba, Bakongo und Muschikongo, seßhaft bis südlich zum M'Brische, leben als reine
Heiden unter ihren eigenen Häuptlingen, in kaum nennbarer Abhängigkeit vom Kongokönig in
San Salvador
[* 15] und von der portug.
Regierung. Im
Süden begegnet man östlich vom
Quanza, in der Umgebung von
Malansche den Songo, die noch stark unter portug.
Einfluß stehen; nahezu frei davon halten sich die
Amboella (s. d.) und Gangella im Quellgebiet des
Quanza
und
Kubango, und die kümmerlich gewachsenen, furchtsamen Bakuando und Bakuisse an der
Küste von
Benguella und Mossamedes,
die ähnlich den
Buschmännern am
Kap in
Höhlen und
Grotten sich bergen und von der Jagd allein sich ernähren.
Mit «Pretos» werden im Gegensatz zu den «Negros»
die «civilisierten»
Schwarzen bezeichnet; man rechnet zu ihnen die
Kabinda, Ambakisten und Bihenos. Sie sprechen portugiesisch;
sie finden nicht nur in den Kaufhäusern, sondern auch bei königl. Ämtern Verwendung. Viele
besitzen und verwalten Plantagen.
Außer den
Boers (s. d.), Brasilianern und Goanesen haben sich an 4000 Europäer, meist
Portugiesen, zum zeitweiligen Aufenthalt niedergelassen. Sie suchen in möglichst kurzer Zeit als
Beamte,
Soldaten, Kaufleute
und Industrielle ein Vermögen zu erwerben, um dann in die
Heimat zurückzukehren. Dem früher schwunghaft betriebenen
Sklavenhandel
folgte die Ausnutzung der
Neger als Sklavenarbeiter. Die
Sklaverei selbst wurde 1878 aufgehoben; aber man versteht es, durch
langjährige Kontrakte, durch Abdienen von Schulden, in die man sie stürzt, ein der
Sklaverei sehr ähnliches Verhältnis
zwischen
Weißen und Eingeborenen aufrecht zu halten.
630 die Arbeit verteuerte, half man sich durch Bezahlung der Neger mit minderwertiger Münze (Reisfracos = 3/5 von Reisfortes).Die Industrie befaßt sich, bei spärlichem Erfolg, mit Ziegelbrennerei, Mattenflechterei, Branntweinbrennerei und Cigarrenfabrikation.
Der Handel kommt bei den hohen Zöllen zu keinem blühenden Aufschwung, auch nicht am untern Kongo wegen
ungünstiger örtlicher Verhältnisse (Seichtigkeit der Landungsstellen und mißgünstige Haltung der Eingeborenen auf dem
linken Ufer).
Ausgeführt werden: Elfenbein nur noch in geringer Menge, Kautschuk für 2½–3¼ Mill. M., Kaffee für 2½ Mill. M. (1883),
Kopal und Wachs in großen Mengen. Die Einfuhr, besonders an Zeugen, kommt fast ausschließlich aus England,
so daß das Mutterland Portugal
[* 17] in diesem Punkt keinen nennenswerten Nutzen von seiner Kolonie erzielt. Die Gesamtausfuhr belief
sich (1891) auf 13 Mill. M. und die Einfuhr auf 14 Mill. M. Der Schiffsverkehr (1881)war in sämtlichen Häfen: 867 Schiffe
[* 18] mit 821000 t. Die im April 1886 begonnene schmalspurige (1 m) Eisenbahn vom HafenLoanda über Kalungembo
und Kasengo nach Pamba (Ambaca) wurde 1893 fertiggestellt und hat eine Länge von 363 km. Die Bahn soll später bis zum Kuango,
einem Nebenfluß des Kongo, fortgesetzt werden, ja die bauende «Königl. Afrika-Überlandbahn-Gesellschaft» in Oporto
[* 19] plant
eine Verbindung von West- und Ostküste und hat Vorarbeiten von Pamba bis östlich über Malansche hinaus
(250 km) gemacht.
Das Gesellschaftskapital der Strecke bis Pamba (mit Zinsgarantie der portug. Regierung) beträgt 16,2 Mill. M.; an 5prozentigcn
Schuldverschreibungen sind 38272500 M. ausgegeben. 1890 ist einer belg. Gesellschaft der Bau der ebenfalls schmalspurigen
(1 m) Mossamedesbahn von der Hafenstadt Mossamedes nach der Hochebene von Shella (175 km) gesetzlich genehmigt
worden. Die Regierung gewährleistet 6 Proz. Zinsen für ein Anlagekapital von ungefähr 133065 M. für jedes der in der Ebene
belegenen 150 km, während bei der 25 km langen Strecke mit Zahnradbetrieb die thatsächlich verwendeten Anlagekosten zu Grunde
gelegt werden.
Ferner hat die portug. Regierung einem amerik. Syndikat die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahn von der Mündung des Kunene
nach dem Innern erteilt. Für eine Bahn zwischen dem Hafenplatz und Hauptort der gleichnamigen KolonieBenguella und dem tief
im Innern belegenen Knotenpunkt Bihe sind die Vorarbeiten in Angriff genommen. Telegraphenlinien gab es
1891: 428 km. Verfassung und Verwaltung. Die Kolonie Angola zerfällt administrativ in vier Distrikte: Kongo (mit Kakongo, Kabinda,
Ambrizette, SanAntonio und San Salvador), Loanda, Benguella mit Bihe und Mossamedes.
Die wichtigsten Orte sind, von N. nach S. geordnet: Kabinda (s. d.), Malimba und Landana, an der Küste nördlich
vom Kongo;
Malansche, der letzte portug.
Militärposten im O., in weiter Savannenfläche, der Ausrüstungsplatz und
Ausgangspunkt der nach Lunda ziehenden Karawanen;
Die
Kolonie Angola steht unter einem Gouverneur mit dem Sitz in Loanda und dieser ist unmittelbar dem portug. Ministerium unterstellt,
so daß die Verwaltung in wenigen Händen vereinigt ist. Ein Heer von Beamten (über 3000 im J. 1882) überwacht die Ausführung
der Regierungsbefehle. Die vier Distrikte zerfallen in eine Anzahl von «Concelhos»,
an deren Spitze ein Soba steht. Die Soba, Eingeborene, erhalten ihre Stellen entweder durch Erbfolge oder durch freie Wahl der
Gemeindegenossen; sie werden aber von Chefs, die der Gouverneur ernennt, überwacht und namentlich zum Eintreiben der Steuern
angehalten. Durchgreifend wirkt die Regierung auf wenigen, wenn auch auf den wichtigsten Punkten. Das
Kongoreich (s. d.) im Norden befindet sich fast nur dem Namen nach in Abhängigkeit von Portugal. – Nach dem Budget für 1894/95
betragen die Einnahmen der Kolonie Angola 7,3 Mill. M., die Ausgaben 6,8 Mill. M.
Geschichte. Der portug. Seefahrer DiegoCam entdeckte 1484 die Gegenden an der Kongomündung und 1488 den
Küstenstrich von Ambriz bis Mossamedes und nahm beide Ländergebiete für die KronePortugal in Besitz. Diese beschränkte aber
thatsächlich ihre Herrschaft auf die Küste und das Hinterland zwischen Ambriz und Mossamedes, und trat sie vorübergehend
(1641–48) an Holland ab; im Norden an der Kongomündung begnügte sich Portugal, nur hier und da ein
Kriegsschiff erscheinen zu lassen, Missionare ins Land zu schicken und nach Verfall des großen Kongonegerreichs die Könige
von Kabinda und Kongo formell als ihre Unterthanen zu erklären.
Allmählich trachtete es danach, seine Herrschaft nach Osten bis zum Kuango wirksam zu erweitern und in neuester Zeit
ein friedliches und vertragsmäßiges Verhältnis mit Muata Jamvo, dem Fürsten des großen Lundareichs, herzustellen, worüber
es mit dem Kongostaat in einen Konflikt zu geraten drohte. Schon als dieser gegründet werden sollte, erhob Portugal ziemlich
zweifelhafte Ansprüche auf die Uferstrecken am untern Kongo und gab erst auf das Drängen von England
nach; dafür erhielt es damals auf der Berliner Konferenz
[* 21] (1885) die Enklave nördlich vom Kongo mit den Hafenplätzen Landana,
Malimba und Kabinda als vollständig gesicherten Besitz. Die später auftauchenden Differenzen wegen der östl. Grenzen
[* 22] wurden
durch ein provisorisches Abkommen 1891 im allgemeinen und durch den Vertrag vom März 1894 endgültig beseitigt.
Litteratur. Tams, Die portug. Besitzungen in Südwestafrika (Hamb. 1845);
ehemalige Residenzstadt in dem zu Abessinien gehörigen Königreich Schoa, 35 km westlich von Ankober, in 2800 m
Höhe auf zwei bewaldeten Bergen,hat etwa 1000 E.;
türk. Engürijeh, das Ancyra (s. d.) der Alten, Hauptstadt des gleichnamigen türk.
Wilajets (83 780 qkm mit [1888] 893000 E.), auf den innern gebirgigen Hochflächen Kleinasiens, in 1080 m Höhe am Tschibuk-tschaï,
wird von einer alten und verfallenen Citadelle überragt, die auf einem sich steil aus der Ebene erhebenden
Felskegel erbaut ist und deren Mauern aus Marmorbruchstücken mit Inschriften, Säulenstücken, Statuen, Architraven, am häufigsten
von Resten byzant.
Architektur, bestehen, hat 30000 E., darunter 12000 Türken, 15000 kath. Armenier, die hier einen Bischof haben, 3000 Griechen
und 1000 Israeliten, und ist noch immer eine bedeutende Handelsstadt. Jedes der 84 Mahallen (Bezirke)
der Stadt hatte ehedem seine Dschamieh oder große Moschee; sonst sind von größern Bauwerken 17 oder 18 Chans, aber nur
drei Bäder vorhanden. AußerWachs und Gelbbeeren sind vorzüglich die Felle und Wolle der langhaarigen, auf
den umliegenden Höhen gezüchteten Angoraziege (s. d.) ein gesuchter und kostbarer Artikel. Bei Angora besiegte 1402 Timur den osman.
SultanBajazet. - Seit 1893 geht die (mit deutschem Kapital gebaute) Bahn von Skutari über Ismid bis Angora.
im Rauchwarenhandel sowohl die Felle oder Vließe der Kämelziege (s.
Angoraziege) als auch die der persischen Ziege.
Man benutzt die Angorafelle teils weiß (naturell) zu Besätzen, teils verschieden gefärbt
als kleine Teppiche, Bettvorlagen u. dgl. Die Angoradecken des Handels stammen aber meist von dem engl. Southdownschafe.
Kämelgärn, Mohairgarn, das aus der Angorawolle (s. d.) gesponnene Garn; es wird seit alter
Zeit in der Stadt Angora und Umgegend durch Handarbeit in verschiedenen Feinheitsgraden gewonnen und wurde früher in großen
Mengen, nebst daraus gewebten Zeugen (Kamelott, Serge, Shawls) nach Europa
[* 30] gebracht. Jetzt ist die Einfuhr schon längst
in Abnahme begriffen, auch wird ein Teil der eingeführten Rohwolle in Europa selbst versponnen. Außer
zu den oben angegebenen Geweben verwendet man das Angoragarn noch zu Plüschen und Posamenten. Der Name ist vielfach auf Gespinste
übertragen worden, die aus der langen (nur schwach gekräuselten) Wolle des Landschafs nach Art des Kammgarns hergestellt
wurden.
Angorahaar, Kämelhaar (frz. poil de chèvre; engl.
mohair), das Haar
[* 32] der Angoraziege (s. d.);
es wird aber häufig mit dem Haar anderer orient. Ziegen, das jedoch viel weniger
wertvoll ist, verwechselt. Die Haare
[* 33] der echten Angorawolle sind fein, sehr weich, seidenartig glänzend und krauslockig; meistens
ganz weiß, zuweilen grau und am seltensten schwarz. Letztere Sorte sowie die weiße sind am meisten
geschätzt. Eine geringere Sorte ist die sog. Wickelwolle (frz.
pelotage).
Unter dem Mikroskop
[* 34] sieht man die Cuticulaplättchen bei der echten Angorawolle fast immer deutlich, sie besitzen
im allgemeinen die Breite
[* 35] des Haars und haben eine zackige Kontur. Die Markschicht ist in manchen Haaren fast zusammenhängend
sichtbar, in andern findet sie sich nur inselartig angedeutet. Die Breite der Angorawolle schwankt zwischen 0,027 und 0,054 mm, sie
beträgt meist 0,044 mm. Die Länge beträgt 15-20 cm, zuweilen auch 30 cm und mehr. Das Gewicht eines Vließes schwankt zwischen
1250-2500 g. Früher glaubte man, daß dieses lange Seidenhaar die Grannen wären,
jetzt weiß man, daß es das eigentliche Wollhaar ist, welches das Übergewicht über die Grannenhaare erlangt und letztere
fast gänzlich verdeckt; bei andern langhaarigen Ziegen ist gerade das Umgekehrte der Fall. Die Gesamtausfuhr von Angorawolle erhebt
sich nicht über 2500 Ballen jährlich.
auch Kämelziege (vom arab. chamal, fein), eine Abart der gemeinen Ziege (CaprahircusL.), die man auch als eigene Art (Hircus angorensis) betrachtet, mit großen hängenden Ohren und langem Haar, welches ein
seidenweiches Vließ bildet. Die Farbe ist meistens weiß, ins Gelbliche spielend, doch kommen auch schwarze, braune und gefleckte
Tiere vor. Die Angoraziege ist größer und stärker als die europ.
Ziege; der Bock
[* 36] zeichnet sich namentlich durch seine scharf gekanteten, wagerecht doppelt gewundenen, starken Hörner aus.
IhrenNamen hat sie von der Stadt Angora. Nur die längere Wolle des Vließes, von welchem das Stück bei der zweimaligen Schur
jährlich kaum 3 Pfd. liefert, kann zur Herstellnug des Angoragarns benutzt werden, aus welchem man den
Kamelott (s. d.) webt. Die kürzern, steifen Grannenhaare werden zu groben Filzen
verwendet; das Fell wird zu Korduan und Saffian verarbeitet. Die Angoraziege weiden gewöhnlich mit den Schafen zusammen und bilden
deren Schützer und Führer, wie dies im ganzen Orient, die Krim
[* 37] und Südrußland eingerechnet, überall
üblich ist. Schon häufig wurde der Versuch gemacht, die in Europa einheimisch zu machen, nicht ohne Erfolg; es wird behauptet,
die Wolle sei in Frankreich feiner geworden. Die franz. Regierung hatte 1818 und 1820 von Jaubert und
Polonceau Angoraziege ankaufen und in das Ziegengebirge des Mont-Dore verpflanzen lassen; die
dortigen Kolonien sowie die im Gebirge des Escurial in Spanien liefern bedeutenden Ertrag.
die Rinde von Galipea officiinalis Hancock, einem in Südamerika wachsenden Baume aus der Familie
der Diosmeen, nach der Stadt Angostura benannt, wurde früher vielfach gegen Verdauungsstörungen, Ruhr und Wechselfieber angewandt,
neuerdings aber nicht mehr, weil sie öfters mit der giftigen Rinde von Strychnus nux vomicaL. verfälscht im Handel vorkam.
Die Angosturarinde schmeckt gewürzhaft bitter und gehört in die Klasse¶
1) Arrondissement im franz. Depart. Charente, hat 1954,65 qkm, (1891) 137 167 E., 36 Gemeinden und zerfällt
in die 9 Kantone I und Angouleme II mit 342,42 qkm und 25 170 und 39 965 E.), Blanzac (230,54 qkm, 8581 E.), Hiersac
(156,57 qkm, 7835 E.), Montbron (236,18 qkm, 11 357 E.), La Rochefoucauld (256,17 qkm, 13 945 E.), Rouillac (230,88 qkm, 11 002 E.),
Saint-Amant-de-Boixe (177,05 qkm, 8890 E.), Villebois-la-Valette (324,84 qkm, 10 422 E.). - 2) Angouleme, Hauptstadt
des Depart. Charente und Arrondissements Angouleme, auf einem Plateau am Zusammenfluß des Touvre mit der Charente, an den Linien Paris-Bordeaux
der Orléans-Nantes-Angouleme (338 km) und Angouleme-Rouillac (37 km) der Franz.
Staatsbahn, hat (1891) 28 515, als Gemeinde 34 690 E., in Garnison das 107. Infanterie-, 21. und 34. Feldartillerieregiment.
Die alte, winklig geballte Stadt liegt nördlich, die neue Stadt südlich, während die sechs Vorstädte sich an den statt
der Festungswerke mit Terrassen und Promenaden versehenen Abhängen bis in die Ebene erstrecken. Bemerkenswert
sind die schöne Kathedrale St. Peter (1101-36 erbaut), die Präfektur (ehemals bischöfl. Palast), das prachtvolle Rathaus,
1858-63 an Stelle des alten Schlosses erbaut, das Theater,
[* 39] das Hospital, das Findelhaus,die ehemalige Marineschule, die Statuen
von Margarete von Valois und des ArztesJean Bouillaud. Angouleme ist Sitz des Bischofs, des Stabes der 23. Infanteriedivision,
der 46. Infanterie- und der 12. Feldartilleriebrigade und hat ein Lyceum, zwei theol.
Seminare, öffentliche Bibliothek im Justizpalast (16000 Bände und viele Handschriften), botan. Garten,
[* 40] mehrere wissenschaftliche
Gesellschaften und religiöse Brüderschaften; Fabrikation von Papier, Lack und Waffen,
[* 41] Wachsbleichen, Branntweinbrennereien
und Handel mit Papier, Getreide,
[* 42] Wein, Branntwein (jährlich 150000 hl), Hanf, Flachs, Trüffeln, Kastanien,
Seife, Salz,
[* 43] Kork,
[* 44] Stabholz, Eisen- und Kupferwaren. In der Nähe Wein- und Safranbau, sowie die Pulvermühle von Therouat mit 17 Werkstätten. 6 km
entfernt die 1750 gegründete Geschützgießerei von Ruelle, die jährlich ungefähr 680 Rohre liefert.
Angouleme, das alte Inculisma in Aquitanien, später Ecolisma oder Encolisma genannt, ist die ehemalige Hauptstadt
der GrafschaftAngoumois (s. d.) und seit 379 Bischofssitz. Chlodwig entriß 507 die Stadt
den Westgoten und gründete eine Kathedrale. Schon damals bedeutend, spielte die Stadt auch in den folgenden Jahrhunderten
eine wichtige Rolle in der Kriegsgeschichte; von 1527 bis 1530 hielt sich Calvin in Angouleme auf, und während
der Religionskriege nahmen die Protestanten wiederholt die Stadt ein. -
Vgl. F. Corlieu, Recueil en forme d'histiorie de la
ville et comtes d'Engolesme (Angoulême 1566).
(spr. -gulähm), Charles de Valois, Graf von Auvergne, Herzog von, geb. ein natürlicher Sohn Karls
IX., ward 1589 (Malteser-) Großprior von Frankreich, trat aber aus dem Orden
[* 45] und erhielt 1619 das Herzogtum
Angoulême. Er gehörte anfangs zu den tapfersten Anhängern Heinrichs IV., ließ sich aber bei der Verschwörung seiner Halbschwester
Berneuil in Umtriebe gegen Heinrich ein, wurde 1605
zum Tode verurteilt, aber zu ewigem Gefängnis begnadigt und 1616 in
Freiheit gesetzt. Er ging 1620 als Gesandter zu Kaiser Ferdinand II., kommandierte 1628 vor Rochelle, kämpfte mit Auszeichnung
in Languedoc, Deutschland
[* 46] und Flandern und starb Die «Mémoires du duc d'A.
pour servir à l'historie des règnes de Henri III et IV» (1662) mögen vielfach auf seinen Mitteilungen
beruhen, ohne daß er sie wirklich verfaßt hätte.
(spr. -gulähm), Louis Antoine de Bourbon, Herzog von, ältester Sohn des GrafenArtois, spätern Königs Karl
X., und der Marie Therese von Savoyen, geb. zu Versailles,
[* 47] wanderte 1789 mit seinem Vater aus und beschäftigte sich
in Turin
[* 48] vorzüglich mit artilleristischen Studien. Er trat 1792 in Deutschland kurze Zeit an die Spitze
eines Emigrantenkorps und ließ sich hierauf mit seinem Vater zu Edinburgh nieder. Von dort ging er nach Blankenburg im Braunschweigischen,
dann nach Mitau,
[* 49] wo er die Tochter Ludwigs XVI. heiratete, später nach Warschau,
[* 50] 1805 nach
Rußland, im Jahre darauf nach England.
Als 1814 die Verbündeten Frankreich betraten, erschien Angoulême 2. Febr. im brit.-span. Hauptquartier zu St.
Jean de Luz und erließ eine Proklamation an die franz. Armee. Unter engl. Schutze zog er 12. März in Bordeaux
[* 51] ein, wo er im Namen
des Königs Abschaffung der Konskription und aller drückenden Abgaben und völlige Religionsfreiheit versprach.
Nach dem Einzüge in Paris
[* 52] ward er Generaloberst der Kürassiere und Dragoner und Admiral von Frankreich, im März 1815 zum Generallieutenant
des Königreichs ernannt.
Nach der Rückkehr Napoleons von Elba erkämpfte er einige geringe Vorteile über die bonapartistischen
Truppen, ward aber 6. April bei St. Jacques zurückgedrängt, bei Pont-Saint-Esprit9. April zur Kapitulation und Entlassung seiner
Mannschaft genötigt, während er selbst mit einem Passierschein den Hafen von Cette gewann. Nach der zweiten Restauration
der Bourbons wurde von Ludwig XVIII. in die südl. Provinzen gesandt, um die religiösen und polit. Bewegungen
zu bewältigen.
Ein phlegmatischer, gering begabter Charakter, nahm Angoulême an der Politik wenig teil, und soweit er es that, als
Werkzeug der Ultraroyalisten und Ultramontanen. 1823 an die Spitze der franz. Armee gestellt, leitete er den Feldzug in Spanien,
um die konstitutionelle Partei niederzuwerfen, zog 24. Mai in Madrid
[* 53] ein und erhielt nach der Rückkehr
den Titel eines Fürsten von Trocadero. Infolge der Julirevolution unterzeichnete er zugleich mit seinem Vater zu Rambouillet
die Abdankungsakte vom zu Gunsten seines Neffen, des Herzogs von Bordeaux (Grafen von Chambord; s. d.). Nachdem die
Kammern Karl X. und seine Familie des Throns für verlustig erklärt hatten, folgte Angoulême seinem Vater nach
Holyrood, 1832 nach Prag,
[* 54] 1836 nach Görz.
[* 55] Als Karl X. starb, ließ sich von einem Teile der Legitimisten, die seinen Hofstaat
ausmachten, als Ludwig XIX. huldigen. Er starb in Görz. - Über sein Leben in der Verbannung
vgl. die Memoiren des Marquis Villeneuve, Charles X et Louis XIX en exil (Par. 1889).
Seine Gemahlin, Marie Therese Charlotte, Herzogin von Angoulême, geb. zu Versailles, zeigte früh
scharfen Verstand und kräftigen Willen. Nach langer Gefangenschaft in der Revolutionszeit wurde sie gegen
verschiedene Deputierte u. a., die Dumouriez den
¶
mehr
Österreichern überliefert hatte, zu Basel
[* 57] ausgewechselt, worauf sie bis zu ihrer Vermählung (1799) in Wien
[* 58] lebte. Sodann folgte
sie ihrem Gatten nach Rußland; dann, als KaiserPaul die Bourbonen auswies, nach England und hielt mit Ludwig XVIII.
den Einzug in Paris. Bei der Rückkehr Napoleons flüchtete sie nach England und ging dann nach Gent.
[* 59] Bei Ausbruch der Julirevolution war sie in einem Bade inBourgogne; verkleidet kehrte sie über Dijon
[* 60] nach St. Cloud zurück,
folgte Karl X. nach England, ging später nach Wien, 1852 nach Prag und 1836 nach Görz. Die letzten Lebensjahre brachte sie
mit ihrem Neffen, dem Grafen von Chambord, auf ihrer Herrschaft Frohsdorf bei Wiener-Neustadt zu, wo sie starb.
Napoleon nannte sie «den einzigen Mann der Familie Bourbon», Ludwig XVIII. «die moderne Antigone». Ihr «Mémoire écrit sur
la captivité ect.» erschien in neuer AuflageParis 1892, ihr «Journal (5 Oct 1789 - 2 Sept. 1792) corrigé
et annoté par Louis XVIII» zum erstenmal daselbst 1894. -
Vgl. Imbert de Saint-Amand, La duchesse d'A. (Par. 1887).
(spr. -gumŏá), altfranz. Grafschaft, die Umgebung von Angoulême (s. d.), bildet jetzt einen Teil des Depart.
Charente. Nach dem Aussterben des Grafengeschlechts 1218 mit Aymar Taillefer ging die Grafschaft durch die
Erbtochter Isabelle an das Haus Lusignan über. Als Hugo XIII. 1303 ohne männliche Erben starb, zog Philipp der Schöne die
Grafschaft ein, und seitdem diente sie zur Apanage und Betitelung von Angehörigen des königl. Hauses. So war Jean, der jüngste
Sohn Ludwigs von Orléans,
[* 61] Graf von Angoumois, dessen Enkel als Franz I. den franz. Thron
[* 62] bestieg. Durch letztern
wurde die Grafschaft 1515 zu einem Pairie-Herzogtum erhoben. Den Titel«Herzog von Angoumois» führte Franz' I. dritter Sohn, Charles,
der zweimal dazu bestimmt war, als Schwiegersohn Karls V. und Herrscher in Mailand
[* 63] den Frieden zwischen der span.
und franz. Macht zu befestigen, und als Herzog von Orléans 1545 starb. Auch Karl IX. nannte sich so vor seiner Thronbesteigung.
-
Vgl. Marvaud, Études historiques sur l'A. (Par. 1836);
[* 64] Hauptstadt der portug. InselTerceira und des ganzen Archipels der Azoren, an der Südküste
zwischen zwei, eine geräumige Hafenbucht einschließenden Landzungen, die mit Kastellen besetzt sind, und von denen namentlich
die westliche, Monte-Brazil, stark befestigt ist. Angra ist Sitz des Gouverneurs und des Bischofs der Inselgruppe, hat (1886) 14000 E.,
zahlreiche Kirchen, Kloster und eine Militärakademie. Sie führt seit 1640 den Zunamen «Sempre
legal cidade» seit 1834 den Titel «do heroismo» wegen ihrer standhaften Anhänglichkeit, die sie
namentlich 1830-32 im Kampfe gegen DomMiguel bewies. Auf der Festung
[* 65] von Angra saß der 1667 von seinem BruderDom Pedro gestürzte
König Alfons VI. eine Zeit lang gefangen.
(spr.-kehna), Hafen an der Küste von Deutsch-Südwestafrika (s. d.) unter 26° 27'
südl. Br. und 15° östl. L., im Innern sehr geräumig und geschützt liegend, im nördl.
Teile 9-13 m, im südlichen 4-6 m tief; für Seeschiffe ist die Einfahrt bei der Seal- und Penguininsel bequem und gefahrlos.
Trinkwasser fehlt, der nächste bedeutende Ort Bethanien ist durch eine weite, öde Sandwüste von der
Küste getrennt; der Verkehr hat sich seit 1884 derart gemindert, daß
die hier ansässigen deutschen Kaufleute 1887 wegzogen.
Die Penguininsel, welche der Kapkolonie gehört, lieferte 1884 für 400000 M. Guano. Der BremerKaufmann Lüderitz hatte hier 1883 eine
Faktorei und das Fort Vogelsang errichtet und das als Lüderitzland (s. d.) bekannte Gebiet
der Nama, das sich später zur KolonieDeutsch-Südwestafrika erweiterte, käuflich erworben. Am wurde hier durch
Kapitän Herbig von der Korvette Leipzig
[* 66] zum erstenmal auf afrik. Boden die deutsche Flagge geheißt.
Straße nach Amalfi. Südlich
von am antiken Mons
[* 70] Lactarius, etwa beim heutigen Lettere, erlitten (553) die Ostgoten unter Tejas durch Narses eine fast vernichtende
Niederlage.
die Front einer Festung, die einen Angriff gestattet. Unter den Fronten giebt es in der Regel einige,
deren Vorgelände die Ausführung von Belagerungsarbeiten nicht gestattet oder wenigstens in hohem Grade
erschwert, so daß ein förmlicher Angriff hier äußerst unwahrscheinlich ist. Die übrigen Fronten nennt man die wahrscheinlichen
der Festung; sie werden meist schon von Hause aus in Grundriß und Aufriß stärker angeordnet als die übrigen Fronten. Hat
der Belagerer den förmlichen Angriff gegen eine Front thatsächlich begonnen,so ist dies nunmehr die
wirkliche Angriffsfront, die nun noch nach Möglichkeit verstärkt wird.
der Angriff auf eine entwickelte, wohl gar vorbereitete und verstärkte Verteidigungsfront. Dieser
muß von seinen Anfängen an durch die Führung geplant sein; die Selbstthätigkeit des Einzelnen darf die Entwicklung nicht
dem Zufall preisgeben. Die Führung hat hier durch den Verzicht des Feindes auf den Angriff den Vorteil
erlangt, die Richtung und Art des Angriffs zu wählen; der planmäßige Aufmarsch geht dem Eintritt in das Gefecht voran. Der
geplante Angriff hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn ihm die Herbeiführung der Feuerüberlegenheit
gelingt.
Zunächst ist die artilleristische Feuerüberlegenheit anzustreben; sie soll den Weg für den Infanterieangriff bahnen. Die
Hauptmasse der Artillerie muß ihren Aufmarsch bereits vor dem Eintritt in den Kampf beendet haben; die Entfernung der ersten
Feuerstellung vom Feinde hängt von den Absichten der Führung, der Gefechtslage und dem Gelände ab. Erforderlichenfalls
muß auf nähere Schußweite (1500-2000 m) herangegangen werden. Sobald der Angriffspunkt der Infanterie bestimmt ist, muß
zur Vorbereitung des Angriffs ein überwältigendes Artilleriefeuer möglichst aus umfassenden Stellungen dorthin vereinigt
werden, während ein Teil der Batterien den noch kampffähigen Teil der feindlichen Artillerie niederhält. Unter dem Schutze
dieses Artilleriefeuers entwickelt sich der Infanterieangriff, wobei geeignete Stützpunkte vor derAngriffsfront
im Gelände zunächst zu erobern sind; unter dem Schutz derselben finden die größern Ent- ^[folgende]
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mehr
Wicklungen statt. Starke Schützenschwärme arbeiten sich an die feindliche Stellung heran und suchen dieselbe mit Feuer niederzukämpfen.
Sind die Schützen auf nahe Entfernung an die feindliche Stellung herangegangen, so müssen die ihnen folgenden Unterstützungen
möglichst nahe dahinter zum unmittelbaren Eingreifen bereit sein. Solange nicht die Überlegenheit im Feuer gewonnen ist
oder der Feind wesentlich erschüttert erscheint, ist der Angriff nur unter großen Verlusten ausführbar; es bleibt daher
vor dem letzten Stoße die Feuerwirkung abzuwarten.
Meist wird das auf die entscheidenden Punkte vereinigte überwältigende Feuer schon einen solchen Erfolg haben, daß der
letzte Anlauf
[* 72] nur noch gegen die vom Feinde schon geräumte oder nur noch schwach verteidigte Stellung
erfolgt. Sobald die Schützenlinie durch das höchste Maß der Feuerleistung in naher Entfernung den Sturm hinreichend vorbereitet
hat, gehen die hintern Staffeln ununterbrochen an die vorderste Linie heran, um mit dieser vereint den Kampf zur Entscheidung
zu bringen. Jetzt giebt es für die ganze Angriffsfront nur die eine Losung: Vorwärts! Unter dem Schlagen derTamboure und dem Signale «Rasch vorwärts!» werfen sich die stürmenden
Truppen auf den Feind. - Nach gelungenem Angriff besetzt die Infanterie die eroberte Stellung, und die Artillerie eilt zur Unterstützung
dorthin vor. Nach Mißlingen des Angriffs nimmt die Artillerie die zurückgehende Infanterie auf.
im Civilprozeß ein auf Verfolgung eines Anspruchs abzielendes Parteivorbringen, im Gegensatz zu einem
der Abwehr dienenden Vorbringen (Verteidigungsmittel).
Die wichtigsten Angriffsmittel bilden die Klagegründe, welche die Civilprozeßordnung
deshalb als selbständige Angriffsmittel bezeichnet (vgl. Civilprozeßordn. §§. 137,
251).
oder Offensive, das Bestreben, den Zusammenstoß mit dem Gegner durch Herangehen
an denselben absichtlich herbeizuführen; Verteidigungsverfahren (Defensive) dagegen der Entschluß, diesen Zusammenstoß
stehenden Fußes abzuwarten. Beide Arten können sich auf die gesamte Kriegführung beziehen (strategische Offensive und Defensive),
wie auch auf das Gefechtsfeld (taktische Offensive und Defensive). In beiden Fällen bietet das Angriffsverfahren folgende
Vorteile:
1) Belebung des moralischen Elementes durch das dreiste Vorwärtsgehen;
3) die Möglichkeit der Überraschung, indem der Angreifer den Gegner durch Scheinbewegungen (Demonstrationen) über die Richtung
des Hauptangriffs täuscht und mit überlegenen Kräften gegen den gewählten Angriffspunkt auftritt, bevor der Verteidiger
dort entsprechende Widerstandskräfte gesammelt hat;
4) im Falle des Erfolges ist sofort die wirkliche Entscheidung gegeben, während in der reinen Defensive der Erfolg an sich
nur die Aufschiebung der Entscheidung bedeutet. Diesen Vorteilen der Offensive stehen auch Vorteile der Defensive gegenüber,
und zwar kommen der strategischen Defensive zu gute:
1) die Kenntnis des eigenen Landes und die bequeme Ausnutzung seiner Hilfsmittel;
2) die Anlehnung an die vorhandenen Befestigungsanlagen und 3) die Unterstützung durch die Landeseinwohner;
desgleichen sind als Vorteile der taktischen Defensive anzusehen:
1) die freie Wahl einer vorteilhaften Stellung und das genaue Bekanntmachen mit ihren örtlichen
Eigentümlichkeiten;
2) die Möglichkeit, diese Stellung künstlich zu verstärken;
3) die Möglichkeit einer bessern Ausnutzung der vervollkommneten Feuerwaffen, die durch den ausgeruhten Zustand der
Truppen und ihre genaue Bekanntschaft mit den Entfernungen des Schlachtfeldes gegeben ist.
Die Vorteile des Angriffsverfahren sind also mehr moralischer und intellektueller, die des Verteidigungsverfahrens
mehr materieller Natur, daher ist von vornherein das Angriffsverfahren als die stärkere Form
zu betrachten, und zwar um so mehr, als es vollen Erfolg verspricht, wogegen das Verteidigungsverfahren im günstigsten Falle
nur die Entscheidung verschieben kann. Deshalb ist auch das reine Verteidigungsverfahren (passive Defensive) ein unbedingter
Fehler; es muß eben auch die Defensive nach augenblicklicher Abwehr des feindlichen Stoßes selbst zum
Gegenstoß übergehen (aktive Defensive). In Bezug auf die allgemeinen charakteristischen Formen der Offensive unterscheidet
man Frontalangriff (s. d.), Umfassung (s. d.) und Umgehung (s. d.), welche Formen jede für sich allein wie auch in verschiedenen
Kombinationen angewendet werden können. In Bezug auf die Absicht jeder Offensive unterscheidet man die
Decisive und die Demonstrative.
eine Form von Gemütsbewegung, die mit der Furcht (s. d.) die Gruppe der «depressiven»
(mit Unlustgefühlen einhergebenden) Erwartungsaffekte bildet, tritt bei Gesunden nur ein im Anschluß an die mehr oder weniger
klare Vorstellung einer unmittelbaren Gefährdung von Leib oder Seele oder ans Herz gewachsener (wenn auch
nur erhoffter) Besitztümer; während bei der Furcht die Vorstellung herrscht, daß eine solche Gefährdung eintreten könne.
Furcht und Angst geben ohne scharfe Grenze ineinander über (mit dem Herannahen der Gefahr steigert sich die Furcht zur und werden
deshalb im gewöhnlichen Sprachgebrauch oft nicht unterschieden; doch sind sie in ihren reinen Formen
leicht auseinanderzuhalten, sowohl mit Rücksicht auf Inhalt und Zustand des Bewußtseins als auf Grund der begleitenden körperlichen
Erscheinungen.
Das Angstgefühl charakterisiert sich besonders durch beigemischte körperliche Empfindungen: Druck in der Herzgegend (Präkordialangst),
Zusammenschnüren der Brust (Brustangst) oder auch der Kehle, eigenartige Empfindungen im Unterleib, Gefühl
allgemeiner Kraftlosigkeit u. s. w. Für die Furcht dagegen ist das Gefühl des Schauderns, kalter Überrieselung u. s. w.
charakteristisch. Die Denkthätigkeit kann bei Angst völlig aufgehoben sein, indem nur die angsterregende Wahrnehmung
das Bewußtsein erfüllt, oder es findet sich hochgradige Verwirrung bis zum Schwinden des Bewußtseins. Die Rückwirkungen
auf körperliche Funktionen bestehen bei der in erschwertem Einatmen und demgemäß beschleunigter oberflächlicher
Atmung, Beschleunigung oder unregelmäßiger stürmischer Beschaffenheit der Herzbewegungen, Verengung zahlreicher Pulsadern
(Blässe der Haut).
[* 74] In höhern Graden tritt Lähmung der willkürlichen
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