Anfechtung im Konkursverfahren kann außerdem auch in denjenigen Fällen erfolgen, in welchen eine Rechtshandlung
nach der
Zahlungseinstellung oder nach dem
Antrage auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder doch kurze Zeit vorher erfolgte
und nachgewiesen oder anzunehmen ist, daß der Empfänger von den erwähnten
Thatsachen oder von einer Vegünstigungsabsicht
des Schuldners Kenntnis hatte. In allen diesen Fällen soll die Befriedigung der
Gläubiger durch die
anfechtbare Handlung nicht gehindert werden, weil angenommen wird, den
Gläubigern stehe ein besserer
Anspruch als dem Anfechtungsgegner
zu
und sie würden eine ungerechtfertigte Benachteiligung erfahren, wenn die anfechtbare Handlung den Erfolg haben könnte,
ihre Befriedigung zu vereiteln.
Außerdem wird mit der Anfechtung das
Mittel gegeben, um ungerechtfertigten
Begünstigungen einzelner
Gläubiger
durch den Schuldner, welche auch Gratifikationen genannt werden, entgegenzutreten. Das
Recht der Anfechtung steht im Falle des Konkurses
dem Konkursverwalter, außerhalb des Konkursverfahrens jedem einzelnen
Gläubiger zu, dessen Forderung fällig ist und der
einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat. Im letztern Falle wird noch vorausgesetzt, daß die Zwangsvollstreckung
in das Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des
Gläubigers nicht geführt hat oder daß anzunehmen
ist, sie würde zu einer solchen nicht führen.
Die Anfechtung erfolgt dem Empfänger der Leistung, nicht dem Schuldner gegenüber und kann nicht bloß durch
Klage, sondern auch in anderer
Weise, insbesondere auf dem Wege der Einrede geltend gemacht werden. Die gegen den Empfänger
begründete Anfechtung findet gegen dessen
Erben und unter bestimmten
Voraussetzungen auch gegen andere Rechtsnachfolger statt (Konkursordn.
§. 33; Anfechtungsgesetz §. 11). Das Anfechtungsrecht des Konkursverwalters verjährt in einem Jahre von der
Konkurseröffnung an gerechnet (Konkursordn. §. 34). Bezüglich der Anfechtung außerhalb des Konkursverfahrens ist
(in §. 12) eine zehnjährige Verjährung vorgesehen, welche sich jedoch nur auf die Fälle der absichtlichen Benachteiligung
der
Gläubiger erstreckt.
Der Konkursverwalter kann sich, auch wenn er Klage erhebt, auf den
Antrag beschränken, daß die angefochtene Handlung
den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam erklärt werde. Bei der Anfechtung außerhalb des Konkursverfahrens
muß dagegen, sofern Klage erhoben wird, in derselben bestimmt angegeben werden, in welchem
Umfange und in welcher
Weise die
Rückgewähr seitens des Empfängers bewirkt werden soll. Diese Rückgewähr erfolgt bei der Anfechtung im Konkursverfahren
zur Konkursmasse, welcher alles zu ersetzen ist, was aus dem Vermögen des Schuldners herauskam, aus
welcher aber auch der Anfechtungsgegner seine Gegenleistung zurückerhält, soweit sich dieselbe noch in der Konkursmasse
befindet oder diese um ihren Wert bereichert ist.
Eine Forderung des Empfängers, welche durch die anfechtbare Handlung getilgt worden war, tritt hier infolge
der Rückgewähr wieder in Kraft.
[* 2] Außerhalb des Konkursverfahrens erfolgt die Rückgewähr in der
Weise, daß die zurückzugewährenden
Gegenstände dem
Gläubiger gegenüber so behandelt werden, als ob sie noch zum Vermögen des Schuldners gehörten, sonach
der von den
Gläubigern betriebenen Zwangsvollstreckung unterliegen. Wegen der Gegenleistung und wegen der untergegangenen
Forderung muß sich der Empfänger in diesem Falle an den Schuldner halten. Der gutgläubige Empfänger
einer
unentgeltlichen Leistung braucht dieselbe bei beiden
Arten der Anfechtung nur insoweit zurückzugewähren, als er durch dieselbe
bereichert ist.
In
Österreich
[* 3] ist die Anfechtung im Konkursverfahren und außerhalb desselben durch ein Gesetz vom geregelt
worden, dessen Vorschriften im allgemeinen denjenigen nachgebildet worden sind, welche im
DeutschenReiche
gelten.
Anheizung,Ansteckung, in der
Technologie die erstmalige Erhitzung eines dauernd in Betrieb bleibenden
Apparates,
in dem während seiner ganzen Benutzung
Glühhitze zu erhalten ist. Hierher gehören den verschiedensten Zwecken
dienende Öfen,
[* 4] so die Retortenöfen der
Gasanstalten, die Flammöfen der Sodafabriken, die verschiedensten Schmelzöfen.
Die Anfeuerung hat allmählich zu erfolgen, um das
Mauerwerk, dessen Mörtel aus feuerfestem
Thon besteht, gleichmäßig auszutrocknen
und um jeder ungleichmäßigen
Ausdehnung
[* 5] desselben, die Risse und
Sprünge hervorrufen würde, vorzubeugen. Nach und nach
wird die Hitze weiter gesteigert, bis endlich die für die Einleitung des eigentlichen Betriebes erforderliche
Temperatur erreicht ist. Zuweilen beansprucht die Anfeuerung eine Woche oder noch längere Zeit. Die Anfeuerung einer
Lokomotive
[* 6] dauert 2-4
Stunden. Dampfspritzen sind in 5-7 Minuten angeheizt. - in der
Feuerwerkerei, Mehlpulver, mit
Spiritus
[* 7] verrieben und dann getrocknet; ist erheblich leichter entzündlich als gewöhnliches
Schwarzpulver.
in der Forstwissenschaft der durch natürliche Besamung im
Walde auf
Schlägen oder in
Beständen entstandene
junge Nachwuchs von Holzarten, deren leichter Samen
[* 8] vom
Wind fortgeführt wird. Hauptsächlich liefern Anflug die
Nadelhölzer,
[* 9] deren Samen mit Flügeln versehen ist. (S.
TafelNadelhölzer:
Waldbäume VII.) Auch manche
Laubhölzer,
wie Rüstern,
Eschen,
Ahorn,
Birken, Hornbaum haben geflügelten Samen (s. die
TafelnLaubhölzer:
WaldbäumeI, II, III), die
Erlen
tragen einen nur sehr schmal oder gar nicht geflügelten, aber ebenfalls leichten,
Pappeln und
Weiden einen sehr kleinen, leichten
mit einem Haarschopf umhüllten, weit fliegenden Samen. (S.Aufschlag.)
In der Mineralogie heißt Anflug,
Anlauf
[* 10] oder
Beschlag, eine auf der Oberfläche mancher
Mineralien
[* 11] eintretende Farbenveränderung.
Der andersfarbige
Überzug entsteht entweder durch beginnende chem. Umänderung, wie beim
Silber,
Pyrit u. s. w., oder durch
einen zarten Niederschlag fremder
Substanz, z. B.
Eisenoxydhydrat (Rost) auf
Bergkrystall. Ob das eine oder das andere der Fall
ist, muß bei jedem
Beispiel festgestellt werden. Ein mehrfarbiger (bunter) Anflug wird oft mit «pfauenschweifig»,
«taubenhälsig», «regenbogenfarbig»
bezeichnet. Eine besondere Art von Anflug ist die Efflorescenz (s.
Auswittern).
Pasquale,Komponist, geb. 1729 zu Neapel,
[* 12]
Schüler Sacchinis und Piccinis, errang 1773 mit der
Oper «Incognita
persegnitata» seinen ersten Erfolg. Die beiden bald darauf folgenden Werke «La
tinta giardiniera und »Il geloso in cimento" wurden Lieblingsopern ihrer Zeit. Von seinen zahlreichen spätern
Opern drangen
erst wieder «L'avaro», «Il curioso
indiscreto» und «I viggiatori felici» durch. Diese Werke zeichnen
sich durch
Talent zur
Komik,
Geschmack und eine eigene Kunst zu
¶
mehr
entwickeln und zu steigern aus. Anfossi hat auch Oratorien und Psalmen komponiert, die jedoch unbedeutend sind. Er
war lange Zeit Operndirektor in London
[* 14] und starb 1797 zu Rom.
[* 15]
(Gänsefüßchen, frz. guillemets), zwei Paar Strichelchen („-“) oder Häkchen («-»
auch «-»),
welche dazu dienen, die Gedanken oder Worte jemandes, specielle Bezeichnungen, Buchtitel u.
dgl. hervorzuheben. Im Englischen stehen die Anführungszeichen (inverted commas, signs of quotation) stets über der Linie und sind
teils doppelte Häkchen («-»),
«Auch in Deutschland
[* 16] bedient man sich solcher einfachen Zeichen, um in
einem angeführten Satz vorkommende 'Anführungen' hervorzuheben», wie dies in dem letzten Satz geschehen.
der bedeutendste rechte Nebenfluß des Jenissei in Sibirien, entspringt als Obere Angara auf dem Gebirgszug Muiskij,
einem Ausläufer der Daurischen Berge unter 57° nördl. Br. und 114°56' östl. L. von Greenwich im NO.
des Baikalsees, tritt unweit von dessen Südwestende durch einen engen Felsenpaß als Angara heraus. Nach Vereinigung mit dem
Ilim heißt der Fluß Obere Tunguska. Er läuft dann gegen N. über Irkutsk und mündet nach einem Laufe
von 2080 km. Die Breite
[* 19] der mit 400 Inseln erfüllten, 4-9 m tiefen Angara schwankt zwischen 490 und 2600 m; bei Irkutsk und nahe
vor der Mündung ist sie am schmalsten.
Offenbar ist die der Hauptstrom, der den fünffach geringern, langsam fließenden Jenissei aufnimmt. Die Angara ist
sehr fischreich, in ihrem ganzen Verlaufe schiffbar, mit Einschluß des Sees auf eine Strecke von 2255 km.
Für Dampfer ist nur die Strecke zwischen Ilim und dem See, sowie der See selber zugänglich, mithin 1355 km. Das
Haupthindernis der Schiffbarkeit der Angara bilden die Stromschnellen unterhalb Bratskij-Ostrog. Die Strömung des Flusses
ist sehr reißend. Die Angara friert bei Irkutsk durchschnittlich 11. Jan. zu und wird frei vom Eise7. April. Nebenflüsse sind: links
der 350 km lange Gebirgsstrom Irkut, die Kita, Bjelaja, Oka und Tasjejewa;
rechts die Kunda, Janda, der Ilim und Tschadobez.
Die Angara wurde 1043 von dem Kosaken Kurbat Iwanow entdeckt; 1045 befuhr sie Kolesnikow bis zum
Baikalsee.
(vom pers. gara, Frondienst), im alten PersischenReiche reitende Boten, die Regierungsbefehle und Nachrichten
im Interesse des Staates nach und von den Hauptorten der pers. Monarchie zu befördern hatten. Herodot und
Xenophon nennen die Einrichtung Angareion und erwähnen, daß in der Entfernung je eines Tagerittes Stationen
(angara) errichtet waren. Sobald eine königl. Botschaft eintraf, wurde sie sofort von einem reitenden Boten bis zur nächsten
Station befördert und dort dem zweiten Kurier übergeben u. s. f. bis
zum Bestimmungsort.
Xenophon schreibt diese Einrichtung dem Cyrus zu, der so seine Befehle schnell und sicher den Satrapen
in den Provinzen übermitteln und sich jederzeit von dem Zustande des weiten Reichs unterrichten wollte. Herodot erwähnt der
Straße vonSardes nach Susa, auf der für die Entfernung von 450 Parasangen (2500 km) 111 Stationen bestanden. Den ganzen Weg
legten die in sechs Tagen zurück. Das Angareion wurde auch von Alexander d. Gr. und seinen Nachfolgern,
namentlich von Antigonus, wie Diodor berichtet, unterhalten; später hat die Einrichtung als Vorbild für die von Augustus
begründete röm. Staatspost (cursus publicus) gedient und ist auch von Karl d. Gr. nachgeahmt worden; sie kann also als
der Anfang des Postwesens betrachtet werden. - Angarien (angaria), zur röm. Kaiserzeit die den
Grundbesitzern obliegende Pflicht, für Staatszwecke und zur Beförderung des Kaisers und seines Gefolgs auf den Landstraßen
Fuhrwerke und Träger
[* 20] zu stellen. Eine Steigerung dieser Verbindlichkeit war die Beihilfe zu öffentlichen Transporten, selbst
wenn der Zug
sich nicht mehr auf der Landstraße bewegte (Parangarien). Im Mittelalter hießen Angaroi zunächst
Wege- und Spanndienste, ohne Unterschied, ob sie für öffentliche Zwecke oder sonstige Berechtigte geleistet wurden; dann
aber auch sonstige Fronen, selbst die Steuern, die die Unterthanen ihren Herren an den Quatembern zu entrichten hatten.
eigentlich, was der Mensch mit zur Welt bringt, seine Körperbeschaffenheit und etwa
noch eine besondere geistige Anlage. - Angeborene Ideen (Begriffe) oder Erkenntnisse wurden lange Zeit von der Schulphilosophie
im Anschluß an die PlatonischeLehre,
[* 21] die das Wissen als Wiedererinnerung betrachtet, angenommen. Danach wären gewisse Grundbegriffe
und Grunderkenntnisse von Geburt an in uns ohne Zuthun irgendwelcher Erfahrung. Gegen diese Ansicht richtet
sich die Kritik Lockes (s. d.). Von andern, so denStoikern, Descartes und Leibniz, wurde angenommen, daß zwar die Anlage zu
solchen Begriffen und Einsichten von Haus aus in uns sei, ihre Entwicklung aber der Hilfe der Erfahrung bedürfe. Kant lehnt
das Angeborene überhaupt ab und verwahrt sich ausdrücklich gegen die Verwechselung des Apriorischen
mit dem Angeborenen (s. A priori).
Sie sind
entweder durch die Zeugung schon eingepflanzt (Bildungsfehler) oder während des Fruchtlebens, z. B. durch Krankheiten des
Fötus, eingetreten, oder während des Geburtsakts entstanden, z. B.
durch eine in den Geburtswegen der Mutter mitgeteilte Ansteckung, oder durch die geburtshilflichen Eingriffe.
Im Gegensatz dazu stehen
die erworbenen Rechte, welche der Einzelne dadurch erlangt, daß er in besondere Verhältnisse tritt, z. B.
das Kindesverhältnis zu Adoptiveltern;
Vermögensrechte, welche aber auch mit der
¶
1. Rutenangel mit Roller (a), Vorfach (c-d), Blei (b) und Köder.
Geburt erworben werden können, z. B. das Recht der Nachfolge in ein Familienfideikommiß, das Recht eines Erbprinzen auf den
Thron;
[* 25] alle Rechte, welche aus Rechtsgeschäften, durch Vererbung, durch Begründung von Familienverhältnissen, durch eigene
Handlungen und durch den Eintritt rechtsbegründender Thatsachen erworben werden. In einem andern Sinne spricht man von angeborenen
Rechten, wenn man den Einzelnen der Rechtsordnung gegenüberstellt, als leiteten sich die Rechte des Einzelnen
auf Leben, Freiheit, Erziehung, Unterhalt, Arbeit u. s. w. nicht aus der Rechtsordnung her, sondern als habe die Rechtsordnung
selbstverständlich diese angeborenen Rechte zu schützen.
Das sind etwa die allgemeinen Menschenrechte (s. d.) der Französischen Revolution. Allein alles dieses
sind ideale Anforderungen an die Rechtsordnung. Eine Rechts- und Gesellschaftsordnung ist unsittlich, wenn sie die Sklaverei
duldet, sie trägt nicht die Gewähr der Dauer in sich, wenn sie dem Einzelnen nicht den Grad geistiger, sittlicher, wirtschaftlicher
Freiheit einräumt, welcher dem derzeitigen Kulturzustand entspricht. Aber Rechte des Einzelnen, auch angeborene Rechte, entspringen
erst aus der historisch gegebenen Rechtsordnung. Geschichtlich reifen die Rechtsordnungen der Staaten und Völker nur langsam
dem idealen Ziele der Vollkommenheit entgegen.
(Anevelle), die Einkünfte des Lehns, welche während der Unmündigkeit des Vasallen dem Lehnsherrn als Lehnsvormunde
zustanden, wobei es diesem gestattet war, dieselben, wenn er selbst sie nicht beziehen wollte, einem andern zu verleihen.
Diese nutznießerische Vormundschaft des Lehnsherrn hat sich jedoch zeitig verloren, indem der gewöhnliche, nicht notwendig
lehnsfähige Vormund das Interesse des Mündels auch in betreff der Lehngüter wahrnahm. Einzelne Partikularrechte haben
die Lehnsvormundschaft mit Angefälle beibehalten. In einem weitern Sinne versteht man unter Angefälle das gesamte den
zu bevormundenden Personen anfallende Vermögen oder auch Anfall (s. d.), Erbanfall, angefallenes Gut überhaupt.
Für das Gebiet des Strafrechts, für welches die Bestimmungen des Reichsstrafgesetzbuchs in Anwendung
kommen, wird der Begriff der in §. 52 dahin bestimmt, daß darunter fallen Verwandte und Verschwägerte
auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und Pflegeeltern und -Kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten und Verlobte. Drohungen,
welche mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben eines dieser Angehörige verbunden waren, oder ein mit
gleicher Gefahr verbundener unverschuldeter Notstand schließen die Strafbarkeit der infolge der Drohung
oder zur Rettung aus dem Notstand begangenen That in demselben Maße aus, als wenn der Thäter unmittelbar von der Drohung oder
dem Notstand betroffen worden wäre (§§. 52, 54 des Reichsstrafgesetzbuchs).
Ebenso tritt beim TotschlageStrafmilderung ein, wenn der Thäter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder
einem Angehörige zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Getöteten gereizt auf der Stelle zur That hingerissen wurde
(§. 213). Ferner bleibt Begünstigung einer begangenen Strafthat straflos, wenn dieselbe dem Thäter oder Teilnehmer von einem
Angehörige gewährt worden ist, um ihn
der Bestrafung zu entziehen (§. 257). Diebstahl, Unterschlagung, die Besitzentwendung
aus §. 289 und der Mundraub, welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie, von Ehegatten
gegeneinander begangen werden, bleiben straflos (§§. 247, 370 3). Im übrigen wird Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Jagdvergehen
gegen Angehörige nur auf Antrag verfolgt (§§. 247, 263, 292). In allen diesen Fällen, sowie bei den überhaupt
nur auf Antrag verfolgbaren Fällen der Körperverletzung und bei der Sachbeschädigung ist die Zurücknahme des gegen Angehörige gestellten
Strafantrags zulässig (§§. 232, 303).
In der Deutschen Strafprozeßordnung wird bei den Bestimmungen über Zeugnisverweigerung (s. Zeuge)
der Begriff in weiter gehendem Sinne (§§. 51, 54), an andern Stellen ohne juristisch-technische Bedeutung
§§. 98, 106, 322, 486) gebraucht. - Über den Begriff von in der deutschen socialpolitischen Gesetzgebung und die Versorgung
der s. die Artikel: Krankenversicherung, Unfallversicherung, Invaliditäts- und Altersversicherung.
im Bauwesen der in den Pfosten festsitzende Teil des Beschlages (s. d.) von Thüren, Thoren,
Fenstern und Läden, über welchen die an den Flügeln angebrachten Hohlcylinder (Angelbänder) gesteckt werden, so daß die
Flügel sich seitlich frei bewegen können.
Bei großen Thoren bringt man öfters ihrer Schwere wegen in der Drehungsachse
oben und unten Angelpfannen an, in welchen Angelzapfen sich bewegen. - in der Fischerei,
[* 26] s.
Angelfischerei. - Angel, Verlängerung
[* 27] am Amboß (s. d.).
Merici (spr. andschela merihtschi), s. Ursulinerinnen. ^[= Genossenschaften von Frauen, die sich mit Armen- und Krankenpflege, namentlich aber mit Mädchenunte ...]
eigentlich Ciudad de los Angeles, Hauptstadt des Depart. Laja und der ProvinzBiobio in Chile,
[* 28] in der Ebene
zwischen den Flüssen Laja und Biobio in einer fruchtbaren Gegend, hat (1885) 8279 E. Gegründet 1739 und
durch ein Fort gegen die Araukaner geschützt, hat Angeles erst in den letzten Jahren zugenommen.
Östlich der Stadt die schnell
aufblühende deutsche KolonieHuman.
das Fangen der Fische
[* 29] mit der Angel, ist eine uralte Kunst, die in allen Kulturländern als
wichtiger Teil des Fischereigewerbes und des Weidwerks einen hohen Grad von Vollkommenheit erlangt hat. Das gebräuchlichste
Gerät zum Angeln ist die Rutenangel, die meist aus drei Teilen: der Rute, der Leine oder Schnur und dem Vorfach mit dem Haken
besteht. (S. Tafel: Angelfischerei,
[* 24]
Fig. 1.) Eine gute Angelrute muß aus starkem, geschmeidigem Holz
[* 30] gefertigt
sein und ist der Bequemlichkeit halber gewöhnlich aus mehrern auseinandernehmbaren Stücken zusammengesetzt. Die aus Pferdehaaren
oder Seide
[* 31] geflochtene Schnur muß recht lang sein; sie wird am besten durch an der Rute befestigte Ringe geleitet und kann
durch einen gleichfalls an der Rute angebrachten Roller
[* 24]
(Fig. 1a) beliebig verkürzt
oder verlängert werden. Das Vorfach
[* 24]
(Fig. 2) oder das letzte ablösbare Stück der Schnur, das an seinem Ende den Haken trägt,
wird aus starkem Material hergestellt, häufig aus Draht,
[* 32] um das Abbeißen des Hakens durch den Fisch zu verhindern, und ist
durch etwas Blei
[* 33] (Fig 1b) beschwert. Die durch einen sog. Wasserknoten
[* 24]
(Fig. 3a) oder durch sog. Anwinden
(Fig 3b) am Vorfach befestigten Haken selbst, bei uncivilisierten Völkern
¶
mehr
aus Knochen,
[* 35] Fischgräten oder Muschelstücken, sonst aus Metall gearbeitet, haben je nach der Natur der zu angelnden Fische
verschiedene Gestalt und Größe
[* 34]
(Fig. 5 a-e). Die wichtigsten Arten des Rutenangelns sind die Grundfischerei und die Fliegenfischerei.
Zu der erstern bedarf man einer Beschwerung des Vorfachs mit Blei und eines aus Kork
[* 36] (Fig. 4), Federspulen
oder Rohr verfertigten, verstellbaren Flosses, das den Köder in einer bestimmten Tiefe erhält und zur Beobachtung des Anbeißens
dient.
Bei einigen Fischen, z. B. Karpfen, Schleien, Barben, muß der Köder am Grunde liegen, andere, wie Barsche und Weißfische,
nehmen ihn nur aus der Mitte des Wassers. Für Weißfische kann man aus Brot,
[* 37] Ochsenhirn und andern Stoffen
geknetete Köder verwenden, für die meisten ist der zweckmäßig befestigte Regenwurm
[* 34]
(Fig. 6 a-d) die beste Lockspeise,
während größere Raubfische, wie der Hecht, mit kleinen, lebenden
[* 34]
(Fig. 12-14;
[* 34]
Fig. 13 Befestigung
des Köderfisches mit dreispitzigem Haken [13 a]) oder toten
[* 34]
(Fig. 8-11) oder künstlich nachgemachten
[* 34]
(Fig. 15-17) Fischchen oder Stückchen von Fischfleisch
[* 34]
(Fig. 7) gefangen
werden.
Die Fliegenfischerei (fly fishing) ist die interessanteste, aber auch schwierigste Angelweise und wird für lachsartige Fische
(Lachs, Forelle, Äsche) angewandt, besonders in England und Nordamerika,
[* 38] wo sie zu einem volkstümlichen Sport ausgebildet
ist. Als Köder verwendet man teils natürliche lebende, teils (und neuerdings fast ausschließlich)
mit großem Geschick hergestellte künstliche Insekten
[* 39] der verschiedensten Gestalt
[* 34]
(Fig. 18-22), die mit dem Haken verbunden
auf die Oberfläche des Wassers geworfen oder über derselben hin und her bewegt werden (Flugangel). Die besten Angelgeräte,
besonders Haken, verfertigt man in England (Birmingham,
[* 40] Kendal, Redditch) und in den Vereinigten Staaten
[* 41] (Boston
[* 42] und Philadelphia).
[* 43] Auch in China
[* 44] und Japan werden solche sehr praktisch angefertigt. - Neben der gewöhnlichen Rutenangel
giebt es Angeln ohne Ruten: Senk-, Wurf-, Grund-, Stand- und Legangeln. Über die Angelfischerei im Meere s. Leinenfischerei.
In England ward die Angelfischerei schon zu Eduards I. Zeit (um 1300) durch eine lange Reihe von
Verordnungen geschützt, und die engl. Litteratur ist reich an Schriften in Prosa und Versen über diese Belustigung. In Nordamerika
ist das Angeln ebenso wie die Jagd völlig frei. Die älteste Schrift über diesen Gegenstand ist das seltene «Book of
St.-Albans» (1486),
dessen zweite Ausgabe von 1496 einen Anhang enthält mit dem Titel «Treatyse of fysshinge wyth an angle»
von Juliane Berners, Bernes oder Barnes, der Priorin eines Nonnenklosters bei St. Albans, ausgezeichnet durch unerreichbare Einfachheit.
Vollständiger ist Isaak Waltons in dialogischer Form abgefaßtes Buch «The complete angler» (1653 u. ö.),
das später von anderer Hand
[* 45] fortgesetzt wurde und nach dessen Muster das geistvolle, anonym erschienene Buch des berühmten
Chemikers Humphry Davy verfaßt ist: «Salmonia or days offly fishing» (2. Aufl., Lond. 1828 u. ö.;
deutsch von Neubert, Lpz. 1840). Andere geschätzte engl. Schriften sind von Salter, Stoddart, Stewart. Deutsche
[* 46] Schriften:
d'Alquen, «Vollständiges Handbuch der feinern Angelkunst» (Lpz.
1862);
Horrocks, «Die Kunst der Fliegenfischerei auf Forellen und Aschen» (2. Aufl., Weim. 1879);
von Ehrenkreutz, «Das Ganze
der Angelfischerei» (15. Aufl., Quedlinb. 1894);
M. von dem Borne, «Illustriertes Handbuch der Angelfischerei» (Berl.
1875);
ders., «Wegweiser für
Angler» (ebd. 1877): ders., «Taschenbuch der Angelfischerei» (3. Aufl., ebd. 1892);
Heinrich von, Genre- und Porträtmaler, geb. in Ödenburg,
[* 48] war Schüler der WienerAkademie und bildete sich dann in Düsseldorf
[* 49] bei Em. Leutze aus. Hier entstanden: Maria Stuart bei Verlesung des Todesurteils
(1857), Ludwig XI. und Franz von Paula (1859), Antonius und Kleopatra, Jane Gray. 1862 ließ
er sich in Wien nieder, wo seine elegante Art des Vortrags mit dem Bild: Der Rächer seiner Ehre (1869)
zu einem durchschlagenden Erfolg kam. Doch verließ Angeli das Genre, nachdem er 1870 noch die Verweigerte Absolution gemalt, um
sich ganz dem Porträtfache zuzuwenden. Er malte vorzugsweise Fürstenbildnisse des österr., deutschen und russ.
Hofs. 1876 wurde er Professor einer Specialschule an der WienerAkademie. Die Berliner
[* 50] Nationalgalerie besitzt
von ihm das Bildnis des Generalfeldmarschalls von Manteuffel (1879), das Museum zu Breslau
[* 51] das des Feldmarschalls Moltke (1884)
und die Bildnisse des Kaisers und der Kaiserin Friedrich (1885). Auf der Internationalen Kunstausstellung zu Berlin
[* 52] 1891 sah
man Bildnisse des deutschen Kaiserpaares von ihm.
L., Engelwurz, Pflanzengattung aus der Familie der Umbelliferen
[* 53] (s. d.) mit nur wenigen, vorzugsweise in Europa,
[* 54] Nordasien und Nordamerika wachsenden Arien.
Die in Deutschland häufigste Art ist die auf feuchten Wiesen, an Bächen und Wäldern
vorkommende gemeine Engelwurz (Angelica silvestrisL.), ein oft lästiges Unkraut.
Die Früchte werden von den
Landleuten in gepulverter Form gegen Läuse gebraucht.
ein ätherisches Öl von kräftigem, aromatischem Geruch und brennendem Geschmack;
man hat zwei Arten: Angelikawurzelöl
und Angelikasamenöl, die sich nur im Geruch etwas unterscheiden.
Sie sind beide schwachgelb und dienen
zur Bereitung aromatischer Liqueure.
Das Wurzelöl ist das billigere.
Das beste liefern die Wurzeln des Erzgebirges, dann die
aus Thüringen und dem Harz, während das japanesische Angelikaöl schärfer im Geruch ist, der an Moschus erinnert.
der einzige genauer bekannte Bestandteil der Angelikawurzel von der Zusammensetzung
C5H8O2, gehört der Ölsäurereibe an. Zu ihrer Darstellung wird die zerkleinerte Wurzel
[* 55] mit dünner Kaltmilch ausgekocht,
die Flüssigkeit eingedampft, mit Schwefelsäure
[* 56] versetzt und mit Wasser anhaltend destilliert. Aus der übergebenden Flüssigkeit
scheidet sich beim Stehen die in wasserhellen, glänzenden Nadeln
[* 57] ab. Sie ist in heißem Wasser und Alkohol
leicht löslich, schmilzt bei 45° und siedet bei 185°. Bei längerm Erhitzen wird die in die nur durch sog.
räumliche Isomerie (s. Isomer) von ihr verschiedene Tiglinsäure (s. d.) umgewandelt und besitzt wie diese die Konstitution
der α-Methylcrotonsäure, CH3.CH:C(CH₃).COOH. Beide Säuren
¶
mehr
kommen als Ester mit Alkoholen im röm. Kamillenöl vor und werden leicht aus diesem gewonnen.
zusammengesetzter (SpiritusAngelicae compositus), ein durch Destillation
[* 59] erhaltener weingeistiger
Abzug von Angelikawurzel, Baldrianwurzel und Wacholderbeeren, in dem etwas Kampfer gelöst ist. Er ist offizinell und dient
zu belebenden Einreibungen sowie als Zusatz zu Bädern.
Engelwurzel, Theriakwurzel, Brustwurzel (lat. radix angelicae; franz. racine d'angelique;
engl. angelica root), der getrocknete Wurzelstock von Archangelicaofficinalis Hoffm.
oder AngelicaArchangelicaL. (s. Archangelica). - Die Pflanze wächst in den Bergwäldern Mitteleuropas, sowie auch in Schweden
[* 60] und Norwegen wild; man sammelt aber jetzt nur noch die Wurzeln der angebauten Pflanze. Als beste Sorte gilt
die sächsische Angelikawurzel aus der Gegend von Bockau bei Schwarzenberg; die Produktion der dortigen Kulturen soll sich auf 50000 kg
im Durchschnitt jährlich belaufen; 1887 soll die Ernte
[* 61] dort sogar über das Doppelte betragen haben, während die von 1889 sehr
knapp ausgefallen ist. Nächstdem folgt die von Thüringen und vom Harz, namentlich aus der Gegend voll
Cölleda, Jena,
[* 62] Gebesee, Quedlinburg
[* 63] und Gernrode. Die Wurzel wird erst im zweiten Jahre gegraben; die Entwicklung des Blütenschaftes
wird unterdrückt, was dem Wachstum des Wurzelkörpers zu gute kommt. - Die Handelsware besteht aus fingerlangen bis faustdicken,
in zahlreiche Äste aufgelösten Wurzelstöcken, die man zopfartig zusammengedreht hat.
Die Wurzel ist etwas schwammig, nicht holzig, ihre Farbe außen dunkel und graubraun, innen weiß. Auf dem Querschnitte zeigt
die dicke Rinde zahlreiche gelbe Balsamschläuche in den dunklern Baststrahlen. Der Holzkörper zeigt breite weiße Markstrahlen
und umschließt ein lückiges Mark. Die Angelikawurzel besitzt einen starken aromatischen Geruch und Geschmack. Verwechselungen
oder Verfälschungen mit der Wurzel der wildwachsenden AngelicasilvestrisL. dürften wohl kaum noch vorkommen, da diese einen
andern und schwächern Geruch besitzt und eine mehr graue als braune Farbe hat. Die Angelikawurzel ist offizinell; sie wird ferner zur
Bereitung aromatischer Liqueure sehr viel verwendet. Die wesentlichen Bestandteile der Angelikawurzel sind ein ätherisches
Öl (s. Angelikaöl), etwas Harz, mit ersterm zusammen den Angelikabalsam bildend, ferner Angelikasäure (s. d.) und Hydrocarotin
(früher Angelicin). - In neuester Zeit kommen auch aus Japan zwei Arten von in den Handel; die eine, Senkiga genannt, stammt
von Angelica refracta, die andere, Biyakushi genannt, von Angelica anomale; man kann sie nur zur Bereitung von ätherischem
Öl verwenden, das jedoch einen etwas abweichenden Geruch besitzt.
(Angelicae), Engelschwestern, die Mitglieder einer von der Gräfin Luise Torelli von Guastalla 1530 zu Mailand
[* 64] gegründeten, mit den Barnabiten (s. d.) in Verbindung stehenden Frauenkongregation zur Bekehrung und Belehrung
des weiblichen Geschlechts.
Sie erlosch im Anfange des 19. Jahrh. Dagegen besteht noch in Mailand ein Institut zur Erziehung
ärmerer adliger Mädchen unter der Leitung der gleichfalls von der Gräfin von Guastalla gestifteten Töchter Mariens oder
Guastallinen.
nach dem deutschen Volksstamme
der Angeln (s. d.) benannte Landschaft
in der preuß. ProvinzSchleswig-Holstein,
[* 65] grenzt im S. an die Schlei, im O. an die Ostsee, im N. an den Flens- burger Meerbusen.
Als westl. Grenze wird die Linie angesehen, wo der hügelige LehmbodenA.s an die westlich ungefähr in
gerader Richtung von Schleswig
[* 66] nach Flensburg
[* 67] vorbeistreichende Sandebene stößt. Die größte Ausdehnung von S. nach N. beträgt
gegen 40 km, die von O. nach W. 30 km, die Fläche gegen 830 qkm mit etwa 38000 E. Die Landschaft wird von zwei Eisenbahnlinien
durchschnitten; eine Fähre führt bei Missunde über die Schlei. Im Innern der Landschaft finden sich
größere Flächen ebenen fruchtbaren Landes, weniger häufig ausgedehnte Höhenzüge.
Die hervorragenden Hügel haben eine fruchtbare Lehmdecke und gewähren die schönsten Aussichten auf wohlbebaute Gegenden,
Meeresarme und die Ostsee. Die Fruchtbarkeit ist, namentlich im östl. Teile, außerordentlich. Die früher adligen Güter (20)
sind gegen die Menge Bauerndörfer verschwindend, die größern Höfe gewöhnlich in 11, die Bauernhufen
in 7-9 Schläge, Koppeln oder Kämpe eingeteilt; jede Koppel ist wie an der ganzen Ostküste Schleswig-Holsteins von einem mit
Gebüsch bepflanzten Erdwall (Knick) umgeben.
Die Einkoppelung macht das Viehhüten überflüssig. Auch die Fahrwege sind durch diese buschbepflanzten Wälle
eingeschlossen. Die wichtigste Einnahmequelle der Landschaft ist die Zucht des Rindviehs und der Schweine;
[* 68] ein großer Teil
des Kornertrags wird an das Vieh verfüttert. Angeln ist eine echte Grenzlandschaft. Die Bewohner haben größtenteils
erst im 19. Jahrh. statt der westjütischen (dän.)
Mundart das Niederdeutsche angenommen. Die südlichen Nachbarn an der Schlei (de Göntsider) sprechen
und verstehen seit langer Zeit nur Deutsch, und zwar in etwas anderer Mundart als die Angler.
Auch die Bauart der Häuser ist verschieden: südlich der Schlei sächs. Bauart, Wohn- und Wirtschaftsgebäude unter einem
Dache, ohne Schornstein, die Wirtschaftsräume der Straße zugekehrt;
in da- gegen die Wohnhäuser
[* 69] mit
der Seite der Straße zugekehrt, nie ohne Schornstein, das Wohnhaus
[* 70] ganz für sich gebaut, die Wirtschaftsgebäude an den Seiten
des geräumigen Hofplatzes belegen.
Die nördlichen Nachbarn jenseit des Flensburger Hafens sprechen nur dänisch. Die Bauart
ihrer Häuser dagegen stimmt im wesentlichen mit der der Angler überein. Die angelschen Dörfer sind
freundlich und durchweg geschlossen; hinter oder neben denselben befinden sich wohlgepflegte Gemüse- und Obstgärten mit
einer besondern Abteilung für Blumen, sowie schattengebende Bäume neben den Häusern. Außer den Grenzstädten Schleswig und
Flensburg hat Angeln nur eine kleine Stadt, Kappeln (s. d.). Unter den
Dörfern ist Süderbrarup wegen seines Jahrmarkts bekannt, der sich zu einem Volksfeste für sämtliche
Angler gestaltet hat.
(Angli), deutscher Volksstamm, bei Tacitus eins der sieben kleinern Völker, die den gemeinschaftlichen Kult der
Erdmutter Nerthus (s. d.) hatten. Sie saßen in der Landschaft Angeln (s. d.)
und westlich davon bis an die Nordsee. Im Verein mit den Jüten (den Euten des Tacitus und des «Witsithliedes»)
und Sachsen
[* 71] (Chauken) schifften sie in großer Anzahl im 5. Jahrh. nach England und ließen sich hier
besonders in den nördl. Teilen des Landes nieder, wo sie die Königreiche Ostanglien,
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Northumbrien und Mercia gründeten und dadurch die Benennung Angelsachsen (s. d.) und England (lat. Anglia;
angelsächs. Englaland) veranlaßte. In ihrem Stammsitz vermischten sie sich mit dän.,
später mit deutschen Einwanderern. Andere Angeln sahen in dem nach ihnen benannten Gau links von der untern Saale; doch verschwand
hier seit dem 9. Jahrh., wo eine Aufzeichnung ihres Rechts (Lex Angliorum, s. Thüringisches Volksrecht)
statthatte, der Name. -
H. B. K., Pflanzengattung ans der Familie der Scrophulariaceen (s. d.)
mit gegen 20 Arten im tropischen Südamerika;
[* 74] schönblühende, ausdauernde Kräuter und Halbsträucher mit gegenständigen lanzettförmigen
Blättern und bald einzeln in den Blattachseln siebenden, bald in endständige Trauben geordneten Blüten,
die einen fünfspaltigen oder fünfteiligen Kelch und eine beinahe radförmig-zweilippige Blumenkrone besitzen. Die zweifächerige
Kapsel enthält viele von einem breiten, häutigen, durchscheinenden Rand umgebene Flügel. Es sind drei aus Brasilien
[* 75] stammende
Arten (Angelonia minor, Gardneri und cornigera) in die europ. Gewächshäuser eingeführt
worden. Sie können nur im Warmhause gezogen werden, wo sie während des Winters einen hellen Standort
verlangen. Im Sommer kann man sie an die Luft bringen und sogar ins freie Land setzen, wo sie vorzüglich gedeihen, wenn man
ihnen Heideboden giebt. Sie lassen sich durch Ableger und Samen leicht vermehren.
der zusammenfassende Name derjenigen german. Stämme, die gegen Mitte des 5. Jahrh. n. Chr.
die Eroberung Britanniens begannen und der Grundstock der heutigen engl. Nation wurden. Die Überlieferung
erzählt, daß die von den röm. Legionen seit 410 verlassenen Bewohner der röm. Provinz Britannien, die von Norden
[* 76] und Westen
durch Picten und Scoten, an ihren Küsten durch nordgerman. Seeräuber bedrängt wurden, sich an letztere
gegen Landentgelt um Hilfe wandten. Es waren dies Jüten unter ihren sagenhaften Anführern, den Brüdern Hengist und Horsa,
von der nach ihnen benannten Halbinsel Jütland, Angeln, die südlich von diesen im heutigen Schleswig saßen, und Sachsen,
deren Wohnsitze vom Unterlauf der Elbe bis gegen den Rhein sich erstreckten. In einzelnen Banden, völlig
selbständig voneinander und in verschiedenen Zeiträumen im Laufe des 5. Jahrh., machten
diese ihre Vorstöße von der Ostküste aus; nach furchtbaren Kämpfen hielten sie den Osten des brit. Landes im Besitz, im Norden
die Angeln, im Süden die Sachsen, daneben in Kent die Jüten; langsam schoben sie die Grenze mehr und mehr
nach Westen vor.
Entsprechend der Art der Eroberung hatten sie in kleinen voneinander getrennten Reichen sich zusammengeschlossen, die in gegenseitiger
Befehdung eines die Hegemonie über die andern erstrebten. Es treten die NamenKent, Sussex, Essex, Ostangeln
hervor, aber der eigentliche Kampf
um die Vorherrschaft ging zwischen den drei größern Königreichen Northumbria, Mercia
und Wessex vor sich, zwischen denen das Oberkönigtum über die andern Reiche schwankte, bis im Anfang des 9. Jahrh. (829)
Egbert diese Stellung dem Stammreich Wessex zu sichern wußte.
Der häufig angewandte Name der «Heptarchie» (s. d.),
einer «Siebenherrschaft», entspricht also nicht den eigentlichen Verhältnissen.
Die Einigung durch Egbert war nicht die Gründung eines völlig einheitlichen Reichs, sondern die einer Hegemonie, in Weiher
der König von Wessex als Oberkönig über die andern als Unterkönige gebot; dennoch kann man seit dieser Zeit von
einem Königreich Anglia, England, d. i. Land derAngeln, sprechen. Besonders beachtenswert ist das schroff abweisende Verhältnis
der Eroberer zu den Urbewohnern.
Ebensowenig wie ihre german. Nationalität irgendwelche nennenswerte kelt.
Beimischung erhielt, machte sich ein solcher Einfluß auf Sitte und Sprache
[* 77] der Angelsachsen geltend. Die Bedürfnisse des langen Krieges
hatten über der Volksgemeinde freier Männer (ceorls), unter denen die Glieder
[* 78] einzelner Geschlechter
zu Häuptern im Rat und Führern im Felde (ealdormen) erkoren wurden, ein eigentliches Königtum emporkommen lassen, das jedoch
von der freien Volksversammlung abhängig blieb.
Die veränderten Verhältnisse in den größeren Teilreichen, vor allem in dem Gesamtreich, machten ein
Zusammenkommen aller Volksgenossen unmöglich und beschränkten die den König beratende Versammlung auf einen Kreis
[* 79] Auserwählter,
der «Weisen» (witenagemot), eine Centralisierung, die dann bei der wachsenden Bedeutung des Königtums unter Alfred noch weiter
auf ein ausschließlich königliches Regiment durchgeführt wurde. Mit der Stellung des Königs geschah auch ein Wandel in der
Stellung der Vornehmen; dem Adel durch Abstammung (den eorlas) trat ein auf dem persönlichen Dienstverhältnis
zum König beruhender Adel gegenüber, die thegnas, die Thane.
Nach den dän. Einfällen, zumal unter der Dänenherrschaft in der ersten Hälfte
des 11. Jahrh., standen die ansässig gewordenen dän.
Großen mit gleicher Berechtigung in den Reihen des angelsächs.
Adels. Der Ealdorman, der früher selbständige Herr des kleinen Königreichs, wurde königl.
Beauftragter, und nicht höher wie er stand der Bischof. Mit diesem mehr und mehr veränderten Staatsleben sank die Grundlage
des frühern angelsächs. Gemeinwesens, die freien Bauern, an Bedeutung wie an Zahl.
Dem Niedergang dieser Klasse stand, besonders seit der Christianisierung der Angelsachsen, gegenüber die Hebung
und damit die Minderung des Sklavenstandes, die vornehmlich den Bemühungen der Kirche zu danken war. Denn die Angelsachsen, deren Heidentum
das Christentum in der röm. Provinz verdrängt hatte, waren mit oft schwankendem Erfolg seit dem Ausgang des 6. Jahrh.
von Rom aus (s. Augustinus, Wilfrid und Gregor I.) allmählich dem christl. Glauben gewonnen worden; vor
den röm. Missionaren mußten die von Irland aus in Northumbrien wirkenden Sendboten das Feld räumen. Die angelsächs. Kirche
wurde von hoher Bedeutung für die ganze geistige Kultur des Mittelalters. Dem Angelsachsenreiche, das trotz mancher Erschütterungen
unter einheimischen wie dän. Herrschern (s. Ethelred, Knut
d. Gr. und Großbritannien)
[* 80] fortbestanden hatte, machte in seiner bisherigen Gestalt die Eroberung durch Herzog Wilhelm von
der
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