widerstehen. Zunächst war es der engl. Klassicismus, der in
Amerika
[* 2]
Boden faßte. Sein Hauptwerk ist das großartige
Kapitol
zu
Washington
[* 3] (1793 begonnen; s.
Tafel: Amerikanische Kunst I,
[* 1]
Fig. 7), mit seinen mächtigen korinth. Säulenhallen und der
bis zu 90 m aufsteigenden
Kuppel, ferner das
Patent-Office zu
Washington, das
Custom-House zu
Boston
[* 4] und zu
Neuyork,
[* 5] die Münze zu
Philadelphia
[* 6] und andere meist profane Bauwerke.
Früh trat mit diesem
Stil die ebenfalls von England
beeinflußte
RomantischeBaukunst
[* 7] in
Wettbewerb, welche namentlich im
Kirchenbau eine Reihe großer und künstlerisch bedeutender
Werke ins Leben rief.
Das anwachsende Bedürfnis in neu emporblühenden Großstädten gab dem künstlerischen Schaffen immer
neue
Aufgaben. Die 1858 begonnene St.
Patricks-Kathedrale zu Neuyork zeigt im
Stil der Hochgotik einen mächtigen, aber in den
Formen etwas magern
Bau. Die Trinity-Church,
Thomas-Church und andere Neuyorker Bauten des engl.
Architekten Upjohn gehören
derselben Kunstweise an. Die räumlich minder bedeutende, aber künstlerisch höher stehendeAll-Saints
Cathedral in
Albany (s. Taf. 1,
[* 1]
Fig.
[* 8] 1) zeigt dagegen schon das Zurückgreifen auf
die Frühgotik und die roman. Stilarten, welche in der Folge der amerik.
Baukunst eigen blieb. Durchgebildete roman. Kunstweise zeigen die Holy Communion-Church
in
Philadelphia, die merkwürdige Centralanlage der Trinity-Church zu
Boston und die New OldSouth-Church
daselbst mit ihrem an ital. Vorbilder mahnenden
Turm.
[* 9] Im Profanbau haben die romantischen Stilweisen eine besondere Pflege
gefunden. Das Parlamentshaus zu Ottawa
(Canada), das State-Capitol zu Hartford (Connecticut), die
Bibliotheken zu
Burlington
(Vermont) und Woburn (Massachusetts), das
Alleghany-CountyCourt-House zu
Pittsburgh, das
Art-Museum zu Cincinnati, die dem Palazzo
ducale zu
Venedig
[* 10] nachgebildete Nationalakademie und das got. Naturhistorische Museum zu Neuyork, sowie
zahlreiche andere Bauten zeugen vom Reichtum und vom Kunstsinn des
Landes.
Minder glücklich erscheint
Amerika in der Verwendung der Renaissance. Zwischen einer massigen und einer in den Einzelheiten
zu schüchternen Formgebung schwankend, haben die
Architekten nur selten das rechte
Maß zu finden gewußt.
Monumentale
Anlagen, wie das State-Capitol zu
Albany (Neuyork), erscheinen oft in der Gruppierung fast mittelalterlich schwer,
andere, wie die New City-Hall zu
Philadelphia, welche die in
Amerika sehr beliebten Formen des Louvre aufnimmt, gehäuft und
überladen; der riesige
Turm dieses Bauwerkes ist der höchste der Welt.
Die Stadthallen,
Bibliotheken,
Bahnhöfe,
[* 11] Museen,
Theater
[* 12] u. s. w., räumlich vielfach die größten der Welt, zeigen ebenso
wie die Schlösser, Villen und
Stadthäuser alle
Stile Europas in oft rücksichtsloser Mischung, die zwar europ. Empfinden
widerspricht, oft aber von einer wahrhaft fruchtbaren Unbefangenheit zeugt; in ihnen kommen der Wohlstand und die freien
gesellschaftlichen Formen des
Landes in anmutigster
Weise künstlerisch zum
Ausdruck. Das
Berkshire Apartmenthouse
zu Neuyork mit seinen 9
Stockwerken und ein Landhaus zu Neuport,
Rhode-Island (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 3
u. 4), mögen als charakteristische
Beispiele des Profanbaues aufgeführt werden.
In den kleinern Werken wie in denen des Kunstgewerbes zeigt sich
eine künstlerische Selbständigkeit und Feinheit der Empfindung, welche hoffen läßt, daß es
Amerika gelingen werde, sich
einst stilistisch, Europa
[* 13] gegenüber, selbständig
zu machen.
Die
BildnereiAmerikas, von der sich die ersten
Spuren seit 1800 nachweisen lassen, begann eine höhere künstlerische Durchbildung
erst in der Mitte des Jahrhunderts zu erlangen. Die beiden
Meister H. Powers und H. Greenough, welche
im
Lande selbst die Anregung zu ihrer Kunst fanden, gingen früh nach
Rom,
[* 14] wo sie sich, gleich den zeitgenössischen engl.
Bildhauern, eng an
Canova und
Thorwaldsen anschlossen. Mehr Eigenart wahrten sichThomas Crawford (1814-57) und
Erasmus Dow
Palmer
(geb. zu Pompey, Neuyork, 1817), welchen dafür ein gewisser
Mangel an Schule anhaftete. Die jüngere
Richtung, der sich auch Powers zugesellte, nahm die dem Renaissancegeschmack zuneigende
Richtung der
Italiener und
Franzosenauf und steigerte sie bis zu einem scharf ausgeprägten Realismus. J. Ward, J.
Boyle, John Donoghue (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 6), St.
Gaudens (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 2) entwickelten in dieser
Richtung eine Kunstweise, die trotz einzelner nationaler Züge, namentlich eines scharfen Erfassens individueller Eigentümlichkeiten
im Porträt, doch die europ. Herkunft nicht verleugnet.
Ebensowenig ist dies bei den unter deutschem Einfluß gebildeten Künstlern, W. H. Rinehart, M. I. Ezekiel, E. Keyser u. a.
der Fall, während W. W.
Story (s. Taf. 1,
[* 1]
Fig.
[* 8] 5), J. R. Rogers undL. Bebisso sich dem ital.
Geschmacke nahe hielten. Im allgemeinen hat sich namentlich seit dem Bürgerkriege eine großartige Thätigkeit in
Amerika
entfaltet. Der Hoffnung aber, daß ein selbständiger
Stil im Schaffen zu stande kommen werde, steht die
Vorliebe der Amerikaner selbst für die Werke der
Alten Welt gegenüber der einheimischen Kunst bisher hinderlich entgegen.
Reicher gestaltet sich die Geschichte der amerik. Malerei; anfangs von England beeinflußt, konnte sie schon zu Ende
des 18. Jahrh. zwei hervorragende Kräfte, B. West (s. Taf. 11,
[* 1]
Fig.
1) und John
Singleton Copley, an das Mutterland abgeben, während ihr in J. Trumbull ein selbständiger,
im großen schaffender Künstler erhalten blieb, dem sich neben geringern Kräften
G. C.
Stuart als trefflicher Bildnismaler
anschloß. Doch blieb auch auf diesem Gebiet
Amerika im wesentlichen der entlehnende
Teil. Während es in der ersten Hälfte
des 19. Jahrh. England war, dessen Anregungen die
Vereinigten Staaten
[* 15] beherrschten, trat seit 1841 durch
den Einfluß E. Leutzes (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 2) ein Umschwung zu Gunsten der
Düsseldorfer Schule ein. Amerikanische
Bierstadt vertritt diese noch in der Landschaftsmalerei. Im Laufe der sechziger und siebziger
Jahre fand dann die moderne
PariserRichtung allgemeinern Anklang.
Obgleich am die
Society of
AmericanArtists gegründet, ferner
Akademien nach europ.
Muster (namentlich in
Philadelphia)
eingerichtet wurden, blieb es doch die Regel, daß die amerik.
Maler ihre
Studien in Europa machten. Doch entfaltete sich die
Tiermalerei durch
Beard,
PeterMoran und Poore, die Landschaftsmalerei durchThomas und
PeterMoran (s. Taf.
II,
[* 1]
Fig. 3), die
[* 1]
Figurenmalerei durch J. G.
Brown zu ansehnlicher Höhe; als Porträt-und Genremaler ist W.
Chase (s. Taf.
II,
[* 1]
Fig. 5) hervorzuheben. Die neuesten amerik. Schöpfungen von F. Amerikanische
Bridgman (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 4), H. Mosler, Ch.
Sprague Pearce, E. Lord Weeks u. a. unterscheiden sich wenig von denen
der modernsten
Pariser Kunst. Auch ließ man der
Aquarellmalerei eine umfassende Pflege zu teil werden. Es fehlt aber auch
¶
hier die führende Persönlichkeit, welche der Amerikanische Kunst die Richtung und das nationale Leben einzuhauchen vermocht hätte. Von
ganz besonderm Werte sind die amerik. Erzeugnisse der vervielfältigenden Künste, insbesondere des Holzschnittes, der zur
Zeit in Amerika wohl die höchste Entwicklung gefunden hat. Auch die Radierung ward viel und mit Geist geübt.
-
Vgl. The Iconographic Encyclopædia of arts and sciences (Philad. 1887).
Rasse, Gesamtbezeichnung für die verschiedenen eingeborenen Stämme der nördl.
und südl. Hälfte des amerik. Kontinents (mit Ausnahme der Eskimo, die den äußersten Norden
[* 22] des Kontinents bewohnen; s. Tafel: Amerikanische Völkertypen,
[* 21]
Fig. 1). Während man lange, gewissermaßen selbstverständlich,
die Gesamtheit dieser Stämme als eine einheitliche Rasse betrachtete, ja sogar dieselben nur als einen Abzweig der großen
Familie der mongol. Völker anzusehen geneigt war, ist man neuerdings, durch genaueres Studium der körperlichen
Verhältnisse der verschiedenen Stämme, zu der Ansicht gelangt, daß zwischen denselben sehr erhebliche Verschiedenheiten
bestehen, die stellenweise kaum geringer sind als die, welche in der Alten Welt zur Annahme von Rassentrennung geführt haben.
Immerhin ist die Untersuchung der physischen Merkmale der amerik. Völker noch nicht so weit gediehen,
daß ein endgültiges Urteil über ihre Zusammengehörigkeit und Trennung möglich wäre. Und so ist man in Bezug auf die Gruppierung
der verschiedenen Stämme im wesentlichen noch auf die sprachlichen Verhältnisse angewiesen.
Nordamerika.
[* 23] Centralamerika. Im nördl. Teil des Kontinents ist es gelungen, eine Anzahl weitverbreiteter
Völker- und Sprachfamilien festzustellen. Hierzu gehört im O. die Algonkin-Lenape-Familie (s. Algonkin), die sich von Canada
bis an die Grenzen
[* 24] von Florida und westlich bis über den Mississippi ausgebreitet hat. Die Familie der Huron-Irokesen (s.
Irokesen), die namentlich im Seengebiet und längs des Alleghanygebirges verbreitet ist, von den Stämmen
der ersten Gruppe auf allen Seiten umschlossen.
Einen besondern Stamm bilden die Cherokee (s. d.) im südl. Tennessee, für die bisher ein anderweitiger Anschluß noch nicht
gefunden ist; sie waren in alter Zeit als Moundbuilders (s. d.) bekannt. Eine
größere Gruppe wiederum bilden die Choctaw-Muskogee, welche die südl. Staaten der Union bewohnten (s.
Muskogee). Zwischen ihnen lebten als stammfremde Völker die Taenza und die Natchez (oder Naktche) am untern Mississippi und
die Uchee in Südcarolina. Im W. des Mississippi sind zunächst die verschiedenen Stämme der Dakota oder Sioux (s. d. und Tafel,
[* 21]
Fig. 8) zu nennen, südlich von ihnen die verschiedenen Stämme der Pawnee (s. d.). In der
westl. Hälfte
des Kontinents nimmt einen breiten Raum die Nation der Tinneh (s. d.) ein; der Hauptstock wohnt ganz im N. im Gebiet der ehemaligen
Hudsonbaicompagnie und in Alaska, aber Verwandte von ihnen gehen durch Kalifornien bis in das Gebiet der Republik Mexiko.
Die gefürchteten Apachen (s. Tafel,
[* 21]
Fig. 9, 10) sind ein Zweig dieser Nation. An die Tinneh grenzen die
Thlinkit oder Koljuschen. Südlich von ihnen folgen die Naß oder Chimmesyan (Tschimsian), die Haida mit den Kaigani
auf den Königin-Charlotte-Inseln und dem Prince-of-Wales-Archipel, die Hailtsuk oder Bellabella an der Festlandsküste des
brit. Nordamerika und die Kwakiutl und Nutka auf der Vancouverinsel. Letztere fünf genannten Nationen
zeigen, obwohl sprachlich weit getrennt, in Sitten und Gebräuchen, in der totemischen Organisation (s. Totem) und auch in
ihrem Sagenschatz eine großte Übereinstimmung. Es sind berühmte Bildschnitzer; sie pflegten vor ihren Häusern mächtige
geschnitzte Pfeiler zu errichten, welche die Wappentiere und allerhand mytholog. Wesen zeigen. Einen
großen Teil von Britisch-Columbia und das ganze Washington-Territorium bewohnt eine Gruppe verwandter Völker, die man als die
Selishfamilie bezeichnet und zu denen unter andern die Bellacoola (Bilchula, s. Tafel,
[* 21]
Fig. 11) am Milbanksund, die Shushwap
(Skwapamuch) und Stlatlium am Fraser-River, die Skitsuish oder Cœr d'álène im Quellgebiet des Spokane-River,
die Kalispelm oder Pend d'oreille am Oberlauf des Clarke's Fork und Columbia-River, die eigentlichen Selish oder Flatheads,
die Skwalliahmish oder Niskwalli ain Pugetsund, die Flatheads von Ost-Vancouver-Island und der gegenüber liegenden Festlandküste,
die Tsklallam an der Juan-de-Fuca-Straße, die Kauelits am Cowlitz-River und die Tsihali an der pacifischen
Küste nördlich des Columbia-River gehören. In Oregon bilden die Sahaptin oder Nez percés mit den Wallawalla, Pelus (Palvuse),
Yakama und Klikatat, ferner die Wailatpu (Willetpoo oder Cayuse) und die Molele, die Tschinuk (Chinook) mit ihren Abzweigungen,
die Kalapuya, die Jakon und die Latuami (Tlamat oder Klamath) eigene selbständige Völker und Sprachengruppen.
Gleiche Verschiedenheit zeigt Kalifornien, in dessen nördl. Teilen unter andern die Yurok, Karok, Wishosk, Wintun, Maidu,
Mutsun u. a. einander ganz fremde Sprachen reden. Auf der Halbinsel Kalifornien wohnen drei ganz verschiedene Völkergruppen,
die Cochimi oder Leymones, die Pericu und die Loreto-Indianer oder Guaicuro (Waikuru). In dem Great-Basin
hausen die Shoshoni (s. d.) oder Schlangenindianer und ihre Verwandte, wozu auch
die Moqui in Arizona und die wilden Comanches in den nördl. Staaten von Mexiko und den angrenzenden Teilen der Union geboren,
die aber jetzt sehr reduziert sind.
In Neumexiko und Arizona wohnen seit alter Zeit eine Anzahl kultivierter Völker (s. Pueblo-Indianer und
Tafel,
[* 21]
Fig. 12, 13), die aber sprachlich ebenfalls in mehrere Gruppen zerfallen. Im Gebiete
des untern Colorado bilden die Yuma mit den Cocomaricopa, Cocopa, Mohave u. a. einen eigenen Völker- und Sprachstamm.
[* 25] Es folgt
dann im nordwestl. Mexiko die große Familie der Sonorischen Sprachen (s. d.), während im O. am untern
Rio
[* 26] Grande die Missionsberichte eine große Anzahl Stämme aufzählen, die aber zum Teil verschwunden sind, und
¶
mehr
von deren Sprachen man wenig mehr weiß. Im StaateSan Luis-Potosi sitzen bei Ciudad del Maiz und am obern Rio Verde bis zur
Sierra Gorda die Pame, und auf sie folgen die Othomi (s. d.), die als die eigentlichen Aborigines des centralen Mexiko
gelten, und ihre Verwandten, die Mazahua. An sie schließen sich im W. die Nation der Tarasca (s. d.)
und ihre Verwandten, die Matlatzinca, im O. im StaateVeracruz die Totonaca (s. d.), die ihrerseits im N. die zur Mayafamilie
gehörigen Huarteca (s. d.) zu Nachbarn haben, während südlich an sie, wie
es scheint, in alter Zeit andere Zweige der Mayafamilie grenzten (s. Olmeca).
Zwischen diese Stämme haben sich dann die, wie es scheint, den Sonorischen Völkern verwandten Nahua (s. d. und Tafel,
[* 27]
Fig.
2, 3, 4), die Stämme mexik. Zunge, gedrängt und die Teile des centralen Hochlandes eingenommen. Auf diese wiederum folgen
dann die beiden verwandten Nationen der Mixteca (s. d.) und Zapoteca (s. d. und Tafel,
[* 27]
Fig. 14, 15), die
aber ebenfalls von allen Seiten von Urvölkern umsetzt sind, unter denen im N. die Mazateca und Chinanteca, im S. die Chatino,
im O., in den centralen Teilen des Isthmus von Tehuantepec, die Mixe und die Zoque zu nennen sind.
In Tabasco, Chiapas, Yucatan, Guatemala
[* 28] und den angrenzenden Teilen von Salvador
[* 29] und Honduras
[* 30] sitzt die
kompakte Masse der Mayavölker (s. d.), zwischen ihnen aber auch Bruchstücke der
Nation der Nahua und Urstämme, wie die den Mixe verwandten Xinca. In Honduras bilden die Lenca einen besondern Sprachstamm.
In Nicaragua
[* 31] und dem angrenzenden, zur Republik Costa-Rica gehörigen Depart. Nicoya die Manque oder Mangue,
denen die Chiapa (s. d.) verwandt sind, nach welchen der mexik.
Staat Chiapas seinen Namen erhalten hat. Zwischen den Manque sitzt wiederum ein Bruchstück der Nation der Nahua, die Nicaragua
(s. d.). In den waldigen Distrikten des östl. Nicaragua wohnen eine Anzahl wenig bekannter Stämme, zu
ihnen gehören die Mosquito am Unterlauf des Rio SanJuan. Im östl. Costa-Rica hausen eine Anzahl unter sich verwandter Stämme,
wie die Cabecar, Bribri, Brunca (s. Talamanca). Der Isthmus von Panama wurde in alter Zeit von einer Nation eingenommen, für
deren Sprache
[* 32] der Name Cueva angegeben wird. (S. Darien.)
Südamerika.
[* 33] Merkwürdig durcheinander gewürfelt sind die Stämme des südl. Amerikas. Schier endlos ist
die Sprachzersplitterung, und stellenweise hat auch Sprachmischung die Verhältnisse noch komplizierter gestaltet. In der
Sierra Nevada de Sta. Marta, wo die alten Berichte von einer streitbaren Nation der Arhuacos reden, werden heute noch vier verschiedene
Sprachen gesprochen, von denen drei, das Köggaba, Guamaca und Bintucua, unter sich verwandt sind,
während das Chimila, das auf der Westseite der Sierra gesprochen wird, abzuweichen scheint. In Antioquia werden in alter Zeit
drei Hauptnationen erwähnt, deren sprachliche Stellung noch zweifelhaft ist: die Catia, zwischen dem Rio Atrato und dem Rio
Cauca, zu beiden Seiten der Serrania de Abibe: die Nutabe zwischen dem Cauca und dem Rio Porce;
die Tahami
zwischen dem Porce und dem Rio Magdalena. Am Atrato selbst hausen die Cuna und südlich von ihnen die Choco und zahlreiche andere
Stämme. Im obern Caucagebiet trafen die Eroberer verschiedensprachige Stämme
von kannibalischen Gewohnheiten,
darunter die goldreichen Quimbaya. Im Thal
[* 34] des Magdalenenstroms werden in alter Zeit eine ganze Anzahl Stämme aufgeführt,
wie die Panche, Muzo, Tolima, Neiva, deren Sprachen zum Teil noch heute gesprochen werden.
Auf dem Hochlande im O. des Magdalenenstroms
wohnten die Chibcha (s. d.), deren Sprache aber heute ausgestorben ist, und an den Abhängen der Centralcordillere
zwischen den Oberläufen des Magdalenenstroms und des Cauca die Nation der Paez. Eine weite Verbreitung hat das Quechua (s. d.
und Tafel,
[* 27]
Fig. 5, 6), die Sprache der Inkaperuaner, die von der Nordgrenze der Republik Ecuador bis an das bolivian. Hochland
reicht. Ihr parallel gingen in alter Zeit längs der Küste eine Reihe Dialekte, die unter dem Namen der
Yuncasprächen (s. d.) bekannt sind, von denen aber jetzt nur noch im nördl.
Teile des Gebietes einige wenige Reste übriggeblieben sind. Im S. schließen sich an die Inkaperuaner die Colla, die
jetzt Aymara (s. d.) genannt werden. Weiter die Calchaqui und in Chile die Araukaner (s. d. und Tafel,
[* 27]
Fig.
20) oder Moluche.
Von den zahlreichen Stämmen, welche im O. der Anden und in dem weiten Waldgebiet des Amazonas hausen, hat neuerdings Karl von
den Steinen unter dem Namen Nu-Stämme eine Anzahl zusammengefaßt, die in einem breiten Streifen vom bolivian.
Hochlande bis nach Venezuela ziehen, die Mündungen der Nebenflüsse des Amazonas vom Ica bis zum Rio Negro einschließend.
Als hauptsächlichste derselben sind zu nennen die Maypure am Orinoco, der Bund der Manao an der Mündung des Rio Negro in
den Amazonenstrom,
[* 35] die Ipurina (s. Tafel,
[* 27]
Fig. 7) am Rio Purus und die Baure und Moxo (Mojo) im Quellgebiet
des Madeira
[* 36] in Bolivia. Zu ihnen gehören auch noch die Piro am Ucayali, die Anti in den Teilen nördlich von Cuzco, die Pareci
im Ouellgebiet des Tapajoz nördlich von Cuyaba, die Kustenau, Mehinaku und Waura im Quellgebiet des Xingu und die Guana
im südl. Mato Grosso. Ferner die Wapisiana und Atorai im Centrum von Guayana und die Aruak oder Arrawaken (s. d.), die wohl
die Urbevölkerung von Guayana sind und früher auch über die Antillen verbreitet waren. Endlich die Goajiro auf der Halbinsel
gleichen Namens im W. des Maracaibogolfs in Venezuela.
Eine zweite größere Gruppe bilden die karibischen Stämme (s. Kariben). Über ihre Urheimat ist viel
gestritten worden. Seitdem Karl von den Steinen in den Bakaïri des Quellgebietes des Xingu echte Kariben erkannt hat, und da
auch die Palmella die neben den Baure im Quellgebiet des Madeira hausen, Kariben sind, so hat sich allmählich
die AnschauungBahn gebrochen, daß die Kariben aus dem Innern des Kontinents, dem Lauf der Flüsse
[* 37] folgend, in ihre spätern
Wohnsitze gelangt sind.
Die Hauptmasse derselben ist jetzt in Guayana und dem benachbarten Venezuela angesiedelt. Die hauptsächlichsten der dortigen
Stämme sind die Rucuyenne, die Makusi, die Arinagoto, die Waika oder Akawai, die Cumanagoto und Chayma.
Die daselbst ursprünglich ansässigen Arrawaken sind von ihnen teils verdrängt worden, teils hat Vermischung mit ihnen stattgefunden.
Ebenso haben sie, wenige Jahrhundert vor der span. Eroberung, sich über die Antillen verbreitet, die dort ursprünglich ansässigen
Arrawaken verdrängend
¶
mehr
oder sich mit ihnen verschmelzend. So ist denn das Inselkaribisch offenbar ein Gemisch zweier Sprachen; auch existiert dort,
mehr oder minder scharf abschieden, eine Weibersprache und eine Männersprache, erstere wohl ursprünglich mit dem Aruak
sich deckend, letztere die eigentliche Karibensprache repräsentierend.
Eine dritte größere Sprachgruppe bilden die Tupi-Guarani, die von Paraguay längs der Küste von Brasilien
bis zum Amazonenstrom sich ziehen. IhreSprache ist die sog. lengoa geral do Brasil, Verwandte von ihnen sind die Ovampi in Guayana,
die Camayura im Quellgebiet des Xingu, die Mauhe und Apiaca in dem des Tapajoz, vielleicht auch die Manitsaua, Yuruna, Mundrucu.
Ferner die Umaua oder Omagua (s. Tafel,
[* 38]
Fig. 19) am Rio Iça, die Cocama am obern Maranon, die Guarayo,
die östlich von den Moro in den Llanos im Quellgebiet des Madeira hausen und die Chiriguana des bolivian. Chaco.
Eine vierte größere Gruppe bilden die Tapuya oder Gêsstämme, wozu die Botokuden (s. d. und Tafel,
[* 38]
Fig.
18) und andere Stämme im östl. Brasilien, die Cherentes und Chavantes am Tocantins, die Kayapo in Goyaz, die Suya des Xingu
und die Kamē von Sta. Catharina gehören.
Zwischen den Völkern der genannten vier Gruppen sitzen aber noch zahlreiche andere Stämme besonderer Stellung, wie die Guarauno
oder Warrau am untern Orinoco, die Saliva im Centrum von Venezuela, die Mayoruna, Konibo und andere Stämme
am obern Amazonenstrom, die Chiquito im nördl. Gran
[* 39] Chaco, die Coroado oder Puri in dem brasil. Staat Sta. Catharina und die
Caraja und Bororo (s. Tafel,
[* 38]
Fig. 16, 17) des centralen Brasilien. Im Gran Chaco selbst werden erwähnt die
nahe verwandten Stämme der Abipon oder Suscuanit, auch Frontones genannt, der Natakebit oder Toba, Amokebit oder Mocobi, der
Gapitalaka, Oackatalot oder Guaycuru und der Mbaya; ferner die Lule, Vilela, Payagua u. a. In Uruguay hausten die wilden Charrua,
die aber jetzt ausgestorben sind. In den argentin. Pampas schweifen die den Charrua verwandten Puelche
oder Pampasindianer, und südlich von ihnen die Tehuelche oder Patagonier (s. Tafel,
[* 38]
Fig. 23). Ihre westl. Nachbarn sind an der
pacifischen Seite der Magalhãesstraße die Chono.
Über anthropol. Verhältnisse: Morton, Crania Americana (Philad. 1839, mit 78 Kupfern);
d'Orbigny, L'homme américain considéré
sous ses rapports physiologiques et moraux (in «Voyage dans l'Amérique méridionale», 9 Bde.,
Par. 1834-47);
de Quatresages und Hamy, Crania ethnica (ebd. 1875-82);
Virchow, Crania ethnica Americana (Berl.
1892). - Über Nordamerika: Prinz zu Wied, Reise in das innere Nordamerika in den J. 1832-34 (2 Bde.,
Koblenz
[* 42] 1838-43, mit einem Atlas
[* 43] von 81 Kupfern);
Catlin, Manners, customs of
the NorthAmericanIndians (2 Bde., Lond. 1846 u. 1876, mit vielen Abbildungen;
deutsch von Berghaus, Brüss. 1846-48; 2. Aufl. 1851);
Schoolcraft, Historical and statistical information respecting the
history, condition and prospects of the Indian tribes of the United States (6 Bde., mit 136 Kupfern, Philad.
1851-57);
Ferner Contributions to
the NorthAmerican Ethnology, Bd. 1-3 (Washington 1877-79), und Annual Report of the Bureau of Ethnonolgy, Bd. 1-6 (ebd. 1880-85).
- ÜberCentralamerika: Orozco y Berra, Geografia de las lenguas y carta etnográfica de México (Mexiko
1864);
Stoll, Zur Ethnographie der Republik Guatemala (Zür. 1884). - ÜberSüdamerika: Die Reisewerke von Al. von Humboldt,
Spix und Martius, d'Orbigny, Castelnau u. a. Ferner Prinz zu Wied, Reise nach Brasilien 1815-17 (Frankf. a. M. 1820-21, 2 Bde.,
mit 22 Tafeln);
Richard Schomburgk, Reisen in Britisch-Guayana (Lpz. 1847-48);
von Martins, Zur Ethnographie
Amerikas, zumal Brasiliens (2 Bde., ebd. 1867);
Duell, Bezeichnung für einen infolge einer Übereinkunft durch das Los bestimmten Selbstmord.
Die Bezeichnung ist indes in doppelter Hinsicht unzutreffend, einerseits weil das bezeichnete Unwesen
nicht aus Amerika stammt, andererseits weil es kein Duell (d. h. kein Kampf mit gleichen Waffen)
[* 45] ist.
Sprachen, soviel wie Indianersprachen, s. Amerikanische Rasse. ^[= Gesamtbezeichnung für die verschiedenen eingeborenen Stämme der nördl. und südl. Hälfte ...]
die sprachlichen Besonderheiten des Englischen der Vereinigten Staaten. Schon die ersten engl. Einwanderer
brachten dialektische Verschiedenheiten mit. Zu diesen gesellte sich das holländ.
Sprachelement im Staate Neuyork, das deutsche in Pennsylvanien und an vielen andern Orten, das Französische in Louisiana und
Missouri, sowie später von Untercanada aus, das Spanische
[* 46] in Florida, später in Texas, Neumexiko und Kalifornien, in neuerer
Zeit einzelne amerikanisierte deutsche Wörter, wie lagerbeer (Lagerbier), steal (Stiel), standpoint
(Standpunkt) u. s. w. Unter allen Besonderheiten sind die (meist nordengl. und schott.)
Provinzialismen Neuenglands am verbreitetsten; sie erstrecken sich auch auf Ton und Accent und haben die allgemeine Umgangssprache
stark
¶
mehr
beeinflußt. Die Amerikanismen betreffen, von dem eigentümlichen Tonfall und der Neigung zu nasaler Aussprache (nasal twang) abgesehen,
Wortschatz, Lautstand, Wort- und Satzlehre. Der speciell amerik. Wortschatz umfaßt im allgemeinen solche Wörter, die jetzt
in England veraltet oder nur provinziell, in Amerika noch mehr oder weniger gebräuchlich, oder solche, die in
Amerika in anderm Sinne als in England üblich sind (wie fall in der Bedeutung «Herbst»,
freshet «angeschwollener Fluß», clever für «artig», to fix für «anordnen»,
to go ahead «vorangehen», sleigh statt sledge, to guess, to reckon in der
Bedeutung «meinen, glauben» u. s. w.).
Dazu kommen Wörter und Wortbedeutungen, die ihren Ursprung eigentümlichen amerik. Naturerscheinungen,
Verhältnissen und Einrichtungen verdanken (wie pairie, salt-licks, bayou, to locate, platform, township, electioneering.
Indian. Herkunft sind z. B. canoe, wigwam, mocassin, welche die Litteratur auch nach
Europa verpflanzt hat. -
Vgl. Pickering, Vocabulary of words and phrases supposed to be peculiar to the U. S. (Boston 1816);
Bartlett, Dictionary of Americanisms (Neuyork 1848; 5).
Friedr. von, Porträtmaler, geb. zu
Wien, bildete sich auf der Akademie als Schüler Redls, in London
[* 49] unter Th. Lawrence und in Paris unter H. Bernet aus. Nach Wien
zurückgekehrt, malte Amerling zunächst das Bild seines Lehrers Redl (1828; Galerie der Akademie in Wien) und zwei histor. Gemälde:
Dido von Äneas verlassen und Moses in der Wüste (1830), die den ersten Preis der Akademie erhielten. 1831 unternahm
er eine Reise nach Italien,
[* 50] als deren Frucht zu nennen sind: ein ruhender Fischerknabe (Hofmuseum in Wien), der ApostelPaulus
(1833, ebenda), Rebekka mit dem Halsband, ferner das Bildnis von Thorwaldsen sowie eine Anzahl ital. Studienköpfe.
Nach seiner Heimkehr malte er für das Schloß in Laxenburg das Bild des KaisersFranz I. Seit 1844 hielt sich Amerling als beliebter
Maler der vornehmen Welt in Wien auf, wo er starb. Seine halb idealen, halb sentimentalen Motive, seine ebenfalls
idealisierten, äußerlich aufgefaßten Porträte,
[* 51] sein porzellanartiges Kolorit blieben sich auch in
seinen spätern Werken gleich, wie das Porträt des Malers Kriehuber (1853), des Erzherzogs Leopold als Kreuzritter (1863;
Hofmuseum in Wien) und sein Selbstporträt (1867; Akademie in Wien) zeigen. Seinen künstlerischen Nachlaß vermachte er der
Stadt Wien. Ein Verzeichnis seiner Werke findet sich bei Bodenstein, Hundert Jahre Kunstgeschichte Wiens
(Wien 1888). -
Stadt in der niederländ. ProvinzUtrecht,
[* 52] an den Linien Amsterdam-Winterswijk, Amersfoort-Kesteren (31 km) der Holländ.
Eisenbahn und
Utrecht-Kampen der Niederländ. Centralbahn, an der Eem, die hier schiffbar wird, in fruchtbarer Ebene am
Fuße der Amersfoorter Berge, einer 20 km langen, bis an den Rhein sich hinziehenden Reihe von Sandhügeln, vermutlich Überreste
der Dünenbildung
[* 53] des alten Meeresstrandes. Amersfoort hat (1889) 10 646, als Gemeinde 15 449 E.
(darunter etwa 6000 kath.), spätgot.
Liebfrauenkirche mit Turm (94 m), Seminar der Jansenisten (zwei Professoren, 20 Zöglinge). Handel und Industrie
sind zum Teil abhängig von dem Tabaksbau in der Umgegend. Die Stadt ist der Geburtsort Oldenbarneveldes. Sie wird urkundlich
schon 1006 erwähnt, erhielt 1259 Stadtrecht, war früher eine bedeutende Festung,
[* 54] ward 1483 vom Erzherzog Maximilian erobert, 1543 von
den geldrischen Soldaten verwüstet, 1612 und 1795 von den Franzosen eingenommen.
Insekten
[* 55] mit unvollkommener Verwandlung, s. Insekten. ^[= (lat. Insecta, d. h. Eingeschnittene; grch. Entoma, was dasselbe bedeutet, oder Hexapoda, d. ...]
eine als Schmuckstein vielfach verwendete, schön blau oder violett gefärbte Varietät des Quarzes (s. d.),
die meist in stengligen oder unregelmäßig gegeneinander begrenzten, in freie Kristallenden auslaufenden Individuen, in Geschieben
und derb vorkommt. Der Name stammt vom griech. amethystos und knüpft sich an den Glauben, daß der Amethyst ein
Mittel gegen die Trunkenheit abgebe. Die charakteristische Farbe, die ihn fast allein vom Bergkrystall unterscheidet, wird ihm
durch die Beimengung einer organischen Substanz erteilt, da sie beim Erhitzen in Gelb und Grün übergeht und dann verschwindet,
so daß der Stein farblos wird.
Von dieser merkwürdigen Eigenschaft machen die Steinschneider Gebrauch; viele der geschliffenen sog.
Citrine und Goldtopase sind im Feuer gelb gefärbte Amethyst. Enthält der Amethyst dünne Blättchen von Eisenglimmer oder nadelförmige
Krystalle von andern Mineralsubstanzen, so führt er den NamenHaaramethyst. Man findet ihn auf Gängen in ältern Gebirgen, bisweilen
mit Erzen; häufig auch Drusen
[* 56] in Achatkugeln der Mandelsteine bildend. Sehr schöne Krystalle kommen zu
Oberstein in Birkenfeld, am Rothenkopf im Zillerthal, zu Porkura in Siebenbürgen, auf der InselCeylon,
[* 57] in Brasilien und an der
St. Marysbai in Nordamerika vor. Der Preis geschliffener Amethyst, früher unter denen der Halbedelsteine der höchste,
ist durch starke Einfuhr aus Süd- und Centralamerika sehr heruntergegangen. Nur sehr schön und tief gefärbte
Steine werden noch gut bezahlt.
Amhāra, Gesamtname für den mittlern Teil des abessin. Alpenlandes um den Tanasee herum, umfaßt namentlich die
Landschaften Dembea im N. des Sees, Begemeder und Lasta im O., Metscha und Godscham im S. des Sees. (S. Karte: Ägypten.)
[* 60] Als
Hauptstadt gilt jetzt Gondar (s. d.) in Dembea. Die Bewohner, die Amhara, gehören zur äthiop. Abteilung
der semit. Rasse und sind die begabtesten Abessinier. Von A. ging 1850 die Erhebung des Häuptlings Kâsa, des spätern Theodor II.,
Kaisers von ganz Abessinien (s. d.), aus.
Sprache, so benannt nach der Provinz Amhara (s. d.), ist seit dem Aussterben der (äthiopischen oder)
Geez-Sprache die Hauptverkehrssprache Abessiniens und der angrenzenden Länder. Ihre eigentliche Heimat ist
die südl. Hälfte Abessiniens, wo sie bis ins 14. Jahrh. n. Chr.
als unbeachteter Volksdialekt gesprochen wurde. Erst nachdem die königl. Residenz mehr nach
Süden, in das Gebiet des Amharischen verlegt war, empfing die Sprache eine größere praktische Bedeutung.
Aus den angedeuteten Gründen wird sie hier und da auch wohl lesāna negūs,d. i. Sprache des Königs,
genannt. Sie schließt sich grammatisch und lexikalisch unter den semit. Sprachen am meisten dem Geez an, ist aber nicht eine
jüngere Gestaltung von diesem, sondern die Tochter eines unbekannten, dem Geez nächstverwandten altamhar. Dialekts. Obgleich
das Amharische manche Reste altsemit. Sprachgutes bewahrt hat, stellt es doch nicht nur dem Geez gegenüber eine spätere
Entwicklungsstufe des Südsemitischen dar, sondern zeigt überhaupt wohl von allen semit.
Sprachen die weiteste Auflösung. In allen Lautverhältnissen ist das Amharische sehr entartet, die grammatischen Formen sind
in hohem Grade zusammengeschrumpft oder durch Neubildungen ersetzt; die alten Wort- und Wurzelbedeutungen
haben vielfach neuen Platz gemacht. Nicht zum wenigsten ist das ursprünglich rein semit. Aussehen des Amharischen verzerrt
worden durch den gewaltigen Einfluß, den Jahrhunderte hindurch die benachbarten urafrik. Sprachen ausgeübt haben.
Besonders gilt dies vom Satzbau und von der Wortstellung, die ein durchaus unsemit. Ansehen haben. Nachdem
die Sprache viele Jahrhunderte nur im Munde des Volks gelebt hatte, begann man sie nach dem Absterben des Geez zu schreiben
und benutzte dazu das äthiop. Alphabet, indem man zugleich für die eigentümlich amhar. Laute durch leichte Modifikationen
der äthiop. Buchstaben neue Schriftzeichen erfand. Obwohl das Amharische bis jetzt nicht als eigentliche
Litteratursprache bezeichnet werden kann, so ist doch, namentlich seit 1600, mancherlei darin geschrieben worden, teils Übersetzungen
und Erklärungen biblischer und anderer äthiop. Bücher und Vokabularien, teils kurze Geschichtsabrisse, dogmatische und
ethische Kompendien, Beichtformulare u. dgl., für das gemeine Volk bestimmt, teils Schriftchen über Magie
und mediz. Gegenstände. Zu den ältesten rein amhar. Texten gehören die von Guidi vollständig herausgegebenen Königslieder
(«Le
[* 61] canzoni geez-amariña in onore de Rè Abissini», Rom 1889). Außerdem sind bis jetzt die Bibel
[* 62] und eine Reihe von Missionsschriften
und Lehrbüchern gedruckt. Grammatisch und lexikalisch wurde das Amharische ziemlich dürftig von Ludolf
(Frankf. 1698), vollständiger von Isenberg (Lexikon, Lond. 1841; Grammatik, ebd. 1842) bearbeitet.
Ein grammatisches lat. Handbuch zur Erlernung der amhar.
und der Galla-(Oromo-)Sprache wurde 1867 von Massaja, eine wissenschaftliche
amhar. Grammatik von Prätorius («Die Amharische Sprache», Halle
[* 63] 1879),
eine «Grammatica elementare» von Guidi (Rom 1889) herausgegeben. Ein
«DictionnaireAmariñña-Français» von Amharische d'Abbadie
wurde 1881 im Druck vollendet. Der Generalstab der ital. Armee gab ein den praktischen Bedürfnissen entsprechendes Büchlein
heraus (Piano, «Raccolta delle frasi più usuali tradotte dall' Italiano in Amarico»,
Rom 1887).
(spr. ämmerst, birman. Kjaik-Khami), Stadt im Distrikt der ProvinzTenasserim in brit. Birma, unter 16° 4'
nördl. Br. und 97° 35' östl. L., am Wakarufluß, südlich vom Ästuarium
[* 65] des Saluën und 48 km südlich
von Malmen, wurde von den Engländern aus militärischen und Handelsrücksichten gegründet und nach dem damaligen
Generalgouverneur des Indobritischen Reichs, Lord Amherst, benannt. Obwohl der Sitz der Regierung schon 1827 nach Malmen verlegt
wurde, hatte Amherst 1853 bereits über 20000 E., ging aber bald wieder zurück, weil der Hafen durch eine
Reihe von Felsen, die sich 1,5 km weit ins Meer hineinziehen, gefährlich zu erreichen ist. Deshalb wurde Amherst sehr bald von
dem nördlicher gelegenen Malmen überflügelt, für welche Seestadt Amherst jetzt die Bedeutung Cuxhavens für Hamburg
[* 66] hat. Amherst ist
wegen seiner gesunden Lage auf einer Anhöhe Erholungsort der in Malmen wohnenden Europäer, Ausgangspunkt
der Lotsen und hat etwa 3000 E.
(spr. ämmerst), Lord Jeffrey, engl. Feldmarschall,
geb. trat 1731 als Fähnrich in die Garde und stieg schnell zu höhern Offiziersstellen
empor; 1758 erhob ihn der ältere Pitt zum Generalmajor und übertrug ihm die Führung einer Expedition
von 14000 Mann gegen die Franzosen nach Canada. Amherst nahm 1759 Ticonderoga, vollendete nach WolfesTod die Eroberung Canadas, wurde 1760 Generalgouverneur
von Britisch-Nordamerika, kehrte aber nach vergeblicher Bekämpfung der Indianererhebung unter Pontiac 1763 heim und wurde
ehrenvoll als der Eroberer Canadas empfangen und zum Gouverneur von Virginia, 1770 zum Gouverneur von
Guernsey ernannt. 1772 wurde Amherst zum Generallieutenant, 1776 zum Lord Amherst erhoben, welche Würde 1782 mit
Erblichkeit für seinen Neffen erneuert wurde.
Seit 1793 Oberbefehlshaber der brit. Armee, mußte er sein Oberkommando niederlegen, erhielt aber im folgenden Jahre die
Feldmarschallwürde und starb William Pitt Amherst, zweiter Lord Amherst, seit 1826 Graf von Amherst, Neffe des vorigen, engl.
Diplomat und Staatsmann, geb. ging 1816 als Gesandter nach Peking,
[* 67] um die Klagen über Bedrückung engl. Kaufleute
beizulegen; aber die Mission scheiterte, weil er sich weigerte, die erniedrigenden Ceremonien der chines.
Etikette zu erfüllen. 1823 wurde er Generalgouverneur von Indien, führte einen glücklichen Krieg gegen Birma, der mit der Abtretung
von Tenasserim, Arakan und Assam endete, und wurde 1826 zum Grafen Amherst erhoben. 1827 trat er ab und lebte zurückgezogen bis zu
seinem Tode,