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Lage ergiebt für Amerika [* 2] eine charakteristische Meridianerstreckung durch alle Zonen. Der Atlantische Ocean dringt in der Mitte der Ostküste A.s mit dem Mexikanischen Golf und Karibischen Meer tief nach W. ein, wodurch das Festland in die beiden dreieckgestalteten, nur durch die 46 km breite Landenge von Panama [* 3] und Darien im W. zusammengehaltenen Teile Nordamerika [* 4] (s. d.) und Südamerika [* 5] (s. d.) zerlegt ist. Trennt man am Isthmus von Tehuantepec die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika noch einmal ab, so erhält man zwischen dem genannten Isthmus und der Landenge von Darien Mittel- oder Centralamerika (s. d.). Im O. wird ein Übergang von Nordamerika zu Südamerika durch die Antillen (s. d.) hergestellt, deren Gesamtreihe Westindien [* 6] genannt wird.
Dadurch erhalten der Golf von Mexiko [* 7] und das von ihm durch die Reihe der Großen Antillen geschiedene Karibische Meer das Gepräge eines Binnenmeers. Der ganze Kontinent hat eine Längenausdehnung von fast 15000 km, die auf Nord- und Südamerika ziemlich gleich verteilt ist. Auch die größte Breite [* 8] beider ist gleich, nämlich etwa 5600 km, nur daß sie in Nordamerika in der mehr diagonalen Richtung zwischen Kap Prince of Wales und Kap Charles um ein Siebentel größer ist (6400 km), während Südamerika in derselben Richtung zwischen dem Isthmus und Kap Branco gleichfalls 5600 km mißt. Die Fläche des Erdteils zu bestimmen, hat bei der immer noch mangelhaften Kenntnis der arktischen Küstenumrisse und des Umfanges der Polarinseln große Schwierigkeiten. Nach den neuesten Berechnungen beträgt der Flächenraum von Nordamerika 19 812000 qkm (ohne das Arktische Amerika und Grönland), der von Centralamerika 547 300 qkm, der von Westindien 244 500 qkm, der von Südamerika 17 732000 qkm, zusammen also etwa 38 335 800 qkm.
Küsten. Die Küstenentwicklung A.s steht nur der von Europa [* 9] nach. Die Ausdehnung [* 10] der nördl. Küste wird zu 7850 km berechnet, die der gesamten Westküste am Stillen Ocean zu 31 072 km, die der Ostküste Nordamerikas am Atlantischen Ocean bis zum Golf von Darien zu 23 540 km, die der nördl. und östl. Küste Südamerikas zu 18 500 km, mithin insgesamt zu 80 962 km (wovon ungefähr 64 200 km zugänglich sind), so daß also bei dem, ohne die Inseln, zu 37 800000 qkm berechneten Gesamtflächenraum auf ungefähr 470 qkm 1 km Küstenlänge kommt. Dieses günstige Verhältnis fällt aber fast ganz auf Nord- und Mittelamerika. In Nordamerika, welches eine Küstenlänge von 49 462 km hat, kommen (abgesehen von den Inseln) bereits auf 410 qkm Flächenraum 1 km Küstenlänge; in Südamerika bei einer Küstenlänge von 31 500 Km (18.500 km am Antillenmeer und Atlantischen Ocean, 13000 am Stillen Ocean) erst auf ungefähr 540 qkm Flächenraum 1 km Küstenlänge.
In Südamerika scheidet die Landenge von Panama den gleichnamigen Golf vom Golf von Darien, dessen südliches Ende auch Golf von Uraba genannt wird. Nach Osten folgen der Golf von Maracaibo, der sich als Lagune vor Maracaibo ins Land erstreckt und von den Halbinseln Goajira und Paraguana umfaßt wird, und der Golf von Paria, den die Halbinsel von Paria nach N. abschließt. Ferner im O. die Mündungsbai des Amazonenstroms, die Allerheiligenbai, die La Plata-Trichtermündung, die Blanca-, San Matias- und San Jorge-Bai. An der Westküste der Südspitze bedingt das Auftreten von Fjorden eine größere Abwechselung derselben; es sind zu nennen der Golf von Penas und die Halbinsel Taytao. Weiter nördlich ist nur noch der Golf von Guayaquil für die Gestalt des Kontinents von Bedeutung.
Außer den zahlreichen Inseln, in welche die Südspitze aufgelöst ist, und unter welchen neben dem Feuerland die Insel Chiloe hervorragt, und den im Norden [* 11] vorgelagerten Antillen gehören zu Südamerika nur wenige, meist kleine Inseln oceanischen Charakters, so die Galapagosinseln mit der Kokosinsel und dem Malpelofels, den Inseln San Felix und San Ambrosio und den Juan-Fernandez-Inseln im Westen, die Falklandinseln, Trinidad, Martin Vaz und Fernando do Noronha im Osten. Die Insel Marajo in der Mündungsbai des Amazonenstroms ist zum Festland zu rechnen.
Ganz anders Nord- und Mittelamerika. Die Nordküste des Kontinents ist in ihrer westl. Hälfte einfach, von der Mackenziemündung ostwärts beginnt die Buchtenbildung und bald lagert sich der reichgegliederten Küste der Arktische Archipel vor (s. Nordpolarländer [* 12] und Eismeer), der durch die nordwestl. Durchfahrt (Davisstraße, Lancastersund, Barrowstraße, Melvillesund und Bankstraße) in zwei Teile geteilt wird, in seinen Einzelheiten aber noch unerforscht ist. Im SO. der Halbinseln Boothia Felix und Melville greift die Hudsonsbai, das zweitgrößte Binnenmeer der Erde, tief in das Land hinein und begrenzt das rings von Inseln umlagerte flache Labrador. An seiner Ostküste ragt aus der fischreichen Neufundlandbank die Insel Neufundland empor, die mit Kap Race den östlichsten Punkt Nordamerikas bildet.
An der Ostküste des Kontinents bezeichnen deutliche Vorsprünge (Kap Race, die abgeschnürte Halbinsel Neuschottland, Kap Cod, Kap Hatteras und die Halbinsel Florida) vier Stufen, die den St. Lorenzgolf mit den Inseln Anticosti, Prinz Edward und Kap Breton, die wichtigen Delaware- und Chesapeakebaien und die flache Longbai enthalten. Florida, Yucatan und die westind. Inselwelt begrenzen den tiefen Golf von Mexiko mit den Baien von Mobile und Galveston und dem Golfe von Campeche. Zu den Westindischen Inseln gehört außer den Bahamas der Bogen [* 13] der vier Großen und der Kleinen Antillen, welcher das Karibische Meer vom Ocean trennt.
Die Ostküste Mittelamerikas besitzt außer dem Golf von Campeche nördlich von Yucatan nur den Golf von Honduras [* 14] und die Mosquitobai ohne gute Häfen, während an der Westküste allein die Fonsecabai von Wichtigkeit ist. Diese Küste zieht in nordwestl. Richtung; bei Kap Corrientes (den vulkanischen Revilla-Gigedo-Inseln gegenüber) öffnet sich, durch die langgestreckte, schmale Halbinsel Kalifornien gebildet, der Golf von Kalifornien. Die ganze Westküste ist Steilküste und erhält von der Insel Vancouver, an der Juan-de-Fuca-Straße, Fjordcharakter, so daß die vorgelagerten Inselgruppen (Königin-Charlotte-Inseln, Prince-of-Wales-Inseln, Sitka u. a.) wie losgetrennte Stücke der Küstenketten erscheinen. Die Halbinsel Alaska, selbst im S. und W. reich an Buchten und Inseln, wird, im SW. spitz auslaufend, durch den vulkanischen Inselbogen der Alëuten nach dem ostasiat. Inselkranze hin fortgesetzt.
Während in Südamerika infolge der Geschlossenheit seines Umrisses sich der Stamm zu den Gliedern wie 79:1 verhält, und es in dieser Beziehung ¶
I. Nordamerika. ¶
II. Südamerika. ¶
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auch gegen Afrika [* 18] und Australien [* 19] zurücksteht, stellt sich für das eigentliche nordamerik. Festland (ohne Mittelamerika und die arktischen Inseln) das Verhältnis wie 8:1, d. h. der nördl. Kontinent ist. fast zehnmal so stark gegliedert als der südliche.
Bodengestaltung. Die beiden Hälften A.s, Nord- und Südamerika, haben insofern einen ähnlichen Bau, als im Westen beider gewaltige Kettengebirge zu den größten Höhen aufsteigen, in der Mitte Tiefland eine weite Ausdehnung nimmt und gegen Osten dann ein weniger hohes Bergland folgt. Man hat die westl. Hochgebirge beider Kontinente früher als ein einheitliches Gebirgssystem betrachtet und mit dem Namen der Cordilleren bezeichnet. In der That finden sich übereinstimmende Charakterzüge, so die Gliederung in mehrere Ketten, die bald näher zusammenrücken, bald weiter auseinandertreten, das Vorhandensein weiter Hochebenen zwischen den Ketten und die hohe vulkanische Thätigkeit. Auch gestattet die Lage der hohen Ketten am Westrand des Kontinents weder im Norden noch im Süden bedeutenden Flüssen den Ausgang zum Stillen Ocean, sondern die Wasseradern laufen vom Ostabfall der Kettengebirge gegen Osten in große Ströme zusammen. Dennoch bestehen in dem Bau und der Anordnung der Oberflächenformen der beiden Kontinente wesentliche Unterschiede.
In Südamerika ziehen die Cordilleras de los Andes oder die Anden (s. Cordilleren) von der Magalhãesstraße in geschlossener Kette als Patagonische und Chilenische Anden bis zum Aconcagua, dem höchsten Gipfel A.s, 6970 m, und von hier in nordwestl. und nördl. Richtung unter Teilung in 2 und 3 deutliche Äste durch Bolivia, [* 20] Peru, [* 21] Ecuador und Columbia [* 22] bis zum Golf von Darien. Hier tragen meist die innern Ketten die höchsten Erhebungen, so den Illimani 6410 m, den Sorata östlich vom Titicacasee 6550 m. Riesige Vulkane [* 23] durchsetzen die Ketten oder die Hochebenen zwischen ihnen, so der Sajama östlich von Arica 6415 m und in Ecuador der Chimborazo 6310 und die noch thätigen Cotopari 5943 und Antisana 5756 m u. a. In Mittelamerika zieht die Cordillere zuerst niedrig, dann von Costa-Rica höher bis zum Isthmus von Tehuantepec, eine Urgebirgskette mit nördlich anlagernden jüngern Meeresablagerungen und südlich davorstehenden zahlreichen noch thätigen Vulkanen bis 4260 m Höhe.
Darauf beginnt am genannten Isthmus das Hochland von Mexiko, 1900-2200 m, von Vulkanen bis 5400 m Höhe (Pico d'Orizaba, Popocatepetl und Iztaccihuatl) durchbrochen, welches nun in die nordamerik. Gebirge übergeht. Diese bestehen aus zwei Ketten, den Felsengebirgen im O., die vom Rio [* 24] Grande bis zum Yukon in Alaska verfolgt werden können, und den Küstenketten, der Sierra Nevada in Kalifornien, dem Kaskadengebirge im NW. der Vereinigten Staaten [* 25] und den canad. Randketten.
Die Felsengebirge erreichen im Mount-Hooker etwa 5000, auch in Colorado und Wyoming meist über 4000 m; die Sierra Nevada, das Kaskadengebirge und ihre Fortsetzungen in Canada haben ähnliche Höhen. Zwischen ihnen dehnen sich in den Vereinigten Staaten von Amerika Hochebenen aus von 1000 bis 1300 m Höhe, die das ganze sog. Große Becken erfüllen und auch noch nach Britisch-Columbia hineinstreichen. Während nun der Osten, die Felsengebirge, über einer archäischen Achse meist paläozoische und mesozoische Ablagerungen trägt, wird der Westen, wenigstens das Kaskadengebirge, von Eruptivmassen (Mount-Rainier und Mount Shasta) überwuchert, die noch große Teile der innern Hochebenen überziehen.
Diese sind von S. nach N. das Plateau des Colorado mit dem 2000 m tiefen Canon des Flusses, die Mohave- und Gilawüste das Nevadaplateau und die Columbia-Ebene. Die vulkanische Thätigkeit ist im ganzen Westen von Nordamerika früher sehr stark gewesen, ruht aber jetzt fast völlig, Massen von Geisern im Yellowstone Park sind ihre letzten Spuren. Nur Mount-Baker an der Grenze gegen Canada, und einige Vulkane an der Küste von Alaska sind noch thätig. Jenseit 50° nördl. Br. beginnen dagegen die Gletscher, die sich bis Alaska hinziehen, häufiger zu werden, und die innern Hochebenen sind von tertiären Süßwasserablagerungen und Diluvium [* 26] angefüllt.
Gegen O. senkt sich nun in Nordamerika sowohl wie in Südamerika das Land zu den gewaltigen Tiefebenen der großen Flüsse. [* 27] Während aber in Südamerika alles Tiefland im Gebiete derselben tertiär oder jüngste Flußanschwemmung ist, besteht der Boden der großen Ebenen im Norden aus ältern Ablagerungen der paläozoischen und mesozoischen Zeit. Tertiär findet sich nur in Nebraska und an den Küsten, Quartär nur im Mississippithal und an beiden Red-Rivers. Weithin dehnt sich die produktive Kohlenformation über das Mississippithal nach der Ostküste aus.
Hier trifft man auf die östlichen ältern Gebirgsgerippe. Das flache abgeschliffene archäische Grundgebirge nimmt den ganzen Nordosten von Nordamerika ein, Labrador, Canada bis westlich zum Mackenzie. Weiter südlich aber folgt das gefaltete Alleghanygebirge mit archäischer Achse und daran gelagerten paläozoischen Schichten. Ein solches gefaltetes Gebirge findet sich im O. Südamerikas nicht. Hier liegt ungestört der Kreidesandstein in Guayana und Brasilien [* 28] auf dem Gneis und den krystallinischen Schiefern des Untergrundes.
Die westind. Inselwelt gehört dem Gebirgssystem Mittelamerikas an, ist aber zerbrochen und zerstückelt. Urgebirgsketten bilden die Kerne der Großen Antillen; an sie schließen sich mesozoische Ablagerungen. Vulkane treten in den Kleinen Antillen auf, vielleicht an der Innenseite des hier versunkenen Kettengebirges. Möglicherweise gehört auch die karibische Gebirgskette Nordostvenezuelas zu diesem System, das sich dann um das Karibische Meer gruppieren würde. Auch die Sierra Nevada de Santa Marta, ein fast vereinzeltes, 5100 m hohes Schiefergebirge an der Nordküste Columbias, scheint nicht zu den Anden zu gehören.
Die Tiefebenen Nordamerikas liegen zwischen den westl. Gebirgsketten und den ältern, von dem atlantischen Küstenstreifen abgesehen, östl. Bergländern. Im N. ist die fluß- und seenreiche arktische Ebene, ein gewelltes Tiefland, vom Gebiet des Mississippi zu unterscheiden. Dem gegenüber stehen in Südamerika die Llanos des Orinoco, die Waldebenen des Amazonenstroms und die Pampas des La Plata. In Nordamerika fallen 55 Proz. der Gesamtfläche auf die Tiefländer, in Südamerika gar 66 Proz., so daß beide gegenüber Asien [* 29] (37 Proz.) und namentlich Afrika als Kontinente vorherrschenden Tieflandes gelten müssen.
Gewässer. Dieser Reichtum an Tiefland begründet auch das Auftreten großer Ströme. Namentlich Südamerika ist daran reich. Von der Gesamtfläche desselben werden 56,2 Proz. durch die großen Flußsysteme eingenommen, in Nordamerika nur ¶
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36,7 Proz. Begünstigt wird diese Entwicklung in Südamerika besonders durch die von O. gegen den Ostabhang der Anden fallenden Niederschläge und die Möglichkeit der Richtung der Ströme gegen O.
Der Amazonenstrom [* 31] hat bei einem über 5000 km langen Lauf ein Gebiet von 6 500000 qkm, der La Plata bis zur Paranaquelle bei 3550 km Stromentwicklung ein Gebiet von ungefähr 2 879 300 qkm, wogegen Nordamerikas größter Strom, der Mississippi, der längste Strom der Erde, von der Missouriquelle an zwar eine Entwicklung von ungefähr 7000 km, aber nur ein Gebiet von ungefähr 3 100000 qkm zeigt, und der Lorenzstrom 1 266 400 qkm in sein Gebiet faßt, doch nur 3000 km Stromentwicklung besitzt.
Nordamerika hat die größte Seegruppierung der Erde (nicht aber den größten See); schon die fünf Quellseen des Lorenzstroms umfassen in ihrer Gesamtfläche 238 971 qkm, und ungemessene Flächen nehmen die unzähligen Seen der nördlichern Ebenen ein. Auffallend sind die zur Regenzeit noch vermehrten Bifurkationen; so ist nicht nur die Wasserscheide zwischen einzelnen arktischen Flußsystemen unbestimmt, sondern in Südamerika bildet der Casiquiare eine natürliche Stromverbindung zwischen dem Orinoco und dem Rio Negro des Amazonensystems.
Die Hauptströme A.s sind (von NW. angefangen) folgende: der Mackenzie, Große Fisch- oder Backfluß im N.;
die Hudsonsbaigewässer, als Churchill, Nelson, Severn und Albany;
der Lorenzstrom, Hudson, Delaware, Mississippi, Rio del Norte, Magdalenenfluß, Orinoco, Amazonenstrom oder Maranon, Tocantins, Parnahyba, San Francisco, Parana und Uruguay, Rio Colorado und Rio Negro, und in Nordamerikas W. der Colorado, Sacramento, Columbia (Oregon), Fraserfluß und der Yukon. (Hierzu Physikalische Karte von Amerika: I. Nordamerika; II. Südamerika; s. auch die Karten bei den Artikeln Brasilien, Columbia und La Plata-Staaten.)
Klima. [* 32] Amerika liegt nur unter dem 13. Teil des Äquators, und selbst da, wo die geogr. Lage eine afrik. Hitze voraussetzen ließe, ist das Klima verhältnismäßig kühl und feucht; die Erstreckung von N. nach S., die geringe Breite, die Berührung durch den Ocean, der Mangel riesiger trop. Länderräume mildern die Wärmeentwicklung. Dem gegenüber hat die Winterkälte im N. Nordamerikas freien Spielraum, indem die gewaltige Ausdehnung dieser Landmasse unter hohen Breiten die Wärmeausstrahlung fordert.
Nordamerika hat überhaupt ein weniger oceanisches Klima als Süd- und Mittelamerika. Nur der Nordwesten und die Westküste haben milde Winter, kühle Sommer und viel Regen. Der ganze Rest des Kontinents leidet an den äußersten Gegensätzen. Vor allem ist der Winter sehr kalt, und der Einfluß der eisbedeckten Nordhälfte Nordamerikas äußert sich unheilvoll bis weit gegen Süden. Dann aber ist die Wärme [* 33] im Sommer, namentlich auf den trocknen, wasserarmen, fast Wüstencharakter tragenden Hochebenen von Arizona, Neumexiko, Colorado außerordentlich (mehr als 36° Julimittel).
Auch die Ostküste hat kein oceanisches Klima. Von N. dringt ein kalter Meeresstrom an der Küste entlang, der den Golfstrom abtrennt, und auch die Niederschläge sind so gleichmäßig über das Innere und den Osten verteilt, daß ein oceanisches Klima auch hier nicht erwartet werden kann. Auch hier sind die Sommer heiß. So zerfällt Nordamerika in eine Reihe nordsüdlich streichender klimatischer Zonen. Auch das Mississippibecken hat sehr wechselndes Klima, insofern es den Nordwinden mit ihrer Winterkälte und den heißen Südwinden ausgesetzt ist.
In Südamerika unterscheidet man das echt tropische Klima des Nordens, Ostens, Nordwestens und des Innern, mit großer, durch starke Niederschläge gemilderter Wärme, ferner das subtropische Klima der La Plata-Staaten, Südbrasiliens, von Paraguay, Uruguay, dann das patagon. Hochlandsklima mit größern Extremen und Trockenheit, das südchilen. Klima mit scharf oceanischem Charakter, sehr kühlen Sommern, milden Wintern, bedeutenden Niederschlägen, und dem gegenüber das trockne, fast regenlose, heiße, wenn auch durch kühle Meeresströmung gedämpfte Klima von Nordchile und der Westküste von Peru bis 5° südl. Br. (Punta-Pariña); endlich das Höhenklima der andinen Hochebenen.
Das riesige Küstengebirge der Cordilleren steigt in allen Zonen über die Schneelinie. Man schaut von den kahlen peruan. Küsten unter Tropenhitze zu Gipfeln auf, ewig in Schnee [* 34] und Eis [* 35] gehüllt; man steigt aus der riesenhaften Vegetation Ecuadors zu Höhen auf, wo einzig noch der Kondor organisches Leben verkündet; aber man verläßt den Getreidebau in Peru erst in der Höhe von 3900 m, in Ecuador bei 2900 m. Der Norden und Süden A.s hat gleiche Tageszeiten, aber dem entgegengesetzten Eintritt des Sommers entsprechende Jahreszeiten, [* 36] wiewohl auch hierin vorherrschende Winde, [* 37] verschiedener oceanischer Einfluß und die Lage der Cordilleren als eine großartige Wetterscheide solche Unregelmäßigkeiten erzeugt, daß z. B. die Ostküste Brasiliens die Regenzeit vom März zum September und Peru unter gleicher Breite vom November zum März hat. In der Tropenzone berühren sich die Regen- und die Trockenzeit in den schärfsten Gegensätzen. Allmählicher werden die Übergänge zwischen den Jahreszeiten jenseit der Wendekreise, bis die eisige Natur der Polarzone in kurzem Erwachen aus langem Winterschlafe der organischen Welt nur ein flüchtiges Dasein gewährt.
Mineralien. [* 38] Überaus reich ist Amerika an Schätzen des Mineralreichs. Kohlen, Petroleumquellen birgt Nordamerika in reicher Fülle, und keine andern Gegenden der Erde haben einen Reichtum an Silber, nur wenige einen solchen von Gold [* 39] wie Kalifornien und die äquatorialen Gebirgsgegenden, an Diamanten und andern Edelsteinen wie Brasilien, Columbia, Chile und Peru, an Salpeter wie Chile, an Blei- und Kupferlagern wie Wisconsin u. s. w.
Pflanzenwelt. In lückenlosem Zusammenhange zeigt den Wechsel der nordischen, tropischen und südl. Floren, und zum Austausch zwischen den kühlen Klimaten ist hier das mächtigste Gebirgssystem der Erde, die Andenkette, bereit. Ist auch der Zusammenhang des Landes unter 10° nördl. Br. nur auf schmale Flächen beschränkt, so genügen sie doch zur Bewahrung des einheitlich amerik. Charakters in den Tropen, noch verstärkt durch das breite Inselband der Antillen, welches Florida mit Venezuela floristisch verknüpft. Der kalte Norden hat wenig eigentümlich Amerikanisches, sondern schließt sich vielmehr an die ostsibir. und nordeurop. Flora an; aber von 30° nördl. Br. bis 30° südl. Br. und in schwächern Zügen noch weiter ausgreifend, ist ein besonderer amerik. Charakter entfaltet, zu dem z. B. die formenreichen Familien der stachligen Kakteen [* 40] und der Ananasgewächse (Bromeliaceae) treffliche Züge liefern, da diese hier allein ihre ¶
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Heimat haben. In Patagonien tritt dafür dann ein neuer, sog. antarktischer Zug an die Stelle.
Durchwandert man von Norden nach Süden, so findet man in folgender Abgrenzung eine Pflanzenzone die andere ablösend: Bis 60° nördl. Br. und in Labrador bis 52° nördl. Br. bedeckt hauptsächlich die Tundra (s. d.), unterbrochen nur durch einzelne Baumoasen niederer Fichten und Birken, das kalte Land. Die Südgrenze der Tundra bildet eine Linie, auf der der wärmste Monat eine mittlere Temperatur von +16 °C. und der kälteste von -20° C. erreicht. Es folgt dann ein breiter nördl. Waldgürtel von Kiefern, Fichten, Tannen und Birken, der seinen größten Reichtum an Laubhölzern (Walnüssen, Ulmen, Eichen, Ahorn, Linden, Tulpenbäumen u. s. w.) entwickelt in einer südlichern Zone, die ungefähr bis zum 40.° nördl. Br. reicht und auf dieser Äquatorialgrenze im wärmsten Monat +25° C. und im kältesten etwa 0° mittlere Temperatur zeigt.
Zwischen der Ost- und Westküste ragen aber die Felsengebirge und die Sierra Nevada in die Schneeregion, schließen das Steppenplateau von Utah ein, und haben zwischen ihren Abhängen und dem Missouri die weiten Grasebenen der Prairien (s. d.) vorgelagert, mit kältern Wintern und noch um 5 Grade heißern Sommern. Hier schließen sich daher als Übergang zu den Tropen unter 30° nördl. Br. die heißen Steppen von Arizona und Neumexiko an, in denen das Baumleben durch riesige Säulenkakteen vertreten wird.
Beim Eintritt in die Regenzone der Ostküste, in Virginien, durchschreitet man das Übergangsgebiet zu den Tropen bis zum 25.° nördl. Br., woselbst der geringe Jahresunterschied zwischen dem wärmsten Monat mit +26° und kältesten mit +16° C. eine üppige Vegetation hervorruft, immergrüne Laubhölzer, wie Orangen-, Lorbeer- und Ölbäume, ferner ganz neue Formen in den Magnolien und Zwergpalmen; neben Weizen werden Mais und Reis, in den Pflanzungen Zuckerrohr, Baumwolle [* 42] und Tabak [* 43] gebaut, während Batate und Maniok ihre mehlreichen Wurzeln zur Nahrung bieten.
Nun breitet sich in dem zum Atlantischen Ocean hin geöffneten Teile A.s ein breiter Tropengürtel vom 25.° nördl. Br. bis zum südl. Wendekreise aus, der Gürtel [* 44] der Bananen und des tropischen Plantagenbaues mit nicht wesentlich über 25° C. hinausgehenden, aber auch nicht viel tiefer darunter sinkenden Monatstemperaturen, wo der Unterschied des kältesten und wärmsten Monats nur nahe den Grenzen [* 45] mehr als 5° beträgt. Hier zeigt sich die Mannigfaltigkeit der tropischen Urwaldungen in Kautschukbäumen (Siphonia), Paranüssen (Bertholletia), Palmen, [* 46] sowie die Kultur der Yamswurzeln, Vanille, Ananas, Bananen, Melonen, Brotfrucht- und Kuhbäume, Kokosnüsse. Die undurchdringlichen Waldungen enthalten mannigfaltige, zum Teil riesenhafte Baumformen der feinsten Holztextur, wie Mahagoni, Guajac, Campeche-, Brasilienholz u. s. w. Die dichten Wälder des Chinarindenbaums beschatten Quitos Gebirgsterrassen, hoch in die Anden von Ecuador, bis zur Berührung der ersten Schneefälle, steigt die schlanke Wachspalme (Ceroxylon andicola Humb.) über die Mauritia-Palmenwälder der Ebene.
An der Westküste von Südamerika folgt nun der oben erwähnte trockne und kühlere Übergangsstreifen von 5° südl. Br. bis 34° südl. Br., immer begleitet von dem schneeigen Zuge der Anden. An einer Grenze, wo der heißeste Monat (Januar) etwa 17° C. im Mittel erreicht, setzt hier die Zone der Winterregen ein, die bald das Baumleben zur Entwicklung der schönen Wälder Valdivias fördert, dann aber in der Breite von 45°, wo der wärmste Monat nur noch 14° C. oder weniger erreicht, trotz milder Winter allmählich zu immergrünen Gebüschen sinken läßt.
An der Ostküste folgt auf die Tropen ein Übergangsgürtel zwischen dem südl. Wendekreise und dem Mündungsgebiet des La Plata, dann reihen sich die Pampas (s. d.) und die immer dürftiger werdenden Steppen mit Stachelgebüschen des südl. Argentiniens an, bis die südliche kühle Zone auch hier mit etwa 50° südl. Br. beginnt, wo der wärmste Monat nur wenig über 10° C. Temperaturmittel noch besitzt, der Winter aber kaum Fröste bringt. - Wie man von den äquatorialen Gürteln des Weltteils bis zu seinen Polarenden die üppige Riesenkraft der Pflanzenwelt immer mehr schwinden sieht, so auch im Ansteigen von den tropischen Küstengestaden zu den eisbedeckten Gebirgshöhen, beim Durchwandern der drei Regionen der Tierra caliente, templada und fria.
Die mittlere Gruppe bezeichnet jene gesunden und herrlichen Gegenden A.s, wo bei fast ewigem Frühling grüne Wiesen und kräftige Laubhölzer sich mit den seltsamsten und riesenhaften Formen der Tropenwelt einigen. Die menschliche Kultur verdankt Amerika besonders zwei in die warm-gemäßigten und kühlen Länder der ganzen Erde eingeführte Nahrungspflanzen: [* 47] Mais und Kartoffel; die Heimat des erstern ist wahrscheinlich Paraguay, die der letztern das südl. Chile gewesen.
Tierwelt. Kein Erdteil hat eine so reiche Tierwelt wie Amerika, keiner ist aber auch der Entwicklung derselben gleich günstig. Durch seine Ausdehnung von N. nach S., seine gewaltigen Gebirge, ungeheuren Wälder, Prairien, Llanos, Pampas, seine Riesenströme und großartigen Seen, sowie durch die Gegenwart zahlreicher Inselgruppen bietet Amerika eine Fülle von Lebensbedingungen, an die sich die Tiere anzupassen haben, wie sie nirgends wieder gefunden werden. Von den 84 Säugetierfamilien haben hier 48 Vertreter, und 13 davon kommen nur hier vor.
Die größten Landsäugetierformen, Pferde, [* 48] Elefanten, Rhinocerosse werden hier nicht mehr gefunden, aber sie kamen vor noch nicht langer Zeit, geologisch gesprochen, ja das Mammut wohl noch mit dem Menschen zusammen vor; weiter finden sich hier die Reste riesenhafter Faul- und Gürteltiere, sowie zahlreicher Formen, die wir als die Ahnen der verschiedenen Huftiere anzusehen haben. Von den 131 Familien der Vögel [* 49] entfallen auf Amerika 80 und 36 von diesen, darunter äußerst artenreiche, wie Kolibris, [* 50] werden nur hier gefunden.
Auch an Reptilien ist Amerika reich: von 60 Familien kommen 38 und davon 9 bloß hier vor. Die 22 Familien der Amphibien sind gar durch 20, darunter 6 eigene vertreten. Die Süßwasserfauna ist überhaupt durch die Entwicklung der gewaltigen Flüsse im gemäßigten Norden und im tropischen Süden die reichste der Welt. Der Reichtum an Insekten [* 51] geht ins ungeheure, es sei nur hervorgehoben, daß fast zwei Drittel sämtlicher (etwa 8200) Tagschmetterlingsarten Amerika bewohnen, auch etwa der vierte Teil sämtlicher Landgastropoden und sicher der dritte aller Süßwasserschnecken wird hier gefunden. Auch der Reichtum der Meere auf beiden Seiten, besonders des Golfs von Mexiko ist ein sehr großer und die Bank von Neufundland ihrer Fischmengen wegen berühmt. An den Küsten, ¶
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besonders den westlichen der südl. Hälfte, finden sich Seevögel aller Arten in so gewaltigen Scharen, daß ihr Kot (Guano) auf stundenlange Strecken den Boden in einem 10 m breiten Gürtel überzieht. Kein Land der Erde ist auch so günstig für das Verwildern der Haustiere, und die Prairien des Nordens wie die Pampas des Südens und die Ebenen der westind. und Falklandsinseln wimmeln von ungeheuren Scharen verwilderter oder halbwilder Herdentiere.
Bevölkerungsverhältnisse. Als die Europäer Amerika kennen lernten, fand sich das Land in seiner ganzen Ausdehnung von eingeborenen Stämmen bewohnt, den Eskimo im äußersten Norden und den zahlreichen Indianerstämmen, die man wohl als «Amerikanische Rasse» (s. d.) zusammengefaßt und bezeichnet hat. Seit Columbus wanderten Europäer aller Nationen in Menge ein. Ihre Thätigkeit hat die Eingeborenen zurückgedrängt, um so schneller, als die physische Schwäche der Ureinwohner das Bedürfnis hervorrief, zur Arbeit in den Kolonien den kräftigen Neger nach Amerika zu bringen und somit neben der kupferfarbigen und weißen auch die schwarze Menschenrasse in die Neue Welt zu verpflanzen. Aus Wechselheiraten zwischen verschiedenen Rassen entstanden sog. Mischlinge, unter denen viele Abstufungen unterschieden werden, z. B. Mestizen, Mulatten, Zambos u. s. w. (S. Farbige.)
Die gesamte Bevölkerung [* 53] A.s wird auf 125 Mill. geschätzt, von denen auf die Vereinigten Staaten und Britisch-Nordamerika 72 Mill., auf Mexiko 11½, aus Mittelamerika über 3 Mill., auf Westindien fast 5½ und auf Südamerika etwas mehr als 33 Mill. zu rechnen sind. Es bildet dieselbe ungefähr den 12. Teil der Gesamtbevölkerung der Erde (diese zu 1480 Mill. angenommen), während die Größe des Erdteils, zu 38 400000 qkm angenommen, fast zwei Siebentel aller Landfläche beträgt.
Diese geringe Volksdichtigkeit von nicht 4 Menschen auf 1 qkm wird nur von der Australiens (0,7 Menschen auf 1 qkm) Übertroffen; dicht ist die Bevölkerung nur in den Oststaaten der Vereinigten Staaten, namentlich in Neuyork [* 54] (50 auf 1 qkm). Fast ganz menschenleer sind Labrador, Nordwestamerika, Centralbrasilien, Patagonien. Die Bevölkerung besteht jetzt aus drei verschiedenen Rassen, den Amerikanern, den Europäern und den Negern. Die Mehrzahl, etwa 75 Mill., sind kaukas.
Rasse, 7 Mill. gehören zur einheimischen Rasse, 9 Mill. entfallen auf die Rasse der Neger, 32 Mill. auf die Mischlinge der drei Rassen. Die einheimische Rasse ist nur in Westindien ganz erloschen, sonst über den ganzen Erdteil in zahllosen Völkerschaften und Stämmen verbreitet. Die Neger, als Sklaven zur Plantagenarbeit in den tropischen und subtropischen Gegenden eingeführt, leben daselbst als Freigelassene (hauptsächlich in Nordamerika und Brasilien), zum Teil von Land- und Bergbau [* 55] oder von Gewerben; auf Haïti [* 56] haben sie einen eigenen Staat gegründet.
Den durch Freilassung der Negersklaven entstandenen Verlust an Arbeitskräften haben neuerdings die Engländer und Franzosen in ihren Kolonien (in Westindien und Guayana) durch Einführung gedungener Kuli aus Ostindien [* 57] zu ersetzen gesucht, und Kalifornien hat auch viele Chinesen angezogen. Die Mischlinge sind fast sämtlich christlich getauft sowie auch ein großer Teil der Neger. Die Zahl der Heiden unter Indianern und Schwarzen läßt sich nicht sicher bestimmen; sie wird von 5½ bis auf 12 Mill. angegeben.
Die Europäer oder die Weißen und deren in Amerika selbst geborene Nachkommen oder Kreolen sind die Beherrscher des Erdteils. Sie sind in Nordamerika vorherrschend german. Abkunft, und zwar überwiegend brit. Nationalität (angelsächs. Rasse), Engländer und Angloamerikaner, daneben mindestens 7-8 Mill. Deutsche [* 58] und von Deutschen Abstammende; in Mexiko, Mittel- und Südamerika dagegen roman. Nationalität: Spanier und (in Brasilien) Portugiesen. Dort ist der Protestantismus, hier der Katholicismus herrschend. Die Israeliten (etwa 1 Mill.) beschränken sich fast ausschließlich auf die Vereinigten Staaten und die Kolonien der Europäer.
Kulturzustand. Die eingeborenen Stämme, welche zur Zeit der Entdeckung Amerika bewohnten, und die, welche noch heute daselbst mehr oder minder gesondert und unvermischt sich erhalten haben, zeigen in Bezug auf den Grad der Civilisation, den sie erreichten, und die Art derselben die denkbar größten Verschiedenheiten. Während die einen, ohne feste Wohnsitze, nur von der Jagd und dem Fischfang lebend, kaum über die einfachsten Zustände der gesellschaftlichen Entwicklung und des technischen Vermögens hinausgekommen sind, wie z. B. die Feuerländer, die Stämme Patagoniens und die des innern Brasiliens, haben sich bei andern, obwohl ebenfalls zumeist noch Jagd und Fischfang treibenden Stämmen festere Ordnungen herausgebildet, und die Erzeugnisse ihrer Handfertigkeit und ihrer gewerblichen Thätigkeit bekunden nicht nur erfinderischen Sinn, sondern auch eine gewisse künstlerische Veranlagung.
Das kann z. B. von den Indianerstämmen des Nordwestens der Vereinigten Staaten und Britisch-Columbias gesagt werden. Andere Stämme haben mit der Jagd einen mehr oder minder ausgedehnten Ackerbau verbunden. So die Stämme, welche zur Zeit der Entdeckung den Osten und den Süden des Gebietes der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika bewohnten. Wieder andere sind ganz und gar zum Ackerbau übergegangen. So die Pueblo-Indianer von Neumexiko und fast die sämtlichen Hochlandsstämme.
Brennpunkte der alten einheimischen Civilisation sind Mexiko, und zwar sowohl das Hochland wie die Küstenstriche und das benachbarte Jucatan und Guatemala. [* 59] Ferner die Hochländer von Columbia, einschließlich das Plateau von Bogota. Endlich die Thaler und Hochebenen von Ecuador, Peru und Bolivien und der schmale Küstensaum, der sich zwischen dem pacifischen Meer und am Fuß der peruan. Cordillere hinzieht. In diesen Gegenden insbesondere kann man noch heute die Reste alter Bauwerke und viele andere Zeugen der alten Civilisation bewundern (s. Amerikanische Altertümer). Auch wohnen dort noch heute mehr oder minder unvermischt die Nachkommen der alten Kulturvölker. Nur haben sie ihre alte einheimische Civilisation mit der europäischen vertauscht und das Christentum angenommen.
Seit Beginn des 16. Jahrh. hat sich das ethnogr. Bild A.s wesentlich geändert. Während Europäer als Eroberer und Kolonisten einzogen, schmolz die einheimische Bevölkerung zusammen oder ging gänzlich unter. Den Europäern folgten später Neger als Sklaven. Spanier und Portugiesen bemächtigten sich Südamerikas und Mexikos; Holländer, Franzosen und Engländer Nordamerikas, wiewohl die beiden erstern den Briten bald das Feld räumten. Die Antillen wurden der gemeinschaftliche Boden für fünf europ. Nationen und die Neger, und Guayana ¶
Nord-Amerika. Übersicht der Besitzergreifung.
Nord-Amerika. seit 1783.
Die 13 alten Staaten. ¶
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ward ein Kolonialland für Frankreich, England und Holland. Die Spanier eroberten und besetzten die Hochländer der Anden und die schon civilisierten Gegenden A.s, ließen sich unter der einheimischen Bevölkerung nieder und machten letztere zu ihren Arbeitern und Unterthanen. Die Portugiesen im Süden und die Engländer im Norden kolonisierten die Ostküsten, verdrängten die Eingeborenen und bildeten neue Gemeinwesen, in die südlich mehr, nördlich weniger amerik.
Elemente übergingen, in denen jedoch zwei verschiedene Entwicklungswege verfolgt wurden. Die einen bewohnten ein Land, in Klima und Boden ihrem Vaterlande ähnlich, und konnten europäisch bleiben; die andern wählten die Äquinoktialgegenden zu neuer, ungewohnter Heimat und holten Negersklaven zur Arbeit über den Ocean. Auf solche Weise gestaltete sich eine natürliche Verteilung der verschiedenen Elemente auf amerik. Boden. In Nordamerika wurde der Südosten europäisch, die Indianerstämme zogen sich nach Norden und Westen zurück; in Südamerika dagegen wurden dieselben von allen Seiten umschlossen; sie berühren nur im Orinoco- und Amazonendelta und in Patagonien den Ocean.
Mittelamerika und das westl. Südamerika wurden Vereinigungsländer von Europäern und Eingeborenen; die östl. Küstenländer zwischen dem 35.° nördl. und dem 35.° südl. Br. wurden europ. Länder mit Sklaven und jenseit dieser Parallelen solche ohne Sklaven. Das europäisierte Amerika bietet daher drei Kasten dar: die Europäer, die Eingeborenen und die Neger. Ihre Farbe sondert scharf; die sie trennenden Schranken sind jedoch nicht überall von gleicher Festigkeit. [* 62] Der Spanier und Portugiese verschmilzt leicht mit dem Eingeborenen; der Angloamerikaner aber scheidet sich streng von ihm. Der Einfluß der Weißen ist entscheidend für die Entwicklung der socialen Zustände, denn er beherrscht durch seine Geistesüberlegenheit den stumpfen Eingeborenen, den sinnlichen Neger, selbst den unternehmenden und thätigen Mulatten.
Die roman. Weißen im Süden haben indessen eine andere Civilisation als die germanischen im nördlichen Amerika Spanier und Portugiesen kamen aus dem roman., kath., von unumschränkten Fürsten beherrschten Südeuropa. Sie verließen ihr Vaterland, verlockt durch die Schätze der Neuen Welt; sie bezogen einen ungewohnten Himmelsstrich, unter dem viele vor der Zeit starben, andere geistig entkräftet wurden. Ein breiter Ocean trennte durch widerwärtige Strömungen den Kolonisten von der Heimat.
Gewalt drängte dem Einheimischen den Katholicismus auf, aber die Civilisation faßte nicht feste Wurzel; [* 63] das Volk wurde unwissend gelassen, Verkehr, Gewerbfleiß und Handel waren gehemmt. Aus den Kolonien wurden später selbständige Staaten, schließlich sämtlich Republiken, aber unaufhörliche Erschütterungen verhinderten eine gedeihliche Entwicklung. Anders im Norden. Der brit. Ansiedler kam als Stellvertreter des germanischen, gewerbsamen und freien Europas in einen Erdstrich, seiner Heimat ähnlich. Er fand zunächst weder Gold noch Edelsteine, [* 64] wohl aber einen Boden, der auf die arbeitende Hand [* 65] wartete, um zu belohnen.
Der Verkehr mit dem Mutterlande war leicht, und geistig wie kommerziell bald belebt und innig. Der größte Teil der engl. Ansiedler wurde eine unabhängige Nation; ein großer Bund republikanischer Staaten bildete sich. Nicht bloß Metalle und Kolonialwaren wanderten von Amerika nach der Alten Welt, sondern auch die geistige Frische neuer polit. Theorien wirkte mächtig zurück. So steht ein romanisches und germanisches in scharfem Gegensatz einander gegenüber. In einem wichtigen Punkte aber treffen sie doch zusammen, beiden fehlen nämlich politisch bevorrechtete Stände.
Dieser Grundcharakter der amerik. Civilisation greift wesentlich ein in die Staatengeschichte der Neuen Welt. Da die amerik. Kolonien weder fürstl. Familien noch einheimischen Adel besaßen, die die öffentliche Gewalt hätten in Anspruch nehmen können, so mußten sie sich bei ihren Unabhängigkeitserklärungen von den Mutterstaaten schon darum der demokratisch-republikanischen Regierungsform zuwenden. Zugleich aber ging dieser Republikanismus nach zwei Richtungen auseinander.
Man stiftete in Nordamerika, wo es galt, die verschiedensten Völker und abweichende Bedürfnisse und Neigungen einander anzupassen, Bundes- oder Föderativstaaten, während sich die gleichartigen span. Volkselemente im Süden überwiegend der Form des Einheitsstaates zuneigten. Freilich läßt sich nicht verkennen, daß die jungen, in losen Formen schwebenden Staats- und Gesellschaftsbestandteile im Norden wie im Süden A.s noch manchen Entwicklungsprozeß zu durchleben haben, ehe sie zu einer schärfern, sichern und innerlich gegliederten Gestaltung des polit. Lebens werden gelangen können. Im allgemeinen sind indes die Zustände der von german. Stämmen kolonisierten Staaten weit gedeihlicher und geordneter, die geistige und sittliche Bildung weit vorgeschrittener und verbreiteter als in denjenigen, wo die civilisatorische Aufgabe in den Händen der roman. Stämme lag.
Staatliches. Die Zahl der selbständigen Staaten A.s beträgt 19, die sämtlich Republiken sind. Größe und Bevölkerung der selbständigen Staaten und der europ. Besitzungen zeigt die folgende Tabelle:
Selbständige Staaten | Jahr | Fläche | Bewohner | auf 1 qkm | ||
---|---|---|---|---|---|---|
Vereinigte Staaten von Amerika | 1890 | 9212300 | 62982244 | 7 | ||
Mexiko | 1894 | 1946523 | 12080725 | 6 | ||
Guatemala | 1891 | 125100 | 1452003 | 12 | ||
Salvador | 1892 | 21070 | 780426 | 37 | ||
Honduras | 1890 | 119820 | 396048 | 3 | ||
Nicaragua | 1888 | 123950 | 282 845* | 1 | ||
Costa-Rica | 1892 | 54070 | 262700 | 4 | ||
Haïti | 1887 | 28676 | 960000 | 33 | ||
Santo Domingo | 1888 | 48577 | 417000 | 9 | ||
Vereinigte Staaten von Venezuela | 1891 | 1539395 | 2323527 | 1 | ||
Columbia | 1870 | 1330875 | 3320530 | 3 | ||
Ecuador | 1890 | 299600 | 1400000 | 4 | ||
Peru | 1890 | 1137000 | 2980000 | 2 | ||
Bolivia | 1890 | 1334200 | 2270000 | 2 | ||
Chile | 1894 | 776000 | 2915332 | 3 | ||
Argentin. Republik | 1892 | 2789400 | 4257000 | 1 | ||
Paraguay | 1887 | 253100 | 330000* | 1 | ||
Uruguay | 1893 | 186920 | 748130 | 4 | ||
Vereinigte | 1888 | 8337218 | 14002335 | 1 | ||
Zusammen: | 29663797 | 114160845 | 3,8 | |||
Kolonien europ. Staaten | Jahr | Fläche | Bewohner | auf 1 qkm | ||
Großbritannien | 1891 | 9474700 | 6719000 | 0,7 | ||
Spanien | 1887 | 128147 | 2430253 | 19 | ||
Frankreich | 1889 | 81993 | 377330 | 4 | ||
Niederlande | 1890 | 130230 | 114035 | 0,8 | ||
Dänemark (mit Grönland) | 1890 | 88459 | 43302 | 0,4 | ||
Zusammen: | 9903529 | 9683920 | 1,4 |
* Ohne die uncivilisierten Indianer.
Die Kolonien und sonstigen Besitzungen der Europäer umfassen folgende Länder:
1) Großbritannien [* 66] ¶