Die
Evangelischen lehren allerdings ebenfalls die alleinseligmachende Kraft
[* 2] der
Kirche, verstehen darunter aber im Unterschiede
von jeder Partikularkirche die wahre
Kirche oder die Gemeinschaft der
Heiligen, deren
Glieder
[* 3] in sehr verschiedenen Sonderkirchen
zerstreut sein können, und halten ausdrücklich an dem Grundsatze fest, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten äußern
Kirchengemeinschaft nicht notwendig zur Seligkeit sei. Die luth. Dogmatik des 16. und 17. Jahrh.
verengte die freiere
Anschauung der
Reformatoren durch das immer ausschließlichere
Betonen der «reinen
Lehre»,
[* 4] d. h. des strengen
Festhaltens des orthodox-luth.
Lehrsystems, in welchem jedes
Stück als unmittelbar oder mittelbar fundamental, d. h. als zur Seligkeit notwendig, erschien.
Hierdurch war eine alleinseligmachende luth. Lehrkirche aufgerichtet, die im
Grunde nicht weniger intolerant
war als die alleinseligmachende röm. Priesterkirche, obwohl man protestantischerseits sich immer
gescheut hat, die letzten Konsequenzen zu ziehen. Die neuere, von Schleiermacher angeregte, prot.
Theologie lehrt, daß als
einzige
Bedingung der Seligkeit der persönliche Heilsglaube anzuerkennen sei, dieser aber nur auf
Grund
der geschichtlichen
Erlösung und vermittelst der geschichtlichen
Kirchengemeinschaft wahrhaft zu stande kommen könne. Hiermit
sucht sie ebensowohl das
Recht jenes
Satzes, daß außer der
Kirche Christi kein
Heil sei, zu wahren, als auch dem Mißverständnisse
zu wehren, als ob die Zugehörigkeit zur äußern
Kirche und das Fürwahrhalten ihrer Dogmen die Hauptsache
sei.
(frz, spr. allmángd), ein Tanz, der im 16. Jahrh.
«deutscher Tanz» hieß und als Allemande nach
Frankreich, England und
Spanien
[* 5] (wo ein ähnlicher Tanz schon früher bekannt war) kam.
Die spätere Allemande ward von der franz.Tanzkunst zur Zeit
Ludwigs XIV. erfunden und unter Napoleon I. wieder
sehr beliebt in
Theater
[* 6] wie Salon. Die Allemande hat langsames Walzertempo und besteht ans drei geschleiften sog.
pas marchés, bald vor, bald zurück, selten walzend. Der Reiz liegt in der anmutigen
Bewegung und Haltung der
Arme, den sog.
passes. Dieses Motiv sowohl als die
Musik sollen ans dem Elsaß stammen. - Auch heißt Allemande eine musikalische
Komposition von ernstem Charakter und gemessener
Bewegung, die als
Teil der ältern franz.
Suite (s. d.) vielfach bei Seb.
Bach
und
Händel vorkommt.
Mannauf, der durch ein eigenartiges
Pfeifen der Trillerpfeifen desBootsmanns und seiner Maate
gegebene
Befehl für die gesamte Schiffsbesatzung, schleunigst an
Deck zu kommen zur Ausführung eines Segel- oder sonstigen
Manövers.
(spr. älln),Bog oder Torfmoor von, ein über 600 qkm großer Sumpf
Irlands in denGrafschaften
Kildare und King's-County, durch große
Strecken trocknen
Bodens in verschiedene
Teile geschieden, fließt durch den
Barrow nach
Süden und den
Boyne nach
Osten ab.
(spr. älln),Grant, engl. Naturforscher und Romanschriftsteller,
geb. zu Kingston in
Canada, studierte in Oxford
[* 7] seit 1867 und ward 1871 daselbstBachelor of
arts. Er wurde ein eifriger
Anhänger des
Darwinismus und trat, früh schriftstellernd, in sachkundigen und scharfsinnigen
Aufsätzen für ihn ein. Er veröffentlichte: «Physiological aesthetics» (1877),
«'The
colour sense» (1879),
«The evolutionist
at large» (1881; 2. Aufl. 1885),
«Anglo-Saxon Britain» (1881),
«Vignettes from nature» (1881),
«Colours of flowers» (1882),
«Colin Clout's Calendar» (1883),
«Flowers and their pedigrees» (1884; 2. Aufl.
1886),
Karl Ferd., dän. Geschichtsforscher, geb. zu
Kopenhagen,
[* 8] studierte seit 1830 daselbst, bereiste behufs Archivforschungen 1845 - 48
Holland, England,
Frankreich,
Italien,
[* 9] Deutschland
[* 10] und wurde 1851 zu Kopenhagen Universitätsdocent und Titularprofessor, 1862 ord. Professor der Geschichte
und der nordischen
Archäologie. Geschwächter Gesundheit wegen brachte Allen zuletzt mehrere Winter im
Süden
zu und starb zu Kopenhagen. Seine wichtigsten
Schriften sind: «Haandbog i Fädrelandets Historie» (Kopenh.
1840; 8. Aufl. 1880; deutsch Lpz. 1849; neue Aufl.
1855; auch sonst übersetzt),
«Lärebog i Danmarks Historie» (Kopenh. 1842;
deutsch ebd. 1843) und
«De tre nordiske Rigers Historie under
Hans, Christiern den
Anden, Frederik den Förste,
Gustav
Vasa, Grevefejden, 1497 - 1536» (Bd. 1 - 5, ebd. 1864 -
72),
sein Hauptwerk, das unvollendet, aber eine Hauptleistung nordischer Geschichtschreibung ist. Von den politischen sind
hervorzuheben: «Om Sprog og Folkeeiendommelighed i Hertugdömmet Slesvig eller Sönderjylland»
(Kopenh. 1848, auch deutsch),
«Det Danske Sprogs Historie i Hertugdömmet Slesvig eller Sönderjylland»
(2 Bde., ebd. 1857 fg.; deutsch Schlesw.
1857);
beide riefen von deutscher Seite heftige
Widersprüche hervor.
Stadt im
Kreis
[* 11]
Wehlau des preuß. Reg.-Bez. Königsberg,
[* 12] an der schiffbaren
Alle, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Königsberg i. Pr.) und einer Reichsbanknebenstelle,
hat (1890) 1958 evang. E., Post,
Telegraph,
[* 13] evang.
Kirche, Stadtschule, Privatschule mit Pensionat, Damenstift
(gegründet von von Rauschke),
Krankenhaus,
[* 14] Mädchenwaisenhaus, Spar- und Vorschußverein;
Zündholzfabrik, Dampfsägewerk,
Molkerei, Handelsmühle und 2 Windmühlen, Holz- und Getreidehandel, Kram-, Vieh- und Pferdemärkte. Allenburg wurde 1407 durch
den Hochmeister Konrad von Jungingen gegründet.
(spr. ällendehl),Kirchspiel und Marktstadt in der engl.
GrafschaftNorthumberland, am
Allen, 15 km im
SW. von
Hexham, hat (1891) 5045 E. und in der Nähe große Bleigruben.
1) Allendorf an der Werra, Stadt im
Kreis Witzenhausen des preuß. Reg.-Bez.
Cassel, in 154 m Höhe, an der Linie
Frankfurt-Bebra-Göttingen
der
Preuß. Staatsbahnen,
[* 15] Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht
Cassel), hat (1890) 2770 E., darunter 25 Katholiken,
Postamt zweiter
Klasse,
Telegraph,
Krankenhaus; Fabrikation von Papierwaren und künstlichem
Dünger und 2 Holzschleifereien.
Allendorf ist Geburtsort des Fabeldichters Burkard Waldis. Jenseit der Werra, mit Allendorf durch zwei
Brücken
[* 16]
¶
Vgl. Wagner, Geschichte der Stadt Allendorf (Marb. 1865). -
2) Allendorf an der Lumda, Stadt im Kreis Gießen
[* 18] der hess. Provinz Oberhessen, hat (1890) 1093 E., Postagentur, Telegraph und evang.
Pfarrkirche.
1) Kreis im preuß. Reg.-Bez. Königsberg, hat 1356,24 qkm und (1890) 77 612 (39 247 männl., 38 365 weibl.)
E., 2 Städte, 130 Landgemeinden und 71 Gutsbezirke. - 2) Allenstein, poln. Olsztyn,
Kreisstadt im Kreis Allenstein, 50 km von der russ. Grenze, an der Alle und den Linien Insterburg-Allenstein-Soldau (221,20 km), Allenstein-Johannisburg
(101,80 km), Allenstein-Kobbelbude (114,40 km) und Allenstein-Thorn (163,30 km) der Preuß. Staatsbahnen (2 Bahnhöfe),
[* 19] Sitz des Landratsamtes, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Königsberg) mit 10 Amtsgerichten (Allenstein, Gilgenburg, Hohenstein,
[* 20] Reidenburg, Ortelsburg, Osterode,
[* 21] Passenheim, Moldau, Wartenburg, Willenberg), Amtsgerichts, Zoll-, Steueramtes erster Klasse,
Katasteramtes, einer Reichsbanknebenstelle sowie der Kommandos der 3. Infanterie- und 2. Kavalleriebrigade und eines
Bezirkskommandos, hat (1890) 19 375 (10 757 männl., 8618 weibl.) E.,
darunter 7085 Evangelische und 418 Israeliten, in Garnison das Grenadierregiment König Friedrich II.
Nr. 4, Dragonerregiment König Albert von Sachsen
[* 22] Nr. 10, die 2. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 16, Postamt erster
Klasse mit Zweigstelle, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, Feuerwehr, ein Schloß der Deutschen Hochmeister, 1 kath. Kirche (1865-71
wiederhergestellt), 1 evang. Kirche, 4 Kapellen, 1 Synagoge. Von den Unterrichts- und Bildungsanstalten
sind zu nennen: Gymnasium, simultane höhere Mädchenschule, evang. Volks-, kath. Knaben- und Mädchenvolksschule, gewerbliche
Fortbildungs-, landwirtschaftliche Winterschule. Ferner befindet sich in Allenstein ein Krankenhaus (Marienhospital), Gaswerk, eine
Kreis-, städtische Sparkasse, ein Vorschuß- undDarlehnsverein; 2 Kram-, 8 Vieh- und Pferdemärkte und
in der Nähe die Provinzialirrenanstalt Kortau. Die Industrie ist vertreten durch 9 Dampf-, 1 Wasserschneidemühle, 2 Maschinen-, 1 Zündholzfabrik
und 5 Brauereien. Der Handel erstreckt sich auf Leinwand, Hopfen
[* 23] und Holz.
[* 24] - Am schlug Soult den Nachtrab der Russen
und Preußen
[* 25] an der Allebrücke zwischen und dem 25 km nördlich gelegenen Gutstadt.
Nebenfluß der Weser, entspringt bei Seehausen 30 km westlich von Magdeburg
[* 29] in 155 m Meereshöhe,
fließt anfangs nordnordwestlich zwischen niedrigen, öfter sumpfigen Ufern, nur bei Morsleben und Walbeck von den Vorhöhen
des Elm im O. und den Höhen des Alvenslebener Hügellandes im W. berührt, und bildet bis unterhalb Öbisfelde die Grenze
gegen Braunschweig.
[* 30] Darauf nimmt sie eine nordwestl. Richtung an, durchschneidet das Braunschweigische, tritt dann in die preuß.
Provinz Hannover,
[* 31] fließt in Wiesengründen und mündet nahe unterhalb Verden,
[* 32] nach 162 km Lauf, in die Weser. Schiffbar wird
sie bei Celle
[* 33] auf 113 km. Ihre Zuflüsse sind links: die Oker, Fuse, Wieze und Leine, und rechts: die
Ise,
Lachte, Örze und Böhme.
Majestät (lat. Rex christianissimus; frz. Sa Majesté très chrétienne) war der Titel der Könige
von Frankreich, den der Papst offiziell in Schriftstücken zuerst Ludwig XI. 1469 beilegte.
Während des ersten Kaiserreichs
wurde der Titel nicht gebraucht, nach der Restauration wieder aufgenommen, seit 1830 aber umgangen.
Majestät (lat. Rex fidelissimus; frz. Sa Majesté très fidèle), Titel der Könige von Portugal, der 1748 von
Papst Benedikt XIV. dem Könige Johann V. wegen seiner treuen Anhänglichkeit an die röm. Kirche verliehen wurde.
ein Fest der kath. Kirche zum Gedächtnis aller Heiligen. Die griech. Kirche feierte
solch ein Fest schon seit dem 4. Jahrh. am Sonntage nach Pfingsten. In der röm. Kirche wurde es um 610 eingeführt, als Papst
BonifaciusIV. das von dem KaiserPhokas ihm geschenkte Pantheon in Rom
[* 34] in eine Kirche zur Ehre der Maria und aller Märtyrer
verwandelte. Das jetzige Allerheiligenfest am 1. Nov. wird seit 835 zufolge einer Bestimmung Gregors IV. gefeiert. Die anglikan.
Kirche feiert den All Saints Day ebenfalls, während das Fest in der evang. Kirche abgekommen ist.
Ruine eines Prämonstratenserklosters im Schwarzwalde, im bad. Kreis Offenburg,
[* 35] im Thale des zur Rench
fließenden Lierbachs, in einsamer, düsterer Umgebung.
Die Abtei wurde 1196 von der Herzogin Uta von
Schauenburg gestiftet, 1802 säkularisiert, 1803 durch den Blitz halb zerstört.
Nahe dabei stürzt der Gründenbach malerisch
in sieben Fällen, den «sieben Bütten» oder den Büttensteiner Fällen (einige an 20 m hoch), in das Thal.
[* 36] -
Vgl.
Fecht, Das Kloster Allerheiligen (2. Aufl., Karlsr. 1890).
(Bahia de
[* 37] todos os Santos), die an der Ostküste Südamerikas unter dem 13.° südl. Br. und 38½°
westl. L. von Greenwich gelegene Bai. Die östl. Einfahrt, die westlich von der 78 km langen InselItaparica begrenzt wird,
ist ungefähr 20 km breit; im N. derselben dehnt sich die Bai 140 km weit aus und mißt in ihrem breitesten
Teile 110 km. Im Innern dieses Beckens liegen kleinere Inseln, und mehrere Flüsse
[* 38] mit breiten Mündungen ergießen sich hinein,
wie der Paraguassu mit seinen Nebenflüssen. Amerigo Vespucci soll diese Bai bereits 1501 entdeckt haben;
ihren Namen erhielt sie durch Christovão Jacques, der sie 1503 am TageAllerheiligen auffand. Die Portugiesen gründeten an der
Bai 1549 die Stadt Bahia (s. d.).
(frz. Bes des Saintes), kleine franz. Inselgruppe in Westindien,
[* 39] Dependenz von Guadeloupe, südlich
von dem westl. Hauptteile dieser Insel, Basse-Terre, besteht aus den basaltischen felsigen Eilanden Terre d'enHaut,
[* 40] Terre d'enBas, Cabril, Grand Ilet und zählt auf 14,22 qkm (1879) 1686 E., die hauptsächlich Baumwollkultur und
Fischfang betreiben.
Zwischen Terre d'enHaut und Cabril liegt ein sicherer, von starken Festungswerken geschützter Hafen,
in dem die Schiffe
[* 41] von Guadeloupe überwintern.
heißt zuerst bei Ezechiel der hinterste Raum des Tempels, der im Salomonischen
¶
mehr
Tempel
[* 43] Debir heißt. Im Pentateuch (Priestercodex) heißt so der abgesonderte hinterste Teil in der Stiftshütte, in dem die
Bundeslade stand. Im Herodianischen Tempel war das Allerheiligstes nur durch einen Vorhang geschieden, der durch das Erdbeben
[* 44] beim Tode Jesu
entzweigerissen sein soll. Das Allerheiligstes durfte zur Zeit des alten Judentums nur der Hohepriester, und zwar nur
einmal im Jahre, am großen Versöhnungstage betreten, um die beiden heiligsten Sühnopfer für seine und des Volks im Laufe
des ganzen Jahres begangenen Sünden darzubringen. Jetzt wird in den Synagogen das der verschließbare, mit einem Vorhang von
gesticktem Brokat oder Seide
[* 45] behangene Raum genannt, in dem die Gesetzesrollen, d. h. die
fünf Bücher Mosis, aufbewahrt werden. - Bei den Katholiken ist Allerheiligstes die in einem Gefäße zur Anbetung ausgestellte geweihte
Hostie (s. Monstranz).
Fest der kath. Kirche, wird am 2. Nov. gefeiert zum Gedächtnis der Verstorbenen und zur Mahnung an die Lebenden,
der Seelen im Fegefeuer fürbittend zu gedenken. Es ward 998 durch den Abt Odilo zunächst im KlosterCluny
eingeführt, fand bald Eingang in der ganzen kath. Christenheit und wird in den Kirchen durch eine Messe für die Verstorbenen,
auf den Kirchhöfen durch Schmücken der Gräber gefeiert.
(spr. allwahr), Hauptstadt des Kantons Allevard (216,34 qkm, 6 Gemeinden, 7512 E.)
im ArrondissementGrenoble
[* 52] des franz. Depart. Isère, am Breda, in 475 m Höhe, hat (1891) 1850, als Gemeinde 2850 E.,
darunter viele Kretinen und Kropfkranke. Allevard liegt in einem schönen Thale der Dauphiné das durch den Bergzug Brame-Farine
(1214 m) vom Thale Grésivaudan getrennt wird, und verdankt seine Entwicklung dem 1838 gegründeten Warmbad;
dies wird gespeist von den in 350 m Höhe entspringenden, in 24 Stunden 2736 l Wasser spendenden Schwefel- und Calciumquellen
von 24,2° C., die besonders gegen Krankheiten der Atmungsorgane gebraucht werden. Das hervorragendste Gebäude ist ein von
einem schönen Park umgebenes Schloß. In der Umgebung ein Hochofen, Mangan-, Kupfer- und Bleigruben. Die
Schmelzhütte liefert den besten StahlFrankreichs und beschäftigt ungefähr 500 Arbeiter. -
Vgl. Niepce, Étude clinique des
eaux sulfureuses et iodées d'A.
(Par. 1883).
auch Algäu, Algau oder Allgau, in weiterm Sinne der von Vorbergen der Alpen
[* 53] erfüllte Landstrich Schwabens,
der sich von der Iller, dem Bodensee und der Ill im W. bis zum Lech im O. und vom Inn im S. bis zur Donau
im N. ausbreitet. Gewöhnlich jedoch bezeichnet man mit Allgäu das Land im südwestl. Bayern
[* 54] (Schwaben), in den angrenzenden TeilenWürttembergs und Tirols um die obere Iller bis herab nach Kempten
[* 55] und Memmingen,
[* 56] so daß es etwa an Umfang
dem alten Albigau oder Alpgau gleichkommt.
Das Allgäu wird ganz von den Allgäuer Alpen, den nördl. Fortsetzungen und Voralpen der Rhätischen Alpen eingenommen. Das Gebiet
der Iller mit seinen Thalbildungen ist die Centralfurche dieses Alpengaues mit seinen zahlreichen Bergstöcken, Wänden, Pyramiden,
Klippen.
[* 57] Den Westflügel gegen den Bodensee hin setzen die Thäler der beiden Argen und der BregenzerAch
mit ihren Nebenflüssen zusammen, den Ostflügel dagegen das Quellgebiet der Wertach, der Zirkellauf der Vils und eine Strecke
des Lechthals.
Damit trifft die Volks- und Sprachscheide genau zusammen. Der Allgäuer scheidet westwärts den «Walder», d. i.
den Bewohner des BregenzerWaldes, und ostwärts den «Lechler» oder «Thaler» (Lechthaler) scharf von sich aus. In den südlichern
durch Querthäler getrennten Ketten überragen einige Gipfel die hier etwa in 2500 m Höhe verlaufende Firnlinie; es finden
sich zwei kleine Gletscher am Hohen Licht
[* 58] (2687 m) und an der Mädelegabel (2649 m) und einige Firnflecken
am Hochvogel (2589 m), an der Hintern Wilden (2433 m), dem Großen Krottenkopf (2655 m) und dem Marchspitz (2615 m). Bei Immenstadt
erhebt sich das Gebirge noch in dem abenteuerlich geformten, eisenreichen Grünten oder Grinten, dem «Rigi
Oberschwabens», bis 1733 m, geht aber bald in die Hochebenen der Donau über.
Die Wasserscheide zwischen Ill und Inn wird im 1797 m hohen Arlbergpaß von der Kunststraße von Feldkirch nach Landeck überschritten
und von dem Arlbergtunnel (s. Arlberg) durchstochen. Die Verbindung zwischen den Thälern des Lechs und Inns bietet die Lechstraße,
die von Füssen aus die Alpen in den verschanzten Felsgassen des 924 m hohen Kniepaß und der Ehrenberger
Klause durchschneidet, die Höhe von 1106 m erreicht, sich bei Nassereit spaltet und, so doppelt verzweigt in dem Innthale
mündend, auf der einen Seite über Imst hinauf nach Landeck, auf der andern über Telfs und Zirl hinab nach
Innsbruck
[* 59] führt. Die obern Züge des Gebirges mit ihrer rein alpinen Natur bieten den hier gezogenen kleinen Viehrassen die
trefflichsten Weiden. Das Allgäuer Rindvieh (s. Tafel: Rindviehrassen II,
[* 42]
Fig. 1 u. 2) eignet sich wegen seines schönen, kräftigen,
weniger grobknochigen Baues vortrefflich zum Ziehen, hat aber auch eine bedeutende Mastfähigkeit und
ist sehr milchreich. Mit den Erzeugnissen der Viehzucht
[* 60] wird ein sehr ansehnlicher Handel nach Augsburg,
[* 61] München,
[* 62] Nürnberg
[* 63] und Wien
[* 64] getrieben. Die Viehmärkte von Sonthofen sind sehr wichtig. Im nördlichen Allgäu, wo die Flußthäler sich zur Ebene
auszuweiten beginnen, tritt mit der Alpenwirtschaft auch die Dreisch- und Egartenwirtschaft sowie der
Flachsbau in Verbindung. -
Vgl. Waltenberger, Allgäu, Vorarlberg und Westtirol (7. Aufl., Augsb. 1893);
(frz., spr. -ángß),Bündnis, s. Allianz. Auch Name eines neuern franz., im wesentlichen dem deutschen Solo
nachgebildeten Kartenspiels unter 4-6 Personen. Bei nur 4 Mitspielenden erhält jeder 12, bei 5 jeder 10, bei 6 jeder 8 Blätter;
die übrigen bleiben verdeckt liegen bis auf das letzte, das, offen aufgelegt, die Farbe desSpiels bezeichnet.
Die
[* 68]
Figuren sind König, Dame, Bube, Fahne (die Neun in den roten, die Drei in den schwarzen Farben), in der eben angegebenen
Reihenfolge, eine, zwei, drei und vier Marken geltend. Im Gange des Spiels stechen die Fahnen nur nach ihrem Werte, im Stiche
aber zählen sie am höchsten. Da nur die in den Stichen eingenommenen
[* 68]
Figuren zählen, so ist es Zweck
des Spiels, die meisten Stiche und in ihnen so viele
[* 68]
Figuren als möglich zu erhalten. In der Farbe, in der gespielt wird, sticht
das As den König, in den übrigen rangiert es hinter dem Buben. SiebenStiche gewinnen das Spiel. Die üblichen
Spielarten sind: Couleur, Levée und Solo. Glaubt jedoch einer durch bedeutendes Gegenspiel dem Solo die Spitze bieten zu können,
so kündigt er Résistance an. Er hat, wird das Solo gewonnen, das Doppelte zu zahlen: dieses bekommt er, wenn er das Solo
stürzt.
IsraéliteUniverselle, ein 1860 in Paris
[* 69] auf Anregung einer Anzahl hervorragender Israeliten gegründeter
Verein, welcher sich von da über die ganze Erde verbreitet hat. Der erste Präsident war Königswarter (bis
1863), dann folgte Adolphe Cremiéux, hierauf Salomon Munk (1866-67), 1868-80 wieder Crémieux und seit 1881 bis jetzt S.
H. Goldschmidt. Der Zweck der U. ist die Verteidigung des Judentums gegen jeglichen Angriff, die Ermunterung zum Betriebe
jeder Art von Handwerksarbeit, die Gründung von Unterrichtsanstalten, die Emancipation der Israeliten
von Ausnahmegesetzen durch gesetzliche Mittel, die geistige und sittliche Wiedergeburt durch Förderung der Kultur und Verbreitung
von Kenntnissen unter den Juden in solchen Ländern, wo die Kultur und Wissenschaft noch auf tiefer Stufe stehen.
Alle politischen, socialen, nationalen und religiösen Fragen sind von dem Programm ausgeschlossen. Der Verein wird geleitet
durch ein aus 60 Mitgliedern aller Länder bestehendes Centralkomitee, welches seinen Sitz in Paris hat und mittels der Bezirks-
und Lokalkomitees mit den Mitgliedern in Verbindung steht. In jedem Orte, wo der Verein 10 Mitglieder zählt, kann ein Lokalkomitee,
wo mehrere Lokalkomitees bestehen, ein Bezirkskomitee gebildet werden. Der Jahresbeitrag beträgt 5 M.
Alljährlich findet in Paris eine Generalversammlung statt, in welcher über die Wirksamkeit des Vereins und die finanzielle
LageBericht erstattet wird.
Außerdem giebt es Hauptkomitees in Amsterdam,
[* 83] Budapest,
[* 84] Neuyork,
[* 85] Philadelphia u. a. Nach dem letzten, 1895 erschienenen Jahresbericht
hat die U. 1894 über 698000 Frs. eingenommen, 668000 Frs. ausgegeben. An Effekten und sonstigen Werten
besitzt der Verein ein Vermögen von 931 830 Frs., außer der Stiftung des Baron von Hirsch
[* 86] in Paris, die, 1873 mit einer Summe
von 1 Mill. Frs. begründet, jetzt 1 140 578 Frs. beträgt und deren Erträgnisse (jährlich 55000 Frs.) ausschließlich den
Schulen in der Türkei zukommen. In Argentinien werden für die durch Baron Hirsch dort ansässig gemachten
russ. Juden durch die U. Schulen mit span. Unterrichtssprache gegründet.
Der Verein hat bereits 56 Knaben- und Mädchenschulen gegründet und dauernd unterstützt. Zunächst giebt es in Paris eine
Vorbereitungsschule für Jünglinge und Mädchen aus dem Orient und Afrika,
[* 87] die zu Lehrern und Lehrerinnen
ausgebildet werden, um dann in ihrer Heimat zu wirken. Die im Orient und in Afrika gegründeten Schulen sind zahlreich. Das
Lehrer- und Lehrerinnenpersonal betrug 1891 über 300, die Schülerzahl 12000 in 35 Knaben- und 21 Mädchenschulen. Über drei
Viertel der Schüler erhält den Unterricht unentgeltlich. Die Unterrichtssprache richtet sich nach der
Sprache
[* 88] des Landes oder der Mehrzahl der Schüler. 1894 wurde in Adrianopel eine rabbinische Schule gegründet.
Auch der Förderung des Handwerks unter den Juden im Orient, in der Türkei und in Afrika widmet der Verein seine dauernde Aufmerksamkeit.
Die Zahl der Werkstätten belief sich 1891 auf 22, in denen gegen 620 Lehrlinge untergebracht sind. Neben
den Knaben-Handwerkstätten sind auch für junge Mädchen Werkstätten (15 mit 360 Schülerinnen) gegründet, in welchen
sie zu weiblichen Berufsarten, Nähen u. s. w. ausgebildet werden. Ferner widmet die U. der Förderung des Ackerbaues ihre
Pflege. Bei Jaffa (Palästina)
[* 89] wurde von ihr eine Ackerbauschule gegründet, welche 100 Schüler
zählte, die nach ihrer Ausbildung u. a. in Ackerbaukolonien, die jetzt in Palästina von russ. und rumän. Juden gegründet
worden, lohnende Beschäftigung finden.
Nach dem Vorbilde oder im Anschluß der U. haben sich mehrere verwandte Vereine gebildet. Zunächst gründeten
die engl. Juden 1871 einen Verein, welcher sich Englisch-Jüdische Association in Verbindung mit der AllgemeinenJüdischenAllianz
(Anglo-Jewish Association, in connexion with the Alliance israélite universelle) benennt. Dieser Verein verfolgt dieselben
Zwecke wie die U.; er unterscheidet sich von derselben nur durch die Unabhängigkeit des leitenden Komitees. Ein
anderer Verein bildete sich 1873 in Wien nach dem Vorbild der U. und unter dem Namen «Israelitische Allianz zu
¶
mehr
Wien»; er bezweckt vornehmlich die Verbesserung der Lage der Juden im eigenen Lande, besonders in Galizien, hat aber auch das
Auge
[* 91] auf die allgemeinen Interessen des Judentums gerichtet und hat sich besonders bei der großen Katastrophe der Judenverfolgung
in Rußland 1881-82 durch Thätigkeit und Opfer ausgezeichnet.
(frz. alliance), Bündnis, die durch förmlichen Vertrag (nicht in bloß vertraulicher Verständigung, wie beim
fälschlich sog. Dreikaiserbund von 1872) getroffene Verabredung mehrerer Staaten zu polit. Zusammenwirken. Obwohl beim Abschluß
einer Allianz ein bestimmter Kriegsfall nicht vorgesehen zu sein braucht, wird doch regelmäßig die Möglichkeit
eines solchen ins Auge gefaßt sein. Daher unterscheidet man die bloße Defensivallianz (Verteidigungsbündnis),
welche nur die Verpflichtung zum Schutz gegen den Angriff eines Dritten begründet, von der Offensiv- und Defensivallianz
(Schutz- und Trutzbündnis), welche zugleich Bestimmungen über ein gemeinsames angriffsweises Vorgehen der Alliierten (Verbündeten)
enthält.
Die zwischen mehr als zwei Staaten geschlossenen Allianz werden als Tripel-, Quadrupel- u. s. w. Allianz unterschieden
und durch diese Benennungen auch einzelne geschichtlich merkwürdige Allianz ausgezeichnet. So heißt Tripelallianz die 1668 zwischen
England, Schweden
[* 93] und den Niederlanden zum Zweck der Vermittelung zwischen Frankreich und Spanien geschlossene Allianz; neuerdings
wird auch wohl das zwischen dem DeutschenReich, Österreich-Ungarn
[* 94] und Italien bestehende Bündnis (s. Dreibund)
als Tripelallianz bezeichnet.
Quadrupelallianz heißt besonders die 1834 zwischen England, Frankreich, Spanien und Portugal zum Zweck eines übereinstimmenden
Verhaltens gegenüber den in den beiden letztern Staaten ausgebrochenen Bürgerkriegen geschlossene Allianz. Die gegen das Übergewicht
Ludwigs XIV. von Frankreich und Karls XII. von Schweden gebildeten Bündnisse wurden damals als «große»
Allianz bezeichnet. Erst neuere franz. Schriftsteller haben den Namen «Koalition» mit einem gehässigen Beiklange für die gegen
das republikanische und Napoleonische Frankreich geschlossenen europäischen Allianz aufgebracht.
Von dem Bündnisse unterscheidet sich als dauernde Vereinigung derBund (confédération), welcher, wenn auch der Form nach
nur als völkerrechtliches Verhältnis eingegangen (sog. Staatenbund), doch bei ernstlichem Bestande unvermeidlich
in einen staatsrechtlichen Charakter übergeht. (S. Bundesstaat.)
(spr. ällibohn), Samuel Austin, nordamerik. Bibliograph, geb. zu Philadelphia, ward Kaufmann und
erwarb gründliche Kenntnisse auf dem Gebiete der engl. Litteratur, die er in Aufsätzen für die «NorthAmerican Review» u. a. verwertete. 1879 wurde er Bibliothekar der Lennox-Bibliothek zu Neuyork. Allibone starb zu Luzern.
[* 95] Er veröffentlichte:
«A critical dictionary of English literature and British andAmerican authors» (3 Bde., Philadelphia und Lond. 1859-72),
sein
Hauptwerk, mit biogr., kritischen und bibliogr. Notizen über 46 499 Schriftsteller, wozu ein Supplement
von Kirk (2 Bde., Philadelphia 1891) erschien; «Alphabetical index to the New Testament» (1869),
(spr. alliéh), im Altertum Elaver, linker Nebenfluß der Loire in Frankreich, entspringt 1423 m hoch auf den
Montagnes de la Margueride im Depart. Lozère, fließt in nördl. Richtung durch dieses und die Depart. Haute-Loire, Puy-de-Dôme
und Allier, wird bei Chanteuges flößbar und bei Fontanes schiffbar, bildet zuletzt die Grenze zwischen den
Depart. Cher und Nièvre und mündet nach einem 375 km langen Laufe (wovon 247 km schiffbar) 6 km
unterhalb Nevers in die Loire. Im obern Laufe ist er zwischen dem Gebirge von Forez im O. und von Auvergne im W. in einem engen
Becken von romantischen Ufern eingeschlossen.
Da er daselbst häufig austritt und große Verwüstungen anrichtet, hat man ungefähr 40 Sammelbecken zur Regelung seinem
Laufes im Sommer angelegt. Der Schiffahrt stehen viele Hindernisse entgegen; von Moulins an hat er in der größern Hälfte
des Jahres nur 40 cm Wasserstand; auch schwankt seine Breite
[* 96] im Depart. von 125 bis 380 m und an der Mündung
beträgt sie sogar 500 m. Von Brioude bis Vichy reicht die fruchtbare Ebene Limagne, die im W. von den dichtbewohnten Berggeländen
der Auvergne begrenzt wird. Weiterhin kommt offenes, welliges Flachland.
(spr. allĭéh), Departement im mittlern Frankreich, nach dem Flusse Allier benannt, in der alten
ProvinzBourbonnais, zwischen Loire und Cher, grenzt im N. an das Depart. Nièvre, im O. an Saône-et-Loire
und Loire, im S. an Puy-de-Dôme, im W. an Creuse und Cher, hat 7308,37 (nach Berechnung 7380) qkm, (1891) 424 382 E., darunter 918 Ausländer,
und zerfällt in die 4 Arrondissements: Moulins, Montluçon, Gannat und La Palisse mit 28 Kantonen und 321 Gemeinden.
Hauptstadt ist Moulins.
Auf den Gehängen und am Fuße des centralen franz. Hochlandes gelegen, bildet es eine wellenförmige
Ebene, die sich gegen N. neigt und sich nördlich von der Linie Lételon an dem Cher über Moulins nach
Tampierre nicht unter 200 und südlich davon nicht unter 300 m senkt, mit Ausnahme der Flußthäler, die sich zu Thalebenen
erweitern, deren bedeutendste die Limagne an der Vereinigung derSioule und des Allier ist. Gebirgig ist nur der Südosten, wo
sich auf den Ausläufern des granitischen Forezgebirges der Puy-de-Montoncel (1292 m) erhebt.
Die zahlreichen Gewässer des Landes, unter denen in der Mitte der Allier mit der Sioule und dem Andelot, im W. der Cher mit der
Aumance, im O. die Besbre die bedeutendsten sind, gehen sämtlich in die Loire und sind, wie die vielen Teiche,
reich an Fischen. Der Boden ist im ganzen fruchtbar, das Klima gemäßigt und gesund. Die Waldungen (734 qkm), namentlich im
N., liefern treffliches Bauholz für die Marine. Die Hügel sind mit Reben bedeckt (143,42 qkm), die roten und weißen Wein
liefern (1889: 114 093, im Durchschnitt jährlich 184 425 hl. Unfruchtbare
Sand- und Heidestrecken sind namentlich (zwischen der Loire und Moulins) die armen Landstriche von Chevagnes und an der Grenze
von Berry die öden Brandes von Lurcy-le-Sauvage. Obwohl der Ackerbau noch zurück ist, wird doch Getreide
[* 97] (1888: 2 650 150 hl
Weizen, 996 822 hl Roggen, 487 635 hl Gerste,
[* 98] 1,7 Mill. hl Hafer)
[* 99] über Bedarf gewonnen.
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