0245c Ägyptische Kunst III 1. Holzstatue eines Mannes. (Um 2600 v. Chr.) 2. Dolch [* 2] mit Bronzeklinge und Elfenbeingriff. 3. Elfenbeinschnitzerei (Götterscepter und Kröte). 4. Sessel aus Ebenholz mit Elfenbeinintarsia. 5. Die Königin Amenerdas. (um 720 v. Chr.) 6. Geschnitzter Holzlöffel mit Deckel (nackte Frau mit Laute). 7. Sphinx [* 3] aus Rosengranit. (XIII. Dynastie.) 8. Sarkophag. [* 4] (XIX. Dynastie.) 9. Goldene Ohrringe. 10. Gefäß [* 5] aus Fayence. [* 6] 11. Spiegel [* 7] (Bronze). [* 8] 12. Topf in cyprischem Stil. 13. Bemaltes Holzkästchen. 14. Löffel. 15. Becher [* 9] aus Fayence (Sumpfvögel). 16. Geschnitztes Holzkästchen. 17. Familiengruppe. (XIX. bis XX. Dynastie. 1450–1150 v. Chr.) ¶
mehr
244 (d. i. Keller), der unzugänglich war und nur bisweilen mit der Kapelle durch eine kleine Luke in Verbindung stand. Einzelne Mastabas enthalten übrigens mehr als einen (bis zu vier) Serdâb und dementsprechend auch mehrere Statuen. Die Sargkammer war unterirdisch angelegt; zu ihr führte ein 3–30 m tiefer senkrechter Schacht, der von einer Ecke der Kapelle oder gewöhnlich von der Mitte des platten Daches aus in den Felsen eingehauen war. In der schmucklosen Kammer ruhte der mit Binden eingewickelte Leichnam (s. Mumie) in einem großen steinernen Sarkophage.
War der Sarg in die Kammer gebracht, so legte man die Stücke der zum Totenopfer geschlachteten Rinder [* 11] und Gazellen auf dem Boden der Kammer nieder, vermauerte den Eingang und füllte den Schacht bis zur obern Öffnung mit Steinen, Sand und Erde an. Diese Masse wurde mit Wasser durchtränkt und wuchs so zu einem fast undurchdringlichen Gußmörtel zusammen, dessen Härte jedem Entweichungsversuche Widerstand leistete. So war der Leichnam von aller Welt abgeschlossen; niemand konnte zu ihm außer seiner Seele.
Diese verließ von Zeit zu Zeit ihre himmlische Wohnung und kam herab, um sich wieder mit dem Körper zu vereinigen. Mit dem Ausgange des alten Reichs schwindet die Sitte, sich das Grab zu Füßen der Pyramide des Königs zu erbauen, allmählich, und die Vornehmen ziehen es vor, sich in ihrer eigenen Heimat bestatten zu lassen. Ihre Gräber sind meist in den Felsen gehauene Kammern (z. B. in Assuan, Siut, Benihassan; vgl. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 10] Fig. 4), von denen aus der Schacht in die Tiefe führt.
Die Stelle des Serdâb, der sich im Felsen in der alten Weise nicht anlegen ließ, vertrat gewöhnlich eine Nische in der Rückwand der Kapelle. Auch hier sind die Wände mit Darstellungen bedeckt, deren Motive sich von den alten Bildern im Princip nur wenig unterscheiden. Im mittlern Reiche hat sich die Sitte der Einbalsamierung und der Errichtung von Gräbern weiter im Volke ausgebreitet; damit nehmen denn auch die Gräber bescheidenere Größen an. Neben den Felsengräbern kommen kleine, aus Ziegeln erbaute Pyramiden auf, die sich auf einem rechteckigen oder quadratischen Unterbau erheben.
Die Sargkammer wurde im Mauerwerk angelegt; die Stelle der Kapelle vertrat gewöhnlich eine einfache Steinplatte, die an der Außenwand des Unterbaues eingelassen war und auf der gewöhnlich der Tote vor einem Speisetisch sitzend dargestellt ist. Diese Ziegelgräber haben sich auch im neuen Reiche als Begräbnisstätten für die mittlern Stände erhalten. Die Vornehmen lassen sich auch in jener Zeit meist in Felsengräbern beisetzen; die Könige erbauen sich jetzt nicht mehr kolossale Pyramiden, sondern legen ihre Totengrüfte in den Abhängen des Gebirges auf dem thebanischen Westufer an. Diese Königsgräber bestanden aus langen Korridoren und Sälen, deren letzter den Sarg einschloß, und waren mit religiösen Bildern, welche u. a. die Fahrt der Sonne [* 12] während der zwölf Nachtstunden wiedergeben, geschmückt.
Für die Kapelle war im Gebirge kein Raum; sie wurde in der Ebene angelegt und nahm die Form großer Tempel [* 13] an, die dem «Ka" des Königs geweiht waren. In dieser Zeit hat der Wunsch, durch Einbalsamierung den Körper vor Zerstörung zu schützen und so für das Heil der Seele zu sorgen, auch die niedrigsten Volksschichten ergriffen; da diese aber nicht im stande waren, sich eigene Gräber, die bei der größten Einfachheit immer noch kostspielig genug waren, zu errichten, so ließen sie sich in gemeinsamen Massengräbern, die gewöhnlich in einer natürlichen oder künstlichen Felsenhöhle angelegt waren, bestatten. Nach dem neuen Reiche hat sich die geschilderte Form der Bestattung und des Gräberbaues nur unwesentlich verändert.
2) Kunst. Unter den Künsten war es vorzüglich die Baukunst, [* 14] welche die Ägypter früh zu einer jederzeit bewunderten Höhe ausbildeten. Sie hat sich namentlich in der Schöpfung der Gräberbauten, Pyramiden (s. d.), Mastabas und Felsengräber (s. oben) und der Tempel bewährt. Schon die dem alten Reiche angehörigen Pyramiden von Giseh (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 10] Fig. 1) zeigen eine durch die neuern Untersuchungen immer deutlicher hervortretende Meisterschaft in der Technik und die Lösung der verschiedenartigsten und schwierigsten Probleme im einzelnen.
Unhaltbar ist die Annahme, daß die einfache Pyramidalform der Ursprung der Baukunst überhaupt sei. Die mit den Pyramiden gleichzeitigen Tempelgebäude liegen wenigstens noch in ihren Grundrissen und einigen Fragmenten vor. Bereits in jener Zeit findet man die beiden Hauptrichtungen des Felsenbaues und des freien Baues nebeneinander entwickelt, sowie die beiden Säulenordnungen, die sie wenigstens dem Begriffe nach charakterisieren, nämlich die Polygone oder kannelierte Säule ohne Kapitäl, die aus dem Pfeiler hervorgeht, und die dem Holzbau entnommene Säule mit Kapitäl, welche ursprünglich ein Pflanzenbündel nachahmte, das unter den Kelchen zusammengebunden war und mit seinen Knospen [* 15] oder offenen Blüten das Kapital bildete (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 10] Fig. 2, 3). Zur großartigsten Entfaltung erhob sich die ägypt. Architektur im Tempelbau, besonders unter den Herrschern des neuen Reichs, sowie unter den Ptolemäern und röm. Kaisern (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, II).
Der wichtigste Teil eines altägypt. Tempels ist das Allerheiligste, ein kleines, viereckiges, niedriges und dunkles Zimmer, das nur den Priestern und dem Könige zugänglich war. In ihm stand die heilige Barke oder ein auf einem Gestell ruhendes Tabernakel aus bemaltem Holze; außerdem befand sich darin eine kleine Nische, in der an bestimmten Festtagen die Statue des Gottes oder seines heiligen Tiers Platz nahm. Nur in wenigen Fällen bestand jedoch ein Tempel lediglich aus diesem Allerheiligsten; gewöhnlich gruppierten sich um das «Gotteshaus» noch Kammern zur Aufbewahrung der wertvollen, im Kultus gebrauchten Gefäße und Stoffe, der Spezereien u.s.w.
Dann baute man vor dieser Gebäudemasse große, von Säulen [* 16] getragene Säle, in denen sich die Priester und Andächtigen versammelten, einen von Säulengängen eingeschlossenen Hof, [* 17] den die Menge zu jeder Zeit betreten konnte, ein Thor mit zwei Türmen (Pylonen) an den Seiten (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 10] Fig. 1), davor gewaltige Statuen und Obelisken, endlich eine Umfassungsmauer aus Ziegeln und eine Allee von Sphinxen, auf der sich die feierlichen Prozessionen an den Festtagen bewegten. Vor den Sälen, die seine Vorgänger errichtet, konnte ein König noch prunkvollere errichten, dasselbe konnten seine Nachfolger thun. So wurden von einer Regierung zur andern neue Kammern und Höfe, Pylonen und Säulengänge dem ursprünglichen Kerne hinzugefügt. Für dieses Verfahren liefert namentlich ¶
0246a Altägyptische Malerei ¶
mehr
245 die Baugeschichte des großen Tempels von Karnak ein deutliches Bild. Er war von dem Könige Usertesen I. (12. Dynastie) um 2100 v. Chr. vermutlich an der Stelle eines ältern Tempels für den thebanischen Lokalgott Ammon [* 20] gegründet worden. Er hatte nur kleine Dimensionen, Säle aus Kalk- und Sandstein und granitne Thüren; Pfeiler mit sechs glatten Flächen schmückten sein Inneres. Nachdem noch einzelne Könige der 12. Dynastie an dem Gebäude hatten arbeiten lassen, blieb es bis zum Beginn der 18. Dynastie in dem alten einfachen Zustande. Da ließ Thutmosis I. vor dem Tempel mehrere neue Räume anlegen (Kammern, einen Hof, Kapellen und drei Pylonen); jeder seiner Nachfolger ahmte sein Beispiel nach, so daß der Tempel schon um das Ende der 18. Dynastie alle bis dahin in Ägypten [* 21] ausgeführten Bauten an Umfang weit übertraf.
Doch die Herrscher der 19. Dynastie gingen noch weiter. Sie erbauten einen Säulensaal und einen Pylonen in noch nie dagewesenen Größenverhältnissen. Der Säulensaal hatte eine Länge von 50 m bei einer Breite [* 22] von 100 m, und bestand aus einem mit 12,23 m hohen Säulen geschmückten Mittelgange und zwei niedrigern Seitenräumen, deren Dach [* 23] von 122 Säulen getragen wurde. Zur Anlage eines Hofs und Pylonen, die das Gesamtgebäude abschlössen, kamen die Pharaonen der 19. Dynastie nicht mehr.
Sie wurden erst mehrere Jahrhunderte später von den Herrschern der 22. Dynastie vollendet. Neue Anbauten wurden noch von dem Äthiopen Tirhaka und den Ptolemäern in Angriff genommen, aber nicht mehr zum Abschluß gebracht. Im J. 27 wurde ein Teil des Tempels durch Erdbeben [* 24] zerstört und das Riesenbauwerk blieb für immer unvollendet. – Unter den Tempelbauten des neuen Reichs nehmen nächst dem großen Tempel von Karnak die Prachtgebäude von Abydos, Luksor, Gurna und Medinet-Habu, sowie die Felsenbauten von Abu Simbel (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 19] Fig. 8), Sebua und Derr die ersten Stellen ein.
Einfach im Grundrisse und deshalb ein gutes Beispiel für die ägypt. Tempelanlagen überhaupt ist das Heiligtum, das die Könige der 20. Dynastie südlich von Karnak dem Gotte Chons erbaut haben (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 19] Fig. 6, 7). Durch ein zwischen zwei Pylonen gelegenes Hauptthor kam man in einen von einer doppelten Säulenreihe eingefaßten Hof und von diesem durch eine Pforte in einen dreischiffigen Säulensaal. Hinter diesem liegt das eigentliche «Gotteshaus».
Seinen Mittelpunkt bildet das Allerheiligste, das von rechteckiger Form, an den beiden Schmalseiten offen und von dem übrigen Gebäude durch einen 3 m breiten Gang [* 25] getrennt ist; rechts und links von ihm liegen dunkle Gemächer, hinter ihm eine kleine von vier Säulen getragene Halle, [* 26] in die sieben andere Zimmer münden. Die Tempel der Ptolemäerzeit weichen in der Anlage nur wenig von den ältern ab. Hierher gehören u.a. der Tempel von Edfu (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 19] Fig. 3) und Dendera, mit den auch sonst vorkommenden Säulen, deren Kapital mit dem Kopf der Göttin Hathor [* 27] verziert ist (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 19] Fig. 3), sowie die malerische Tempelanlage auf der Insel Philä (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 19] Fig. 2). Auch im Profanbau (Paläste, Festungsanlagen) hat sich die ägypt. Baukunst bewährt.
Skulptur und Malerei. Die uns aus ägypt. Tempeln und Gräbern erhalten gebliebenen Statuen und Reliefs waren fast sämtlich bemalt. Nur von Natur gefärbte Steine, wie Granit, Basalt, Diorit, Serpentin, scheinen bisweilen dem Gesetze der Polychromie nicht unterworfen gewesen zu sein; dagegen wurden Sandstein, Kalkstein und Holz [* 28] ausnahmslos farbig behandelt, und wenn man einmal unbemalten Denkmälern aus diesem Material begegnet, so ist entweder durch Zufall bei ihnen die Farbe verloren gegangen oder die betreffenden Arbeiten sind unvollendet geblieben. Im allgemeinen sind in Ä. Bildhauer und Maler ohne einander kaum denkbar.
Die Anfänge der ägypt. Bildhauerei und Zeichenkunst [* 29] fallen in die vorhistor. Zeit. In ihr hat sich auch jene eigentümliche Art der Zeichnung entwickelt, die durch alle Zeit hindurch, mit wenigen Ausnahmen, sich erhalten hat und das an Perspektive gewöhnte Auge [* 30] bei den ägypt. Reliefs und Malereien so sehr befremdet. Man zeichnet nämlich die Füße und Beine von der Seite, Brust, Schultern und Hände aber von vorn; den Kopf wiederum von der Seite, das Auge hingegen von vorn.
Die früher viel vertretene Annahme, daß die Zeichnung des menschlichen Körpers nach bestimmten Proportionsgesetzen, den sog. Kanones der Proportionen, denen als Einheit der menschliche Fuß zu Grunde lag, vor sich gehen mußte, läßt sich auf Grund der uns überkommenen Werke nicht erweisen und muß als unhaltbar aufgegeben werden. Die Blütezeit der ägypt. Skulptur (Rundbildwerke und Reliefs) fällt in das alte Reich und zwar in die fünfte Dynastie. Aus vorhistor.
Zeit ist uns an Statuen nichts erhalten. Vielleicht gehört in diese Epoche der kolossale Sphinx von Giseh (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 19] Fig. 1), der bereits zur Zeit des Cheops existiert hat. Er ist aus dem lebendigen Felsen gehauen und zeigt trotz seiner gegenwärtigen Verstümmelung einen gewaltigen Ausdruck von Kraft [* 31] und Größe. Es müssen schon viele Jahrhunderte vergangen sein, bis die Kunst zu diesem Grade von Reife und Vollkommenheit gelangt ist. Das Hauptgewicht wird im alten Reiche bei den Statuen auf die Wiedergabe des Gesichts gelegt.
Der übrige Körper wird meist konventionell behandelt. Unter den Meisterwerken aus dieser Blüteepoche sind die bekanntesten: die Statue des auf dem Boden hockenden Schreibers im Louvre und die stehende Statue des sog. Dorfschulzen (Schech el-Beled) in dem ägypt. Museum in Giseh bei Kairo. [* 32] (S. Tafel: Ägyptische Kunst III, [* 19] Fig. 1.) Die Skulptur des mittlern Reichs schließt sich eng an die des alten Reichs sowohl in der Behandlung des Materials als auch in Zeichnung und Komposition an. Doch halten die meisten Werke dieser Epoche einen Vergleich mit den Meisterwerken der frühern Zeit nicht aus. Zu den bessern Arbeiten dieser Zeit zählt die [* 19] Figur eines priesterlichen Beamten, Namens Tetu, im Berliner [* 33] Museum (ihr Kopf ist auf Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 19] Fig. 5 abgebildet), und die sitzende Statuette eines Mannes, die sich ebenda befindet (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 19] Fig. 9). In eine etwas spätere Zeit (13. Dynastie) gehört der schöne Sphinx aus Rosengranit im Louvre, der aus Tanis stammt (s. Tafel: Ägyptische Kunst III, [* 19] Fig. 7). Das neue Reich, aus dem uns die meisten ägypt. Skulpturen, die zum großen Teil dekorativen Zwecken gedient haben, erhalten sind, bedeutet einen Rückschritt in der Kunst, obgleich es auch in dieser Zeit nicht an hervorragenden Werten fehlt. Gewöhnlich haben die Künstler auf eine genaue Wiedergabe des Porträts ¶
mehr
ver-246 zichtet und ihre Hauptkraft auf die Darstellung des Kostüms, der Haartracht, des Schmuckes und der weiten, faltigen Gewänder, die in jener Zeit Mode sind, verwendet. (S. Tafel: Ägyptische Kunst III, [* 34] Fig. 17 und auch [* 34] Fig. 8, wo auf dem Sargdeckel der Verstorbene in der Tracht seiner Zeit abgebildet ist.) Nach der 20. Dynastie verfiel die Kunst noch mehr, bis sie gegen das Ende der äthiop. Dynastie wieder belebt wurde und in der scyth. Periode, in der man wieder auf die Vorbilder des alten Reichs zurückgriff, eine kräftige Nachblüte feierte.
In den Anfang dieser Periode gehört die in Giseh befindliche Statue der Königin Amenerdas (s. Tafel: Ägyptische Kunst III, [* 34] Fig. 5); in das 4. bis 3. Jahrh. v. Chr. der lebenswahr gehaltene Porträtkopf eines Mannes im Berliner Museum (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 34] Fig. 4). Auch für die ägypt. Reliefdarstellungen fällt die Blüte [* 35] in das alte Reich, in dem die Künstler namentlich bei der Darstellung der Tiere durch die richtige Beobachtung der Natur und die Frische der Auffassung Bewundernswertes geleistet haben. – Die Malerei hat sich nur selten von der Skulptur getrennt. Wo dies geschehen, ist wohl lediglich der Kostenpunkt die Veranlassung gewesen, daß man sich statt des teuern Reliefs mit der billigern, auf einen Bewurf von Nilschlamm aufgetragenen Malerei begnügt hat.
In der Zeichnung zeigt die Malerei dieselben Eigentümlichkeiten bei der Wiedergabe des menschlichen Körpers wie das Relief. (S. Tafel: Altägyptische Malerei; die [* 34] Figur links auf dem einem Grabe der 20. Dynastie entstammenden, jetzt im Berliner Museum befindlichen Stuckbilde ist die Königin Nefretere, die rechts ihr Gemahl Amenophis I.; beide wurden in späterer Zeit als Ahnen der Könige des neuen Reichs verehrt; zu beiden Seiten Ornamente, [* 36] gleichfalls aus den Gräbern des neuen Reichs.) Die Zahl der Farben, über die die ägypt. Maler verfügten, ist ziemlich groß; wir besitzen Paletten aus der Zeit des neuen Reichs, in denen 14–16 verschiedene Farben vertreten sind.
Die erforderlichen Stoffe lieferte meist die Erde; so bereitete man Weiß aus Gips, [* 37] der mit Eiweiß oder Honig gemischt wurde, Gelb aus Ocker oder Schwefelarsenik, Rot aus Ocker oder Zinnober, [* 38] Blau aus zerriebenem Lapislazuli oder Kupfervitriol, schwarz aus zerstampften verkohlten Tierknochen. Die Farben wurden in Säckchen aufbewahrt und mit Wasser angelegt, das mit etwas Tragantgummi versetzt war. Zum Auftragen bediente man sich eines Rohrstengels oder eines mehr oder weniger starken Haarpinsels.
3) Kunstgewerbe. Nicht minder bewundernswert und großartig, wenn auch weniger allgemein anerkannt sind die Leistungen der alten Ägypter auf dem Gebiete des Kunsthandwerks. Schon frühzeitig hat der Geschmack am Schönen und die Liebe zum Luxus alle Gesellschaftsschichten durchdrungen. Der Ägypter liebte es, sowohl in seinem irdischen als auch in seinem «ewigen» Hause wertvolle Amulette und Kleinodien, sorgfältig gearbeitete Möbel [* 39] und zierliche Geräte um sich zu haben.
Was man auch benutzte, sollte, wenn auch nicht aus kostbarem Material, so doch in reinen Formen gearbeitet sein. Wo man auch ägypt. Gebrauchsgegenständen begegnet, überall muß man den fein ausgeprägten Geschmack in der Form und Ornamentik bewundern. Die Formen und Ornamente sind entweder der Architektur entlehnt, z. B. Griffe in Säulenform, Kasten in Gestalt von Tempelfaçaden, oder, wie in der Töpferei, Flechterei und Weberei, [* 40] der Technik selbst entsprungen.
Häufig hat das Kunstgewerbe Nachbildungen von Pflanzen und Tieren, und zwar fast immer der für den besondern Zweck geeignetsten verwendet, indem man entweder dem Gegenstande selbst die Form von Tieren, Pflanzen u. s. w. gab, oder sie mit Darstellungen aus dem Naturleben verzierte. Es giebt Schälchen in Form von Enten, [* 41] Gazellen oder Fischen; runde Teller sind mit Fischen und Lotosblumen verziert; ein Becher aus Fayence zeigt Sumpfvögel und ihr Nest in einem Dickicht, ein Löffelgriff eine nackte Frau, die Guitarre spielt, an andern Gegenständen befinden sich Elfenbeinarbeiten (s. Tafel: Ägyptische Kunst III, [* 34] Fig. 2–4, 6, 10–16). –
Vgl. Perrot und Chipiez, Geschichte der Kunst im Altertum.
Ä. (deutsch von Pietschmann, Lpz. 1884); Maspero, Archéologie égyptienne (Par. 1887: deutsch: «Ägypt. Kunstgeschichte», von Steindorff, Lpz. 1889); Catalogue des monuments et inscriptions de l'Égypte antique (Bd. 1, Wien [* 42] 1893).
4) Schrift. Litteratur. Wissenschaft. Eine vollständig ausgebildete Schrift findet sich schon auf den ältesten erhaltenen Monumenten, und mit Sicherheit darf man der Tradition Glauben schenken, daß die Schrift schon unter der Regierung des Menes, also im Beginn histor. Zeit, im Gebrauche war. Über das Schriftsystem s. Hieroglyphen. Die hohe Ausbildung aller Kulturzweige und Künste, wie sie sich schon in der dritten und vierten Dynastie kundgiebt, berechtigt auch zu der Annahme, daß sich schon in den ersten Dynastien die Anfänge einer mannigfaltigen Litteratur gebildet hatten, die sich bald vermehrte und zu Tempelarchiven und Bibliotheken führte.
Über solche Aufzeichnungen sind aber die Ägypter wohl schwerlich hinausgekommen. Ihre chronol. Berechnungen beruhten auf gewissen astron. Kenntnissen, die sie sich schon frühzeitig angeeignet hatten. Den Ägyptern kam in dieser Beziehung die Natur selber entgegen. Der wolkenlose Himmel [* 43] erleichterte die Beobachtung der Gestirne, und das regelmäßige Eintreten der Nilschwelle gab ihnen den natürlichen Anfang eines festen Jahres. Im Anfang ihrer Geschichte fiel hiermit ein anderes Phänomen zusammen, der heliakische Aufgang des hellsten Fixsterns Sirius, von den Ägyptern Sothis genannt.
Dieser Frühaufgang des Sirius trat während des ganzen Zeitraums der ägypt. Geschichte jedes Jahr fast genau nach 365¼ Tagen wieder ein und gab ihnen daher ein mit dem Julianischen identisches, astronomisch festes Sternenjahr, nach welchem sie ihr bürgerliches Jahr von 365 Tagen durch die vierjährige Einschaltung eines Tags bequem und genau regulieren konnten, da sich beide Kalender alle vier Jahre um einen Tag verschoben und nach einer Sothisperiode von 4mal 365 = 1460 Julianischen oder 1461 ägypt. Civiljahren wieder zu dem gemeinschaftlichen Anfange zurückkehrten.
Der erste Tag des etwas kürzern wahren tropischen Sonnenjahres und der durchschnittliche Anfang des davon abhängigen Nilschwellens hatten sich während dieser langen Periode nur um 11 Tage verschoben. Die Ägypter waren es auch, welche den Fixsternhimmel zuerst in Sterngruppen zerlegten und diese mit Namen von Sternbildern belegten. Sie teilten den Himmelsäquator in 36 Dekane oder 360 Grade und verzeichneten die allnächtlichen Aufgänge zu jeder der 12 Nachtstunden von 14 zu 14 Tagen das ganze Jahr hindurch. Mehrere Exemplare solcher Sterntafeln sind noch erhalten. Auch in der Geometrie ¶
mehr
247 hatten sie frühzeitig exakte Kenntnisse, mit deren Hilfe Eratosthenes später seine großen Erdmessungen unternahm. Die Feldmessung nahm ihren Anfang in Ä., veranlaßt durch die jährlichen Überschwemmungen des Nils, welche die Grenzen [* 45] der Ländereien veränderten und verwischten. Eine besondere Pflege haben die Ägypter der Medizin gewidmet und in ihr wohl auch große praktische Erfolge erzielt, obwohl ihre anatom. Kenntnisse, soweit man sehen kann, gering waren und sie sich bei der Anwendung der Rezepte nie von dem Aberglauben und dem damit verbundenen Beschwörungswesen frei gemacht haben. Uns sind mehrere ägyptische mediz. Bücher überkommen; das bekannteste ist das große auf Papyrus geschriebene Rezeptbuch, das den Namen von Georg Ebers trägt und auch von diesem herausgegeben worden ist. Eine von Joachim besorgte Übersetzung dieses Papyrus (Berl. 1891) bedarf durchweg der Verbesserung.
Die Ägypter hatten nach der spätern griech. Tradition einen heiligen Codex von 42 heiligen Büchern, die von dem Gott Hermes [* 46] (d. i. Thoth) [* 47] selbst herrühren sollten, in welchen alle den Priestern obliegenden Pflichten in Bezug auf Wissen und Handeln enthalten waren (s. Hermes Trismegistus). Zu der wissenschaftlichen und religiösen kam noch eine ziemlich umfangreiche prosaische und poet. Profanlitteratur. Ihr gehören die zahlreichen Märchen an, für die die alten Ägypter ebenso wie ihre modernen Nachkommen eine besondere Vorliebe gehabt haben. (Vgl. Maspero, Les contes populaires de l'Égypte ancienne traduits et commentés, 2. Aufl., Par. 1889.) Von Heldengedichten ist uns nur eins überkommen, und mehr scheint die ägypt. Litteratur auch nicht besessen zu haben. Es behandelt die große Schlacht, die Ramses II. den Hethitern bei Kadesch geliefert hat.
Sein Verfasser ist unbekannt; man hat fälschlich einen gewissen Pentaur (Pentewéret) für den Dichter gehalten; von diesem rührt aber nur die in einem Schulheft erhaltene Abschrift des Gedichtes her. Von der poet. Litteratur der Ägypter sind noch Volkslieder, Liebes- und Trinklieder hervorzuheben. Die Form der ägypt. Gedichte beruht auf dem Parallelismus der Glieder, [* 48] der auch in der hebr. Poesie vorherrscht. Gelegentlich kommen Ailitterationen vor; Reime sind dagegen nicht nachweisbar.