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Maultiere, deren Zucht besondere
Aufmerksamkeit gewidmet wird, findet man auf den Hochebenen von Begemeder und Lasta. Kamele
[* 2] werden nur in den Qollagebieten und der
Samhara gezüchtet.
In den Niederungen hausen Elefanten,
Nashörner,
Flußpferde, Wildschweine
und allerhand
Raubtiere,
[* 3] von denen die Hyäne bis auf die Hochebene steigt. In derSamhara und der Qollaregion
finden sich Löwen,
[* 4] Schakale, Leoparden, Luchse, Wildkatzen und Füchse, im
Süden auch die
Zibethkatze.
Affen
[* 5] sind zahlreich, besonders der schöne
Guereza, der nebst einigen Nagetieren für Abessinien charakteristisch ist. Auch die
Vögel
[* 6] sind gut vertreten. Die
Flüsse
[* 7] und Sumpflandschaften der Niederungen bergen
Krokodile,
[* 8] große Schlangen
[* 9] und andere
Reptilien. Heuschrecken
[* 10] werden oft zur Landplage; im ganzen ist aber die Insektenwelt wie die Landweichtiere sehr arm an
originellen Formen. – Die Mineralschätze des
Landes sind sehr bedeutend, aber nur wenig gehoben, da ein kunstgerechter
Bergbau
[* 11] unbekannt ist.
Hauptprodukte sind
Gold,
[* 12]
Eisen,
[* 13] Kupfer,
[* 14]
Steinkohlen, Schwefel und
Salz,
[* 15] letzteres aber nur in der Taltalebene
und um den Assalsee.
Bevölkerung.
[* 16]
Sprachen. Volksstämme.
Die Bevölkerung des
AbessinischenReichs ist in den letzten Jahrhunderten
durch innere
Fehden, Menschenhandel, Hungersnot und Seuchen
(Cholera) bis auf etwa 3–4 Mill.
Köpfe zusammengeschmolzen. Die
eigentlichen Abessinier, der
Kern der
Bevölkerung, sind meist schwarzbraun und schön gebaut. (S.Tafel:
AfrikanischeVölkertypen,
[* 1]
Fig. 6.) Auf die ursprüngliche kuschitisch-hamitische
Bevölkerung, von der noch Reste in den
Agaw
vorhanden sind, hat sich schon früh eine Schicht semitisch redender Einwanderer aufgelagert, die Herren des
Landes und
Träger
[* 17] der dortigen Kultur wurden.
Semit.
Sprachen haben daher auch heute noch die Oberhand im
Lande (s.
Amharische Sprache und
Äthiopische Sprache).
Dagegen sprechen die
Agaw, besonders in Agaumeder und Lasta wohnend, eine zu den kuschitischen gehörende
Sprache.
[* 18] In ihrer
Sprache diesen verwandt sind die
Falascha (s. d.) im Simengebirge und in verschiedenen andern Gegenden.
Alle tiefern Gegenden
des
Landes nehmen jetzt die
Galla (s. d.) ein, die seit dem 16. Jahrh.
von Südwesten aus dem Innern
Afrikas in Abessinien eingedrungen sind und sich allmählich über
Enarea, Damot,
Godscham,
Schoa, Angot,
Amhara und Begemeder ausgebreitet haben. Die Abhänge des Hochlandes zwischen
Massaua
[* 19] und
Sula und weiterhin haben die Schoho
oder Soho, mit eigentümlicher
Sprache, inne. Sie unterscheiden sich etwas von den südlicher wohnenden
'Afar. In der Qolla leben heidn. Negerstämme, die
Schangalla.
Gewerbe.
Handel.
Verkehrswesen. Hauptbeschäftigung der Bewohner ist ein höchst einfacher, auf Cerealien, Hülsenfrüchte und
Ölfrüchte ausgedehnter
Landbau, sowie Viehzucht.
[* 20] Die Hausindustrie beschränkt sich auf Leder- und Pergamentbereitung, Baumwollweberei,
Anfertigung von
Teppichen aus
Wolle und Ziegenhaar, und Verarbeitung von
Eisen und Kupfer.
Der Handel ist
von geringerer Bedeutung. Der Verkehr mit den Nilländern wird vorzugsweise durch drei
Straßen vermittelt, die ihren Ausgang
in
Gondar haben.
Die südlichste führt über
Serke nach
Roseres an den
BlauenNil, die andere durch die Grenzprovinz Kalabat zum
Atbara hinunter
nach
Kassala und
Suakin, und die dritte durch die Niederung des
Takaseh über Sofi stößt mit letzterer
zusammen. In neuester
Zeit hat sich auch einiger Verkehr mit den europ.
Kolonien am
RotenMeer entwickelt, und zwar zwischen
Schoa und
Zeila am Golf von
Aden
[* 21] über
Harrar und mit
Obok am Golf von Tedschura über
Aussa. Jedoch ist für
den ausländischen Handelsverkehr die jetzt zur ital.
KolonieErythräa (Eritrea) gehörende Hafenstadt
Massaua am
RotenMeere
der Hauptplatz; auch ist der überseeische
Handel fast ganz in ital.
Händen. Als Tauschmittel dienen in den Häfen die sog.
Maria-Theresienthaler, im Innern Baumwollstoffe und Salzstücke
(Amulê genannt).
Geistige Kultur. Der
Religion nach sind die Bewohner
A.s, mit Ausnahme der Mohammedaner in
Harrar, in der
Samhara und dem
Lande derAdal, sowie des noch heidn.
Teils der
Galla,
Christen. Doch geht dieses
Christentum nicht über Äußerlichkeiten
hinaus. (S.
Abessinische Kirche.) In einigen Grenzbezirken hatte der
Islam im 19. Jahrh. starke Fortschritte
gemacht, aber der verstorbene König
Johannes hat alle Mohammedaner aus dem eigentlichen Abessinien, wo sie den Haupthandel in
Händen
hatten, verwiesen. Die Vornehmen und
Reichen leben in Müßiggang oder Kriegsfehden und überlassen ihr Hauswesen den Weibern
und Sklaven. Letztere werden mild, die Feinde aber barbarisch behandelt. DasVolk ist im allgemeinen geistig
begabt und thatkräftig, aber infolge der
Auflösung aller öffentlichen Sicherheit und Ordnung tief gesunken.
Geschichte.Über die Zeit bis zur Mitte des 19. Jahrh. s.
Äthiopien. 1855 gelang es dem Häuptling Kâsa im westl. Amhara,
Ras
Ali, den Reichsregenten des Schattenkaisers zu
Gondar, und dieStatthalter der übrigen
Provinzen unter
seine Macht zu beugen, worauf er sich zum
Kaiser (Negus Nagast) von Abessinien krönen ließ und den
NamenTheodor II. (s. d.)
annahm. Er herrschte anfangs umsichtig und maßvoll, führte viele Verbesserungen ein, suchte namentlich europ.
Techniker und Handwerker nach Abessinien zu ziehen, richtete aber das Hauptaugenmerk auf Beschaffung
besserer Waffen
[* 22] für seine
Soldaten.
Die ungeheure Soldatenschar, die er hielt (bis zu 150000 Mann), verschlang in kurzer Zeit die Kräfte der
Bevölkerung; eine
Provinz nach der andern erhob sich; er schlug den
Aufstand zwar mit äußerster Grausamkeit nieder, aber schon 1863 waren viele
seiner
Länder vollständig verheert und seine
Truppen zusammengeschmolzen. Durch die Vergeblichkeit seiner
Bewerbungen um Bündnisse mit den europ. Großmächten gegen
Ägypten
[* 23] gekränkt, faßte
Theodor einen Haß gegen die Europäer
und ließ
Cameron (s. d.) sowie den engl. Gesandten und
den franz. Abgesandten Bardel samt ihren Begleitern und einigen Missionaren im Nov. 1864 in der
Festung
[* 24]
Magdala in
Fesseln legen.
Nach vergeblichen Bemühungen der engl. Regierung, die Gefangenen durch Unterhandlungen zu befreien,
beschloß dieselbe im Juli 1867 den Kriegszug, der unter Napiers
Führung 1868 von der
Annesleybai am
RotenMeere aus mit 16000 Mann
gegen Abessinien unternommen wurde. Nachdem man durch den Komaylipaß ins Hochland nach Senafe
eingedrungen war, standen schon 3500 Mann engl.
Truppen vor
Magdala, wo sich jetzt
Theodor befand. Nach einem mißglückten
Ausfall bahnte
Theodor Versöhnungsversuche an und schickte die gefangenen Europäer ins Lager;
[* 25] 13. April wurde die Festung im
Sturm genommen.
Theodor hatte sich schon vorher durch einen Pistolenschuß entleibt.
Magdala¶
mehr
38 wurde geschleift. Nach dem Abzuge der Engländer (Juni 1868) stritten sich sofort die drei mächtigsten Könige Kâsa,
Gôbazê und Menilek um die Oberherrschaft. Kâsa fand bei den Engländern Unterstützung; um diese ganz zu gewinnen, schaffte
er alle Zölle ab und bot einer engl. Gesellschaft große StreckenLandes an zum Anbau von Baumwolle,
[* 27] Kaffee,
Indigo
[* 28] u.s.w. Ihm gelang es, im Juli 1871 den Gôbazê, der ihn angriff, zu besiegen und gefangen zu nehmen, worauf er sich zu
Axum feierlich zum Kaiser von Abessinien krönen ließ und den NamenJohannes annahm. Er stiftete den Orden
[* 29] vom Siegel Salomos.
Obwohl er noch lange mit Unruhen zu kämpfen hatte, entwickelte er doch, infolge der Angriffe der Ägypter, unter der Leitung
des Engländers Kirkham bedeutende Kraft
[* 30] und gewann als Schützer des Christentums gegen die Mohammedaner überall an Ansehen.
Nachdem schon im Sommer 1872 Munzinger die Landschaften der Mensa, Bilen, Takué, Bedjuk, Marea für Ägypten
in Besitz genommen, entsandte der Chediv im Spätherbst 1875 ein Expeditionskorps von 30000 Mann zur Eroberung von Hamasen,
während zu gleicher Zeit ein anderes ägypt. Armeekorps von Zeila aus Harrar und die Länder der Somal und Danakil für Ägypten
in Besitz nahm, um von da aus dem Menilek von Schoa die Hand
[* 31] gegen Johannes zu reichen.
Allein Menilek weigerte sich, mit dem Ungläubigen gemeinschaftliche Sache zu machen, und die in Hamasen schon weit vorgedrungenen
Ägypter wurden zuerst am Mareb bei Gundet, sodann noch schimpflicher 5. bis bei Gura von den durch
zahlreiche anwesende Geistliche fanatisierten Abessiniern geschlagen und zur Hälfte aufgerieben. Ungeheure Beute an Gewehren
und Kanonen fiel diesen in die Hände. Nach langen Unterhandlungen wurde endlich zu Anfang 1879 der Friede dahin geschlossen,
daß Johannes die Grenzprovinz Keren an Ägypten abtrete, Ägypten aber jährlich 8000 Dollars an Johannes zahle.
Später brachte Johannes auch Menilek von Schoa zur Unterwerfung unter seine Oberhoheit und vereinigte so
alle ehemaligen abessin. Provinzen wieder unter seinem Scepter. Nach Auflösung der ägypt. Herrschaft im Sudan schlossen Admiral
Hewett namens der brit. Regierung und Mason Bei imNamenÄgyptens zu Adua mit Johannes einen Vertrag,
wonach alle Waren, Waffen und Munition von und nach Abessinien freien Durchgang durch Massaua unter engl. Schutz haben, die Bogosländer
wieder an Abessinien zurückfallen und der Abzug der ägypt. Besatzung aus Kassala, Amideb und Senhit durch Abessinien gestattet sein sollte.
Infolgedessen besetzten die Abessinier die Bogosländer wieder, konnten aber die Grenzgebiete der ägypt.
ProvinzKassala nicht gewinnen, weil die Häuptlinge dieser Gegenden aus Furchtvor der abessin. Herrschaft sich lieber den Mahdisten
anschlossen. Dagegen gelang es dem König Menilek von Schoa, im Einverständnis mit Johannes, die im Südosten des Landes gelegenen
Landschaften Kaffa, Enarea und Gurage sowie Harrar in Besitz zu nehmen und dem abessin. Reiche einzuverleiben. 1885 begannen
die Verwicklungen mit Italien,
[* 32] das sich seit 1882 an der Westküste des RotenMeers festgesetzt und 1884 sein Protektorat bis
zur Buri-Halbinsel im Norden
[* 33] ausgedehnt hatte.
Anfang 1884 begab sich eine ital. Gesandtschaft an den Hof
[* 34] des Johannes, um die Handelsbeziehungen mit
Italien zu regeln und eine größere Sicherheit des Verkehrs an der
Ostgrenze A.s zu erzielen. Am besetzten die Italiener
infolge der Ermordung des ital. Reisenden BianchiMassaua und traten in den Hewettschen Vertrag ein, worauf im Dez. 1885 die
ägypt. Beamten und Truppen nach Sues abzogen. Der ital. Oberbefehlshaber Genè ließ hierauf die Stadt
gegen die Landseite hin befestigen und besetzte dieselbe mit 3000 Mann, zum Schutze gegen Johannes, der sich den Besitz des
für den Eingangshafen bildenden Hafens von Massaua nicht entgehen lassen wollte. Im Jan. 1887 rückten abessin. Truppen unter
Ras Alula gegen Massaua vor, denen der Negus mit einem größern Heere im Abstande von neun Tagemärschen
folgte. Am 25. Januar griff Ras Alula die vorgeschobenen ital. Posten auf den Höhen von Sahati bei Dogali an und sprengte dieselben
unter großem Verluste, aber mit Erbeutung aller Geschütze
[* 35] und vieler Waffen auseinander; nur 82 verwundete
Italiener entkamen nach Massaua.
Sofort schickte Italien 1000 Mann und später noch 2 Bataillone und 2 Batterien zur Verstärkung,
[* 36] wodurch es auch gelang, die
verlorene Stellung wieder einzunehmen und die Abessinier zurückzudrängen. Inzwischen waren die Mahdisten von Westen her
gegen Abessinien vorgerückt, wodurch Johannes gezwungen wurde, die Expedition gegen Massaua aufzugeben.
Er wandte sich gegen die Mahdisten und lieferte ihnen 7.und bei Metammeh in Kalabat eine Schlacht, bei der er selbst
sein Leben einbüßte.
Nun gelang es dem thatkräftigen Menilek von Schoa, die Oberherrschaft über Abessinien an sich zu reißen und die übrigen Teilkönige
zur Anerkennung zu zwingen, worauf er sich im Frühjahr 1890 unter großer Feierlichkeit als Menilek II.
zum Negus Nagast von Äthiopien krönen ließ. Schon 1889 hatte Menilek, das Fruchtlose eines Krieges mit Italien einsehend, eine
Gesandtschaft nach Italien geschickt und mit dieser Macht einen Vertrag abgeschlossen, worin die Grenze der ital.
Besitzungen am RotenMeere endgültig festgesetzt wurde und sich Menilek verpflichtete, nur durch Vermittelung der ital. Regierung
mit andern Staaten zu verhandeln; doch kehrte er sich an letztere Bestimmung nicht, worin er von der franz.
und russ. Regierung bestärkt wurde. Mit Ras Alula hatte Menilek Ende 1889 und Anfang 1890 noch mehrere
Kämpfe zu bestehen.
Litteratur. Außer den Beiträgen, welche die Gebrüder d'Abbadie (s. d.), Heuglin (s. d.) und Munzinger (s. d.) zur KundeA.s
lieferten, vgl.: Bruce, Travels to discover the source of theNile (5 Bde., Edinb. 1790; deutsch
von Volkmann, 5 Bde., Lpz. 1790–92);
Salt, Voyage to Abysinnia (Lond. 1814);
Combes und Tamisier, Voyage enAbyssinie (4 Bde., Par. 1835–37);
Rüppell, Reise in Abessinien (2 Bde., Frankf. 1838–40);
Isenberg und Krapf, Journals detailing their proceedings in the kingdomof Shoa (Lond. 1843);
Harris, Highlandsin Ethiopia including an account of 18 months residenceatthe court of Shoa (3 Bde.,
ebd. 1844; deutsch u.d.T.: Harris Gesandtschaftsreise nach Schoa und Aufenthalt in Südabessinien 1841–43, 2 Bde.,
Stuttg. 1845–47);
der neben dem später aufgenommenen TitelAbuna («UnserVater») immer noch in Gebrauch ist. Größere Fortschritte
machte das Christentum erst im 5. Jahrh. durch die aus Ägypten eingewanderten Mönche, die zugleich das
ganze Mönchswesen mitbrachten. In den auf dem Konzil zu Chalcedon 451 erledigten Streitigkeiten über die Person Jesu schlossen
sich die abessin. Christen, wie die Hauptmasse der ägyptischen, dem monophysitischen Bekenntnis an und blieben fortan dem
monophysitischen Patriarchen von Alexandria unterthan. Es wurde strenges Kirchengesetz, daß nur dieser
den Vorsteher der Abessinische Kirche weihen durfte, wie auch die wichtigern dogmatischen und kirchenpolit.
Schriften ägypt.-monophysitischen Ursprungs sind. Gegen Ende des 5. Jahrh. scheinen auch
die Könige zum Christentum übergetreten zu sein, und im 6. Jahrh. war
das Reich in der Hauptsache christlich. Damals,
wenn nicht schon früher, entstand die sog. Äthiopische Bibelübersetzung und wurde auch der Kultus einigermaßen organisiert.
Aber noch lange finden sich nicht nur zahlreiche Juden, sondern auch heidn. Stämme im Lande, und erst im 15. Jahrh. wurde das
Heidentum völlig ausgerottet. Im Mittelalter war die abessin.-äthiop. Kirche die Trägerin der Kultur
und litterar.
Thätigkeit, wie dies sowohl Übersetzungen christl. Schriften als auch eigene Produktion von Gebet- und Hymnenbüchern bezeugen.
Aber das immer tiefere Sinken der kopt. Mutterkirche, der polit. Verfall des Reichs vom 16. Jahrh. an (s. Äthiopien), die in
den Kriegen zunehmende Verwilderung des Volks, das Absterben der Geezsprache (in der alle heiligen und kirchlichen
Schriften abgefaßt sind, s. Äthiopische Sprache), das Eindringen der moslem. und heidn. Völker brachten der Abessinische Kirche den Untergang.
Die Zähigkeit seines monophysitischen Glaubens zwar, die das Volk den Bekehrungsversuchen der Jesuiten im 16. und 17. Jahrh.
entgegensetzte, hat sich erhalten, aber der Geist des Christentums und das christl. Leben ist längst daraus
geschwunden. Nur die leeren Formen sind geblieben. In grober Unwissenheit und wüstem Aberglauben wetteifern die Christen des
Landes jetzt mit den Moslems, und in Sittenlosigkeit übertreffen sie diese vielleicht noch. Im 19. Jahrh.
waren evang. und röm.-kath. Missionare hier erfolglos thätig.
Die religiöse Erkenntnisquelle der Abessinier heißt Semanja Abâdu, d. h. Einundachtzig,
und enthält außer unsern 65 biblischen Büchern noch die sog. Apokryphen, die Briefe des Clemens Romanus und den Synodus, eine
Sammlung von apostolischen, synodalen und kirchenväterlichen Kanones, aber in monophysitischer Bearbeitung. In ihren Gebräuchen
haben sie noch viel aus der ältesten christl. Kirche, ja sogar aus dem Alten Testament beibehalten. Die
Taufe der Erwachsenen (bekehrter Heiden oder Moslems) wird fast ganz nach urchristl.
Ritus vollzogen. Mit der Taufe der Kinder (der Knaben am 40., der Mädchen am 80. Tage nach der Geburt) ist Abendmahl verbunden.
Auch die Beschneidung haben sie am 8. Tage nach der Geburt, zugleich mit der Namengebung. Das Abendmahl wird
unter beiderlei Gestalt mit gesäuertem, am Gründonnerstag mit ungesäuertem Brot
[* 46] empfangen. Der Gottesdienst am Sonntag besteht
aus Gebet, Psalmenvortrag und Lektionen ans der Bibel
[* 47] in der altkirchlichen, jetzt nicht mehr gebräuchlichen Sprache. Gepredigt
wird nicht. Außer dem Sonntag wird auch noch der Sabbat gefeiert und außer den altkirchlichen Festen
noch eine Reihe von Gedächtnistagen, so daß das abessin. Kirchenjahr im ganzen 180 Festtage zählt. Die Fasten sind sehr
streng und häufig, etwa 200 Fasttage im Jahr, und gelten als ein Hauptstück des Christentums. Endlich ist auch das
System kirchlicher Pönitenzen sehr ausgebildet.
Die kirchliche Einsegnung der Ehe ist nicht notwendig. Monogamie gilt zwar als Regel, aber vor dem Gesetz ist die Polygamie
geduldet und auch die Scheidung durch den bürgerlichen Richter sehr leicht zu erlangen. Kirchen haben die Abessinier sehr
viele; sie sind kreisrund, meist aus Flechtwerk und Lehm gemacht. Man beobachtet auch noch gewisse alttestamentliche
Reinigungsgesetze und enthält sich einiger im Alten Testament oder Apostelg. 15,29, 16,4 verbotenen Speisen. Die Bekreuzung
ist herrschende
¶
mehr
Volkssitte. Als christl. Abzeichen zur Erinnerung an die Taufe tragen die Abessinier eine blaue Schnur um den Hals, Mateb genannt.
Der Glaube an Zauberei, Amulette u. s. w. hat seit dem 16. Jahrh. sehr überhand
genommen. Fasten, Schenkungen an Bettler, Pilger, Priester, Kirchen und Klöster gelten als gute Werke, ebenso Pilgerfahrten
nach Jerusalem.
[* 49]
An der Spitze der Abessinische Kirche steht der Abuna (auch Metropolit, Patriarch genannt), der früher in Axum residierte, jetzt in Gondar.
Er ist in Glaubenssachen die höchste Autorität, hat allein das Recht, die Könige zu salben und Priester und Diakone zu ordinieren,
nimmt aber auch in weltlichen Dingen eine bedeutende Machtstellung ein, sogar gegenüber dem Könige,
ob obgleich dieser Schutzherr und nominelles Oberhaupt der Kirche ist. Von dem kopt. Patriarchen (jetzt in Kairo) ernannt, soll er
nach einer aus dem 13. Jahrh. stammenden Bestimmung kein Abessinier, sondern ein Kopte sein.
Der Bildungsgrad der Abuna, wie überhaupt der Geistlichen, ist gegenwärtig sehr gering, wie denn zum
Diakonenamte alle, die sich melden, ordiniert werden, wenn sie nur lesen können. Der Großprior der Klostergeistlichkeit,
Etschege genannt, mit dem Sitz auf dem im 13. Jahrh. gegründeten Kloster Dabra-Libanos in Schoa, ist die zweite geistliche
Person des Reichs. Außerdem sind berühmte Klöster: Debra-Dammo, Axum, St. Stephan, Abba-Garima und Lalibela.
Die Zahl der Mönche ist sehr groß. -
staatsrechtlich soviel wie Empörung, sei es, daß ein ganzes Volk von der legitimen Regierung abfällt, oder
daß ein einzelner Teil (eine Provinz, eine Stadt) vom Staat, ein Staat vom Reiche sich ablöst, um sich selbständig zu machen
oder an einen andern Staat oder ein anderes Reich anzuschließen. Abfallen kann auch ein Teil der Armee,
indem er zum Feinde oder zu den Empörern übergebt. Jeder Abfall ist ein Rechtsbruch und wird als Verbrechen bestraft, wenn die
legitime Regierung Siegerin bleibt, sofern sie nicht Amnestie zu erteilen für weiser hält. Unterläßt die Regierung den
Kampf, oder wird sie überwunden, so begründet der Abfall neue staatsrechtliche Verhältnisse.
Völkerrechtlich spricht man auch von einem Abfall verbündeter Staaten vom Bündnisvertrag. in kirchenrechtlicher Bedeutung,
s. Apostasie.
oder Abgänge, in der Technik der Teil der Rohstoffe, der bei der Darstellung des Fabrikats ausgeschieden oder
abgesondert wird und entweder ganz nutzlos oder nur zu irgend einer Nebennutzung brauchbar ist. Im strengern,
freilich nicht immer festgehaltenen Sprachgebrauch wird zwischen Abgang und Abfall so unterschieden, daß Abgang jede infolge
der Bearbeitung eintretende Verminderung des Stoffs bezeichnet, Abfall aber die wirtlich gesammelte abgegangene Substanz ausdrückt;
so erleidet die Leinwand durch Bleichen einen sehr bedeutenden Abgang, ohne daß sich ein Abfallstoff
dabei ergiebt.
Die Menge der Abfälle erreicht oft einen sehr hohen Betrag, und es ist eine wichtige Aufgabe der Technik, durch eine zweckmäßige
Einrichtung der Fabrikationsprozesse die Abfälle
entweder zu vermindern oder nutzbar zu machen. Wie bedeutend bei
manchen Fabrikationen die Abfälle sind, zeigt z. B., daß man aus 100 kg
Roheisen durch die Arbeiten des Frischens und Ausschmiedens oder Walzens nur 70-80 kg Stabeisen gewinnt;
aus 100 kg Stabeisen
45-60 kg verkäuflichem Eisenblech;
aus 100 kg Stahldraht etwa 60 kg verkäufliche Nähnadeln;
aus 100 kg gewalzter Gold-,
Silber- oder Kupferbleche 66-70 kg Platten zum Münzenprägen;
Viele Abfälle, die man früher nicht nutzbar verwenden konnte, werden jetzt verarbeitet.
So dienen früher als wertlos betrachtete wollene Lumpen zur Darstellung des Shoddy, aus dem neue Stoffe, Teppicheu. dgl. gefertigt
werden. Aus den Seife enthaltenden Wassern der großen Wäschereien gewinnt man Fett. Die verbrauchten Bäder
der Färbereien werden ausgenutzt zur Darstellung der darin enthaltenen Weinsteinsäure. Das Wasser der Wollwäschereien liefert
nach dem Verdampfen und Calcinieren des Rückstandes reichliche Mengen von wertvollem Kalisalz, namentlich Pottasche von höchstem
Reinheitsgrade.
In der Sodafabrikation wurde die Gesamtmenge des Schwefels, der zur Darstellung des Hauptproduktes in großer Menge gebraucht
wird, früher völlig verloren gegeben, während man ihn jetzt wiederzugewinnen versteht. Bei vielen
metallurgischen Prozessen wird massenhaft schweflige Säure entwickelt, die früher in die Luft entwich, jetzt in Schwefelsäure
[* 52] übergeführt wird. Die Hochofenschlacken dienen als Wegbaumaterial und zur Darstellung von Schlackenwolle und Ziegeln.
oder Falllinien, in einer Terrainzeichnung
[* 53] (s. d.) die in der Richtung des stärksten Abfalls, der größten
Neigung gezogenen Linien; sie geben diejenige Richtung an, die frei und ungehindert abfließendes Wasser einschlagen würde.
In der Natur ist die Richtung des stärksten Falles meist leicht zu erkennen und daher auch ohne Schwierigkeit
in der Zeichnung durch die Abfallslinien festzulegen. Die letztern haben deshalb für jede Bergzeichnung eine hervorragende Bedeutung,
weil sie von den Schichtlinien (s. d.) senkrecht durchschnitten werden und daher
für die Form und Lage der letztern von entscheidendem Einfluß sind. Ebenso sind sie für eine Terrainzeichnung
in Bergstrichen unentbehrlich, da sie die Richtung der letztern bestimmen.
Abfedern, Genicken, Abnicken, in der Jägersprache das Töten des Wildes auf verschiedene Art. Das Abfangen geschieht
bei angeschossenem oder bei von Hunden gestelltem Edelwild und
¶
mehr
Schwarzwild durch einen Stich (in die Brust) mittels des Hirschfängers oder der Saufeder (s. d.). BeimAbfedern wird dem kleinern
Federwild eine Schwungfeder zur völligen Tötung in den Kopf gestochen. Das Abnicken bezweckt eine Trennung des ersten Halswirbels
vom Hinterkopf. Dazu wird bei Edel-, Dam-, Reh-, Gems- und Auerwild der Nickfänger (Jagdmesser) eingestochen;
bei Hasen und Kaninchen
[* 55] genügt ein Schlag mit der flachen Hand.
in der Zoll- und Steuerverwaltung der Inbegriff derjenigen amtlichen Handlungen, welche darauf gerichtet
sind, festzustellen, ob und in welchem Umfange eine ans dem Auslande eingegangene Ware oder ein inländischem Erzeugnis,
das der Besteuerung unterliegt, abgabepflichtig ist. Die Schriftstücke, die die erforderlichen Abfertigungsanträge der Abgabepflichtigen
und die Abfertigungsermittelungen der Abfertigungsbehörden (Abfertigungsstellen) enthalten, heißen im allgemeinen Abfertigungspapiere,
der amtliche Ausweis, der den Abgabepflichtigen über das Ergebnis der Abfertigung erteilt wird, Abfertigungsschein.
Abfertigungsscheine in diesem Sinne sind insbesondere auch die amtlichen Quittungen über entrichtete
Zölle und Steuern.
diejenige Leistung oder diejenige Leistungsverpflichtung, durch welche ein in seiner Höhe oder seinem
Werte nach nicht feststehender Anspruch beseitigt wird (s. auch Abstandsgeld). Die Rechtssprache bedient sich des Wortes auf
verschiedenen Rechtsgebieten. Insbesondere wird im Rechte der Schuldverhältnisse von Abfindung gesprochen, wenn der Schadenersatzanspruch
oder wenn der einem Dritten zustehende Anspruch an der veräußerten Sache seitens des Erwerbers oder
Veräußerers auf diese Weise beseitigt wird.
Erfolgt bei Schuldverhältnissen, und dies gilt nicht bloß für Schadenersatzansprüche, die Abfindung durch einen
andern als den Schuldner, so hat der andere einen Erstattungsanspruch an den Schuldner, wenn er diesem
nicht schenken will. Nach Preuß. Allg. Landrecht und nach franz. Recht geht der Anspruch des Gläubigers auf den Abfindenden
über (s. Subrogation). Nach Gemeinem Recht kann derjenige Dritte, welcher gezwungen ist, den Gläubiger abzufinden, wie der
Bürge, der dritte Besitzer einer Pfandsache, der nachstehende Hypothekgläubiger, Abtretung der Rechte des Abgefundenen
fordern.
Auf demselben Gedanken beruht es, daß der redliche Besitzer, welcher den wirklichen Eigentümer abfindet, von seinem Verkäufer
Gewährleistung fordern darf, als sei ihm die Sache vom Eigentümer entzogen. Auf dem Gebiete des sog.
Agrarrechts spricht man von Abfindung, wenn die Ansprüche des an einer Gemeinheitsteilung, Servitut- oder Reallastenablösung als
Berechtigter Beteiligten abgegolten werden. Auf dem Gebiete des Familienrechts wird von Abfindung gesprochen bei der
Abgeltung der Ansprüche einer Verlobten, welche nicht geheiratet wird, oder derjenigen, welcher Ansprüche aus einer Schwängerung
zustehen, ferner bei der Abgeltung der Ansprüche eines geschiedenen, nicht für den schuldigen Teil erklärten Ehegatten, sowie
bei der Befriedigung eines anteilberechtigten Abkömmlings aus der Gütergemeinschaftsmasse. Auf dem Gebiete
des Erbrechts spricht man von Abfindung, außer bei dem Erbverzichte (s. d.),
bei der Ausgleichungspflicht (s. d.) und bei der Erbteilung (s. d.).
Bei
der bäuerlichen Erbfolge wird Abfindung genannt die Befriedigung der Miterben oder Mitberechtigten für die Ansprüche auf das
Gut (Anerbengut), welches nur einem der Beteiligten ausschließlich zufällt oder gebührt. Hierfür
finden sich auch andere Ausdrücke, z. B. Ausradung oder Auslobung. Dieser Anspruch der Miterben (meistens der Geschwister des
Anerben) ist verschieden ausgestaltet. Zuweilen wird den Miterben das Recht gewährt, bis zu einem gewissen Zeitpunkte auf dem
Gute zu bleiben und dort standesmäßigen Unterhalt zu verlangen. In einem solchen Falle pflegt der Anspruch
auf die bestimmte Geldleistung erst nach Erreichung dieses Zeitpunktes, z. B. bei der Entfernung
aus dem Gute, zu erwachsen.
Nicht selten ist die Höhe der Abfindung durch das Gesetz relativ bestimmt. Der Zweck einer solchen Bestimmung ist,
das Gut nicht übermäßig belasten zu lassen. Der rechtliche Charakter der Abfindung ist verschieden
bestimmt, zuweilen als Reallast. Nach einigen Rechten fällt die Geldabfindung weg, wenn der Berechtigte auf dem Gute stirbt,
nach dem Satze: «Was in der Were verstirbt, erbt an die Were.»
Vgl. Die Motive zum Entwurfe eines Einführungsgesetzes zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, S. 217. - In entsprechender Weise kommt eine Abfindung bei Familienfideikommissen, Lehen,
Stammgütern und bei adligen Familien vor, nicht selten verbunden mit Erbverzichten seitens der weiblichen Familienglieder.
(S. auch Apanage.)
eine Art des Kredits, die bei Vermögensauseinandersetzungen, namentlich bei Erbteilungen in Betracht
kommt; derselbe wird in Aussicht genommen, entweder bei dem Erwerb von Ländereien und Gebäuden oder
auch bei Kaufverträgen anderer Art, wenn der Ersteher nicht genügend verfügbare Mittel besitzt, um die Miterbenbez. den Verkäufer
sogleich nach Abschluß des Geschäfts abzufinden. Sehr wichtig ist dieser Abfindungskredit für die Beurteilung des Ursprungs der bäuerlichen
Verschuldungen, indem ein großer Teil derselben nicht etwa auf einen gesteigerten persönlichen Aufwand
oder auf Verbesserungen, z. B. Entwässerungen, Wegebauten u. dgl. zurückgeführt werden darf, sondern darauf, daß der Unternehmer
mit den Rechtsansprüchen anderer Personen zu rechnen hatte. (S. Erbrecht.)
in der Heilkunde die Hervorrufung reichlicherer, oft auch wässerigerer Stuhlgänge, die vermehrte Darmausleerung.
Die arzneilichen Mittel dazu, die Abführmittel (Purgantia, Cathartica, Purganzen), teilt man in laxierende
und drastische. Die laxierenden Abführmittel (Laxantia, d. h. erschlaffende Mittel) machen die Därme schlüpfrig, den Darminhalt
dünn, aber bei längerm Gebrauch auch die Darmmuskeln schlaff und träge. Dahin gehören: die fetten Öle,
[* 57] besonders Ricinusöl:
die zuckerartigen Substanzen, besonders Manna, Honig, Trauben;
die Pflanzensäuren, besonders Tamarinden, Pflaumenmus,
säuerliche Obstarten, Sauerkraut;
die sog. Mittelsalze, wie
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Glaubersalz (schwefelsaures Natron), Bittersalz (schwefelsaure Magnesia), Cremor Tartari, Seignettesalz und die vielen abführenden
künstlichen und natürlichen Mineralwässer. Die drastischen oder scharfen Purgiermittel (Drastica, d. h.
wirksame Mittel) reizen die Nerven
[* 59] der Darmmuskelwände durch eigentümliche scharfe Stoffe, welche sie enthalten, zu kräftigen,
den Darminhalt fort- und hinaustreibenden Zusammenziehungen, können aber auch leicht Unterleibsentzündungen
oder Mutterblutungen, Abortusu. dgl. hervorrufen.
Dahin gehören Aloe, Jalape, Scammonium, Gummigutti, Koloquinten, Krotonöl, Podophyllin u. a. Sie werden von den Ärzten deshalb
fast nur in besonders hartnäckigen und dringlichen Fällen angewendet. Wo es sich um einfache Entleerung des vorhandenen
Darmkots handelt, benutzt man öfters eine Klasse milderer Drastica (Eccoprotica), d. h. kotausleerende
Mittel), besonders die Sennesblätter und ihre Präparate (Laxierthee, St. Germainthee, Wienertränkchen, Sennalatwerge, Brustpulver
u. a.), den Rhabarber und seine Präparate (Kinderpulver, wässerige oder weinige Rhabarbertinktur, Rhabarbersaft), den Kreuzdornsaft,
den Aufguß der Faulbaumrinde, die Schwefelblumen.
Die Laien aber bedienen sich zu diesem Zwecke oft zu ihrem großen Schaden starker drastischer, vorzugsweise
aloehaltiger Geheimmittel, z.B. der Morrisonschen Pillen, der Schweizerpillen, der Salzunger Tropfen, der AugsburgerLebensessenzu. dgl. Die abführende, reichlich laxierende Heilmethode war unter den Ärzten im 18. Jahrh. eine Zeit lang sehr in Aufnahme
(die sog. gastrische Schule), während sich die neuere Medizin derselben weit seltener, meistens nur da
bedient, wo wirklich auszuleerende Stoffe im Darmkanal oder seinen Anhängen nachweisbar sind, oder bei Entzündungen gewisser
lebenswichtiger Organe (Herz, Lungen, Leber, Hirn) eine Ableitung des Blutes von den entzündeten Organen beabsichtigt wird.
Die Hydropathen ersetzen die Abführmittel durch kalte Klystiere, kalte Umschläge auf den Leib und reichliches Kaltwassertrinken.
Die Heilgymnastiker bewirken Stuhlentleerungen durch Knetungen und Massage des Bauchs und durch solche Turnübungen,
welche die Bauchmuskeln stärken. In sehr vielen Fällen reichen einfache diätetische Mittel zur Stuhlbeförderung aus, z. B.
Klystiere, Stuhlzäpfchen, der Genuß von ein paar Löffeln guten Öls,
[* 60] von Butter im Kaffee, warmer oder kalter Kuhmilch, Buttermilch,
Zuckerwasser, Kompotten, Limonaden oder Brausewässern: letztere Mittel besonders bei nüchternem Magen.
[* 61] Überhaupt gilt für Laien durchaus die Regel, nur im Notfalle zu abführenden Arzneien zu greifen und sich womöglich mit
den angeführten diätetischen Mitteln zu helfen; wenn diese keinen Erfolg haben, sind kalte Klystiere, wenn nötig täglich,
anzuwenden. (S. Stuhlverstopfung.)
einmalige oder fortlaufende Entrichtungen, namentlich solche, welche für das Einführen oder Ausführen von
Sachen, die Benutzung öffentlicher Einrichtungen, vom Grundbesitz oder von nutzbaren Rechten, von der Person an das Reich,
den Staat, die Kirche (s. Kirchensteuer), die Gemeinde, den Kreis
[* 62] oder an einen zum Bezuge berechtigten Privaten
(z. B. den Gutsherrn) zu leisten sind. Sie beruhen teils auf öffentlich-rechtlichem Grunde, wie die Steuern, Zölle, die
Gebühren
von Erfindungspatenten, zum Teil die Veränderungsgebühr beim Besitzwechsel, teils auf einem Privatrechtsverhältnis.
Die öffentlichen Abgaben können auf persönlicher Verpflichtung beruhen, auch wenn sie vom Grundbesitzer zu
zahlen sind, oder sie sind vom Grundstück oder vom nutzbaren Recht zu zahlen. Hier ist der Pflichtige derjenige, welcher
die Nutzung hat: der Eigentümer, statt dessen der Nießbräucher, der Pächter, wenn er sie übernommen hat. Die dinglichen
Lasten geben, sie mögen öffentliche oder privatrechtliche sein, auf den Sonderrechtsnachfolger (z. B.
den Käufer) über, auch wenn er sie nicht übernommen hat; ob es dazu des Eintrags ins Grundbuch bedarf,
ist aus den Partikulargesetzen zu ersehen. Ebenso, ob der neue Erwerber für Rückstände haftet und ob er gegen seinen Verkäufer
einen Regreßanspruch hat, wenn ihm dieser die Last verschwiegen hat. Öffentliche Abgaben genießen
Vorrechte im Konkurse (s. Konkursordn. §§. 41, 54). - Die Landesgesetzgebung hat Prozesse
über öffentliche Abgaben auf Grund des Gerichtsverfassungsgesetzes (§. 70) mehrfach den Landgerichten (statt den Amtsgerichten)
zugewiesen, so daß schon in höchster Instanz beim Reichsgericht ein Prozeß über 15 Pfennige Brückenzoll geschwebt hat.
Unter Strafe gestellt ist die wissentliche widerrechtliche Erhebung (Strafgesetzb. §. 353) und die Defraudation
von Zöllen, Stempeln und indirekten Steuern.
auch Abgangsfehlerwinkel, in der Ballistik der bei den einzelnen Feuerwaffen verschiedene Unterschied
zwischen dem Erhöhungswinkel der Waffe und dem Abgangswinkel (s. d.) des Geschosses;
er entsteht bei den gezogenen Feuerwaffen
namentlich durch die Schwingungen des Laufs und dadurch, daß weder der Unterstützungspunkt noch der
Schwerpunkt
[* 63] der Waffe in die Richtung der Seelenachse fällt.
Die Größe des Abgangsfehler beträgt meist nur wenige Minuten.
in der Ballistik die Neigung eines den Lauf verlassenden Geschosses gegen die Horizontale. Er weicht
meist von dem Erhöhungswinkel der Feuerwaffe um ein bei den verschiedenen Waffen verschiedenes Maß,
den Abgangsfehler (s. d.) oder Abgangsfehlerwinkel, ab.
Name von 29 Herrschern des Osrhoenischen Reichs zu Edessa (s. d.), welches 137 v. Chr. gegründet
und 216 n. Chr. unter Caracalla vernichtet wurde. Am bekanntesten ist der 15. Abgar, mit dem Beinamen Ukkama, d. i. der Schwarze
(13-50 n. Chr.), durch seinen angeblichen Briefwechsel mit Christus, den im Anfange des 4. Jahrh. Eusebius von Cäsarea auf
Grund syr. Aktenstücke aus dem Edessenischen Archiv in griech. Übersetzung mitteilt. In vielfach erweiterter
Form findet sich die Erzählung in der syr. Schrift «Doctrina Addai» (mit engl. Übersetzung hg. von George Phillips, Lond.
1876) und in mehrern griech. Bearbeitungen. Nach Eusebius bittet in schwerer Krankheit Jesum um Hilfe und bietet ihm zugleich
seine Residenz als Zufluchtsort an. Jesus lehnt ab, weil seine göttliche Sendung ihn an Jerusalem binde,
verspricht aber, nach seiner Himmelfahrt einen seiner Jünger zu senden, der des Königs Krankheit heilen werde. Nach der Himmelfahrt
habe der ApostelThomas den Thaddäus nach Edessa gesandt; derselbe habe Abgar geheilt und in
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