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rundlichen Bergrücken, die eine bei Ardon, die andere in der Umgebung von Bex.
Zwischen den Diablerets und der Rhone, oder genauer in dem von den beiden zuletzt genannten Zweigketten und dem Rhonelauf zwischen Ardon und Bex begrenzten Viereck verliert die Wildhorngruppe die bisherige Einfachheit der orographischen Gliederung und löst sich in ein Gewirre von Bergketten auf. Immerhin verlaufen die höchsten Ketten deutlich in der allgemeinen Streichrichtung der Gebirgsgruppe von SW. nach NO. Die wichtigste reicht vom Pas de Cheville (2041 m), der sie von den Diablerets scheidet und das Val de Triqueut mit dem Thal des Avançon verbindet, bis zur Dent de Morcles und umfasst eine Reihe von felsigen oder mit Gletschern zweiter Ordnung bedeckten Gipfeln, die durch wenig tiefe Sättel voneinander getrennt sind: den Roc Percé de Derbon (2590 m), die Pierre Cabotz (2741 m), die Tête à Pierre Grept (2906 m), den Pacheu (2803 m), den Grand Muveran (3055 m), den höchsten Gipfel des Gebietes zwischen den Diablerets und der Rhone, den Petit Muveran (2815 m), die Pointe d'Aufallaz (2730 m), die Dent Favre (2921 m), die Tête Noire (2880 m) und endlich die Dents de Morcles (2934 und 2973 m). Obschon diese Kette mit der Linie Wildstrubel-Diablerets einen schiefen Winkel bildet, liegt sie doch in der allgemeinen Richtung der Gebirgsfaltung und kann als die Verlängerung des Hauptkammes der Gebirgsgruppe betrachtet werden.
Vom Grand Muveran zweigt nach O. ein Felsrücken ab, welcher die Dent de Chamosenze (2727 m) und den Zeriet oder Tseriet (2752 m) trägt und mit der kahlen Pyramide des Haut de Cry (2972 m) endigt. Von diesem Gipfel gehen zwei andere Gräte aus: derjenige des Montapeirond (2671 m), der am Montacavoère (2618 m) endigt und über den Grat von Verouet gegen die Weiden und den See von Derborence herabsinkt, ferner derjenige der Tête de Versan (etwa 2700 m), der rasch bis zum Signal du Gruz (688 m) bei Ardon absteigt.
Diese beiden Ketten begrenzen im W. das Thal von Triqueut. Die zwischen dem Grand Muveran und der Dent de Morcles liegenden Gipfel senden auch gegen SO. Felskämme aus: die Dent Favre, die Grande Garde (2144 m); die Tête Noire den Grand Chavalard (2903 m); die Dent de Morcles, den Pic du Diabley (2472 m), die Tête du Portail de Fully (2336 m) und den Six Carro (2095 m). Eine weniger bedeutende, in der Mitte durch den Wildbach Avançon des Plans tief eingeschnittene Abzweigung, läuft parallel zur Kette des Muveran und erstreckt sich ebenfalls vom Pas de Cheville bis zur Dent de Morcles; ihre nennenswerten Gipfel sind die Argentine (2423), die Pointes des Savolayres (2298 m) und die Pointe des Martinets (2650 m). Diese Kette der Argentine wird von der Muverankette, deren Abzweigung sie ist, durch die Erosionsthäler des Avançon de Nant und des Avançon de Richard getrennt. Zum Schlusse erwähnen wir noch eine Reihe von teils begrasten, teils felsigen Gipfeln, unter denen der Chamossaire (2116 m) der höchste ist. Sie erstrecken sich von SW. nach NO. und bilden mit ihren Verzweigungen den nordwestlichen, zwischen der Kette des Culand und dem Thal der Grande Eau liegenden Teil der Wildhorngruppe.
Vom touristischen Standpunkt aus bietet die Wildhorngruppe gewiss weniger Interesse als die Finsteraarhorngruppe, deren Fortsetzung sie ist; immerhin ziehen der Wildstrubel, das Wildhorn, die Diablerets, sowie die Kette des Muveran zahlreiche Alpinisten an. Die Besteigungen werden durch die Schutzhütten erleichtert, die in allen diesen Berggruppen teils vom Schweizer Alpenklub, teils von Privaten errichtet worden sind; die beiden Wildstrubelhütten (2900 und 2794 m), die Wildhornhütte (2303 m) und die Ramberthütte (2526 m) an der Frête de Sailles zwischen dem Grossen und dem Kleinen Muveran, ferner die 1904 am Fusse des Glacier du Sex Rouge erbaute Diableretshütte, die wie die am Nordabhang der Diablerets auf dem Plateau von Pierredar liegende Pierredarhütte (2250 m) ihre Entstehung der Privatinitiative verdankt.
Aehnliche Dienste leisten auch mehrere im Gebirge liegende Hotels, wie die am Gemmiweg sich befindlichen Hotels Schwarenbach (2067 m) und Wildstrubel (2329 m), das Hotel von Zanfleuron (2064 m) am Sanetsch, das Gasthaus von Iffigen (1601 m) am N.-Abhang der Wildstrubelgruppe und dasjenige auf dem Col du Pillon. Ueberdies stehen dem Touristen in vielen Ortschaften der Wildhorngruppe, so in Adelboden, Kandersteg, in der Lenk, in Lauenen, Gsteig, Les Ormonts, Les Plans de Frenières etc. erfahrene Bergführer zur Verfügung.
[Dr Émile André.]
Geologie.
Die Wildhorngruppe liegt im Gebiet der Kalkalpen und wird ganz aus Sedimentgesteinen aufgebaut, die dem Karbon, der Trias, dem Jura, der Kreide und dem Tertiär angehören. Das Quartär wird grösstenteils durch die alluvialen Ablagerungen vertreten, welche die Sohle des Rhonethales und einiger Seitenthäler bedecken oder Depressionen ausfüllen, in denen einst Seen lagen. Sehr verbreitet sind auch Bergsturzablagerungen. Ihre Schuttkegel fehlen fast nie am Fuss der Steilhänge und bilden einen Charakterzug im Landschaftsbild des Kalkgebirges.
Wir erwähnen hier besonders den gewaltigen, vom S.-Abhang des Wildstrubel niedergegangenen Bergsturz von Siders (vergl. den Art. Siders). Noch ältere Bildungen sind die Glazialablagerungen, die indessen keinen grossen Einfluss auf die orographische Gestaltung dieses Gebietes ausüben. Da der Rückzug der Gletscher in ihre heutigen Grenzen sich sehr rasch vollzog, findet man in dieser Hochgebirgskette nur wenig bedeutende Moränen von glazialen Zwischenstadien. Vor den jetzigen Gletschern liegen hingegen regelmässig mehr oder weniger ausgedehnte Moränenwälle aus jüngere Zeit; ebenso an Stellen wo einstige kleinere Gletscher vorhanden waren.
Die Felsschichten, welche die Wildhorngruppe aufbauen und durch deren Dislokation ihr Relief geschaffen worden ist, sind folgende:
Tertiärformation. Flysch; schiefrige oder sandige, leicht verwitternde Gesteine. - Stellenweise kommen grünliche Sandsteine, sog. Taveyannazsandsteine vor, die ihre Entstehung z. T. einem vulkanischen Tuff verdanken. - Die Nummulitenbildung, bestehend aus Kalken, Schiefern und sandsteinartigen Gesteinen, oft ausgezeichnet durch massenhafte Nummuliten, Orbitolinen und Kalkalgen (Lithothamnien).
Kreide. Die obere und mittlere Kreide sind nur ¶
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stellenweise ausgebildet, teils in Form von Kalken und Schiefern (Senon und Zenoman), teils als fossilreiche Sandsteine (Gault), welche das Albien repräsentieren. Das Urgon nimmt in der Gipfelregion der Kette einen grossen Raum ein; es zeichnet sich durch seine kompakte Beschaffenheit aus und bildet daher steile Abstürze, die sich oft auf grosse Länge dahinziehen. - Unter diesen Steilwänden erscheint das Neokom, das Hauterivien und Valangien umfasst und seiner teils mergeligkalkigen, teils schiefrigen Gesteine wegen weniger steile Böschungen bildet, die wegen der bedeutenden Mächtigkeit dieser Formation oft sehr ausgedehnt sind. Im Gebiet der Gemmi ist der obere Teil des Valangien kalkig ausgebildet.
Jura. Neben dem Urgon spielt der obere Jura oder Malm in der Orographie unserer Gruppe die wichtigste Rolle. Seine Schichten treten jedoch wie die darunter liegenden Gesteine nur selten in den gleichen Gebieten der Kette zu Tage wie das Neokom. Während letzteres auf die Gipfelregion und den N.-Abhang der Kette beschränkt ist, muss man die Juraformation auf ihrer S.-Abdachung suchen. Neben dem Malm, der den stärksten Einfluss auf das Relief ausübt, weil er oft eine Schichtfolge von mehrern hundert Metern darstellt, sind noch die Argovien- und Divesienschiefer (Oxfordien) vertreten, welche mit dem darunter liegenden, aus dunkeln schiefrigen Kalken bestehenden Dogger sanfter geneigte Abhänge aufbauen. - Der Lias oder untere Jura besteht zum Teil aus widerstandsfähigen Kalken, im obern Teil jedoch aus einem mächtigen Komplex von leicht verwitternden Schiefern.
Die Trias setzt sich aus mergeligen Kalken des Rhät, roten und grünen Schiefern, dolomitischen, oft brecciösen und zersetzten Kalken (Rauhwacke) und aus Gips oder Anhydrit zusammen. Diese Gesteine spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle im Gebirgsrelief und treten bloss auf der S.-Seite der Kette in Form von schmalen Bändern zu Tage. Am W.-Ende der Gruppe, im Gebiet von Outre Rhône, finden wir noch das Karbon, repräsentiert durch Schiefer und Konglomerate, das Perm in Form von roten Konglomeraten u. Schiefern, und endlich treten dort auch noch kristalline Schiefer zu Tage.
Die geschilderten Sedimente von der Trias an aufwärts bilden mehrere weit übereinandergreifende und zum Teil sich völlig überdeckende Ueberfaltungsdecken. Diese Struktur gibt der Wildhorngruppe das Aussehen eines grossen, breiten Gewölbes, das mit dem einen Fuss im Rhonethal, mit dem andern auf dem Rand der «Sattelzone» aufruht, welche sie von den Präalpen des Saane- und Simmengebietes trennt.
Die Artikel Wallis und Waadt enthalten bereits eine zusammenfassende orographische und geologische Beschreibung dieses Grenzgebietes zwischen Bern, Wallis und Waadt; wir verweisen darum den Leser für einen Teil der Angaben und der geologischen Profile auf jene Artikel.
Als Ausgangspunkt für das Studium der Tektonik unserer Gebirgsgruppe eignet sich am besten die zwischen dem Rhonethal und dem Pas de Cheville liegende Gruppe der Dents de Morcles. Sie ist die Fortsetzung des hohen Kammes der Dents du Midi und lässt ihre geologische Struktur aufs schönste auf dem natürlichen Durchschnitte erkennen, den das Rhonethal geschaffen hat. Die Dent de Morcles ist aus Neokomschichten aufgebaut, die auf den Flysch hinübergelegt sind und sich auf das Ende des kristallinen Massivs der Aiguilles Rouges stützen, das hier unter den Sedimentmantel untertaucht.
Die Juraschichten des normalen Schenkels der Falte haben nur geringe Mächtigkeit und bauen mit einer an ihrer Basis liegenden Rauhwackebank die Wand von Bellacrêtaz auf. Die das W.-Ende der Wildhorngruppe bildenden, im Rhoneknie auftretenden kristallinen Gesteine umfassen auch das ebenfalls untertauchende Ende des Montblancmassivs und den Arpille-Zweig des Massivs der Aiguilles Bouges. Zwischen den drei Gneiszonen liegen ziemlich mächtige Karbonschichten in Form von Sandsteinen, grauen Konglomeraten (Valorcinekonglomerat) und Schiefern, sowie Perm in Gestalt eines von roten Schiefern begleiteten Konglomerates (siehe den Artikel Dents de Morcles).
Schon im mittleren Teil dieser Gruppe sieht man in prachtvoller Weise die so charakteristische Struktur, die wir bis zur Gemmi überall wiederfinden werden. Im N. erheben sich in der Umgebung von Bex die Jura- und Kreideschichten bis in eine Höhe von rund 2000 m als normale Decke der kristallinen Grundlage und stellen das wenig intensiv gefaltete sog. autochthone Gebirge dar. Darüber legt sich auf eine Breite von mehr als 10 km die Ueberfaltungsdecke der Dent de Morcles. In ihrer Stirnregion zeigt sie eine sehr auffällige Abzweigung, welche den Grat der Argentine aufbaut.
Der Grat der Savolayres ist ein durch die Erosion von der Wurzel abgetrennter Lappen dieser Ueberfaltungsdecke; er ruht frei auf dem Flysch, der den Grund des Hochthales von Nant und Les Martinets aufbaut. Ein anderer, kleinerer Lappen der Dent de Morcles-Decke ist die Pointe des Perrisblancs. Infolge der Erosion, welche die Kreide in den höchsten Teilen des Gebietes abgetragen hat, erscheinen die Juraschichten auf das dreieckförmige Gebiet eingeschränkt, das zwischen dem Grand Chavalard, dem Kamm des Grand Muveran, dem Grat des Haut de Cry und dem Rhonethal liegt.
Diese Schichten sind deutlich dem verkehrt liegenden Neokom aufgelagert, das die Fortsetzung desjenigen des Dent de Morcles-Kammes bildet. Letzteres erscheint wieder, diesmal jedoch über dem Jura, auf dem Kamm des Haut de Cry und bedeckt den ganzen Ostabhang desselben bis hinunter in die Sohle der Lizerneschlucht. Der ganze Hochgebirgskamm, der sich wie eine Mauer auf der Grenze von Wallis und Waadt erhebt und die Gipfel der Dent Favre, Muveran, Pacheu bis zur Tête à Pierre Grept umfasst, besteht aus Juraschichten.
Die durch die Erosion zerschnittenen kompakten Bänke des obern Malm bilden ihre aufragenden Zacken, die von N. wie von S. gesehen durch die Kühnheit ihrer Formen auffallen, oder auch gewaltige Steilabstürze, wie denjenigen des Haut de Cry. Das geologische Profil durch dieses Gebiet zeigt deutlich, wie die Gesamtheit der Schichten ein einfaches Gewölbe zu bilden scheint; in Wirklichkeit aber ist die Schichtfolge doppelt und gehört einer lang ausgezogenen und über das Tertiär seiner N.-Seite hinübergelegten Falte an. Diese Deckfalte sitzt in der Nähe des Rhonethals zwischen Bex und Martinach sehr hoch auf den kristallinen Gesteinen; die ganze Juraformation fehlt hier, weil sie durch die Erosion abgetragen worden ist. In dem Masse jedoch, wie die kristalline Grundlage einsinkt, beginnen die obern Teile der Deckfalte, die ebenfalls ostwärts sich senkt, über ihrem Mittelschenkel zu erscheinen, der am Grat der Dent de Morcles noch allein vorhanden ist, und man sieht das Tertiär den N.-Rand bogenförmig umsäumen und in die Einsenkung des Pas de Cheville hineinbiegen.
Diese Abgrenzung der Dent de Morcles-Gruppe wegen diejenige der Diablerets hat also eine klare tektonische Ursache; sie fällt auf die Stelle, wo die Ueberschiebungsfläche einer neuen Ueberfaltungsdecke, der Diableretsdecke, ausstreicht, die sich über die in die Tiefe sinkende Morcles-Decke hinüberlegt. Diese neue Falte taucht am N.-Rand des Rhonethales auf; das Val Triqueut folgt der Berührungslinie der beiden Falten auf der Seite ihrer Wurzel, während das Thal des Avançon d'Anzeindaz ihre Stirnregion umschliesst. So erscheint das Massiv der Dent de Morcles als eine aufs klarste umgrenzte Gebirgsgruppe. Diese Tatsache ist ebenso eine Folge der Erosionsarbeit, die in ihre Abhänge nach allen Richtungen verlaufende Schluchten und Thäler eingeschnitten hat, während die Rhone, die Lizerne und der Avançon ihren Fuss als mächtige Sammelkanäle umsäumen.
Die Berührungslinie der beiden Ueberfaltungsdecken der Dent de Morcles und der Diablerets ist noch durch das Auftreten eines grossen Lappens von Neokom ausgezeichnet, dessen Fazies den in helvetischer Fazies ausgebildeten Hochalpen fremd ist. Er ist zwischen die beiden Decken längs des Avençonthales bis in die Nähe von Derborence jenseits des Pas de Cheville eingeschaltet. Es ist eine gewaltige präalpine Neokomschuppe, die buchstäblich zwischen die beiden Deckfalten eingeklemmt und mehr als 5 km weit von der Diableretsdecke überlagert ist. Man sieht also, dass die durch das Thal der Lizerne, den Pas de Cheville und das Thal von Triqueut gebildete Einsenkung durch tektonische Ursachen bedingt ist.
In dem zwischen den Diablerets und dem Sanetschpass liegenden Gebirgsabschnitt, wo eine dritte Ueberfaltungsdecke, diejenige des Wildhorn-Wildstrubel erscheint und ¶
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sich über die Diableretsdecke hinüberlegt, zeigt die Berner Hochalpenkette noch viel ausgesprochener den Bau eines flachen Gewölbes. Auf der Seite des Rhonethales sinken alle Schichten nach S., auf dem bernerischen Abhang hingegen im allgemeinen nach N., abgesehen von der Faltung, welche die Decke selbst erlitten und die auf ihrer Oberfläche viele kleinere Biegungen, Antiklinalen und Synklinalen erzeugt hat. Der weite Zanfleurongletscher bedeckt den Rücken des Urgonplateaus der Diableretsdecke, deren Stirnteil mit wellenförmigen Biegungen in den Grund des Felsenzirkus von Creux de Champ hinuntersteigt. Am O.-Rand dieses Zirkus nun zeigt sich, zunächst in Form eines blossen Stirnlappens, die Wildhorndecke, welche die Neokomgipfel des Oldenhorns und Sanetschhorns, sowie den ganzen N.-Abhang dieser Kette aufbaut.
Auf dem Sanetschpass geht dann dieser Stirnlappen in die Wurzelregion der Decke über; der Mont Gond, die Fava, der Sublage und der Sérac gehören dem Jurakern dieser Decke an. Ein Vergleich zwischen dem Profil der Morcles-Gruppe und demjenigen des Sanetsch (siehe den Artikel Wallis) oder mit dem Profil des Wildhorn zeigt einen ziemlich auffälligen Unterschied in der gegenseitigen Verteilung des Neokom und des Jura. Während in der Morclesdecke ein fast vollständiger Parallelismus der beiden Bildungen vorhanden ist, indem die jurassischen Faltenkerne in normaler Weise von der Kreide umhüllt werden, ist dies in der Wildhorndecke nicht mehr der Fall; das Neokom ist hier abgelöst vom Jurakern, der weit zurückgeblieben ist, während die Kreide und das Tertiär sich nach N. vorgeschoben haben und in das Schichtensystem der Sattelzone eingedrungen sind, wie dies schon das Nordende der Diableretsdecke getan hat. Wir beobachten also dem ganzen Nordrand der Hochgebirgskette entlang ein förmliches Abgleiten von Schichten, die sich von ihrer Unterlage losgelöst und in einer tiefern Lage zur Ruhe gekommen sind, wobei sie sich in Falten legten und sich gegenseitig überdeckten.
Der Sanetschpass ist ebenfalls durch eine tektonische Ursache, nämlich durch eine Einsenkung der Kreide in der Stirnregion der Wildhorndecke bedingt, deren höhere Teile überdies das Bestreben zeigen, sich über die tiefern hinüberzulegen. Beim Ueberschreiten dieses Passes sieht man auch deutlich, wie bedeutend der Abstand zwischen dem Stirnrand des jurassischen Kerns und demjenigen des Kreideteils der Decke infolge dieser Bewegungen ¶
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geworden ist. Der N.-Rand des Jurakerns, der am Sanetschpass, in der Spitze des Sublage, zu Tage tritt, sinkt unter das Neokom des Wildhorns ein und erscheint erst viel weiter östlich wieder, in der Nähe des Vatzeret, in der Schlucht der Liène, wo er die Unterlage der Alp Rawil bildet. Die Höhendifferenz zwischen diesen beiden Stellen zeigt auch, dass die Wildhorndecke das Bestreben hat, nach O. einzusinken, wie wir dies auch bei der Morcles-Decke gesehen haben. Doch erreicht hier das Einsinken keinen so hohen Betrag wie dort. Im Relief des Hauptkammes kommt es durchaus nicht zum Ausdruck, gehört doch der aus Urgonkalk und Albien bestehende Hochgipfel des Wildhorns (3252 m) gerade diesem Teile der Decke an. Es rührt dies davon her, dass das über dem Jura liegende Neokom in der Nähe der Stirnzone des Jura stark gefaltet und so gleichsam zu einer grossen Anschwellung aufgehäuft ist, bevor es sich mit wellenförmigen Biegungen gegen den N.-Fuss der Kette hinunterschiebt.
Der tiefe Einschnitt des Geltenschuss, durch den die Quelle des Lauibaches vom N.-Abhang des Wildhorns heruntersteigt, lässt diese Erscheinungen des nach N. gerichteten Schubes aufs prachtvollste erkennen. Vier Synklinalen mit der Nummulitenbildung als Muldenkern folgen zwischen dem Gipfel des Wildhorns und den auf dem Rücken des Stirnteils der Decke liegenden Seen von Lauenen aufeinander (siehe das geologische Profil). Die Synklinale der Geltenalp ist durch eine Faltenverwerfung horizontal durchschnitten; diejenige von Kühdungel zeigt mehrere ähnliche Brüche (Schenkelbrücke), welche bewirken, dass das Urgongewölbe des Vollhorns beinahe auf die Nummulitenschichten von Kühdungel zu liegen kommt.
Die Synklinale der Lauenenseen endlich ist durch eine Ueberschiebung, welche zweimal die Nummulitenbildung und das Urgon Zutage treten lässt, in zwei Lagen geteilt. Auf dem S.-Abhang dieses Gebietes der Wildhornkette zeigen sich ebenfalls verschiedene Komplikationen. Die Tendenz zum Einsinken nach O. hat zur Folge, dass im schmalen Grat der Crêtabessa die gesamte normale Schichtreihe vom Jura bis zum Nummulitenkalk erscheint, der diese hohe Mauer (2727 m) auf ziemliche Länge krönt, wobei mehrere Brüche beobachtet werden können, die ebenso viele Einkerbungen, wie auch die Stufen zwischen Donin und dem Fuss des Wildhorns (Les Audannes) bedingen.
Längs der Mulde von Arbaz sieht man eine neue, Dogger und Malm umfassende Schichtreihe auftreten, die gleichsam über die Schichtenstufen der Wildhorndecke hinaufsteigt und sich in ganz anormaler Weise auf die Nummulitenbildung der letztern legt. So sieht man den zwischen dem Chamossaire und dem Pass von Maimbrez zu einer Synklinale gefalteten Malm die Nummulitenschichten diskordant überlagern. Der Sex Rouge trägt eine Mütze von Divésien-Mergeln (Oxfordien).
Die sonderbarste Lagerung aber beobachtet man am Sex des Eaux Froides oder Rawilhorn, das aus oberem Jurakalk und Mergeln des Argovien und Divésien besteht, die mit ihrer, die breite Urgonsynklinale von Les Audannes ausfüllenden, aus Flyschschiefern, Sandsteinen und Nummulitenkalk bestehenden Unterlage verfallet sind. Diese anormale Decke jurassischer Gesteine gehört zur Falte des Mont Bonvin, von der die folgende Berggruppe noch manchen Zeugen in sich birgt. Die Felsmassen dieser neuen Decke bedecken das ganze Gebiet zwischen der Mulde von Arbaz und dem Thal der Liène und bauen auch den ganzen Abhang zwischen Lens und Montana bis zum Gipfel der Zabona auf.
Der Rawilpass hat keine so klare tektonische Ursache wie der Sanetsch oder die Gemmi, von der später die Rede sein wird. Er besitzt überdies einen viel kompliziertem Bau. Im südlichen Teile folgt er der Liène-Schlucht, einem in isoklinale Schichten eingeschnittenen Erosionsthale. Aber höher oben, zwischen dem Vatzeret und der Felsstufe von Armillon, tritt ein Richtungswechsel ein, der durch einen grossen Transversalbruch bedingt ist, welcher westlich vom Schneidehorn und Niesenhorn durchstreicht und bis nach Kühdungel reicht.
Die Schwelle von Armillon, die auf den eigentlichen Rawilpass führt, ist durch zwei Transversalbrüche verursacht, zwischen denen die Urgon- und Nummulitenkalkstufe liegt, welche die Hütte und die Alpweide gleichen Namens trägt. Der Rawilpass folgt in einer mittleren Höhe von über 2300 m einer breiten, von mehreren Brüchen durchschnittenen Nummulitenkalksynklinale. Der Bruch von La Grande Croix lässt das Neokom quer durch die Einsenkung streichen und erzeugt einen kleinen See. Im vierten Abschnitt steigt der Passweg in Kehren über die hohe Steilwand hinunter, die das Thal von Iffigen überragt, durch das er nordwärts das Simmenthal erreicht.
Der vierte Abschnitt der Wildhorngruppe ist die vom Rawil bis zur Gemmi sich erstreckende Wildstrubelkette. Ihr N.-Abhang zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Bau der vorhergehenden Gruppe. Die Kreide- und Nummulitenschichten steigen mit Biegungen hinunter gegen die «Sattelzone» mit ihren jurassischen und triadischen Lappen und Schuppen, in welche der Stirnrand der gefalteten Decke eindringt (siehe die geolog. Profile im Artikel Wallis). Eine breite Synklinale der Nummulitenschichten, die Verlängerung derjenigen von Les Audannes, baut den oberen Teil und auch den Gipfel des Wildstrubel auf, der aus Urgon mit einem Ueberzug von Nummulitenkalk besteht, ebenso den langen Grat des Schneehorns, den die geologische Karte der Schweiz als aus Dogger und Lias bestehend darstellt. Wie die Synklinale von Les Audannes enthält auch diejenige der Plaine Morte Lappen von Kalken und Mergeln der Juraformation, die auf den Nummulitenschichten ruhen. Sie bilden zum Teil den Untergrund des weiten Firnfeldes der Plaine Morte. Diese Juralappen, denen auch die Spitze des Rohrbachsteins und das Laufbodenhorn, sowie eine Reihe damit in Verbindung stehender klippenartiger Felsspitzen angehören, sind eine Folge der Abschürfung der Mont Bonvin-Falte, deren Schichten wahrscheinlich durch die Bewegung und den Druck der übrigen Ueberfaltungsdecken (der präalpinen Decken), die während der Auffaltung des N.-Abhangs der Schweizeralpen über die Berner Hochalpen hinüberglitten, nach N. mitgerissen wurden.
Sie stehen sichtlich mit denselben Schichten (Malm, knolliger Argovienkalk, Divésienschiefer, Dogger etc.) in Verbindung, welche mit Flysch vergesellschaftet in Form von vielen Schuppen in die «Sattelzone» eingeschaltet sind. Die selben Lappen stehen mit den Juraschichten in Verbindung, die den Mont Bonvin (daher nennen wir sie Mont Bonvin-Decke) und den felsigen und bewaldeten Abhang über Montana bilden. Von der Linie Montana-Mont Bonvin an verändert sich der Bau dieser Seite der Kette.
Die Schichten erheben sich wieder, und man sieht unter der Juradecke zunächst die Kreide erscheinen, die zum Scheitel der Wildhorn-Wildstrubelfalte gehört; darunter zeigt sich das Tertiär in Form von Taveyannazsandsteinen, die in der Nähe von Nusey weithin aufgeschlossen sind. Dieses Tertiärband, das von Jura überlagert wird, der zum Kern der Wildhorn-Wildstrubelfalte gehört, erstreckt sich über die Varneralp und die Mulde von Trubeln gegen den Gemmipass; darunter aber erscheinen unter einer Hülle von Neokom eine ganze Reihe von isoklinalen Jurafalten, welche die gewaltigen Wände aufbauen, die in Form eines riesigen Halbzirkus das Becken von Leukerbad einrahmen.
Diese Schichten bauen hierauf die Gipfelregion des Altels und des Balmhorns auf, in der man nicht weniger als vier Jurafalten unterscheiden kann (siehe das geologische Profil durch die Gemmi im Artikel Wallis). Der Gemmipass, der als Grenze zwischen Wildhorngruppe und Finsteraarhorngruppe gewählt ist, folgt genau dem Verlauf der Tertiärzone, welche die Unterlage der Wildhornfalte bildet. Letztere setzt sich weiterhin im Steghorn und im Lohner fort, dessen Malm- und Doggerkern wurzellos ist, da ja die gefalteten Schichten des Balmhornmassivs einer tiefern Schichtreihe angehören als die Tertiärzone der Gemmi, nämlich der Serie, die mit ihrer triadischen Basis auf den kristallinen Gesteinen des Aarmassivs aufruht (Laschenpass). Man sieht also, dass der Gemmipass genau einer tektonischen Linie folgt, nämlich dem Ausstreichen der tertiären Synklinaldecke, das der Erosion als Angriffslinie diente. Daher rührt auch die beträchtliche Erniedrigung der Kette zwischen dem Wildstrubel und dem Balmhorn. Die Erosionsthäler der Dala und der Kander haben im S. und N. die Zugänge nach dieser zentralen Einsenkung geliefert. ¶
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Bibliographie. Ischer, Blick in den Bau der westlichen Berneralpen. (Jahrbuch des S. A. C. Bd. XIII). - Fellenberg, Kissling und Schardt, Lötschberg- und Wildstrubeltunnel. (Mitteilgn. d. naturf. Gesellsch. Bern, 1901). Lugeon, Hautes-Alpes entre le Sanetsch et la Kander. (Eclogae geol. helv., Bd. VI und VIII). 1900-1905.
[Dr H. Schardt.]
Flora.
Da die Wildhorngruppe auf der Wasserscheide zwischen den Stromgebieten der Rhone und des Rheines liegt, zeigen sich in der Alpenflora der beidseitigen Abhänge ziemlich grosse Unterschiede. Auf der Walliser Abdachung, wo felsige Hänge und Trümmerhalden vorherrschen, erreicht die Alpenwiese bei weitem nicht die Ausdehnung und die Ueppigkeit wie auf der Berner Seite, wo die Thäler von Iffigen, Kühdungel, Gelten, wie auch der obere Teil des Saanethales nördlich des Sanetschpasses ihr zahlreiche günstige Lagen darbieten.
Hier breiten sich, besonders zwischen 1850 und 2000 m, herrliche Alpweiden aus, auf denen die Alpenanemone und die narzissenblütige Anemone, der Wundklee, die Wohlverlei, der gelbe Enzian, die Trollblume, der Waldstorchschnabel einen überwiegenden Raum einnehmen und mit zahlreichen Arten der alpinen und subalpinen Region vergesellschaftet sind. Solche sind unter andern: Phaca frigida; Pedicularis Barrelieri, P. foliosa und P. verticillata, Hedysarum obscurum, Senecio Doronicum, Aconitum Napellus und A. Lycoctonum, Campanula thyrsoidea etc. Wenn auch die Klimaunterschiede der beiden Abhänge besonders in der untern und mittlern Zone zum Ausdruck kommen, so lassen sie sich doch auch in der alpinen Region beobachten.
Der N.-Abhang ist feuchter als der S.-Abhang, auf dem sich bereits das trockene Klima des mittleren Wallis bemerkbar macht. Darum besitzt die Vegetation der Walliser Seite einen xerophytischen Charakter, der sich auf dem jenseitigen Abhang nur in viel schwächerem Grade beobachten lässt. Während so die topographischen und klimatischen Verhältnisse gewisse Unterschiede in der Physiognomie der Flora der beiden Abdachungen bedingen, ist die grosse geologische Einförmigkeit der wesentlich aus Kalkgesteinen bestehenden Wildhorngruppe eine Ursache ihrer Artenarmut.
Viele solcher die in den westlichen und östlichen Teilen der Berneralpen, wo die kristallinen Gesteine zu Tage treten, häufig sind, fehlen fast ganz zwischen dem Sanetsch- und dem Rawilpass. Unter den Arten, welche die Wildhorngruppe dem Wallis verdankt, erwähnen wir besonders: Saxifraga cernua und S. caesia, Crepis pygmaea, Ranunculus parnassifolius, Carex atrifusca (ustulata), die bis auf den Sanetsch und den Rawil vorkommen, wie auch Juncus arcticus, eine auf die Umgebung des Monte Rosa beschränkte, westlich vom Matterhorn fehlende Art, die vor einigen Jahren am Sanetsch gefunden worden ist (Jaquet).
Dagegen sind die folgenden Arten speziell für die bernerische Kette charakteristisch: Crepis tergloviensis, Chrysanthemum coronopifolium, Hieracium bifidum. Als für diesen Abschnitt der Kette interessante Arten erwähnen wir noch: Hypochaeris uniflora, Aquilegia alpina, Gentiana purpurea, Senecio incanus;
Hieracium piliferum, H. Trachselianum, H. rupicolum, und H. bupleuroides, Campanula cenisia, Carex rupestris, Pedicularis recutita und Draba Traunsteineri.
Die letzten zwei Arten sind besonders selten in der Wildhorngruppe.
Bibliographie. Fischer, L. Verzeichnis der Gefässpflanzen des Berner Oberlandes, mit Ergänzungen. - H. Jaccard, Catalogue de la Flore valaisanne. - P. Jaccard, Note sur la Flore du Wildhorn, Bulletin soc. vaud. sc. nat. Band. XXXVI.
[Prof. Paul Jaccard.]