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Brunnithales ab. An ihre weniger hohen S.-Wände lehnt sich ein Kranz von kleinen Hängegletschern, die den obern Rand der breiten, gegen das Maderanerthal sich senkenden Terrasse von Alp Gnof umsäumen. Zwei beschwerliche und selten begangene Gletscherpässe, der Ruchkehlenpass (2679 m) und der Scheerhorn-Griggelipass (2798 m) führen über den östl. Teil dieser Mauer aus dem Brunnithal ins Maderanerthal hinüber. Oestl. vom Kleinen Ruchen nimmt die Kette ein anderes Aussehen an. Die Kalkmauer wird zu einem schmalen Grat, der sich relativ wenig über die an seine S.-Seite sich anlehnende Terrasse des Bocktschingelfirns und das breite Gletscherplateau des Hüfifirns und des Claridenfirns erhebt.
Nordwärts senkt sich die Kette teils mit gleichförmig geneigten Hängen, teils mit breiten, stufenförmig übereinanderliegenden Terrassen gegen den Hintergrund des Schächenthals, den Klausenpass und den Urnerboden. Hier kulminiert sie in dem doppelgipfligen Scheerhorn (3296 und 3234 m). Darauf folgen nordöstl. von der vergletscherten Kammlilücke (2848 m) der Kammlistock (3238 m), der Claridenstock (3270 m), dem die ganze Kette ihren Namen verdankt, die grotesken Felszacken der Teufelsstöcke und der seiner leichten Zugänglichkeit wegen vielbesuchte Gemsfayrenstock (2976 m). Hier treffen wir die ausgedehntesten Gletschermassen der ganzen Tödigruppe, den südl. von Scheerhorn, Kammlistock, Claridenstock und Gemsfayrenstock sich ausbreitenden Claridenfirn, der die prachtvolle Gletscherzunge des Hüfifirns in den Hintergrund des Maderanerthals hinuntersendet, über die Kammlilücke mit dem Griesgletscher auf der N.-Seite des Scheerhorns zusammenhängt und über die Planura mit den Gletschern der Tödikette in Verbindung steht. Am O.-Ende wird die Kette durch die tief eingeschnittenen Thälchen der Fisitenalp und der Altenorenalp in drei Aeste zerlegt, die rasch gegen das Linththal absinken.
Der nördl. derselben endigt im Kammerstock (2152 m), der mittlere trägt den Rotstock (2475 m) und der südl. stürzt im Gemsistock (2432 m) mit hohen Felswänden zur Untern Sandalp ab, setzt sich aber noch als Ufer des Claridenfirns über den Zutreibistock (2645 m), Geissbützistock (2720 m), Vorderen und Hinteren Spitzalplistock (2918 und 3003 m) der Hauptkette parallel nach W. fort. Durch das vom Schächenthal aus weit nach S. eingeschnittene malerische Brunnithal, die Seewelifurkel (2260 m) und das steil zum Reussthal absteigende Evithal wird von der Hauptkette der Clariden eine fast selbständige Gebirgsgruppe abgetrennt, die Gruppe des Hohen Faulen, die den Winkel zwischen Schächenthal und Reussthal bedeckt.
Ihre höchsten Gipfel: Belmeten (2417 m), Rinderstock (2476 m), Hoher Faulen (2518 m), Sittliser (2450 m) und Spitzen (2403 m) ordnen sich zu einer von SW. nach NO. streichenden felsigen Kette, die jedoch der Hauptkette an Höhe bedeutend nachsteht und auch der Gletscher völlig entbehrt. Ihre mässig steile, gegen den Ausgang des Schächenthals gerichtete NW.-Abdachung ist mit ausgedehnten Wäldern und Weiden bedeckt und von mehreren kleinen Thälchen durchschnitten.
c) Die Glärnisch-Kaiserstockkette ist im Gegensatz zu Tödi- und Claridenkette keine eigentliche Kette mit ausgesprochenem Hauptkamm, sondern ein Komplex von mehreren ziemlich selbständig nebeneinander laufenden Bergzügen. Die Gruppe hat einen annähernd trapezförmigen Grundriss, dessen parallele Seiten 35 km und 27 km messen und dessen Breite 12 km beträgt. Da sie fast ganz aus Jura- und Kreideschichten aufgebaut ist, besitzt sie das architektonische Gepräge eines typischen Kalkgebirges.
Wir beobachten hier viel weniger als in der Tödikette eine strahlenförmige Verästelung der Bergketten; vielmehr herrschen parallele Längskämme vor, deren Anordnung durch den Faltenbau des Gebirges bedingt ist. Der innere geologische Bau schimmert also hier weit mehr in der äussern Orographie des Gebirges durch als in den beiden vorher besprochenen Ketten. Mit dem Umstand, dass in dieser Gebirgsgruppe die Schichten und ihre Faltensysteme allmählig nach NW. einsinken, hängen noch zwei Eigentümlichkeiten ihres orographischen Baues zusammen: die Erscheinung, dass die Ketten fast ohne Ausnahme nach S. viel steiler abfallen als nach N., und die Tatsache, dass die Gipfelhöhe im allgemeinen sowohl in der Richtung von S. nach N., als auch von O. nach W. abnimmt. Während das Gebirge im S. und O. zum Teil noch recht hochalpinen Charakter hat, nimmt es im NW. bereits ein voralpines Gepräge an. Mehrere tiefe Thaleinschnitte zerlegen die Glärnisch-Kaiserstockkette in eine Anzahl sekundäre Berggruppen.
1. Die Glärnischkette im engern Sinn bildet den östlichsten und höchsten Teil der ganzen Kette. Sie wird durch das vom Klönthal aus nach S. eingeschnittene Rossmatterthal, das vom Linththal aus nach W. sich erstreckende Thal von Bösbächi und die Zeinenfurkel abgegliedert. Dieser mächtige Gebirgsklotz, eine der markantesten Berggestalten der ostschweizerischen Alpen, fällt fast ringsum mit hohen Steilwänden in die Thäler ab. Zwischen den beiden Aesten, in die sich der Glärnisch im W. gabelt, liegt der Glärnischfirn, die am weitesten gegen das Flachland vorgeschobene grössere Eismasse der Alpen. Die wichtigsten Gipfel dieser Kette sind der Vorder Glärnisch (2331 m), das Vrenelisgärtli (2907 m), der Ruchen Glärnisch (2910 m) und der Bächistock (2920 m). - 2. Die Silbern-Ortstockgruppe, im O. von Rossmatterthal, Zeinenfurkel und Bösbächithal, im W. vom Bisithal und dem Ruosalper Kulm (2172 m) begrenzt, stellt eine grosse, fast plateauartige Gebirgstafel dar, die im O., S. und W. mit steilen Wänden gegen die Thäler abstürzt, im N. jedoch sich flacher gegen den Pragelpass und das Muotathal abdacht.
Auf dem durchschnittlich 1600-2100 m hoch liegenden Plateau erheben sich mehrere auffällig parallel von SW. nach NO. streichende Längsketten: am S.-Rand über dem Urnerboden die Ortstockkette mit Ortstock (2720 m), den Jägernstöcken (2450-2609 m), Leckistock (2483 m) und Glatten (2507 m);
nördl. davon zwischen Glattalp und Karrenalp die Kirchbergkette mit der steilen Pyramide des Hohen Turm (2669 m);
am N.-Rand der öden Felswüste der Karrenalp die Faulenkette mit dem Bösen Faulen (2804 m), der schroffen Kalkmauer der Eggstöcke (2449 m), dem Grieset (2726 m) und dem Pfannenstock (2575 m);
nördl. vom Rätschthal der schmale, zackige Kratzerngrat ohne besonders hervortretende Gipfel (höchster Punkt 2347 m);
endlich die breite, nordwärts gegen den Pragelpass und westwärts gegen das Muotathal flach ¶
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abfallende Silbern (2317 m). Malmkalk und Schrattenkalk nehmen einen hervorragenden Anteil am Aufbau dieser Gebirgsgruppe; daher dehnen sich hier die grössten Karrenfelder der Schweizeralpen aus, und ebenso erklärt sich hieraus die Armut an oberflächlichen Wasserläufen und die geringe Durchthalung des Gebirges. - 3. Die Gruppe der Schächenthaler Windgälle erhebt sich westl. vom Bisithal und des Ruosalper Kulm und wird im W. vom Kinzigkulm (2076 m) und dem bei Muotathal ausmündenden Hürithal begrenzt.
Von dem steil gegen das Schächenthal abfallenden S.-Rand aus, auf dem sich die Schächenthaler Windgälle (2752 m), der Hoch Pfaffen (2481 m) und der Sirtenstock (2305 m) erheben, zieht sich die Kette als Querkamm über den Seestock (2430 m) und das Alplerhorn (2328 m) nordwärts, sendet noch einen Seitenzweig mit Alplerstock (2365 m) und Langgrat (2165 m) nach NO. und endigt mit dem breiten, allmählig gegen das Muotathal sich abdachenden Wasserberg (2341 m). - 4. Die Kaiserstockkette, zwischen dem Kinzigkulm und dem Schächenthal einerseits und dem Thal von Riemenstalden andrerseits gelegen, ist eine typische Längskette und als geologische Fortsetzung von Silbern und Wasserberg durch ein pultförmiges Querprofil ausgezeichnet.
Steile Felswände, an deren Fuss sich grosse Schutthalden anlehnen, senken sich von der Gratlinie südwärts gegen das Schächenthal und das Thal der Seenalp; die N.-Abdachung ist wesentlich flacher und von vielen meist wasserlosen, unregelmässigen Thalmulden durchfurcht, welche den Kamm in eine grosse Zahl von Gipfeln zerlegen. Deren wichtigste sind, von O. nach W. aufgezählt: Blümberg (2414 m), Kaiserstock oder Liedernen (2517 m), Faulen (2494 m), Rossstock (2463 m), Hundstock (2216 m), Dieppen (2226 m) und Rophaien (2082 m). Mit dem durch seine wundervollen Faltungen bekannten Steilhang des Axenberges fällt die Kette zum Urnersee ab. - 5. Die Fronalpstockgruppe ist im S. vom Riemenstalderthal und dem Katzenzagelpass (1490 m), im N. vom Muotathal und im W. vom Urnersee eingerahmt und stellt, ähnlich wie die Kaiserstockkette, eine Längskette mit sehr unsymmetrischen Abdachungen dar, mit dem Unterschied jedoch, dass hier die Gratbildung weniger ausgeprägt und die N.-Abdachung noch wesentlich flacher ist als dort. Kein einziger Gipfel erreicht mehr 2000 m Höhe, und die Alpweiden der im obern Teil fast plateauförmigen N.-Abdachung erstrecken sich meistens bis auf die Gratlinie hinauf. Die wichtigsten Erhebungen sind der Dreiangel (1781 m), der Hengst (1880 m), der Klingenstock (1929 m), der Hauserstock (1900 m) und endlich am W.-Ende der durch seine herrliche Aussicht auf den Vierwaldstättersee und die Alpen der Zentralschweiz ausgezeichnete Frohnalpstock (1922 m).
3. Geologie.
Die Tödigruppe zerfällt in geologischer Beziehung in zwei Hauptteile, die Region der kristallinen Gesteine im SW. und die Region der Sedimentgesteine im mittleren und nördl. Teil der Gruppe. Die Grenze der beiden Gebiete fällt nicht mit einer orographisch besonders hervortretenden Linie zusammen. Die Sedimente bildeten einst eine zusammenhängende Decke über die kristallinen Gesteine; sie wurden im S., wo letztere am höchsten aufragten, vollständig abgetragen und greifen nun auf der Grenze der beiden Zonen in unregelmässigen Lappen und inselförmig abgetrennten Fetzen über das kristalline Gebirge hinüber.
a) Die Zone der kristallinen Gesteine bildet den östl. Abschnitt des Aarmassivs, das weiter im W. den Hauptteil der Dammagruppe und der Finsteraarhorngruppe aufbaut. Am W.-Rand der Tödigruppe, im Reussthal, ist sie zwischen Erstfeld und Andermatt auf eine Breite von 20 km entblösst; ostwärts jedoch sinkt ihre Oberfläche immer tiefer unter die Sedimentdecke ein. Auf den beiden Abdachungen des Tödi bildet letztere bereits eine vollständige Brücke über das Zentralmassiv hinüber, und östl. davon treten die kristallinen Gesteine bloss noch in den tiefen Thaleinschnitten des Val Frisal und des Limmernbodens zu Tage. Von N. nach S. lassen sich darin fünf in der Streichrichtung des Gebirges verlaufende Gesteinszonen unterscheiden:
1. Die nördl. Gneiszone wird zwischen Erstfeld und Silenen auf eine Länge von 3 km vom Reussthal durchschnitten und taucht ostwärts schon am W.-Abhang der Windgällenkette unter die Sedimentgesteine. Sie besteht fast ausschliesslich aus feinkörnigem, an braunem Glimmer reichen Gneis. - 2. Die nördl. Zone der Serizit-Gneise und Serizit-Phyllite beginnt im Reussthal als breiter Streifen zwischen Amstäg und Gurtnellen, bildet die Abhänge des Maderanerthales und streicht ostwärts unter dem Tödi durch bis zur Untern Sandalp und zum Limmernboden.
Die Hauptnasse ihrer Gesteine wird durch serizitische, mehr oder weniger kristallinisch-schiefrig ausgebildete Gneise und Phyllite repräsentiert. In dieselben sind in der Längsrichtung des Gebirges verlaufende Streifen vieler anderer Gesteine eingelagert, darunter ächte Sedimentgesteine, z. B. schiefrig gequetschter Verrucano (Limmernboden, Sandalp, Brunnithal) und schwarze Anthrazitschiefer (N.-Abhang des Bristenstocks, Etzlithal, Tödi). Diese Sedimenteinlagerungen sprechen dafür, dass ein grosser Teil der Serizitgneise durch Dynamometamorphose aus alten Sedimentgesteinen entstanden sind. Unter den Einlagerungen sind ferner zu erwähnen Granite und granitische Gneise, Amphibolite (besonders am S.-Abhang des Maderanerthales);
Topfstein am Ausgang des Etzlithales, wo er als Ofenstein gebrochen wird;
Serpentine auf der S.-Seite des Maderanerthales;
Titanit-Syenit am Ausgang des Brunnithales und im Val Gliems;
Felsitporphyr am Gipfel der Kleinen Windgälle. - 3. Die Protoginzone umfasst die ältesten Gesteine des Zentralmassivs und ist tektonisch als eine Gewölbezone aufzufassen.
Sie besitzt zwischen Gurtnellen und Andermatt eine Breite von 8 km und nimmt einen hervorragenden Anteil am Aufbau der Gruppen des Rienzerstocks, des Piz Giuf und des Oberalpstocks. Nach O. wird sie jedoch mit dem Einsinken des Zentralmassivs immer schmäler und mehr auf die S.-Abdachung der Hauptkette gedrängt. Es lassen sich darin drei Haupttypen von Gesteinen unterscheiden, die jedoch durch vielfache Abänderungen ineinander übergehen: weisser, glimmerarmer Bankgranit, Granit-Gneis oder Protogin, der sich vom vorigen durch etwas reichern Glimmergehalt unterscheidet, und hellgrauer, meistens zweiglimmeriger Gneis. Unter den in die Protoginzone eingelagerten Gesteinen sind schöne Hornblendeprotogine hervorzuheben, nämlich der prachtvolle Puntaiglasgranit, der sich vom Val Frisal bis über das Val Rusein hinaus erstreckt, der Titanitsyenit des Piz Ner im Val Puntaiglas und der Kali-Syenit des Piz Giuf. Zahlreiche Gänge von weissem, feinkörnigem Granit durchziehen die ¶
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Protoginzone, greifen aber nicht in die benachbarten Serizitgneise hinüber. - 4. Die südl. Gneiszone zieht sich als ziemlich schmaler Streifen auf den gegen den Oberalppass und das Tavetsch gerichteten Abhängen dahin und enthält vorwiegend hellgraue, glimmerarme, feinkörnige Gneise, die nordwärts ohne scharfe Grenze in die Protogine übergehen. - 5. Der S.-Rand des Aarmassivs wird am Oberalppass und im Tavetsch durch eine Zone von serizitischen Phylliten, Gneisen und Tonschiefern gebildet, die an die Serizitschieferzone des Maderanerthales erinnert. Als besondere Einlagerungen sind spärliche Reste von Jurakalk bei Disentis, Talkschiefer (Oberalppass, Disentis) und besonders die Dioritmassen zwischen Schlans und Disentis hervorzuheben. In tektonischer Hinsicht stellt diese Zone eine Synklinale dar, die Fortsetzung der Urserenmulde, die das Aarmassiv vom Gotthardmassiv trennt.
Im kristallinen Gebiet der Tödigruppe fällt die Schichtung fast ohne Ausnahme steil nach S. ein, und zwar im S. merklich steiler als im N., so dass das Querprofil durch das Zentralmassiv einen etwas unsymmetrischen, leicht nach N. überliegenden Fächer darstellt. Die zonenförmige Gruppierung der Gesteine und die tief in die kristallinen Schiefer eindringenden Mulden der sedimentären Falten sprechen dafür, dass das Zentralmassiv aus einem System von eng aneinandergepressten Falten besteht, das grösstenteils gleichzeitig mit der Faltung der Sedimente entstanden ist.
b) Das sedimentäre Gebiet der Tödigruppe. In der Sedimentdecke sind alle Stufen vom Verrucano der Karbonzeit bis zum tertiären Flysch vertreten. Einen stratigraphischen Ueberblick darüber findet man im Abschnitt Geologie der Artikel Kanton Glarus und Sardonagruppe. In der Hausstockkette, Tödikette und Claridenkette bilden Trias, Jura, Kreide und Eozän über dem kristallinen Kern des Gebirges zahlreiche nach N. überliegende, eng übereinandergeschobene Falten.
Sehr deutlich lässt sich dieses autochthone Faltensystem z. B. im Hintergrund des Panixerthales und am O.-Ende der Claridenkette beobachten; besonders schön ist es längs des Kistenpassweges am Abhang von Nüschenstock und Rüchi gegen das Linththal aufgeschlossen, wo man den Malmkalk in vielen lang ausgezogenen Keilen nordwärts in den Flysch eindringen sieht. (Siehe auch das geologische Profil durch den Rüchi). Nordwärts sinkt das autochthone Faltensystem mit den mächtigen Eozänmassen zur Tiefe, die als breiter Gürtel vom Urnersee ostwärts durch das Schächenthal, über den Klausenpass, durch den hintern Teil von Linththal und Sernfthal und durch die Sardonagruppe bis nach Ragaz im Rheinthal ziehen.
Die nördl. von dieser Eozänzone liegenden Bergketten der Tödigruppe abermals aus Sedimenten (Verrucano bis Eozän) aufgebaut; ihre Schichten hängen jedoch nicht direkt mit der unter jenem Eozän liegenden Sedimentserie zusammen: sie schwimmen wurzellos auf dem Eozän und sind bei der Alpenfaltung vom S.-Rand des Aarmassivs her über das autochthone Gebirge hinübergeschoben worden. Die in den letzten Jahren durchgeführte neue Untersuchung dieses Gebietes hat gezeigt, dass sich diese Ueberschiebungsmasse wieder in mehrere übereinanderliegende Ueberfaltungsdecken gliedert. Am O.-Rand der Tödigruppe, an den Abhängen des Linththales, lassen sich deutlich drei übereinandergeschobene Decken unterscheiden.
Die beiden tiefsten, die Glarnerdecke und die Mürtschendecke, besitzen ihr Hauptverbreitungsgebiet östl. von der Tödigruppe in den Bergen zwischen Sernfthal und Walensee und umfassen dort beide die ganze Schichtreihe vom Verrucano bis zum Eozän. Innerhalb der Tödigruppe gehören zur Glarnerdecke die auf dem Flysch aufruhenden Verrucanomassen der Kärpfgruppe und eine vom Rötidolomit bis zum eozänen Flysch reichende, stark gequetschte Schichtfolge, die sich am Sockel des Glärnisch von Glarus bis nach Linthal verfolgen lässt. Diese letztere bildet vielleicht auch die ganz in den Flysch eingewickelte, von ihrer Wurzel abgequetschte Malm- und Kreidemasse, die in der Claridenkette z. B. die Balmwand am Klausenpass und den Gipfel des Kammerstocks bei Linthal bildet. Die Mürtschendecke umfasst Trias und Jura und baut am Vorder Glärnisch die über Mitlödi aufragende imposante Malmwand auf.
Während nördl. von der Tödigruppe, im Sockel des Wiggis und der Churfirsten, über dem Malm noch Kreide und Eozän vorhanden sind, scheint die Mürtschendecke südwärts und westwärts mehr und mehr verquetscht zu werden, so dass am Klausenpass nichts mehr davon zu sehen ist.
Die dritte grosse Ueberfaltungsdecke, die Axen- oder Deyendecke, nimmt den hervorragendsten Anteil am Aufbau der ausgedehnten Jura- und Kreideregion zwischen Klausenpass und Pragelpass, Linththal und Urnersee. Ihr gehören der mittlere und obere Teil der Glärnisch-Ortstockgruppe und das ganze Gebiet der Silbern, der Schächenthaler Windgälle und der Kaiserstockkette an. Lias, Dogger und Malm sind hier über dem Flysch des Schächenthales wieder zu sekundären Falten zusammengeschoben, deren Gewölbebiegungen alle nach N. gerichtet sind. Besonders hübsch sind die Falten der ¶
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Märenberg-Ortstockkette, die über dem Urnerboden und an den Abhängen des Bisithales zu Tage treten, sowie das imposante Doppelgewölbe des Bösen Faulen und Pfannenstocks, mit welchem die Juraschichten rasch in die Tiefe sinken, so dass nördl. davon die Berge ganz aus Kreide aufgebaut sind.
In der Silbern treten über der Kreide der Axendecke noch vier höhere, platt übereinander geschobene Decken auf, die jedoch alle ausschliesslich aus Kreide, zu der sich hie und da noch Nummulitenkalk gesellt, bestehen und nicht als selbständige, am S.-Rand des Aarmassivs wurzelnde Ueberfaltungsdecken, sondern nur als Zweigdecken aufzufassen sind, die sich vom Rücken der Axendecke abgelöst haben. Diese Zweigdecken sind auch westl. von der Silbern, im Wasserberg und in der Kaiserstockkette zu beobachten; in der Gipfelregion des Glärnisch sind sie mit Ausnahme der tiefsten bereits durch die Erosion abgetragen worden.
Die Stirn der Axendecke tritt uns nördl. vom Klönthal in der zur Sihlgruppe gehörenden Deyenkette entgegen und liegt weiter westwärts unter dem schmalen Eozänband verborgen, das von Sisikon her durch das Thal von Riemenstalden über Muotathal und den Pragelpass ostwärts in die Wiggiskette hineinstreicht. Auf diesem Eozän ruhen in der NW.-Ecke der Tödigruppe als wurzellose Masse die Kreidefalten der Frohnalpstockkette. Sie gehören einer vierten grossen Ueberfaltungsdecke, der Drusbergdecke an, die mit ihren tiefern Abzweigungen, Rädertendecke und Säntisdecke, den grössten Teil der Sihlgruppe und der Thurgruppe aufbaut. Südl. der Linie Sisikon-Pragel-Näfels muss sie einst auch das ganze Gebiet der Axendecke überdeckt haben, ist aber dort bis auf ein kleines auf der Silbern sitzendes Erosionsrelikt, das Roggenstöckli, verschwunden.
Von einer Ueberfaltungsdecke zur andern zeigen die Gesteine eines bestimmten geologischen Alters allmählige Faziesänderungen, so dass oft in zwei dicht nebeneinanderliegenden Ketten oder sogar am gleichen Berg die Gesteine der selben geologischen Stufe sehr verschieden ausgebildet sind. Wir nennen hier in Kürze die auffälligsten Faziesdifferenzen innerhalb der Tödigruppe. Der Verrucano ist in der Glarnerdecke vorwiegend konglomeratisch ausgebildet und durch die eruptiven Melaphyrlager des Kärpfgebietes ausgezeichnet; in den höhern Decken besteht er vorwiegend aus roten und grünen Tonschiefern.
Der Trias besteht im autochthonen Gebirge und in der Glarnerdecke aus kompaktem Rötidolomit und schwach entwickeltem Quartenschiefer; von der Mürtschendecke an ist der Rötidolomit vorwiegend als Rauhwacke (Zellendolomit) ausgebildet und nimmt der Quartenschiefer an Mächtigkeit zu. Der Lias fehlt im autochthonen Gebirge und in der Glarner- und Mürtschendecke noch fast ganz, tritt jedoch in der Axendecke und (ausserhalb der Tödigruppe) in den höhern Decken in grosser Mächtigkeit auf.
Der Dogger besitzt in den autochthonen Falten, wie in der Glarner- und Mürtschendecke erst eine Mächtigkeit von 10-50 m, schwillt dagegen in den höhern Decken zu 200-300 m Mächtigkeit an und zeigt eine reichere stratigraphische Gliederung. Der untere und der mittlere Malm sind vom autochthonen Gebirge an durch alle Decken hinauf mit auffallender Gleichförmigkeit ausgebildet; dagegen treten an Stelle der korallogenen Kalke, welche im autochthonen Gebirge und in den beiden untern Decken vorwiegend den obern Malm (Tithon) repräsentieren, in der Axendecke tiefmeerische dunkelgraue Mergel, die eine Mächtigkeit von 300-500 m erreichen (Gipfel des Vorder Glärnisch, Glattalp, Galtenebnet westl. Bisithal).
Zahlreiche Faziesänderungen lassen sich innerhalb der Kreide beobachten. In den tiefsten, also nördlichsten Falten des autochthonen Gebirges fehlt sie noch ganz oder fast ganz, stellt sich dann in den höhern Falten (Bifertenstock, Kistenpass) in bereits ziemlich vollkommener Gliederung, aber noch sehr geringer Mächtigkeit ein und gewinnt eine immer grössere Mächtigkeit und reichere Gliederung, je mehr wir in die höhern Decken emporsteigen. Ihre untersten Stufen (Berrias und Valangien) sind im autochthonen Gebirge nur undeutlich zu erkennen, dagegen schon in der Glarnerdecke deutlich vorhanden.
Während sie aber hier noch völlig kalkig ausgebildet sind, nehmen in den obern Decken die Mergelbildungen an der Basis der beiden Stufen zu, bis sie in der Drusbergdecke auf der Linie Sisikon-Pragel-Richisau zu 200-300 m Mächtigkeit anschwellen. Das Neokom, das noch in der Glarnerdecke am Glärnisch nicht 50 m Mächtigkeit erreicht, wächst in der Drusbergdecke (S.-Abhang der Fronalpstockkette) zu 600 m Mächtigkeit an und imponiert durch die enorme Entwicklung des Kieselkalks.
Der Schrattenkalk (Urgon und unteres Aptien) gewinnt in der Axendecke, besonders aber in der Säntis- und Rädertendecke (ausserhalb unserer Gebirgsgruppe) seine grösste Entwicklung, schrumpft dagegen im südl. Teil der Drusbergdecke (S.-Abhang der Fronalpstockkette) wieder auf ein schmales Felsbändchen zusammen. Der Gault ist im autochthonen Gebirge und den tiefern Decken nur einige Meter dick, repräsentiert nur das Albien und sitzt transgredierend auf dem Schrattenkalk; in den Zweigdecken der Axendecke stellt sich darunter noch der Aptien-Gault (Echinodermenbreccie) ein, dessen Mächtigkeit rasch zunimmt und in der Drusbergdecke (Fronalpstock) 120 m erreicht. Auch der Seewerkalk ist in den höhern Decken viel mächtiger als in den tiefern und geht nach oben allmählig in eine Mergelbildung über (Wangschichten in der Fronalpstockkette), die in den tiefern Decken gänzlich fehlt. Die Nummulitenbildung ist in den autochthonen Falten als quarzreicher Sandkalk und als schiefriger Mergel, in den Ueberfaltungsdecken vorwiegend als glaukonitreicher Kalksandstein entwickelt.
Während man im autochthonen Gebirge sozusagen gar keine Brüche beobachtet, mehren sie sich in den Ueberfaltungsdecken. Sie treten schon in ziemlicher Zahl in der breiten Juratafel zwischen der Märenberg-Ortstockkette und dem Glärnisch, in zahlloser Menge aber in der Kreideregion des Glärnisch und der Silbern auf, ohne jedoch einen starken gestaltenden Einfluss auf die Tektonik oder Orographie des Gebirges zu gewinnen. Sie sind oft zu ganzen Systemen paralleler Brüche gruppiert und durchschneiden die Falten quer, greifen bisweilen sogar von einer Ueberfaltungsdecke in eine andere über, ein Beweis dafür, dass sie grösstenteils entstanden sind, als die Faltung in der Hauptsache schon vollendet war.
4. Touristik.
Wenn auch wichtige Verkehrsstrassen (Gotthardbahn, Oberalpstrasse, Linie Glarus-Linthal) die Tödigruppe berühren, zählt sie doch nicht zu den Hauptgebieten des schweizerischen Fremdenverkehrs. Doch übt sie ihrer reichen Naturschönheiten wegen eine grosse und immer noch steigende Anziehungskraft auf die Touristenwelt aus. Einen lebhaften Impuls hat ihr Besuch durch den Bau der Klausenstrasse erhalten, welche die Gebirgsgruppe in ihrer Mitte der ganzen Länge nach durchschneidet.
Eine Reihe von Klubhütten erleichtern den Besuch der hochalpinen Teile des Gebirges (Grünhornhütte, Fridolinshütte, Puntaiglashütte oder Reinharthütte in der Tödikette, Claridenhütte und Hüfihütte in der Claridenkette, Glärnischhütte und Hütte auf Erixmatt in der Glärnischkette). Des lebhaftesten Touristenverkehrs erfreuen sich die Umgebung des Tödi, das Maderanerthal und die Klausenstrasse. Berühmte und vielbesuchte Aussichtspunkte sind ausser den Hochgipfeln der Hauptkette der Gemsfayrenstock, der Ruche Glärnisch und der Fronalpstock bei Brunnen. Braunwald bei Linthal steht im Begriff, zu einem wichtigen Fremdenpunkte sich zu entwickeln, seitdem es durch eine Drahtseilbahn mit der Thalsohle verbunden ist.
5. Bibliographie.
Heim, Alb. Mechanismus der Gebirgsbildung im Anschluss an die Monographie der Tödi-Windgällengruppe. Basel 1878. - Heim, Alb. Geologie der Lochalpen zwischen Reuss und Rhein. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz, 25). Bern 1891. - Heim, Alb. Itinerarium für das Exkursionsgebiet des S. A. C. Tödi-Sardona-Kärpfgebiet. 1876-77. - Baltzer, A. Der Glärnisch. Zürich 1873. - Wehrli, Leo. Das Dioritgebiet von Schlans bis Disentis. (Beitr. z. geolog Karte der Schweiz. N. F. 6). Bern 1896. - Weber, F. Ueber den Kali-Syenit des Piz Giuf. (Beitr. z. geolog. Karte der Schweiz. N. F. 14). Bern 1904. - Arbenz, P. Geolog. Untersuchung des Frohnalpstockgebietes. (Beitr. z. geolog. Karte der Schweiz. N. F. 18). Bern 1905. - Näf-Blumer. Klubführer durch die Glarneralpen. Glarus. 1902. - Führer durch die Urneralpen; herausgeg. vom Akadem. Alpenklub Zürich. 2 Bde. Zürich 1905.
[J. Oberholzer.] ¶
Tœnisbergli
(Kt. Bern, Amtsbez. u. Gem. Frutigen). 1488 m. Alpweide am N.-Hang des Elsighorns, das von hier aus durch ein Felscouloir ohne Schwierigkeit bestiegen werden kann.