1841 beschloss der Grosse Rat die Revision der Verfassung. Da stellte die konservative Gegenpartei verschiedene Begehren,
die durch die neue Verfassung bewilligt werden sollten. Als die freisinnigen Behörden diese Forderungen abwiesen, veranstaltete
sie im ganzen Kanton Gemeinde- und Bezirksversammlungen, welche ungestüm die Erfüllung ihrer Wünsche verlangten. Die Versammlungen
von Mümliswil und Mariastein erliessen sogar Proklamationen an das Volk, worin dieses zur Verwerfung der
neuen Verfassung aufgefordert wurde. Da infolge dessen die Regierung Unruhen befürchtete, verlegte sie unter Munzingers
Leitung ihre Sitzungen in die Kaserne (alter Ambassadorenhof, jetzige Kantonsschule), wo sie mehrere Tage unausgesetzt beisammen
blieb, und berief aus den treuen Bezirken Truppen in die Stadt.
Gleichzeitig liessen die Amtsgerichtspräsidenten von Solothurn,
Balsthal, Olten und Dorneck die Hauptführer der konservativen Partei,
besonders die Unterzeichner der Mümliswiler- und Mariasteiner-Proklamation, verhaften. Am 10. Januar gelangte sodann die mittlerweile
vom Grossen Rat festgestellte Verfassung zur Volksabstimmung, in welcher sie mit einem Mehr von 2012 Stimmen
angenommen ward. Nachher wurden die Inhaftierten, etwa 60 an der Zahl, aus dem Gefängnis entlassen, aber unter der Anklage,
das Volk gegen die Behörden aufgereizt zu haben, solidarisch zu einer Geldbusse verurteilt.
Die neue Verfassung brachte für den ganzen Kanton, den sie in die jetzt noch geltenden Oberämter einteilte,
die Wahl der Kantonsräte nach der Kopfzahl der Bevölkerung, vermehrte die direkten Wahlen, erleichterte die Wahlfähigkeit
für den Kantonsrat und führte die Bezeichnungen Kantonsrat statt GrosserRat, Regierungsrat statt Kleiner Rat, Landammann
statt Präsident des Kleinen Rats ein.
Nachdem der Kanton Solothurn
1847 bei der Niederwerfung des Sonderbundes und 1848 bei der Einführung einer neuen Bundesverfassung
mitgewirkt hatte, änderte er 1851 sein Grundgesetz wieder ab. Die revidierte Verfassung brachte das direkte Wahlsystem und
die 5jährige Amtsdauer für alle Staatsbehörden, die Trennung der vollziehenden und richterlichen Gewalt, die Ausdehnung
des Stimmrechts auf die Niedergelassenen und Aufenthalter, die Verantwortlichkeit der Beamten für ihre
Amtsführung, die Gewährleistung aller christlichen Konfessionen und die freie Ausübung ihres Gottesdienstes.
Allmählig erwuchs der Regierung im fortschrittlicher gesinnten Teil der liberalen Partei eine gefährliche Gegnerschaft
in der sog. «jungen Schule». Von Dr. Simon Kaiser und besonders vom energischen
und feurig beredten Advokaten Wilhelm Vigier geleitet, bekämpfte diese Partei verschiedene Uebelstände
im Staatshaushalte und legte ihre eigenen Verbesserungsvorschläge in dem weit durch alle Volksschichten verbreiteten «roten
Büchlein» nieder. Unter heftigen Parteikämpfen setzte sie 1856 eine Totalrevision der Verfassung durch.
Infolge dessen unterlag bei den Wahlen die bisherige Regierungs- oder «graue» Partei, und es gelangte
die Revisions- oder «rote» Partei ans Staatsruder.
«Landammann» Vigier galt von da an bis zu seinem Tode (1886)
als das geistige Haupt der Regierung. Nebst andern Verbesserungen brachte das neue Grundgesetz die Trennung der drei Staatsgewalten,
erteilte dem Volk die Wahl der Amtsrichter und Gemeindebeamten, sowie das Vorschlagsrecht für die Wahl der Bezirksbeamten
und Pfarrer, garantierte das Vereinsrecht und führte das Veto und die gemeindeweisen Abstimmungen ein.
Mitten unter neuen heftigen Kämpfen der «roten» und «grauen»
Partei fand 1867 und 1869 je eine Partialrevision der Verfassung statt. Die erstere führte die direkte Wahl der Bezirksbeamten
(Oberamtmann, Amtsschreiber und Amtsgerichtspräsident) ein, zog Erwerb und Einkommen in den Bereich
der Besteuerung und machte dem Staat zur Pflicht, das Kreditwesen zu heben. Der letztern verdankte man das obligatorische
Referendum, die Gesetzes-Initiative, die Wahl der Ständeräte durch das Volk, sowie das Recht des Volkes, den Kantonsrat
und den Regierungsrat abzuberufen.
Infolge, von Streitigkeiten, die anfangs der siebziger Jahre zwischen den staatlichen und kirchlichen
Behörden entstanden waren und
zur Aufhebung des KlostersMariastein und der Stifte St. Ursus in Solothurn
und St. Leodegar in Schönenwerd
geführt hatten, ward 1875 neuerdings eine Abänderung des Grundgesetzes vorgenommen. Dabei wurde die Stellung des Staates
gegenüber den Ansprüchen der Kirche genauer bestimmt, den Geistlichen das Stimmrecht und den Gemeinden
die Wahl der Pfarrer unter Vorbehalt staatlicher Bestätigung erteilt und endlich der Staat verpflichtet, alle Zweige der
Volkswirtschaft zu fördern.
Eine Verfassungsrevision im Jahr 1887 bestimmte für alle Staats- und Gemeindebeamten eine 4jährige Amtsperiode, verlieh
dem Volk die Wahl der Bezirksförster, Bezirksweibel und Zivilstandsbeamten, führte die gewerblichen
Schiedsgerichte, das Institut des Erziehungsrates, die berufliche Fortbildungsschule und die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel
in der Primarschule ein und setzte für die Primarlehrer ein Besoldungsminimum von 1000 Fr. fest.
Die letzte Revision des Grundgesetzes endlich, die 1895 stattfand, brachte für die Wahl des Kantonsrates und solcher Gemeinderäte,
die wenigstens 7 Mitglieder zählen, das proportionale Wahlverfahren, ferner die Verfassungsinitiative
und die direkte Staatsteuer. In der Form, in der 1895 die Verfassung festgesetzt wurde, besteht sie noch heute. Dadurch,
dass seit 1830 alle wichtigen Rechte, über die der Kanton verfügen kann, auf das Volk übertragen wurden, erweist sich
der StandSolothurn
als ein in fortschrittlichen Bahnen wandelnder eidgenössischer Ort. Die einst am Balsthaler Volkstag
geforderte Volkssouveränität ist Wahrheit geworden.
In eidgenössische Behörden hat der Kanton Solothurn
treffliche Männer geschickt, so Josef Munzinger, der im ersten Bundesrat sass (1848
bis zu seinem Tode 1855) und ihn 1851 präsidierte; Oberst Berhard Hammer, der die Schweiz beim norddeutschen
Bund und nach der Gründung des Reiches beim deutschen Reiche als Gesandter vertrat, 1875-1890 Bundesrat, 1879 und 1889 Bundespräsident
war und 1907 in Solothurn
gestorben ist. Ins Bundesgericht schickte Solothurn
Bläsi und Dr. Affolter. Den Nationalrat präsidierten die SolothurnerTrog 1851/52, Dr. Kaiser 186869 und 1883/84, Brosi 1892/93; den Ständerat Vigier 1862/63 und 1882/83,
Oskar Munzinger 1893/94 und Cas. von Arx (1902/93).
französ. Soleure, italien. Soletta (Kt. und Bez. Solothurn). 442 m. Gem. und Stadt, Hauptort des Kantons Solothurn.
Lage.
Solothurn
liegt zu beiden Ufern der Aare und am S.-Fuss der ersten Jurakette, von deren höchsten Erhebungen - Hasenmatte
(1447 m), Weissenstein (1294 m) und Rötifluh (1399 m) - die Stadt beherrscht wird. Der Nullpunkt des Aarepegels hat 426,69
und der Sockel der meteorologischen Säule auf dem Amthausplatz 442,10 m üb. M. 47° 12' 30" N. Br.
und 7° 32' 10" OL. von Greenw. Ein bis zum linken Aareufer heranreichender und seitlich von zwei vom Jura herabkommenden
Bächen begrenzter Hügel bot die erste Veranlassung zur Anlage einer Siedelung, deren Entwicklung durch die Schiffbarkeit
der Aare und die diesem Fluss folgenden Wege von Anfang an gegeben war.
Die erhöhte Lage gestattete leichte Abwehr feindlicher Angriffe und bot Schutz vor den Hochwassern, die
die ganze Ebene von Grenchen abwärts oft überfluteten. Wie die heutigen Eisenbahnlinien Zürich-Olten-Solothurn-Genf und Lausanne-Lyss-Solothurn
folgte auch die alte Römerstrasse aus der W.-Schweiz nach Vindonissa (urindisch) dem Aarelauf und Jurafuss. Die Erstellung
eines festen Platzes mit Mauern, Bollwerken und Türmen erleichterte die Nähe von Brüchen auf ausgezeichneten
Kalkstein. 2,5 km unterhalb Solothurn
mündet von rechts her die Emme, deren Thal ohne Zweifel mehr als eine der vom zentralen und östl.
Mittelland gegen die Aare hinziehenden und von da über einen der Jurapässe (Hinter und Vorder Weissenstein, Balmberg,
Schmiedenmatte, Klus, ObererHauenstein) sich fortsetzenden Strassen folgte. Die Notwendigkeit einer bequemen Verbindung mit dem
Berner Jura und den Strassen nach Delle und Basel
rief der in letzter Zeit vollendeten Durchtunnelung des Weissenstein (Solothurn-Münsterbahn).
Solothurn
ist heute Knotenpunkt von sechs
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Eisenbahnlinien, von denen zwei nach O., zwei nach W., eine nach S. (längs der Emme) und eine nach N. (durch den Weissenstein)
ausstrahlen, um nach Herzogenbuchsee und Olten, Biel und Lyss, Burgdorf und Münster zu führen. Eine elektrische Strassenbahn
Solothurn-Wiedlisbach-Oensingen links der Aare wird in nächster Zeit in Angriff genommen werden. Von fast
allen Seiten her reichen prächtige Tannen- und Buchenwälder an das Weichbild der Stadt Solothurn heran, die von grossen Alleen
eingefasst und von auf den erhalten gebliebenen Bastionen stehenden Baumgruppen weit überragt wird.
Nordwärts reicht eine dem Jura vorgelagerte Höhe, die sog. Steingrube, an die Stadt heran, die im S.,
rechts der Aare, durch die wellige Hügelkette des Schöngrün malerisch abgeschlossen wird. Gegen W. dehnt sich die mit Gehöften
besäte und von schönen Obstgärten beschattete Ebene aus, die sich zwischen der Aare und der LandstrasseSolothurn-Biel bis
nach Grenchen erstreckt. Oestl. nähert sich die Aare mehr und mehr der mit hübschen Villen bestandenen
Hügelkette der sog. Steingruben.
Ans linke Ufer des fast nordwärts gewendeten Flusses fällt hier ein steiles Bord jäh ab, während am rechten Ufer das Zuchwilerfeld
flach und nach O. immer breiter gegen die Emme und ihre Mündung in die Aare hin sich erstreckt. Von den
nördl. der Stadt gelegenen, z. T. bewaldeten Hügeln streben mehrere Wasseradern der Aare zu, wie z. B. der Obach, der jetzt
unterirdisch durch die Stadt ziehende Mühlebach und der aus der Einsiedelei kommende, auf ansehnliche Strecken die O.-Grenze
des Stadtbezirks bildende St. Katharinenbach. Am rechten Ufer der Aare tritt aus dem tiefen Einschnitt
der Emmenthalbahn (Solothurn-Burgdorf) ein Bach aus, der unweit der Dreibeinskreuz-Kirche mündet. Oestl. der nun abgebrochenen
Turnschanze vereinigt sich mit der Aare ein in trockener Jahreszeit oft versiegendes Bächlein, das im Zuchwiler«Birchi» (einem
prächtigen Buchenwald) und am Schöngrün (Engiweiher) sich bildet und quer unter der Bahnhofanlage NeuSolothurn
durchfliesst.
Dank einer vornehmlich durch die Einführung der Uhrenindustrie in den letzten Jahren wachsenden baulichen Entwicklung ist
fast der ganze Stadtbezirk Solothurn
mehr oder weniger dicht mit Häusern besetzt. Besonders nach W. hin ist die Ausdehnung der Stadt
eine sehr auffällige, und man verspricht sich von der Weissenstein (Solothurn-Münster)-Bahn ein
weiteres
Aufblühen dieser neuen Quartiere. Auch nördl. der Stadt, in der Steingrube, die eine wunderbare Alpenansicht gewährt, und
dann wieder am rechten Aareufer in der Nähe des Bahnhofs NeuSolothurn
wird mehr und mehr gebaut. Am wenigsten Wandel weist das östl.
vom Baseltor rechts und links der Baselstrasse gelegene St. Josephs-Quartier auf.
Die Stadt ist offiziell in fünf Quartiere, das schwarze, blaue, gelbe, grüne und rote eingeteilt. Laut dem Geschäftsbericht
der Gebäude-Brandversicherungs-Anstalt des Kantons Solothurn
pro 1903 zählte die Stadt Solothurn auf 1357 Gebäude, die mit 32333490
Fr. eingeschätzt waren. Darunter befinden sich nicht weniger als 12 Kirchen, nämlich 9 römisch-katholische,
eine altkatholische, eine reformierte und eine Methodistenkapelle. Auf waren im ganzen 1447 Gebäude im Schatzungswert
von 37733600 Fr. vorhanden.
Den ältesten Kern der Stadt Solothurn bildet das von den Römern errichtete Kastell, dessen Mauerreste an den Häusern, welche
die in der NO.-Ecke des Friedhofplatzes einmündende Gasse flankieren, und an der Löwengasse noch sichtbar
sind. Es scheint, dass die in den Mauerresten an der Löwengasse zu Tage tretende S.-Flanke des Kastells zur Römerzeit von
der Aare bespült war, während der Fluss heute 30 bis 40 m weiter südwärts in tiefem Bett vorbeifliesst.
Oeffentliche Bauten und Denkmäler.
An geschichtlich interessanten, originellen oder architektonisch hervorragenden Bauwerken ist Solothurn
sehr reich. Der fröhliche
Solothurner Chronist Franz Hafner behauptet, der auf dem Marktplatz aufragende Zeitglockenturm datiere aus der Zeit des Patriarchen
Abraham. Immerhin gehört er mit den in der Löwengasse und auf dem Friedhofplatz noch sichtbaren Resten
des römischen Castrums zu den ältesten Baudenkmälern der Stadt. Auf seiner dem offenen Platz zugewendeten Seite steht des
Glareanus Distichon:
In Celtis nihil est Salodoro antiquius unis
Exceptis Treveris, quarum ego dicta soror.
Während die einen den Turm als frühburgundisches Bauwerk ansprechen und ihn als eine Art Wachtturm betrachten,
behaupten andere, er sei erst um 1250 errichtet worden. 1452 ist im Turm eine Schlaguhr angebracht worden, mit deren Werk
damals schon der Mann oben bei der Glocke verbunden war, der heute noch die
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Stunde schlägt. Ums Jahr 1520 liess der Rat von Solothurn
durch den Winterthurer Lorenz Liechte die grosse Schlag-Halbuhr und das astronomische
Werk bauen, welches die 12 Tag- und 12 Nachtstunden zeigt und den scheinbaren Gang der Sonne und des Mondes durch den Tierkreis
veranschaulicht. 1545 berief Solothurn
den kunstfertigen Schaffhauser Uhrenmacher Joachim Habrecht, den Vater des
nach der Sage nach Vollendung der Strassburger Münsteruhr geblendeten Isaak Habrecht, der das jetzt noch viel bewunderte
automatische Werk am Turme verfertigte: In einem eigenen Gehäuse befindet sich zwischen Tod und Kriegsmann der auf seinem
Trone sitzende König, der bei jedem Schlag den Mund öffnet und mit seinem Szepter die Schläge zählt;
der Kriegsmann bewegt bei jedem Stundenviertel den Arm nach der Brust;
beim vierten Streich wendet der Tod die Sanduhr um
und wackelt im Takte mit dem Kopf.
Unterhalb dieser Figuren sind das Wappen der damaligen freien Reichsstadt Solothurn
und die Daten
der Erstellung 1545 und der Renovation 1883 angebracht. Die Stadt liess sich's dann nicht verdriessen, zum Unterhalt der
Turmuhr 1566 mit grossen Kosten den berühmten Uhrmacher Urban Kärler aus Memmingen kommen zu lassen, dessen Nachkommen
als Meister ihres Fachs bis ins 18. Jahrhundert in Solothurn
lebten. 1583 wurde von zwei in hohem Ansehen stehenden
solothurnischen Malern das grosse astronomische Zifferblatt gemalt, das heute noch die N.-Fassade des Zeitglockenturms ziert
und 1880 von Heinrich Jenny, sowie 1904 von A. Rüefli renoviert ward. Am Fuss des Turmes befand sich bis ins 19. Jahrhundert
hinein der Lasterstein mit dem Halseisen.
Das Rathaus wird in seinen ältesten Bauteilen in graue Vorzeit zurückreichen. 1476 erhielt der Stadtbaumeister
Späti vom Rat den Auftrag, das Haus des Armbrusters in ein Rathaus umzubauen. Dass dies gerade in den bösen Tagen der Burgunderkriege
geschah, mag als Beweis für das Vertrauen auf den eidgenössischen Sieg gelten. Der Mittelturm der O.-Fassade
hat damals schon gestanden. Zu Ende des 16. Jahrhunderts erhielt das Rathaus eine bedeutende Erweiterung durch den Anbau
des Kanzlei- und Archivgebäudes.
Dies machte aber auch eine neue Treppenanlage nötig, welche in glücklichster und origineller Weise als Turm mit vielbewunderter
Wendeltreppe in die Mitte der N.-Seite zu stehen kam und 1632 von Gibelin, einem Enkel des Baseltor-Erbauers,
erstellt wurde. Aus 1622-1712 datiert der Ausbau des heute schönsten Teils, der O.-Front, des Rathauses, das neuestens (1904-1905)
mit einer Bausumme von beiläufig 400000 Fr. erweitert und in einigen Partien hübsch renoviert worden ist: Sehenswert ist
der im ersten Stockwerk gelegene «steinerne Saal» seiner Glasgemälde, kriegerischen
Trophäen und des
künstlerischen Schmuckes wegen. Auch der in glücklichster Weise renovierte Kantonsratssaal ist besuchenswert.
Schon von weither sichtbar ragt auf einer Anhöhe im O. der Stadt das Münster St. Ursus und Viktor auf, das seit 1828 Kathedralkirche
des neuerrichteten Bistums Basel
ist und an dessen Stelle in römischer Zeit ein Apollotempel gestanden haben
soll. Ueber dem Grabe der thebäischen Soldaten und Blutzeugen Ursus und Viktor wurde in burgundisch-fränkischer Zeit eine
christliche Kirche, das alte St. Ursusmünster, errichtet, dessen Bau aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts stammt und dessen
an der W.-Seite stehender Turm im 18. Jahrhundert eingestürzt ist.
Die aus Ascona im Tessin
stammenden Baumeister Gaetano Matteo Pisoni (1713-1782) und sein Neffe Paolo Antonio Pisoni (1738-1804)
erbauten 1762-1773 die heutige Kathedrale, welche als schönstes Monument der italienischen Hochrenaissance in der Schweiz
gelten kann. Zwischen zwei mehrschaligen Kunstbrunnen, welche die Standbilder des Moses und Samson tragen,
führen dreimal elf Stufen zur Höhe der drei mit Reliefs geschmückten Portale hinauf. Die mit Heiligenstatuen und Steinkandelabern
geschmückte Fassade ragt hoch über die umstehenden Häuser auf.
Das Innere hat die Form eines lateinischen Kreuzes. Zehn gewaltige Pfeiler tragen das Gewölbe des Hauptschiffs und der Querschiffe.
Die niedrigere Seitenschiffe enthalten je drei Altäre. Ueber der Mitte des lateinischen Kreuzes wölbt
sich eine imponierende Kuppel mit zwei Halbkuppeln. Die Kathedrale zählt elf marmorne Altäre, deren künstlerischen Schmuck
Domenico Corvi, Josef Escher, F. J. Wirz, Guiribal und J. H. Treu geliefert haben. Die Fresken der Decke stammen von Domenico
Pozzi und von Gottfried Bernhard Goetz aus Augsburg. Die mit Reliefs geschmückte Kanzel ist das Werk
von Doret aus Vevey, der marmorne Hochaltar mit dem Sarkophag der Thebäer und die reichen Stukkaturarbeiten dasjenige der
Tessiner Francesco und Carlo Luca Pozzi. An der NO.-Ecke der Kirche ragt der etwa 60 m hohe St. Ursusturm
über das Baseltor auf. Er enthält ein überaus harmonisches Geläute von 11 Glocken. Ein augezeichnetes Werk ist auch die
neue Orgel des St. Ursusmünsters.
Kaum einige hundert Schritte von der Kathedrale entfernt steht die in die Häuserreihe der Hauptgasse sich einschmiegende
Jesuiten- oder Professorenkirche. Sie ist als Annex zum Jesuitenkollegium 1689 vollendet worden und im
Roccocostil des Ordens gehalten. Die mächtige Fassade hat als Schmuck riesengrosse Steinbilder von Ordensheiligen, während
das Deckengewölbe, die Säulen und Lettner mit Stukkornamenten überladen sind. Den Hauptaltar ziert ein ausserordentlich
grosses Gemälde des
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Konstanzers Meuder, welches Maria in ihrer Glorie, umgeben von Chören der Heiligen, darstellt. Als Maler der z. T. trefflichen
Seitenaltarbilder seien erwähnt der kurbairische Hofmaler Johann Kaspar Sieg und Johann Andreas Wolf aus München. Die Totengruft
barg einst die einbalsamierte Leiche des am in seinem Hause an der Gurzelngasse zu Solothurn
verstorbenen
Polenhelden Thaddäus Kosziusko, bis sie dann in die Königsgruft von Krakau überführt wurde.
Zu dem am N.-Rand der mittelalterlichen Schanzen Solothurns gelegenen aufgehobenen Franziskanerkloster (heute Konvikt der
solothurnischen Lehrerbildungsanstalt) gehörte die Franziskanerkirche, welche den Altkatholiken eingeräumt worden ist.
Auf den Glazismatten der geschleiften Schanzen haben die Reformierten in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts
ihre Kirche in neugotischem Stil gebaut. Unter den Kirchen des Visitanden-, des Nominis Jesu-, St. Josephs- und Kapuziner-Klosters
verdient die Kapuzinerkirche Erwähnung wegen des prächtigen Hauptaltargemäldes von Gerard Seghers, eines Freundes und Mitstrebenden
Rubens' und van Dyk's.
Von den übrigen Kirchen und Kapellen sind Loretto und Dreibeinskreuz von SolothurnerBürgern gestiftete
Gotteshäuser; letzteres steht rechts der Aare an der Stelle, wo der Gegenpapst Felix V. auf seiner Reise von Lausanne ans Basler
Konzil vom SolothurnerRat und von der Bürgerschaft feierlich empfangen wurde. Der heutige Bürgerspital in der Vorstadt und
das einstige Sondersiechen-, jetzt Pfrundhaus St. Katharinen östl. der Stadt haben ihre eigenen Kirchen.
In den neuen Quartieren nach W. hin erhebt sich seit einigen Jahren auch ein Gotteshaus der Methodisten. Wenn auch nicht in den
Gemeindebann von Solothurn
gehörig, verdient doch die St. Niklauskirche, die Pfarrkirche der benachbarten DörferRüttenen, Riedholz, und Feldbrunnen, deshalb Erwähnung, weil ihr Friedhof eine Reihe von Grabstätten hervorragender Solothurner
birgt. Hier ruhen u. a. der berühmte deutsch-amerikanische Schriftsteller Charles Sealsfield (Karl Postel), der seine letzten
Jahre in Solothurn
verbracht hat; der eminente Geologe Amanz Gressly, der solothurnische Dialektschriftsteller Fr. J. Schild; der bedeutende
Maler Frank Buchser, dessen Grab eine überaus lebensvolle Büste des Meisters aus der Hand Max Leu's trägt,
welcher selbst in der Blüte seiner Jahre dahingerafft, nur wenige Schritte entfernt seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Auch die gewesenen Bundespräsidenten
Josef Munzinger und Bernhard Hammer, sowie die tüchtigen Aerzte Kottmann und andere
bedeutende Männer der Stadt sind hier bestattet.
Im 19. Jahrhundert sind nebst den grössten Partien des Schanzengürtels auch einige architektonisch hervorragende Tore gefallen,
so das Berntor in der Vorstadt und das äussere Biel- oder Gurzelentor. Erhalten blieb nur und wird es hoffentlich bleiben
das Basel- oder Eichtor, von dem der bekannte süddeutsche Schriftsteller Hansjakob sagt, dass es ihm
unter allen auf seiner Reise durch die Schweiz gesehenen Baudenkmälern am meisten imponiert habe. Es war ein aus Brignolles
im südl. Frankreich nach Solothurn
eingewanderter Baumeister Hans Gibelin, der dieses prächtige Stadttor 1504-1508 um die Summe von 3002 Gulden
und die Gratifikation von 20 Maltern Hafer errichtet hat. Sein Sohn Konrad vollendete 1535 den Torbau,
indem er die Türme mit einer auch für Kanonen genügenden Brustwehr versah.
Zu den denkwürdigen Bauten älterer Zeit gehören sicherlich auch die beiden «Muttitürme»
an der NO.- und NW.-Ecke der Stadt, zwei 1535 und 1548 errichtete ungeheuer feste und behäbige Mauerkolosse,
sowie der «KrummeTurm» (1462) am rechten Ufer der Aare oberhalb der Eisenbahnbrücke.
In der Stadt selbst fesseln das Auge des Fremden fünf monumentale Brunnen, deren polychrome Renovation alle Anerkennung verdient.
Es sind dies: der St. Mauritiusbrunnen auf dem Zeughausplatz (1556); der Fischbrunnen, eine mächtige, von dem
Standbild des h. Ursus auf hoher Säule überragte monolithe Brunnenschale auf dem Marktplatz; der Gerechtigkeitsbrunnen
in der Hauptgasse (1561), der St. Georgsbrunnen mit dem kühnen Reiterstandbild des Heiligen auf dem Börsen- und der Simsonbrunnen
auf dem Friedhofplatz (die beiden letztern von 1548 stammend).
Das Zeughaus der Stadt Solothurn (erbaut 1610-1614) enthält die bedeutendste schweizerische Sammlung
von Rüstungen und Waffen, die namentlich durch die Mannigfaltigkeit der Formen, die sie aufweist, und durch eine grosse
Zahl seltener und schöner Stücke bemerkenswert ist. Unter den 383 vollständigen Rüstungen finden sich eigentliche Prunkstücke,
so z. B. die der Familie vom Staal, sowie diejenige des Ritters und Generalobersten Wilhelm Frölich.
Von den Pannern sind bemerkenswert die Fahne, welche von Leopold von Oesterreich den Solothurnern nach der Belagerung von 1318 geschenkt
wurde, die
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von Papst Julius II. den Solothurnern dedizierte grosse Fahne, ferner elf in den Burgunderschlachten und bei Dornach und Rennedorf
erbeutete feindliche Feldzeichen, wovon zwei durch den berühmten Konservator Eigner aus Augsburg renoviert worden sind.
Erwähnung verdienen auch vier aus dem 1476 vor Grandson erbeuteten Prunkzelt Karls des Kühnen hergestellte
Kirchenornate. Trophäen der Schlachten bei St. Jakob (1444), Murten (1476), Dornach (1499) und Marignano (1515) erinnern an
wichtige Entscheidungsschlachten aus der eidgenössischen Heldenzeit.
Eine Unmenge Waffen, wie Hellebarden, Spiesse, Schwerter, Schilde, Schiesszeug von zum Teil einzigartigen Typen, schmücken
den mächtigen Saal. Eine seiner Hauptzierden bildet auch die nach den künstlerischen Intentionen Martin
Distelis gestellte szenische Wiedergabe der Tagsatzung von Stans (1481). Die in die Fenster eingelassenen, gemalten Glasscheiben
verdienen aufmerksame Betrachtung. Zur Unterbringung des modernen Kriegsmaterials aller Art wird gegenwärtig mit einem Kostenüberschlag
von 400000 Fr. in der Nähe des Bahnhofs NeuSolothurn
ein den heutigen Anforderungen entsprechendes Zeughaus gebaut.
Man geht mit dem Gedanken um, in dem zu einem guten Teil leer werdenden alten Arsenal die Kantonsbibliothek unterzubringen,
welche bis jetzt in den vier Erdgeschosssälen im W.-Flügel des Kantonsschulgebäudes ihr Heim gehabt hatte.
Auch das Kantonsschulgebäude verdient Erwähnung. In ihm wohnten 1538-1792 die französischen Gesandten bei der Eidgenossenschaft,
weshalb das Gebäude im Mund alter Leute jetzt noch «der Hof» heisst. Später wurde es eine Kaserne, und
dann zog, nach gründlichen baulichen Veränderungen, 1883 die höchste Mittelschule des Kantons hier ein. Vor dem Bieltor
erheben sich die Kantonalbank und das nach den Plänen Tugginers erbaute stattliche Amthaus. An der Aare
zwischen Eisenbahnbrücke und Wengibrücke steht am linken Flussufer das grosse eidgenössische Postgebäude, gegenüber
am rechten Ufer der Bürgerspital und das ehemalige Waisenhaus.
Aareabwärts erhebt sich aus den Wellen des Flusses selbst das Landhaus, mit dem gegenüberliegenden Rollhafen, der an die
Zeiten erinnert, da noch ein reger Verkehr zu Wasser stattfand. An das Landhaus stösst mit seinem an
der Aare hochaufgemauerten Garten der bei der Kreuzackerbrücke stehende frühere Bischofspalast, das heutige Konvikt der Kantonsschule.
Jetzt residieren die Bischöfe von Basel
in der südl. der Kathedrale gelegenen Propstei mit der St. Peterskapelle. Am O.-Ende der
Stadt liegt am linken Aareufer das von herrlichen Bäumen beschattete Schützenhaus, Eigentum der Stadtschützengesellschaft
Solothurn.
Zu den schon bestehenden Schulhäusern wird nach Beschluss der Einwohnergemeinde vom an der Bielstrasse noch ein
neues mit einem Kostenüberschlag von 775000 Fr. errichtet. Als eigentliche Zierde der Stadt sind die in neuester Zeit nördl.
der Stadt auf den Glazismatten errichteten, Kunst und Wissenschaft dienenden Gebäude, der Konzertsaal
und das Museum, zu nennen. Der Saalbau steht in der Nähe der protestantischen Kirche und dient mit seinen weiten Räumen
Konzertaufführungen und grössern Versammlungen. Der Hauptsaal hat 800 Sitzplätze
und Raum für 350 Gedecke; der kleinere
Saal ist mit den Galerien des grossen Saals verbunden, fasst 250 Personen und hat Platz für 120 Gedecke.
Der Bau ist 1900 errichtet worden.
Oestl. von ihm erhebt sich, der N.-Front der Kantonsschule gegenüber, des städtische Museum (1898-1900 erbaut). Seine einfach
schöne, in florentinischem Palaststil gehaltene Fassade ragt aus grosszügig erdachten Gartenanlagen auf. Durch das
nach S. gerichtete Hauptportal treten wir in einen Vorsaal, der mit Skulpturen von Leu, Chiattone und Peter geschmückt ist.
Im Erdgeschoss sind die naturhistorischen Sammlungen untergebracht. Unter ihnen befinden sich hochinteressante Jurafossilien,
aus welchen wiederum als Unica von bedeutendem wissenschaftlichen Wert die fossilen Schildkröten aus den Solothurn
nördlich einfassenden
Kalksteingruben zu nennen sind. In der zoologischen Sammlung verdienen einige Prachtexemplare, wie z. B.
Eisbär, Krokodil, Vögel und Schmetterlinge aus den Tropen, Beachtung.
Hübsche ethnographische Sammlungen sind z. B. die von H. Lüthy (Sumatra), H. Ackermann (Westafrika) u. a. m. In der antiquarischen
Sammlung finden wir prähistorische, römische und alemannische Funde hauptsächlich aus dem Kanton Solothurn
(z. B.
Grenchen, Oensingen, Hohberg, Subingen), dann auch wertvolle mittelalterliche Schätze, wie silbertauschierte Gürtelschnallen
aus der Zeit der Burgundionen, einen Abtsstab aus dem 11. Jahrhundert, einen prächtig geschnitzten Kapitelschrank mit kirchlichen
Geräten, herrliche, in strahlenden Farben leuchtente Standesscheiben (Glasgemälde); bemerkenswert sind zwei Zimmer des 17. und 18. Jahrhunderts
aus dem alten Kollegium und von Le Landeron; Chorbücher und Miniaturen, Münzsammlung u. s. f. Die Gemäldesammlung
ist nach Basel
und Genf
die reichhaltigste der Schweiz an ältern Bildern: Madonna von Holbein und Madonna in den Erdbeeren (oberrheinische
Schule 1420), Bilder von Ribera, Hans Asper u. s. f. Von den neuern Malern sind einige hervorragende Solothurner
besonders gut vertreten: der Karikaturist Martin Disteli, der Landschafter Otto Frölicher, der weitgereiste Frank Buchser,
von dem das Museum an 60 Bilder aufweist etc. Hübsche Sammlungen von Aquarellen und Kupferstichen.
Konzertsaal und Museum sind nach Plänen des städtischen Architekten Edgar Schlatter und unter seiner Leitung ausgeführt
worden.
Die Umgebung der Stadt ist nicht nur reich an netten modernen Villen, sondern auch an alten, ihrer charaktervollen
und originellen Bauart wegen bemerkenswerten Landsitzen. Vor dem Baseltor sind erwähnenswert die einander gegenüberliegenden
Bauten des Schlosses Steinbrugg und des Hallerhauses; weiter vor der Stadt SchlossWaldegg; andere finden sich in der Steingrube,
am Werkhof, an der Bahnlinie nach Biel und auf den Hügelketten des rechten Aarufers.
[Zum Teil nach Bischof Dr. Fiala, nach Wilhelm Rust, F. A. Zetter u. a.].
Bevölkerung.
Die Einwohnerzahl der Stadt Solothurn betrug 1692: 3750, 1796: 3500, 1808: 3839, 1829: 4254, 1837: 4647, 1850: 5370, 1860:
5916, 1870: 7008, 1880: 7534 und 1888: 8317 Seelen. Am belief sich die Gesamtwohnbevölkerung
auf 10025 Seelen, wovon 2250 Ortsbürger, 2859 Bürger anderer Gemeinden des
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