in
Stalla von der Julierstrasse ab und führt in s. Richtung durch das mit schönem Wiesenboden geschmückte und zahlreiche
zerstreute
Hütten zeigende
Val Cavreccia, sowie die Kluft
Foppa, in der der Bach sich über Serpentinfelsen herabstürzt, hinauf
zur breiten, z. T. torfigen Hochfläche
Pian Canfèr und zur Passhöhe (2½ Stunden), auf der das 1120 von
Bischof Wido von
Chur gestiftete und heute zerfallene
HospizSan Pietro in Settimo steht. Von hier geht es längs der
Acqua del
Settimo steil hinab zur Alp
Marozzo Fuori (im
Val Marozzo) und nach
Casaccia im
Bergell.
Von der Passhöhe hat man einen prachtvollen Ausblick auf den
Pizzo della Margna,
Monte dell'
Oro etc. Grossartig
ist die steile
S.-Seite des Passes; der rauhe Weg führt hier durch eine wilde
Schlucht hinab, in welcher der reissende Bergbach
einen schönen
Wasserfall bildet, um dann der aus dem
Val Marozzo und von den Gletschern am
Pizzo della Duana kommenden
Maira entgegenzueilen. Von der Passhöhe des Septimer aus leitet der Lunghinopass in 2½ Stunden ostwärts nach
Maloja und
die
Forcellina in 2½-3 Stunden westwärts nach
Juf im
Avers.
Der Septimer ist ein uralter Saumweg, dessen Reste und
Züge, sowie mit grossen Rollsteinen und
Quadern gepflastertes
Bett sich
teilweise (so z. B. oberhalb
Casaccia, auf der Passhöhe, gegen den
Julier, bei
Stalla und auf den Alpweiden
von
Fex im
Oberhalbstein) heute noch nachweisen lassen. Im heutigen verfallenen Zustand ist es ein Weg, der sich rauher und
schlimmer zeigt als mancher natürliche Bergpfad. Der Septimer stellt eine der ältesten Alpenstrassen dar,
die, trotz einer gegenteiligen Theorie, schon zur Römerzeit bestand und im Mittelalter von grösster Wichtigkeit war, während
z. B. der Weg über den Gotthardpass erst 1236 in die Geschichte tritt. Im 11. Jahrhundert wird eine Septimerroute erwähnt,
die über
Lenz nach Stabulum Bivium
(Bivio oder
Stalla), von da wahrscheinlich über den
Julier nach Stabulum
Silles
(Sils imEngadin) und dann über den
Maloja nach Clavenna (Chiavenna) führte. Er war dies ein Septimer im weitern Sinne,
während man den Namen und Begriff «Septimer» erst später auf den heute
noch so geheissenen
Pass einschränkte.
Nach der Lage zum berühmten Septimer unterschied man früher zwischen
SurSett
(Ob dem
Sett, d. h. dem
Oberhalbstein)
und
SutSett
(Nid dem
Sett, d. h. dem
Bergell). Die Septimerroute vermittelte im Mittelalter während langer Zeit den Hauptverkehr
zwischen Deutschland und Italien und wurde von ganzen Kriegsheeren begangen. Der aus der Römerzeit stammende alte Weg nach
Cläven (Chiavenna), eine Militärstrasse des 4. und 5. Jahrhunderts, war nach und nach in einen so schlechten
Zustand gekommen, dass man den Versuch machte, ihn durch einen der andern Pässe zu ersetzen. Um der Konkurrenz mit solchen
andern Alpenstrassen
(Gotthard,
Lukmanier, später auch
Splügen) zu begegnen, schlossen die
Bischöfe von
Chur besondere Transitverträge,
so z. B. 1278 mit Luzern
und 1291 mit Zürich.
Im
Jahr 1359 erwirkte
Bischof Peter von
Chur, der Kanzler Karls IV., von
diesem den Transitverkehr für ganz
Bünden über den Septimer.
Doch blieben die Klagen über den Passweg bestehen, den die
Mailänder inzwischen fast ganz verlassen und durch den Bernhardin
zu ersetzen versucht hatten. Da erhielt Jakob von Castelmur, Notar des
ThalesBergell, Fidelis noster des
Bischofes von
Chur und 1383 Podestà des
Thales, im Jahr 1387 von
Bischof Johannes II. den Auftrag, eine fahrbare Strasse von
Tinzen
(Bivio) bis
Casaccia (oder Plurs) zu bauen. Dies war die erste fahrbare Strasse in den
Alpen. Von
ihr (und nicht etwa aus der römischen Zeit) stammen auch die bereits erwähnten alten Strassenstücke und Pflaster her.
Der Verkehr auf dieser Septimerroute behauptete sich bis in die neuere Zeit.
Porten, d. h. Genossenschaften von Gemeinden
für die Beförderung der Waren über den Septimer waren 1467
Lenz, Tinzen,
Stalla,
Vicosoprano und Chiavenna,
sowie noch 1807
Lenz,
Stalla,
Casaccia und Chiavenna. 1838 begann dann der Bau der sog.
Obern Strasse, die den Septimer aufgab
und den
Julier als Bergübergang wählte. Natürlich hatte die durch das
Oberhalbstein führende römische Militärstrasse
den Septimer im weitern Sinne benutzt, weshalb auch auf dem eigentlichen Septimer bis jetzt noch keine
römischen Funde gemacht worden sind. 895: jugum Septimum;
Schulte, Aloys. Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien. Leipzig 1900. -
Berger. Die Septimerstrasse (im Jahrbuch für Schweizer Geschichte. XV, 1890). - Reinhard, R. PässeundStrassenin den SchweizerAlpen. Luzern
1903.
Der Septimerpass bildet die Wasserscheide zwischen
Rhein, Po und Donau. An Naturschönheiten übertrifft
er denJulier unbedingt.
Gesteine der Gegend sind graue Bündnerschiefer (wohl Liasschiefer), Grünschiefer und mit beiden in starker Verbreitung
auftretende Serpentinstöcke und -züge. Auf der N.- wie auf der
S.-Seite des Passes erscheinen den Kalkton-
und Tonschiefern noch Triaskalke eingelagert. Bei den Trümmern des alten Hospizes steht mit dem
Serpentin auch Gabbro an,
gleich wie unten bei
Marmels im
Oberhalbstein. Reiche Gebirgsflora. Vergl. auch den Art.
Oberhalbstein.
Südl. vom Gipfel
leitet die nahe Sattelte
Lücke (2768 m) und n. von ihm in nicht wesentlich grösserer Entfernung ein niedrigerer zweiter
Pass (2626 m) von
Vals her nach der Alp Seranastga und durch
Val Seranastga nach
Surrhein im Vrinthal hinüber.
Der Piz Seranastga
wird über
Brand in 4½ Stunden bestiegen.
¶
mehr
Ueber die beschwerliche Sattelte Lücke wird auch der Piz Aul gewonnen.
Gesteine sind Grünschiefer, sowie graue, schwarze
und glimmerreiche Bündnerschiefer, die auch in kalkigen und marmorisierten Lagen auftreten und auf der Seite von Vrin nach
NW. einfallen.
(Val) (Kt. Graubünden,
Bez. Glenner).
2770-1260 m. 4 km lange rechtsseitige Verzweigung des Vrinthales; entspringt
unter dem Piz Aul und Piz Seranastga, senkt sich nach NW. und mündet 0,6 km hinter Surrhein und zwischen dieser Ortschaft und
Vrin zum Hauptthal aus. Oben im Val Seranastga liegt einige hundert Meter unter dem Gletscher des Piz Aul die Schafalp Seranastga
(2054 m), deren landschaftlich grossartiger Felsenkessel im Hintergrund einen winzigen Gletschersee trägt.
entspringt am Gros Cousimbert (1532 m), wendet sich gegen NW., durchfliesst
den grossen Käsenbergwald (Forêt du Cousimbert) und nachher den düstern und malerischen Hellgraben,
um bei Malagotta (799 m) das Thälchen von La Roche zu erreichen.
Nachdem sie hier durch die Bergmasse der Combert nach SW.
abgelenkt worden, durchfliesst die Serbache das ganze Dorf La Roche und mündet dann 200 m oberhalb der Brücke von
Thusy mit zwei Armen von rechts in die Saane. 7,3 km lang;
mittleres Gefälle 12%, Gefälle bei Malagotta 24%. Erhält rechtsseitig
vom Cousimbert (Käsenberg) her den Schlatt- und Brändlibach, Ruisseau des Roches, Ruisseau du Bey und Stutzbach, sowie von
der Berra her den Ruz;
die linksseitigen Nebenadern, von denen einzig der Ruisseau du Fallembert zu erwähnen
ist, sind unbedeutend und kommen sämtlich von der Combert her.
Die mehrere Mühlen treibende und an ausgezeichneten Forellen
reiche Serbache hat früher nach heftigen Regengüssen und zur Zeit der Schneeschmelze oft grosse Verheerungen angerichtet,
ist aber in den letztvergangenen Jahren verbaut und kanalisiert worden.
Der Ausdruck Serbache oder Sarbache
bezeichnet die Schwarzpappel (Populus nigra).
501 m. Häusergruppe am rechten Ufer des Walensees, an der Mündung des
in schönen Fällen über die Felswand herabstürzenden Serenbaches und
am S.-Fuss des Kapf idyllisch gelegen. 8 km ö. der
Station Weesen der Linien Zürich-Chur.
Bis Betlis führt dem Seeufer entlang ein schönes, mehrfach in den Fels eingesprengtes Strässchen,
das im Sommer von den Weesener Kurgästen viel begangen wird.
Die auf den Lai Sereno gegen NO. folgenden LaiNer und Lai Rotond
liegen schon etwas tiefer.
Der etwa 100 m lange und über 50 m breite Lai Sereno enthält gleich den benachbarten Becken
keine Fische, während der See am CrapRadond (2367 m) nö. vom Stallerbergpass die Ellritze (Phoxinus laevis)
beherbergt. Er liegt an der Grenze von Bündnerschiefern, die sich in einem weit vorgeschrittenen phyllitischen Umbildungsstadium
befinden, Grünschiefern und Serpentin.
Die Terrasse Scalotta mit ihren Seen kann am besten von Stalla aus erreicht werden.
(Grande und Petite) (Kt. Wallis,
Bez. Monthey).
2185 und 2218 m. Doppelgipfel im Bergstock des Grammont, nw. über
dem Lac Tanay und sö. über dem halb savoyischen, halb schweizerischen Thal von Novel. Die beiden Spitzen sind durch eine je 100 m
tiefe und breite Scharte voneinander geschieden. Die Grande Sereux (2218 m) kann vom Lac Tanay her über die Hütte von La Combaz
in 3 Stunden ohne besondere Schwierigkeit erstiegen werden, während die vom Lac¶
mehr
Tanay her über die Hütte von Les Crosses in 2¾ Stunden erreichbare Petite Sereux (2185 m) nur geübten Kletterern zugänglich
ist.
Beide Gipfel bieten eine sehr schöne Aussicht. Am W.-Hang der Grande Sereux befindet sich nahe der Hütte von La Combaz
in 1915 m eine Art von Schlund oder Trichter, dessen Tiefe bis heute noch nicht bestimmt worden ist. In
diesen Schlund hat man anlässlich einer um die Mitte des 19. Jahrhunderts in dieser Gegend wütenden Viehseuche zahlreiche
Leichname verendeter Tiere geworfen.
Die beiden Sereux, die auch Les Jumelles oder Les Roches Fendues genannt werden, sind
vom Rhonethal, besonders aus der Gegend von Aigle her sehr gut sichtbar und bilden zwei spitze Pyramiden
aus oberm Jurakalk, die auf einer schiefrigen Unterlage ruhen.
(Kt. Waadt,
Bez. Orbe).
615 m. Gem. und kleines Dorf auf dem subjurassischen Plateau, nahe dem SO.-Fuss des
Mont Suchet und dem Ursprung des Thales des Mujon, an der Strasse nach Montcherand und Orbe und unweit der Strasse L'Abergement-Valeyres
sous Rances. 4,7 km nw. der Station Orbe der elektrischen Bahn Orbe-Chavornay und 2 km sö. der Station Six Fontaines der Linie
Yverdon-SainteCroix. 27 Häuser, 113 reform. Ew. Kirchgemeinde Rances. Landwirtschaft. Ein Grabhügel in
der Forêt de Chassagne. Römische Ruinen w. und ö. vom Dorf. In der s. vom Dorf gelegenen Moräne des Crêt Belon hat man
einen römischen Münzschatz aufgefunden. 1275: Sergy.
Hier befindet sich
seit 1863 eine unter
dem Patronat der gemeinnützigen Gesellschaft der französischen Schweiz stehende private Erziehungs- und Korrektionsanstalt
für verdorbene Knaben der welschen Kantone.
Die etwa 50 Insassen, welche meist Genfer und Waadtländer sind, werden mit landwirtschaftlichen
Arbeiten beschäftigt und zu Handwerkern ausgebildet.
Landwirtschaft.
Es befanden sich hier vor der Reformation eine St. Niklauskapelle und ein dem Kloster auf dem Mont Joux
(Grossen St. Bernhard) gehörendes Hospitium.
Einige Erdhaufen sollen Grabhügel sein.
Fund einer Amphora und eines Mühlsteines
aus der Römerzeit. 1177: Semmurs;
Zwischen den
dichtbewaldeten Abhängen von Casanna und Landquart in reizendem Winkel versteckt und mit schönen Spazierwegen versehen. Im
Winter geschlossen.
Telephon. Die von Dr. Planta und Dr. Husemann ausgeführten Analysen der Mineralquelle
von Serneus haben folgende Zusammensetzung ergeben:
Dr. Planta gr
Dr. Husemann gr
Schwefelsäure
0.430
0.411
Chlor
0.011
0.011
Kieselsäure
0.077
0.086
Phosphorsäure
Spuren
Spuren
Kohlensäure
5.002
5.047
Schwefelwasserstoff
0.004
0.013
Kali
0.212
0.069
Natron
0.706
0.811
Magnesia
0.522
0.496
Kalk
1.332
1.387
Tonerde
0.012
0.004
Eisenoxydul
0.002
0.002
Manganoxydul
0.000
0.001
Ammoniak, Lithium
Spuren
Spuren
Strontian, Baryt
Spuren
Spuren
Das sehr reichhaltig fliessende Wasser wird vornehmlich zu Bade-, aber auch zu Trinkkuren verwendet und namentlich bei Hautkrankheiten
sehr geschätzt.
Die schon seit Jahrhunderten bekannte und benutzte Quelle ist besonders in neuester
Zeit stark in Ruf gekommen.
Rechtsseitiger Nebenfluss der Linth und deren grösster Zufluss im Gebiete der Glarneralpen. Er durchzieht das Sernfthal zuerst
in nö., dann in n., hierauf in nw. und zuletzt in w. Richtung und beschreibt so einen grossen halbkreisförmigen Bogen um
den O.-Fuss der Freibergkette herum. Sein Sammelgebiet wird im W. von der Freibergkette, im S. von der
HausstockVorab- und Sardonakette, sowie im O., und N. von der Kette begrenzt, die sich von der Sardona nordwärts bis zum Magereu
und von letzterem westwärts bis zum Gufelstock erstreckt.
Der Sernf entspringt einem kleinen Gletscher, der über dem obersten Stafel der Wichlenalp an die NO.-Wand
des Hausstocks sich anlehnt, durchfliesst dann unter dem Namen Wichlenbach in ö. Richtung die den Hintergrund des Sernfthales
bedeckende Wichlenalp und wird hier durch mehrere Bäche verstärkt, deren wichtigste von der S.-Seite des Kärpfstocks herkommen.
Auf dem untern Stafel der Wichlenalp, bei etwa 1200 m, nimmt er auf der rechten Seite den vom Panixerpass
kommenden, aus dem malerischen Felsentor des Jätzschlund hervorbrechenden Jätzbach auf und heisst von dieser Stelle an Sernf.
Als wasserreicher Bach fliesst er nun in nö. Richtung bis nach Elm in einer stellenweise ziemlich kräftig in den Thalboden
eingeschnittenen Rinne und erhält unterwegs viele kleinere Zuflüsse, die teils von der N. Abdachung
des Vorab, teils aus dem Kärpfgebiete kommen. Unter den letztern sind der Bischofbach und der Steinibach die wichtigsten. Zwischen
Elm und Engi durchfliesst der Sernf nun den mittleren Abschnitt des Sernfthales, zuerst in rein n. und dann in nw. Richtung.
Auf dieser Strecke nimmt er von links her aus der Freibergkette nur kleinere Bäche auf, darunter die
Kühbodenruns, die Benzigenruns, den Berglibach und die Engiruns; von rechts her eilen ihm dagegen mehrere wasserreiche Bäche
zu, nämlich der Kaminbach mit dem Tschingelbach, der Krauchbach und der Mühlebach. Nachdem er in ruhigem Laufe die Wiesenflächen
des mittleren Sernfthales durchflossen hat, tritt er n. Engi mit verstärktem Gefälle in den untersten Thalabschnitt ein.
Schäumend und brausend durcheilt er
das schluchtartig verengte, von bewaldeten Steilhängen eingefasste Thal und empfängt
von rechts noch einige Bäche, deren wichtigster der von der Fessisalp herkommende und kurz vor der Einmündung noch
einen prächtigen Wasserfall bildende Hellbach ist. Der Sernf biegt im untern Teil dieses Thalabschnittes zu rein w. Richtung
um, nimmt beim Eintritt ins Linththal noch seinen bedeutendsten Zufluss, den von links her aus der Freiberggruppe kommenden
Niederenbach auf und vereinigt sich unmittelbar nachher, am N.-Ende des Dorfes Schwanden, in 516 m mit
der Linth, der er an Wassermenge fast ebenbürtig ist.
Seine Gesamtlänge von der Einmündung des Jätzbaches an misst 18,2 km; sein Gefälle beträgt von jener Stelle bis nach
Elm 5,3%, von Elm bis zur Engibrücke 2,2%, von dieser bis zum Eintritt in die Linth 4,9%, das durchschnittliche Gefälle
3,8%. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts floss der Sernf in ungeregeltem Bette über den Thalboden zwischen Elm und Engi
und richtete dort, namentlich im 18. Jahrhundert, bei Hochwassern öfters arge Verheerungen an. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts
wurde die Flussstrecke zwischen der Einmündung des Berglibaches bei Matt und dem Dorf Engi nach einem fachmännischen
Plane korrigiert.
Die Kosten beliefen sich auf rund 200000 Fr. und wurden fast ganz von den beiden Gemeinden Matt und Engi getragen. Die Anwohner
der Linth, namentlich die Gemeinde Schwanden, machten diesem Werke heftige Opposition, da sie befürchteten, der korrigierte
Sernf werde der Linth grössere Geschiebemassen zuführen. Allein diese Befürchtungen haben sich als
grundlos erwiesen. In den Jahren 1874-1877 wurde der Fluss zwischen Teufenboden (2 km n. Elm) und dem Dorf Matt in der Weise
korrigiert, dass die frühern scharfen Kurven abgeschnitten und dem Fluss ein möglichst geradliniges Bett gegeben wurde.
Durch den Bergsturz von Elm wurde der Sernf eine Strecke weit verschüttet, so dass ihm von
der Säge in Elm bis ans untere Ende des Trümmerfeldes ein neues Bett gegraben werden musste, bei welchem Anlass man das Flussbett
nordwärts bis zur Brücke beim Weiler¶
mehr
Schwändi korrigierte. Die Wasserkraft des Sernf ist lange nicht in dem Masse in den Dienst der Industrie gestellt wie
diejenige der obern Linth. Zwei einzige Etablissemente benutzen dieselbe, nämlich das mit einer Säge verbundene kleine Elektrizitätswerk
in Elm und die Weberei Engi. Die Triebkraft für die Spinnereiin Matt, die Weberei Sernfthal in Engi und die
Sernfthalbahn wird durch die grossen Seitenbäche des Sernf, den Krauchbach und den Mühlebach, geliefert. Ueber den Sernf
führen ausser einer Anzahl hölzerner Stege und Brücken zwei steinerne Brücken, die alte malerische Engibrücke und die
bei Anlass des Baues der Sernfthalbahn neu erstellte Brummbachbrücke s. Matt.
(Kt. Glarus).
2263-516 m. Rechtsseitiges, vom Sernf durchflossenes Nebenthal des Linththales. Es wird von der Bevölkerung
des Kantons Glarus
auch Kleinthal genannt, im Gegensatz zum Grossthal, dem s. Schwanden liegenden Abschnitt des Linththales. Es hat eine Länge
von 22 km und bildet einen auffällig regelmässigen halbkreisförmigen Bogen um den O.-Fuss der Freibergkette
herum. Das Sernfthal ist nicht, wie manche andere Alpenthäler, in mehrere übereinanderliegende Thalstufen gegliedert, lässt
sich aber doch in drei deutliche Hauptabschnitte einteilen.
Der unterste, 5 km lange Abschnitt erstreckt sich von Schwanden bis nach Engi und stellt eine enge, im ganzen um 250 m
ansteigende Thalrinne von V-förmigem Querschnitt dar. Die steilen, von dunkeln Tannenwäldern bedeckten, aus rotem Verrucanokonglomerat
gebildeten Abhänge des Gandstocks und des Gufelstocks fallen mit gleichförmiger Böschung zum Sernf hinunter. Bloss im mittleren
Teil dieses Thalabschnitts, beim WeilerWart, weicht der Fuss der n. Thalwand etwas zurück, so dass hier
Raum für ein welliges Wiesengelände entsteht.
Bei der Engibrücke (770 m), dicht vor dem Dorfe Engi, betreten wir den mittleren, 8 km langen und bis nach Elm reichenden
Thalabschnitt. Statt der engen Waldschlucht sehen wir nun einen 300-500 m breiten, mit grünen Wiesen bedeckten, ziemlich
flachen Thalboden vor uns, über den sich von beiden Seiten her zahlreiche kleinere und grössere Bachschuttkegel
gelegt haben. Deren grösste sind diejenigen des Mühlebaches bei Engi, des Krauchbaches und des
Berglibaches bei Matt. Da die
Bäche in stabilem, bisweilen ziemlich stark eingeschnittenem Bette über diese Schuttkegel hinweg liessen, tragen sie gut
gepflegte Wiesen und Kartoffeläcker; auch die Dörfer (Engi und Matt) und die zerstreuten Weiler und Höfe
stehen fast alle auf solchen Schuttkegeln.
Der Thalgrund wird auf beiden Seiten bis auf 1300-1400 m Höhe von steilen, bewaldeten und von Felsbändern durchzogenen, gleichförmig
geneigten Abhängen eingefasst, über denen dann mässiger steile, unregelmässig wellige, mit Alpweiden bedeckte
Terrassen gegen die Berggipfel ansteigen. Im dritten Thalabschnitt, der von Elm (982 m) bis in den Hintergrund des Thales reicht,
wird die Thalsohle unregelmässiger. Auf dem rechten Ufer des Sernf ist sie von einer Reihe von Bachschuttkegeln, auf dem
linken Ufer von hügeligen Moränenmassen bedeckt.
Dann geht sie allmählig in die Alpweiden über, die den Thalhintergrund erfüllen. Auf der NW.-Seite
steigen die mit grünen Alpwiesen und dunkeln Wäldern bekleideten Abhänge mässig steil über das Thal empor; im S. und O.
dagegen bilden die wilden Felswände des Vorab und des Hausstocks einen imposanten Thalabschluss. Die Kammlinie der Freibergkette
hat von der Sohle des Sernfthals einen Horizontalabstand von 3-4 km, während diejenige der Sardonakette,
die das Thal im O. begrenzt, 5-8 km von ihr entfernt ist.
Daher ist auf der O.-Seite mehr Raum für die Entwicklung von Seitenthälern als auf der W.-Seite. Von der Freibergkette her
steigen eine ganze Reihe von kurzen Seitenthälchen ins Sernfthal hinunter; sie münden meist mit einer
steilen, schluchtartigen Rinne aus und erweitern sich oben zu breiten, jedoch ziemlich steil ansteigenden, mit Alpweiden
und Heuwiesen bedeckten Mulden. Von S. nach N. folgen der Reihe nach die von den rauhen Felsmauern des Kärpfstocks überragten
Thälchen von Erbsalp und Bischofalp, die von den Bleitstöcken heruntersteigenden Thälchen der Embächlialp,
der Kühbodenalp und der Geissthalalp, das von Berglihorn und Karrenstock überragte Thälchen der Berglialp und die vom Gandstock
absteigende, unregelmässige Mulde der Lauelialp, die jedoch zu wenig tief eingeschnitten ist, um ein Thal genannt werden
zu können. Die auf der rechten Seite einmündenden Seitenthäler, nämlich das
¶
mehr
gegen den Panixerpass aufsteigende Thal der Jätzalp, das Raminthal, das Krauchthal und das Mühlebachthal, sind alle bedeutend
länger, besitzen darum auch ein mässigeres Gefälle und sind tiefer in den Gebirgskörper eingeschnitten; sie münden alle
mit engen Schluchten auf das Hauptthal aus. Dieses ist durch zahlreiche Passübergänge mit den benachbarten Thälern
verbunden. Ueber die Vorab-Sardonakette führen der Segnespass (2625 m) und der Panixerpass (2407 m) ins Bündner Vorderrheinthal
hinüber.
Die Berge, welche das Sernfthal einrahmen, sind an der Basis aus eozänen und oligozänen Schiefern und
Sandsteinen und aus Nummulitenkalkbänken, an den Gipfeln aus Verrucano aufgebaut, der von S. her über jene jüngern Gesteine
hinweggeschoben worden ist. Die Ueberschiebungsfläche liegt im S. in der Gipfelregion der Sardonakette, sinkt dann rasch
nach N. und NW., verschwindet dicht n. vom Dorf Engi unter der Thalsohle und tritt nahe bei Schwanden (bei
der Lokalität Lochseite) an den Ufern des Sernf für eine kurze Strecke nochmals zu Tage. So kommt es, dass im s. Sernfthal
die Berge von der Thalsohle bis in die Gipfelregion aus Flysch bestehen und nur auf den höchsten Gipfeln noch von Verrucano
gekrönt sind, während umgekehrt im N., zwischen Engi und Schwanden, die Thalwände ganz im Verrucano liegen. (Vergl. «Geologie»
in den Artikeln Kanton Glarus
und Sardonagruppe).
Dieses geologischen Aufbaues wegen bieten die Berghänge des Sernfthals einen ganz andern Anblick als diejenigen des Linththals
und der übrigen glarnerischen Alpenthäler. Statt der von schmalen Gesimsen oder breiten Terrassen unterbrochenen
steilen Kalkwände sehen wir hier gleichförmig geneigte, oft bis zum Gipfel mit Vegetation bedeckte Hänge, die von vielen
parallelen Runsenzügen durchfurcht sind. Am Vorab, wo zwischen dem Eozän und dem Verrucano eine mehrere hundert m mächtige
Malm- und Neokommasse auftritt, sehen wir die Erosionsformen des Flysch mit denjenigen des Kalkgebirges
kombiniert. Im Gegensatz zu andern Schiefergebieten fehlen dem Sernfthal verheerende Wildbäche; dafür entstehen an den langen,
gleichförmigen Berglehnen oft gefährliche Lawinen.
Einzelne derselben stürzen fast alljährlich bis in den Sernf hinunter oder überschütten die Landstrasse, wie z. B. die
von der Geissthalalp herunterkommende Meissenbodenlawine zwischen Matt und Elm. Das Sernfthal ist das einzige
unter den glarnerischen Seitenthälern, in welchem zu eigentlichen Dörfern vereinigte Siedelungen liegen. Wir treffen hier
drei Dörfer (Engi, Matt und Elm) und mehrere kleine Weiler und Häusergruppen. Deren wichtigste sind Wart (zwischen Schwanden und
Engi), Brummbach, Schwändi und Sulzbach (zwischen Matt und Elm), und Hintersteinibach s. Elm.
Die Weissenberge am Abhang des Gulderstocksob Matt sind die am höchsten gelegenen das ganze Jahr bewohnten Siedelungen des Kantons Glarus.
Abgesehen von dem im untersten Teil des Thales liegenden WeilerWart, der zur Gemeinde Sool und zur Kirchgemeinde Schwanden gehört,
bilden die Ortschaften des Sernfthals die drei Gemeinden Engi, Matt und Elm und die beiden Kirchgemeinden
Matt und Elm. Sie zählen im ganzen 2763 fast ausschliesslich reformierte Einwohner. Aus der Abgeschlossenheit des Thales erklärt
es sich, dass seine Bewohner hinsichtlich Sprache, Kleidung und Volkssitten manche Eigentümlichkeiten aus früherer Zeit
bewahrt haben.
Die Bevölkerung von Elm zeichnet sich durch hohen, kräftigen Wuchs aus. Die Bauern tragen hier auch
Sonntags den blauen oder grauen «Lismer», ein gestricktes Wams. Viehzucht
und Alpwirtschaft waren lange Zeit die einzige Erwerbsquelle der Bevölkerung des Sernfthals und spielen hier jetzt noch
eine wichtige Rolle, namentlich in Elm, dessen Rassenviehzucht berühmt ist. Seit Jahrhunderten trieben
die Elmer Bauern im Herbst ganze Herden
von Jungvieh über den «Bündnerberg» (Panixerpass) auf die tessinischen und oberitalienischen
Märkte.
Dieser Welschlandhandel hat jedoch in neuester Zeit der grossen Reisekosten und finanzieller Misserfolge wegen aufgehört.
Das Vieh wird jetzt auf die inländischen Märkte gebracht oder von den fremden Händlern an Ort und Stelle
aufgekauft. Die Alpen des Sernfthals liefern jährlich rund 40000 kg Käse, 60000 kg Zieger und 25000 kg Butter. Der Obstbau
ist im Sernfthal ohne Bedeutung, und der Ackerbau beschränkt sich auf den Anbau der Kartoffel. Kleine Kartoffelgärten fehlen
auch den höchst gelegenen Höfen nicht.
Die Industrie fand schon vor Jahrhunderten Eingang. Im 17. Jahrhundert beschäftigte die Wollweberei
und im 18. Jahrhundert die Baumwollspinnerei als Hausindustrie zahlreiche Hände. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts ging jedoch
diese Verdienstquelle verloren, und es herrschte bis gegen 1850 Not und Armut im Thale, namentlich in Engi, so dass zahlreiche
Einwohner sich zur Auswanderung nach Amerika entschlossen. Eine Periode neuen Aufschwungs begann mit
der Eröffnung der Baumwollwebereien in Engi (1852 und 1864), die jetzt etwa 330 Arbeiter beschäftigen und die Haupterwerbsquelle
dieses Dorfes bilden, und der Spinnereiin Matt (1867), die 80 Arbeiter zählt.
Die Tonschiefer des Sernfthales werden gegenwärtig in drei Bergwerken ausgebeutet. Deren ältestes liegt
s. Engi auf der W.-Seite des Thales. Es besteht schon seit Jahrhunderten und wird seit 1844 vom Kanton betrieben und heisst
darum der Landesplattenberg. Zwei andere Schieferbrüche sind in neuerer Zeit bei Elm am W.-Fuss der Vorabkette angelegt worden.
Der im Jahr 1870 eröffnete Schieferbruch am Tschingelberg veranlasste durch seinen unrichtigen Betrieb
den Bergsturz von Elm (1881) und ist im Jahr 1890 an der gleichen Stelle aufs neue in Betrieb gesetzt worden.
Alle Plattenberge des Sernfthales beschäftigen etwa 200 Arbeiter. Sie liefern in Engi vorwiegend Dachschiefer und Tischplatten,
in Elm mehr kleine Schiefertafeln. Die Schiefer von Engi schliessen eine interessante Fauna ein, von der
bisher 27 Fischarten, 2 Schildkröten und 2 Vögel bekannt geworden sind. Auch der Fremdenverkehr ist in neuerer Zeit für
das Sernfthal von ziemlicher Bedeutung geworden. Elm, dessen Umgebung durch einen reichen Wechsel von grossartigen und lieblichen
Landschaftsbildern ausgezeichnet ist und Gelegenheit zu vielen interessanten Hochgebirgstouren, lohnenden
Exkursionen und Passübergängen bietet, wird immer mehr von Touristen und Kurgästen aufgesucht und hat Aussicht, ein gut
besuchter Fremdenort zu werden.
Bis ins 19. Jahrhundert führte bloss ein holpriger Saumpfad von Schwanden auf dem linker Ufer des Flusses ins Sernfthal hinein.
Auf die wiederholten Petitionen der Sernfthalgemeinden beschloss die Landsgemeinde 1821 den Bau einer
Strasse von Schwanden bis Matt auf dem rechten Ufer des Sernf und 1835 die Fortsetzung derselben bis Elm. Das Teilstück Schwanden-Engi
wurde jedoch so planlos und unzweckmässig ausgeführt, dass man sich 1848 entschliessen musste, dasselbe durch eine neue
Strasse zu ersetzen.
Seit dem Bau der Eisenbahnlinie Glarus-Linthal (1879) strebten die Behörden und Industriellen des Sernfthales nach einer
Bahnverbindung mit dem Hauptthal. Die Landsgemeinde des Jahres 1892 erteilte dem Initiativkomite, das an der Verwirklichung
des Projektes arbeitete, die Konzession zur Benutzung der Landstrasse für eine elektrische Schmalspurbahn Schwanden-Elm und
für Verwendung der Wasserkraft des Sernf zwischen Engi und Wart. Allein langwierige Anstände zwischen
dem Sernfthal und der Gemeinde Schwanden wegen Benutzung dieser Wasserkraft verzögerten die Ausführung des Werkes.
Erst 1903 wurde es in Angriff genommen, nachdem man sich entschlossen hatte, für den Betrieb der Bahn die Wasserkraft des
Mühlebaches zu verwenden. Die Verbreiterung der Strasse erforderte auf der Strecke Schwanden-Engi ziemlich
umfangreiche Felssprengungen. Im August 1905 wurde die elektrische Bahn eröffnet. Ihre Erstellungskosten betrugen 1600000
Fr., woran der Kanton 750000 Fr., die drei Gemeinden 205000 Fr. und Private des Sernfthals 45000 Fr. à fonds perdu leisteten.
Das neue Verkehrsmittel wird für die wirtschaftliche Entwicklung des Sernfthals, namentlich auch für
die
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