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mancherorts je nach Geschlecht und Alter mit verschiedenen Glocken. Am Sonntag nach der Beerdigung kommt im Unter Engadin die ganze Gemeinde schwarz zur Kirche. Die «Grabbeterin» oder «Dreissigstbeterin» begibt sich an den 30 ersten Abenden mit einer Wachskerze in die Kirche und betet für das Seelenheil des Verstorbenen (Urschweiz, Luzern, Aargau, Solothurn). Der Grabhügel wurde im Werdenbergischen (St. Gallen) mehrere Sonntage nach der Beerdigung mit Kohlenstaub, Hammerschlag oder Eisenfeilspänen bestreut. Totenbretter («Eh-, eigentlich Ree-Bretter») sind nur in der katholischen Nordostschweiz (wahrscheinlich aus Oesterreich her) nachweisbar: nach Eintritt des Todes wird der Verstorbene auf ein rohes Brett gelegt, dieses Brett hernach zu einer sargbrettartigen Form ausgesägt, mit Inschriften oder einem Kreuz bemalt und aussen am Hause angebracht.
Auch der Hausbau und Hausbezug hat seine Volksbräuche. Ist das Haus «aufgerichtet», so wird es mit einem bebänderten Tännchen geschmückt und ein Aufrichtefest veranstaltet. Im Kanton Luzern findet eine Aufricht-Messe statt, an der die Handwerksleute und Nachbarn teilnehmen. Am Abend geschieht das «Firobig-Klopfen», wobei die Zimmerleute im Takt auf ein Stück Langholz schlagen. Beim nachfolgenden Fest spricht der Meistergeselle das Lob des Meisters aus. Die «Hausräuki» oder der «Einstand» ist das Mahl, das Nachbarn oder guten Freunden zum erstenmal im neuen Haus geboten wird. In einzelnen Bergdörfern des Prättigaus besteht noch das «Ehrentagwen» oder «Frohnen», d. h. die Gratisbauarbeit der Mitbürger. Das Schlussmahl wird «Firstwein» genannt.
β) Von Gelegenheitsbräuchen und festlichen Anlässen im Berufe nehmen wir die der Aelpler voraus. Allbekannt ist die Alpfahrt mit ihrem festlichen Aufzug. Voran geht gewöhnlich der sonntäglich gekleidete Senn und die «Meisterkuh» oder «Heerkuh» mit dem Melkstuhl zwischen den Hörnern, dann die übrigen Kühe u. das Alppersonal in bestimmter Reihenfolge. Die schönsten Kühe sind oft bekränzt. Ebenso berühmt ist der «Betruf» (weniger richtig auch «Alpsegen» genannt), den die Sennen einiger Alpen (Pilatus, Sargans, Gross-Isenthal, Obwalden, Ulrichen, Urnerboden, Zug, Goms, französische u. rätoroman. Schweiz) noch heutzutage beim Dunkelwerden durch einen Milchtrichter über die Alp singen.
Der schönste und altertümlichste Betruf ist derjenige von Sargans. Im Eifischthal wird dem Pfarrer von Vissoye dafür, dass er die Alp gesegnet hat, jeweilen der Milchertrag des dritten Sömmerungstages jeder Alp gesteuert. Der Meistersenn macht daraus einen Käse und bringt ihn am Sonntag vor Bartholomäi (24. August) nach Vissoye. In langem Zug ziehen die Sennen der 25 Alpen, derjenige mit dem grössten Käse voraus, am Altar vorbei und lassen ihre Produkte von dem Pfarrer segnen. Mancherorts wird auch der Ertrag eines Tages als Armensteuer bestimmt. Die Hauptfeste des Aelplers aber sind die «Aelplerkilbenen» («Alpstubeten», «Bergdorfet» etc.), die teilweise während der Sömmerung selbst abgehalten werden und dann vorwiegend in Kampfspielen bestehen, oder (wie z. B. in Schwyz, Sarnen, Stans) nach der Alpentladung vor sich gehen, und dann mit grossen Festlichkeiten, Aufführungen (Wildmann und -weib), Fahnenschwingen, Tanz und dergl. verbunden sind.
Auch der Bauer hat seine landwirtschaftlichen Gelegenheitsbräuche, besonders zur Zeit der Ernte. Da wird bei der Kornernte das «Glückshämpfeli» («Glücksgarbe» etc.), ein Büschel Aehren, bis zuletzt stehen gelassen und sodann etwa unter Aussprechen der drei höchsten Namen geschnitten. Diese Aehren beschützen das Haus vor Unglück. Der Samen wird im Namen der heiligen Dreifaltigkeit ausgestreut, die Ernte mit dem Spruche begonnen: «Walt Gott, well Gott, dass es wohl ausgebe» (Zürich), etwa auch der Pflug gesegnet (St. Gallen). Sehr verbreitet sind die Feste am Schluss der Ernte, des Dreschens usw. («Segessen-Henki», «Sichel-Lösete», «Flegel-Henki», «Rechen-Löse», «Schnitter-Sonntag», «Kräh-Hahnen» usw.), gewöhnlich ein Schmaus und ein Trunk, der den Arbeitern von den Bauern gespendet wird und dem sich je nach der Gegend grössere oder kleinere Lustbarkeiten anschliessen.
Farbenprächtiger waren und sind die Handwerker- und Zunftfeste. Hierher gehören die Winzer-Feste, besonders dasjenige von Vivis, das aus ursprünglich bescheidenen Umzügen der «Abbaye des Vignerons» zu Riesendimensionen angewachsen ist; hierher auch die schmucken Küfertänze, wie sie früher in Basel, Bern, und Genf ausgeführt wurden, die Umzüge der Metzger (besonders in Bern und Zürich), sowie anderer Zünfte und Gilden. In ihren ersten Ursprüngen gehen diese Umzüge gewiss auf Kulthandlungen zurück, was bei den Metzgerumzügen mit dem (zum Opfer) geschmückten Stier am deutlichsten kenntlich ist. Dann mögen die mittelalterlichen Musterungsumzüge viel zu ihrer Erhaltung und Ausgestaltung beigetragen haben.
Von militärischen Festen erwähnen wir den hübschen Brauch des «Aepfelhauets», eines Reiterspiels der Kavallerievereine im Kanton Basel, bei dem ein von einem Galgen niederhangender Apfel im Vorüberreiten wagrecht mit dem Säbel durchhauen werden muss. Die Kadettenfeste weisen dagegen meist wenig Volkstümliches auf.
Unter den Festen des fahrenden Volkes ist namentlich die «Feckerkilbe» in Gersau berühmt geworden, deren Ursprung in das Mittelalter zurückreicht. Auf Sonntag nach Himmelfahrt strömten aus allen Gegenden fahrende Leute in Gersau zusammen, um eine fröhliche Kirchweih zu halten. Vormittags nach dem Gottesdienst zogen alle Teilnehmer unter Aufsicht des Bettelvogtes in zerlumpten Kleidern und Almosen sammelnd durch das Dorf, nachmittags erschienen sie auf dem Festplatz geputzt, und nun entwickelte sich ein reges Festleben mit Schmaus und Trunk. Am folgenden Tage war Jahrmarkt und Tanz, wobei es, da die Fecker stets gute Zahler waren, hoch herging. Dieser Gersauer Feckerkilbe wurde in den 1830er Jahren durch polizeiliches Verbot ein Ende gemacht. Auch in Herisau haben sich noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts in der Neujahrswoche die fahrenden Leute versammelt.
γ) Als Feste von höherer Organisation bezeichnen wir einerseits historische und politische Feiern, Gedenktage, Freiheitsfeste, Jubiläen, anderseits Schützen-, Sänger-, Turn-, Schwingfeste, auch Jugend- und Schulfeste. Einzelne derselben mögen echt volkstümliche Ursprünge haben; da aber heutzutage die Anordnung solcher Feste gewöhnlich in den Händen von eigens dazu bestimmten Komitees liegt, dürfen wir bei ihnen nicht viel urwüchsiges Volkstum mehr erwarten.
Die historischen und politischen Feiern lassen sich am besten scheiden in solche, die in kleinern Zeiträumen periodisch wiederkehren, und solche, die nur einmal oder höchstens in ganz grossen Zeitintervallen begangen werden. Zu erstern gehören die Sempacher Schlachtfeier, die «Näfelser Fahrt», die Schlachtjahrzeitfeier am Morgarten, die Tellsplattenfahrt, der Kreuzgang der Appenzeller an den Stoss, das St. Jakobsfest in Basel, die Dornacher Schlachtfeier und die Gedenkfeier an die «Escalade» in Genf. Davon reichen zurück ins 14. Jahrhundert die Sempacher- und die Näfelserfeier (auch die Tellsplattenfahrt und die Morgartenfeier?),
in's 15. die Feier am Stoss, in den Anfang des 16. die Dornacher Feier, in den Anfang des 17. die «Escalade», während das St. Jakobsfest (seit 1822) und die Neuenburger Erinnerungsfeier an den erst der Neuzeit angehören. Nicht periodisch wiederkehrende Feste wären z. B. die Feiern des Eintritts der Kantone in den Bund, die Feier der Schlacht bei Murten (1876), der Tagsatzung zu Stans (1881), des Bundes der Urkantone (1891), der Gründung des Unot in Schaffhausen (1864), der Vereinigung von Gross- mit Klein-Basel (1892) u. a. m.
Die kantonalen und eidgenössischen Schützenfeste sind aus den lokalen und regionalen Schiessen hervorgegangen, wie sie sich schon im Mittelalter reichlich nachweisen lassen. Ebenso gehen die Schwingfeste auf ganz bescheidene Anfänge zurück, während die Turn- und Sängerfeste grösseren Stils erst dem 19. Jahrhundert angehören. Auch die von Quartieren oder ganzen Gemeinden angeordneten Jugendfeste sind durchaus modern und tragen kein echt volkstümliches Gepräge.
δ) Weit interessanter und altertümlicher sind die Verfassungsbräuche und -feste.
Da haben wir zunächst die Musterungen und Umzüge ¶
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in Waffen, die schon früh ein festliches Gepräge angenommen haben; aus älterer Zeit gehört hierher der Luzerner «Landsknechtenumzug» oder «Umzug im Harnisch», der vom 15. bis zum 18. Jahrhundert im Frühjahr abgehalten worden ist; ein Rest dieser alten Musterungen waren auch die «Armourins» (Bewaffnete) in Neuenburg. Dieser Zug soll früher bei jedem in der Stadt gehaltenen Hauptmarkte stattgefunden haben, später nur noch bei dem grossen Herbstmarkt, und die Truppe hatte am Markttag und in der folgenden Nacht Wache zu halten. Zu den Verfassungsbräuchen rechnen wir auch die echt volkstümlichen, noch Spuren germanischer Rechtsaltertümer aufweisenden Landsgemeinden und die damit verknüpften Festlichkeiten.
Die Landsgemeinden, wie sie jetzt noch in beiden Kantonen Appenzell, in Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri Anfangs Mai oder Ende April abgehalten werden, sind «eine unter freiem Himmel mit feierlicher Eröffnung abgehaltene Versammlung aller aktiven Bürger des Kantons zur Wahl der Regierung und gewisser Beamten, Abnahme der Landesrechnung und Abstimmung über Gesetze». (Ueber Ursprung, Verlauf und verfassungsgeschichtliche Stellung der Landsgemeinden s. besonders H. Ryffel: Die schweizerischen Landsgemeinden. Zürich 1903). Auch die alten «Besatzungen» von Graubünden könnten Landsgemeinden genannt werden, sofern in ihnen die Regierung und das Gericht des betreffenden (ehemals souveränen) Standes durch direkte Wahl bestellt wurde; dieselben konnten aber auch nur «ein Fest der Einführung und Beeidigung der Kreisbehörden sein, die schon vorher direkt durch allgemeine Abstimmung in den „Nachbarschaften“ des Kreises oder indirekt durch ein Kollegium von Wahlmännern gewählt worden waren.» Die Graubündner Besatzungen sind von jeher echte Volksfeste gewesen.
Ebenso die Fähndrichswahlen im Wallis und sonstige Aemterbesetzungen. Die einfachste Form der Festlichkeit ist das Mahl oder der Trunk, den der Gewählte seinen Wählern spendet. Die Feste und Bräuche beim Huldigungsakte schliessen sich eng an das eben Behandelte an. Hierher gehört der «Schwörtag» der Entlebucher, der früher alle zwei Jahre in Schüpfheim abgehalten wurde und in einem stattlichen Aufzug bestand, der bei Anlass der Wahl eines neuen Landvogtes veranstaltet wurde.
Daran schloss sich ein Mädchenwettlauf. Aehnlich der farbenprächtige Umzug der Jungmannschaft des «Aeusseren Standes» (so genannt zum Unterschied von dem «Innern Stand», der eigentlichen Regierung) in Bern, im Anschluss an die Aemterbesetzung, und ebenso der «Pannertag» in Glarus, welcher ehedem bei der Uebergabe der Panner an den neu gewählten Pannerherrn gefeiert wurde. «Der Schwörsonntag im alten Zürich war der Sonntag nach dem sog. Meistertag, an welch' letzterm die Vorsteher der Zünfte neu gewählt wurden. Am Samstag vor dem Schwörsonntag wurde der eine Bürgermeister neu gewählt, ebenso die Unterbeamten des Rates. Am Sonntag schwuren dann der neugewählte Bürgermeister, die Räte und Zunftmeister und die ganze Bürgerschaft im Grossmünster ihren Amts- und Bürgereid».
Der Schwörtag von Winterthur bestand in einer kirchlichen Feier, an die sich ein Schmaus der Bürgerschaft, seit 1712 eine Verteilung von Brot und Wein schloss. Besonders vielgestaltig an Volksbräuchen war der Aufritt eines neuen Landvogtes in Weinfelden; nicht nur mit Umzügen und festlichen Empfängen wurde diese Gelegenheit gefeiert, sondern auch das sog. «Narrenfest» (Narrenkönig, Narrenparlament und Volksjustiz) schloss sich an die Installierung des Landvogtes an. Auch in Baden muss früher ein feierlicher Empfang des Landvogts stattgefunden haben. Als Gegenleistung für diese Huldigungsakte und auch bei dargebrachten Abgaben hatten die Behörden mancherorts Mähler zu spenden, so die Vögte von Klingnau und Wangen an der Aare das «Groppenmahl»; in Illnau wurde den Zehntenbringern das «Krautmahl» geboten, im Berner Oberland bei der Käsesteuer das «Käsmahl», ebenso die «Hühnermähler» in Luzern, Winterthur, Wiler (Kant. Bern), Kriegstetten (Kant. Solothurn) und Burgdorf (Kant. Bern).
Sehr oft finden auch bei der Rechnungsablage oder bei sonstigen geschäftlichen Vornehmungen von Genossenschaften und Vereinen, bezw. Kommissionen, Mähler statt, wie z. B. das «Wuhr-Mahl» in Klein Hüningen bei Anlass der Besichtigung der Uferbauten an dem Wiesenfluss oder das «Wisungs-Mahl» bei der jährlichen «Offnung» des Dorfrechtes in Weiningen.
Bedeutungsvoller und altertümlicher sind die Flur- und Grenzumgänge, auch Bannritte oder Banntage genannt, deren ursprünglicher Zweck wohl nicht die erneuerte Festlegung der Banngrenze ist, sondern die feierliche Weihung der Flur. Besonders reich gestaltet sich der Auffahrts- (Himmelfahrts-) Umritt in Beromünster. Voran schreitet der Stiftsweibel mit dem St. Michaelsstab; ihm folgt ein Kirchendiener mit dem Kruzifix, hierauf eine Kavalleriemusik und, als Mittelpunkt des Zuges, das Allerheiligste, von einem berittenen Leutpriester getragen, der seinerseits von berittenen Geistlichen umgeben ist.
Ihm schliessen sich die Kirchenvorsteher in schwarzen Mänteln an, dann ein Zug Dragoner, hierauf die Bürger des Fleckens und der Umgebung, welche Pferde besitzen, und am Schluss Hunderte von Fussgängern. Auf einer erhöhten Stelle mit weitem Ausblick macht der Zug Halt und hört die Predigt des Feldpredigers an. Hier ist es auch, wo die erste der vier Perikopen gelesen wird, die sich auf vier verschiedene Ruhepunkte des Zuges verteilen sollen. Nun bewegt sich der Zug weiter. In Hasenhausen bringt der Hofbesitzer zum Schmucke der Monstranz einen Blumenkranz dar, in Saffenthal erhält jeder Reiter ein Butterbrot. Der Hauptgottesdienst findet in Rickenbach statt, worauf die Reiter im Pfarrhof bewirtet werden. Beim Weiterziehen schliessen sich immer mehr Menschen an. Endlich erreicht man nach 8 Stunden das festlich geschmückte Beromünster, wo sich der Schlussakt, eine feierliche Segnung, Umzug um die Stiftskirche und Bewirtung der offiziellen Teilnehmer, abspielt. - Rein weltlich ist dagegen das Fest im Kanton Basel Land. In Liestal z. B. gehen von je vier Punkten der Stadt vier Rotten nach allen vier Seiten des Bannumfangs.
«Jede Rotte hat einen ihr zugeteilten Viertel desselben zu begehen; ihr sind Beamte beigegeben, die in einem Büchlein jeden Markstein notieren. Der Zug geht unter Trommeln und Pistolenschiessen bald im Schritt, bald im Sturmmarsch.» Zwischenhinein wird tüchtig gebechert. Früher zogen die Bürger in voller Bewaffnung aus. Zwischen Muttenz und Mönchenstein findet ein berittener Umgang statt. Aehnliche Grenzumgänge kennen wir aus Fischingen, Freiburg, Frenkendorf, Stadel (Zürich) und aus den Kantonen Luzern und Schaffhausen.
ε) Kirchlich-volkstümliche Bräuche (oft) ohne zeitliche Gebundenheit sind die Wallfahrten an Gnadenorte mit ihren mannigfachen Erscheinungen aus dem Volksglauben, ferner die Bittgänge (besonders zur Abwehr von Wetterschaden, manchmal auch gegen Ungeziefer) und das Wetterläuten zur Verhütung eines drohenden Ungewitters (in älterer Zeit gegen den von Hexen verursachten Hagel).
ζ) Bräuche und Feste von Vereinen, Genossenschaften, Bruderschaften u. s. w. In der Schweiz bestanden und bestehen teilweise noch heute eine Anzahl echt volkstümlicher Vereine, deren Hauptzweck das Veranstalten von allerhand Festlichkeiten zu sein scheint. Wir rechnen hierher z. B. die «Japanesen» in Schwyz, eigentlich ein dramatischer Verein, der seinen Ursprung einer schweizerischen Gesandtschaft nach Japan verdankte, indem er das viel bespöttelte Ereignis an der Fastnacht 1863 durch ein satirisches Spiel darstellte.
Weiterhin die «Weissen Neger» in Vivis, die sich im Jahr 1861 konstituiert hatten und auf den Plätzen der Stadt ihre eigenartigen Tänze aufführten. Hierher rechnen wir auch die Narrengesellschaften und ihre Bräuche. Solche gab es z. B. in Villeneuve («Société des Gueux»),
in Bern («Narrenzunft»),
in Aarau («Narrengesellschaft»). Auch muss die Wahl eines Narrenkönigs bezw. -ammanns (Wallis, Luzern), sowie die «Narrengemeinde» im Kanton Appenzell und das «Narrenparlament» in Weinfelden auf derartigen Narrengesellschaften beruhen. Sie treten namentlich an Fastnacht in Funktion; ihr Zweck ist die Veranstaltung karnavalesker Lustbarkeiten und namentlich die Persiflage von Personen und Ereignissen. Die Bruderschaften, die im Mittelalter und der Folgezeit zu Hunderten gestiftet wurden, tragen hin und wieder echt volkstümliches Gepräge. So u. A. die «Sebastiansbruderschaft» in Rheinfelden, die ihre Entstehung einer Pestepidemie ¶
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verdankt und alljährlich am Vorabend vor Weihnachten und am Silvester abends 9 Uhr vor den sieben Hauptbrunnen ein Weihnachts- bezw. Neujahrslied absingt. - Schützengesellschaften gibt es in der Schweiz massenhaft; teilweise sind sie schon alt und ihre Bräuche echt volkstümlich; so die «Société des Mousquetaires» in Buttes (Neuenburg), die «Abbaye des Mousquetaires» in Cossonay, die «Écharpes blanches» in Montreux, die «Bastians» in Estavayer, die «Sebastiansbruderschaft» in Zofingen und viele andere. Es ist nicht unsere Aufgabe, das schweizerische Schiesswesen zu entwickeln; wir wollen hier nur auf einige charakteristische Feste aufmerksam machen, wie z. B. die Knabenschiessen in Zürich, Thun, sowie in den Kantonen Zug, St. Gallen und Glarus, und das «Weiberschiessen» im Emmenthal. An letzterm hat jeder Schütze in weiblicher Begleitung zu erscheinen und haben die Frauen Ehrengaben zu stiften (sie schiessen aber nicht selbst, wie oft geglaubt wird). Ein Tanz beschliesst die Festlichkeit. Endlich seien die im Kanton Waadt beliebten «Tirs du papegay» erwähnt.
Nachdem wir im Vorausgehenden vorwiegend Bräuche aufgeführt haben, die sich nicht an ein bestimmtes Kalenderdatum anknüpfen, oder doch wenigstens nicht von einem solchen abhängen und bedingt sind, betrachten wir nunmehr die
c) Bräuche zu bestimmten Jahreszeiten und Tagen.
Wir beginnen mit dem germanischen Jahresanfang im November.
Martin (11. November) ist ein wichtiger Termintag (Mietstermin im Wallis)
(und im Neuenburger Bergland) ^[Berichtigung.] und «Lostag» für
die Witterung. Er bildet mancherorts das Ende des landwirtschaftlichen und Pachtsjahres. In Solothurn
wurden, angeblich zum Andenken
an die Rettung in der Mordnacht, aus dem Zehntkorn gebackene Wecken verteilt. Am zweiten Dienstag nach
Martin findet in Glarus
der Martinsmarkt statt. «In Sursee wird die Martinsgans herabgehauen. Auf offenem Platze spannt man von einem
Haus zum andern ein Seil, und daran hängt ein zweites, an welchem die Gans befestigt ist. Wer sie gewinnen will, muss
mit verbundenen Augen, einen Säbel in der Hand, die Schnur, an der das Tier hängt, entzwei hauen können»
(Lütolf). Das Kloster Disentis bewirtet an diesem Tage die Honoratioren von Tavetsch.
Andreas (30. November) ist Termin- und Lostag. Besonders wird mittels Handlungen und Sprüchen Ehe-Orakel getrieben. (Um Mitternacht soll das Mädchen nackend die Stube wischen und den Kehricht rückwärts hinaustragen, dann sieht es den heil. Andreas, der ihm weissagt [Horgen] und vieles andere).
Niklaus (6. Dezember). Das Umziehen von Vermummten, die den Heiligen, oft aber auch eine winterliche Popanzgestalt darstellen, ist an diesem Tage sehr verbreitet. Wir werden darauf in anderm Zusammenhang noch zurückkommen. An manchen Orten ist um diesen Tag grosser Markt. Dort kauft man dann die Geschenke für die Kinder, die auf diesen Tag verabreicht werden (in Linthal heisst diese Bescheerung das «Samiklausjagen»).
Ueberaus verwickelt sind die Bräuche, welche sich um Mittwinter herum abspielen, d. h. die Advents-, Weihnachts- und Neujahrsbräuche, nicht nur wegen der chronologischen, bezw. kalendaren Verschiebungen, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben, sondern auch, weil in ihnen die verschiedenartigsten Elemente, germanisch-heidnische, römische und christliche, zusammengeflossen sind.
Der 25. Dezember wurde erst im Jahr 354 von dem römischen Bischof Liberius als Jesusgeburtstag festgesetzt, und zwar, wohl deshalb, weil er bei den Römern als Geburtstag der Sonne (Wintersonnenwende) galt und weil zudem auf ungefähr dieselbe Zeit zwei grosse römische Volksfeste (die Saturnalien und die Januarskalenden) fielen, die man gern in einem christlichen Feste wollte aufgehen lassen. Zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar liegen die sogenannten «Zwölften» (12 Tage), die der Syrer Ephraim schon im 4. Jahrhundert als heilig bezeichnete und die auch im Volksleben und Volksglauben eine grosse Rolle spielen. Im 9. Jahrhundert wurde der Jahresanfang von der Kirche auf den 25. Dezember verlegt, welches Datum teilweise bis in's 17. Jahrhundert als Neujahrstag festgehalten wurde. Endlich kam dann die Einführung des gregorianischen Kalenders hinzu, um die Verhältnisse noch vollends zu verwirren. Wir müssen daher gewisse Bräuche und abergläubische Vorstellungen, die in diesen Zeitraum fallen, im Zusammenhang betrachten, weil sie nicht an allen Orten auf das gleiche Datum fallen.
Hierher gehört namentlich die weit verbreitete Vorstellung, dass in den «Zwölften» finstere Dämonen ihr Unwesen treiben und dass die Seelen von Verstorbenen auf Erden umgehen; deshalb werden im Tessin um diese Zeit die Häuser gegen Dämonen und Hexen ausgeräuchert und legt man in Tannen (Emmenthal) am Silvester (alten Stils) den Hausgeistern ein Stück Brot und ein Messer auf den Tisch als Spendopfer. Ein Dämon vorwiegend bösartiger Natur ist die «Sträggele» oder «Gräggele».
Sie zieht in der «Sträggele-Nacht» (meist Fronfastenmittwoch) um und bestraft faule Mägde (Kant. Luzern) oder entführt böse Kinder (Kantone Luzern und Zug). Sie ist eine Hauptgestalt in der «wilden Jagd» und wird daher oft in Begleitung des wilden Jägers «Türst» gesehen. Das «Sträggele jagen» ist ein Umzug der Jungmannschaft unter wüstem Lärm und Geschrei (Aargauisches Freiamt, Kantone Luzern und Zürich), der an verschiedenen Tagen im Dezember veranstaltet wird. Eine weitere dämonische Figur ist die «Pfaffenkellerin»; (in Uri «Grosskellerin», in Mels «Pfaffenköchin»).
Man hört ihr unheimliches Geschrei im «Pfaffenkellergrahen», sie fährt mit Ross und Wagen daher (Ennetmoos),
rauscht und wütet auf einem Bach bergabwärts und durch die Thäler (Altorf),
lockt «junge Gespenster» nach sich, zieht über die Berge hin und macht schlechtes Wetter. Menschen, die bei ihrem Durchzuge nicht in's Haus entfliehen, erkranken (Gurtnellen). Oft erscheint sie in Gestalt eines Hundes in stürmischen Nächten (Kanton Schwyz). Auch sie erscheint in der wilden Jagd mit glühenden Augen und zottigem Pelz (Kanton Luzern). Rein bösartigen Charakter hat ferner die «Klungerin» («Chlungere, Chlungeli, Chlunglere, Chrungele, Frau Chunkle») mit Höcker auf Brust und Rücken, gebogener Nase und krallenartigen Fingernägeln.
Sie zieht in den letzten Tagen des Jahres um und bestraft faule Spinnerinnen. Die «Chlungeli-Nacht» (Kanton Zürich) ist ebenfalls ein Lärmumzug im Dezember, wobei allerhand Unfug mit Spinnerinnen getrieben wird. Im Berner Volksglauben lebt die «Frau Faste», eine Personifikation von Fronfasten (mundartlich «froufaschte»),
im Kanton Schwyz das «Fraufaste-Müeterli», mit ähnlichen Eigenschaften wie die Klungerin, und analog die «Frau Zälti» (Kant. Schwyz) oder «Sehen». (Uri). - Das «Posterli» dagegen ist keine Sagengestalt mehr, sondern figuriert als Einzelgestalt (als Hexe, Ziege oder Esel) in der «Posterlijagd», die ehedem am Donnerstag vor Advents-Fronfasten im Entlebuch abgehalten wurde und in einem Lärmumzuge bestand. In Brunnen (Schwyz) glaubte man an die zwei Waldfrauen «Strudeli» und «Strätteli» und suchte sie ebenfalls durch einen Lärmumzug am Dreikönigsabend zu verscheuchen. Wenn man wenig lärme, so gebe es wenig Obst. Endlich seien noch von weiblichen Dämonen genannt die «Haken-Nase» (Kant. Zürich), die «Hakerin» (Richterswil),
die «Häkele» (Kanton Luzern, Freiamt),
die «Schnabelgeiss» (Knonauer Amt),
die «Hechelgauggele» (Basel), die «Chauche-Vieille» (Waadt), die «Dame de Noël» (Neuenburg), die teilweise als eigentliche Dämonen gedacht werden, teilweise auch zu gewöhnlichen Schreckgestalten und Masken herabgesunken sind. Von männlichen Gestalten nennen wir den «Türst» (Kantone Solothurn, Bern, Luzern), der als wilder Jäger oder als Sau gedacht wird. Er frisst die Kinder, die er auf seinem Wege erreichen kann. Dann den gehörnten, feueraugigen «Isen-Grind», der im aargauischen Freiamt, sowie in Hausen und Horgen (Zürich) in den Zwölften umziehend gedacht wird und dessen gespenstisches Treiben in der «Isengrind-Nacht» mit wildem Lärm dargestellt wurde. Im Luzerner Hinterland schliesst sich dem Dreikönigsumzug der «Glungel» an, eine vermummte Gestalt mit Stierkopfmaske und Peitsche. Der «Schmutzli» taucht meist als bösartiger Begleiter des St. Niklaus oder des Weihnachtskindes auf (Kantone Solothurn, Luzern, Basel Land, St. Gallen). Er ist schwarz, vermummt, trägt Sack und Rute und raubt böse Kinder. In dem Niklaus («Samichlaus» u. ähnl.) dagegen ¶
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sind die schreckhaften Züge des Winterdämons mit den gütigen des kinderliebenden Kalenderheiligen zusammengeflossen. Dass das Dämonische das Ursprüngliche ist, zeigt der Brauch des «Klausjagens», «Klaushornens», «Klausschreckens» usw., durch den, wie in allen verwandten Lärmumzügen, das Verjagen des Winterdämons dargestellt werden soll. Zu der gleichen Kategorie gehört der «Père Challande» (Waadt), der «Glockenschellenmann» (Kaiserstuhl),
der «Aetti-Ruedi» (Zurzach),
der «Fritschi» (Luzern) u. a. m., die meist als vermummte Popanzgestalten in den Dezembertagen oder an der Fastnacht ihr Unwesen treiben.
Von Lärmumzügen (Austreibung des Winterdämons) sind ausser den oben genannten noch anzuführen: die «Gräuflete» im Muotathal (an Dreikönigen),
das «Abetringele» in Laupen (am Silvester),
das «Nüni-Klinglen» in Basel Land (im Advent oder Weihnachtsvorabend),
das «Altjahrabend-Schellen» in Wartau, die «Mantineda» im Engadin (am 2. Januar), das «Trichelen» im Haslethal (um Weihnachten),
die «Chiallanda Marz» im Kanton Graubünden (am 1. März), ein Umzug im Tessin (Dreikönigen),
das «Bochseln» und die «Bochselnächte» in den Kantonen Aargau, Basel, Thurgau, Zürich (meist im Dezember) u. a. m.
Den ausschliesslich bösartigen oder halb gut-, halb bösartigen Dämonen stehen nur wenige wirklich gutartige gegenüber. Wir wüssten nur das «Weihnachts-» und «Neujahrskindchen» zu nennen, die fälschlich oft als Jesuskindlein gedeutet werden, aber natürlich das junge Jahr oder die neu aufkeimende Natur darstellen sollen.
Harmloser als die wilden Lärmumzüge sind gewöhnlich die Bettelumzüge der Kinder, wie sie zwischen Martini und Mittfasten in der ganzen Schweiz üblich sind und gewöhnlich im Absingen von Heischeliedern bestehen. Die verabreichten Gaben (Würste, Obst, Eier, Geld) werden hernach gemeinsam verzehrt bezw. verteilt. Die Weihnachts- und Dreikönigssänger (letztere oft mit einem drehbaren Transparentstern) zwischen Advent und Dreikönigen sind wohl nur eine kirchlich nüanzierte Abart dieser Bettelumzüge. Wenn die Kinder hie und da in Bischofsmützen umziehen, so dürfte dies ein Rest der mittelalterlichen «Festa hypodiaconorum» sein, wobei eine parodierte Bischofswahl mit zugehörigen Zeremonien stattfand.
In den Zeiten vor und nach Weihnachten finden allerorts Beschenkungen statt. Meist ist es das «Christkindli», «Neujahrskindli» oder auch der St. Niklaus, im Kanton Waadt der «Père Challande», welche nach dem Kinderglauben die Geschenke bringen, und zwar in älterer Zeit etwa Früchte (Nüsse, Aepfel, gedörrte Zwetschgen usw.) oder Backwerk und andere Speisen. Das Datum der Bescherung war früher vorwiegend Neujahr oder St. Niklaus, seltener Weihnacht (jetzt mit Vorliebe dieser Tag).
Ferner ist das «Losen» und Orakeln auf die Zukunft um die Weihnachtszeit von je her sehr gebräuchlich gewesen. Wie das Wetter an Weihnacht ist, so ist es im künftigen Jahr. Besonders beliebt ist das Zwiebelorakel: man schneidet eine Zwiebel senkrecht durch und löst 12 Schälchen heraus, die man mit Salz füllt und die je einen Monat des folgenden Jahres vertreten. Die Schalen, die am nächsten Tag feuchtes Salz enthalten, deuten auf feuchte Monate. Auch das Aufstellen einer Jerichorose (Kant. Aargau, Graubünden, Luzern, Zug, Zürich) oder eines Kirschbaumzweiges (Kantone Thurgau, Zug, Zürich), aus deren Entfaltung man auf die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres schliesst, ist sehr verbreitet. Neben Andreas gilt auch Weihnacht als Eheorakeltag: wer in der Weihnachtsnacht beim Läuten von 9 Brunnen 3 Schlücke trinkt, sieht seine Zukünftige an der Kirchtür stehen (solothurn. Leberberg); aus der Gestalt eines aus dem Holzstoss gezogenen Scheites schliesst das Mädchen auf seinen Mann, ein Scheit mit Rinde bedeutet Reichtum (Leberberg) u. A. m. Ferner fragt man nach Lebensdauer und Tod: die Zahl der Strophen eines aufgeschlagenen Psalms ist gleich den noch zu lebenden Jahren (Kanton Bern). Die Träume in der Christnacht gehen in Erfüllung. Dass der Weihnachtszeit überhaupt Wunderkraft innewohnt, zeigt der Glaube, dass in dieser Zeit gedüngte oder mit einem Garbenband oder mit Weiden umwundene Bäume besonders fruchtbar werden (Kantone Bern und Zürich); die Hühner werden vor dem Raubvogel gesichert, indem man ihnen zwischen 11 und 12 Uhr in der Christnacht die Flügel stutzt (Kanton Zürich), und beim Vieh bewirkt die Tränke an Weihnacht besonderes Gedeihen (Kanton Zürich). Ja, eigentliche Wunder vollziehen sich: das Vieh vermag zu reden, und Wasser wandelt sich zu Wein (verbreitet); man kann sich durch zauberische Manipulationen unsichtbar und unverwundbar machen (Leberberg), an Weihnachten geborene Kinder sehen Gespenster und können wahrsagen (verbreitet) u. A. m.
Der Weihnachtsbaum ist in der Schweiz nicht so alt, wie man gewöhnlich glaubt, ja in vielen, namentlich katholischen Gegenden ist er erst seit kurzem eingeführt, so z. B. in den Kantonen Solothurn und Waadt erst in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, im mittleren Thurgau erst um 1850 u. s. w. (Der älteste Weihnachtsbaum in der jetzigen Gestalt lässt sich zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Strassburg nachweisen, dagegen ist natürlich das Anbringen irgend eines grünen Busches oder Zweiges um die Wintersonnenwende uralt).
Auch das Datum und die Art und Weise seines Auftretens ist verschieden. In Zürich war es der «Samichlaus», der den Kindern, während sie schliefen, den Baum hinstellte, andernorts bringt ihn das «Christkindli»; im Zürcher Oberland wird der Baum an Silvester von den Eltern bereitet und von dem umziehenden «Chlaus» den Kindern übergeben; in Eschikofen nennt man den Weihnachtsbaum «Palme», was deutlich auf einen ursprünglichen Stechpalmenbusch hindeutet. Ueberhaupt begegnet uns die Stechpalme öfters: in Guttannen werden am Neujahr Stechpalmen an der Spitze mit Aepfeln besteckt und «Zanti-Chlois» genannt, im Obertoggenburg kleiden sich die «Chläuse» in Stechpalmen und Tannreiser, und im Kanton Basel Land vertritt noch heute die Stechpalme in armen Familien den Tannenbaum.
All' dieses Grün um Weihnachten und Neujahr, von dem einfachen Stechpalmenzweig bis zum lichterstrahlenden Tannenbaum, ist natürlich nichts anderes als das Symbol der nach der Wintersonnenwende sich wieder belebenden Vegetation. Eine geringere Rolle spielt in der Schweiz der Weihnachtsblock, d. h. ein grosser Holzklotz, der an unter feierlichen Zeremonien angezündet, nicht aber ganz verbrannt wird, und dessen Kohlen besonders wundertätig und fruchtbarkeitzeugend sind.
Der Brauch ist uns für die Schweiz nur aus dem Kanton Waadt (als «bûche de Noël») bezeugt, während er auswärts sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in England, sowie den skandinavischen und slavischen Ländern findet. Die Weihnachtsspiele, d. h. die dramatische Darstellung der Weihnachtsgeschichte, sind heutzutage unseres Wissens in der Schweiz nicht mehr üblich. Sie waren ausgegangen einerseits von der Rezitation des Festevangeliums und den sich anschliessenden Gesängen, andererseits von dem Aufstellen der «Krippen» in den Kirchen (letzteres ist in Häusern und Kirchen noch heute gebräuchlich).
Den dramatischen Kern bildete die Verkündigung durch die Engel und der Gang der Hirten an die Krippe. Diesem schloss sich bald das Dreikönigsspiel an mit dem Erscheinen des Sterns, dem Zug nach dem Stall von Bethlehem, der Ueberreichung der Gaben etc. Besonderes Weihnachts- bezw. Neujahrsgebäck sind im Freiamt die «Hirzenhörnli» und die Birnwecken, im Kanton Bern Brezeln und Lebkuchen mit einem Bären, in der Waadt die «bricelets», am Zürichsee Brot in Handform, in Stans Lebkuchen in Fischform, im Kanton Schaffhausen «Hutzelbrot» und (namentlich auf Neujahr weit verbreitet) die «Züpfe».
Stephan (26. Dezember). St. Stephan ist der Schutzpatron der Pferde. An diesem Tage wurden im Kanton Luzern die Pferde zum Aderlass in die Schmiede geführt. Ebenda fand auch das Trinken der «Stephansminne» statt: der Wein wurde an diesem Tage gesegnet, und sein Trunk war heilbringend.
Johannes der Evangelist (27. Dezember) ist der eigentliche Tag der Weinweihe. Nach der Legende soll Johannes vergifteten Wein ohne Schaden getrunken haben. «Der Wein wird vom Priester in der Kirche geweiht, der versammelten Gemeinde geboten und dann, wenn von der Gemeinde gespendet, unter die Armen ¶
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verteilt, oder, wenn von den Familien gebracht, wieder mit nach Hause genommen und dort teilweise feierlich getrunken, teilweise aufbewahrt; einige Tropfen davon auch in die Wein- oder Mostfässer gelassen» (Kantone Aargau und St. Gallen).
Am Unschuldigenkindleinstag (28. Dezember) fand im alten Sursee der Umzug des «Heini von Uri" statt, einer Schreckgestalt mit hölzerner Maske und Schellenkappe. Er sammelte Gaben ein, wurde aber dafür von der Jugend mit Rüben beworfen.
David (30. Dezember). Im Zürcher Oberland die sog. «Chrungele-Nacht», «in der Bursche in abenteuerlicher Vermummung von Haus zu Haus ziehn und sich bewirten lassen, auch wohl allerlei Unfug treiben, die Vorübergehenden belästigen, in die Häuser eindringen und in den „Lichtstubeten“ den Spinnerinnen mit Bällen die Spindeln abschlagen oder mit russigen Spindeln die Anwesenden bewerfen. Hie und da bringen auch die Masken selbst Spinnstöcke mit und verwirren den Spinnenden das Werg».
Silvester (31. Dezember). Die auf diesen Tag fallenden Lärmumzüge haben wir schon erwähnt. Die «Niklause» zeigen sich am Silvester in Lenzburg, Herisau, sowie teilweise in den Kantonen Glarus, St. Gallen, Zürich. In Rheinfelden ziehen nachts die «Sebastiansbrüder» um und singen ihr Neujahrslied ab. Der zuletzt Aufstehende wird überall «Silvester» genannt, erhält aber im Kanton Zug einen Eierwecken. Vielfach bleibt man in Gesellschaft beisammen, um sich dann Schlags 12 Uhr zum neuen Jahr zu beglückwünschen. Im Unter Engadin begeben sich die jungen Leute ins Schulhaus, die Mädchen bringen geschwungenen Rahm und «Biscutins» mit, die Knaben Schnaps; so vergnügt man sich bis zum Schluss des Jahres. In Ems (Graubünden) findet an diesem Tage das Verlosen der Mädchen an die Knaben statt.
Abergläubische Handlungen werden in grosser Zahl vorgenommen, besonders wird Ehe-, Glücks- und Todesorakel getrieben.
Neujahr. Nachdem man am Altjahrabend bis 12 Uhr beisammen gesessen hat, beglückwünscht man sich zum neuen Jahr und feiert dasselbe mit einem Trunk (ziemlich allgemein). Das neue Jahr wird «angesungen» (Thurgau). Oft ziehen die Bursche mit einem Neujahrswunsch (Sargans, Prättigau) von Haus zu Haus. Diese Umzüge und das Absingen von Neujahrswünschen waren ehedem weiter verbreitet und meist mit einer Bettelei (um Würste u. dergl.) verbunden. Am Tage gehen die Kinder zu ihren Paten mit Glückwünschen und erhalten von ihnen Geschenke (verbreitet).
Bescheerungen kamen ehedem häufiger an Neujahr als an Weihnacht vor; meist aber bestanden sie nicht in grösseren Geschenken, sondern in Früchten und Gebäck. Sie wurden nach dem Kinderglauben von dem «Neujahrskindli» (oft in Verbindung mit einem Tannenbäumchen) gebracht, der Personifikation des neuen Jahres (Kantone Aargau, Appenzell, Bern, St. Gallen, Zürcher Oberland). In Basel wurden früher grosse Zunftmähler abgehalten, wobei sich die Zünfte gegenseitig mit Viktualien beschenkten.
Damit waren Umzüge mit Trommeln und Pfeifen verbunden, ähnlich wie es in Basel heute auf Aschermittwoch geschieht. Mancherorts wird der Jahreseingang mit Tanz und Lustbarkeit aller Art gefeiert, auch wird vielfach geschossen. Ein merkwürdiger Brauch besteht in einigen Gemeinden des Kantons Aargau. Dort «tragen die Dorfknaben am Silvesterabend Balken auf dem Dorfplatz zusammen, legen lange Bretter hohl darauf, und sowie die Uhr den Anbruch des neuen Jahres verkündet, fangen sie an, aus Leibeskräften auf dieser hergestellten Tenne zu dreschen, dass es weit umher schallt.» Die Bedeutung ist klar: es soll durch die Nachahmung des Dreschens (sog. «Analogiezauber») die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres hervorgerufen werden. Bekannt ist das Ausläuten des alten, bezw. Einläuten des neuen Jahres. Wer am Neujahr zuerst aufsteht, heisst «Stubenfuchs» oder «Fälleli-Lupfer», der letzte «Neujahrskalb oder -kälbli». Neujahrsspeisen bezw. -gebäcke sind: in St. Gallen die Pastete, im Kanton Thurgau und Zürich «Wähen», Birnenbrot, Eierringe;
ferner werden (je nach der Gegend) «Gugelhopf», «Mutschellen», der «Gritti-Benz», «Simmel-Ring», «Schnecken», «Aepfelsturm» u. A. m. gegessen.
Ein besonderes Neujahrsgetränk ist in Basel der «Hippokras» (Gewürzwein),
zu dem «Leckerli» aufgetischt werden. (Der Basler selbst isst Leckerli nur um die Weihnachts- und Neujahrszeit). Aberglauben: Wie das Wetter am Neujahr, so vorwiegend das Jahr durch. Ist die Neujahrsnacht schön, so gibt es viel schwere Geburten (Kanton Appenzell). Morgenröte am Neujahrstage deutet auf Ungewitter und Feuersbrünste oder Krieg (Kantone Luzern und Zürich). Schicksal und Lebensdauer werden ähnlich erforscht wie an Weihnacht. Ferner sind die Begegnungen wichtig. Einer Frauensperson zu begegnen, bedeutet Unglück (Kantone Solothurn, Thurgau und Zürich); dagegen sind Männer oder Kinder von günstiger Vorbedeutung. Das Werg, welches am Neujahrsmorgen noch am Rocken übrig ist, ist untauglich und kann nicht mehr versponnen werden (Kanton Solothurn). Die Gemeinde, in der zuerst das Neujahr geläutet wird, wird zuerst von einem Brandunglück heimgesucht (Mönchaltorf).
Berchtoldstag wird in Zürich und Tegerfelden (Aargau) der 2. Januar genannt, in Frauenfeld der dritte Montag im Januar, im Kanton Luzern der Sonntag nach Dreikönigen; die mundartliche Form ist «Berchteli(s)-, Herteli- oder Berzeli-Tag». Diese Benennungen gehen auf eine Grundform «Berchtelens-Tag» zurück, d. i. Tag, an dem man «berchtelt» (sich gütlich tut),
und dieses «berchtelen» verdankt seinerseits wieder seinen Ursprung dem «Berchtentag», mit dem schon im 14. Jahrhundert der 2. Januar, ein Tag ausgelassener Festfreude, bezeichnet wurde. Weit bekannt ist der «Berchtelistag» von Zürich. «Die Sammlungen des zoologischen Museums, das Zeughaus, die Stadtbibliothek sind den Kindern geöffnet, und sie nehmen an verschiedenen Orten die sogenannten „Neujahrsstücke“ (Neujahrsblätter) in Empfang. Dabei bringen sie Geldgeschenke mit, welche den Namen „Stubenhitzen“ führen, da sie ursprünglich einen Beitrag an die Heizung der Zunftstuben bildeten, Andere durchziehen kostümiert die Strassen und sprechen mit dem Rufe „Batz! Batz!“ die Vorübergehenden um Gaben an. Im zweiten Teile des Tages treten die Männer hervor. An reichlicher Mittagstafel wetteifern, gesondert voneinander in ihrem Gesellschaftshäusern, zwei Gesellschaften miteinander in Geistesspielen aller Art, die antiquarische und die Kunstgesellschaft. Der Abend des Tages wird überall zu geselligen Vergnügungen benutzt. Es finden hie und da Bälle statt, und nicht selten ist es, dass das Morgengrauen erst die Zechenden und lustigen Gesellschaften auseinandertreibt». In Tegerfelden zog die «Berchtelisgesellschaft», als Rebleute verkleidet, um und führte vor den Häusern der bemittelten Einwohner einen Zunfttanz auf.
Dafür wurden den Tänzern die «Stitzen» (zinnerne Deckelkrüge) überall mit Wein gefüllt, den sie dann wieder den Aermern schenkten. Zum Schlusse sangen sie ihrem eigens versammelten Gemeinderate noch das Neujahr an und überreichten einen gewaltigen «Eierring». Als Ehrengabe erhielten sie einen halben Saum Gemeindewein. Dieser wurde abends gemeinschaftlich verzecht, und jeder Bursche liess dazu seine Tänzerin durch einen Abgeordneten unter mancherlei Artigkeiten ins Wirtshaus herüberholen (nach Rochholz). In Würenlos (Aargau) erschienen noch vor kurzem am Berchtoldstage Nachmittags die Schulkinder ohne Schultasche; dafür brachten sie gefüllte Familienflaschen, Neujahrswecken und Nüsse mit sich, überreichten dem Lehrer ihre Geschenke und luden ihn ein, mit ihnen zu «bächtelen». Die Kinder einer Familie setzten sich zusammen zur fröhlichen Mahlzeit, tranken ihren Wein oder Most in der Schulbank, knackten ihre Nüsse und sangen ihre Liedchen. Grosse Mähler fanden auch in Luzern statt, Vermummungen ausser in Zürich noch im Thurgau («Appels-Narr»). In Frauenfeld wird mit besonderen Peitschen geknallt, ebenda werden zwischen der Jungmannschaft Kämpfe ausgefochten.
Zum Schluss sei ein Brauch aus Stammheim erwähnt, der aber seit einigen Dezennien eingegangen ist, nämlich die «Berchtoldstagfahrten»: reiche Bürger oder die Gemeindebehörden bezeichneten den Jünglingen an schwer zugänglicher Stelle einen Waldbaum, den sie am Berchtoldstag auf einem von ihnen selbst gezogenen Wagen mit Fuhrmann und Trommler luden und ins Dorf führten, wo dann nachts im Gemeindehause ein Gastmahl (oft mit Schauspiel) stattfand. Der Pfarrer ¶
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musste dazu den sog. Herrenweggen spenden. Der Brauch gehört in die Kategorie der Tannenfuhr oder des Blockziehens, eines altehrwürdigen Fruchtbarkeitssymbols, das von England bis nach Dalmatien vorkommt und auch in der Schweiz in verschiedenen Gegenden (Kantone Appenzell, St. Gallen, Zürich und Bern) und an verschiedenen Daten nachweisbar ist. Für Appenzell differieren die Angaben etwas. Nach G. Rüsch findet das «Blockfest» im Hinterland stets am Donatustag (17. Februar) statt. Vormittags wird der Stamm auf den Wagen geladen. «Nach dem Essen wird dann der mit Tannreisern, Waldblumen und hänfenen Guirlanden bekränzte Wagen im Triumph durch das Dorf gezogen. Ein Mann und ein Weib in alter Schweizertracht, mit Glocken behangen, schreiten der Prozession voran, auf dem Blocke sitzt der Leiter des Festes.» Laut J. K. Zellweger und T. Tobler fiel das Blockfest auf Montag nach Invocavit, der deshalb «Block-Mentig» hiess. Auch sind es hier mehrere «Sägeblöcke», die man auf Schlitten in die Sägemühle führte. Nachher tat man sich aus dem Erlös im Wirtshaus gütlich. Im Kanton Bern vollzog sich der Akt meist etwas pomphafter. So schlossen sich z. B. in Seedorf bei Aarberg dem Zuge einige Kostümierte aus der Geschichte Tells an, die hernach ein Volksschauspiel aufführten. Aehnlich im Kanton St. Gallen.
Dreikönige oder Epiphanias (6. Januar) war von jeher ein Volkstag. Verbreitet ist das Absingen von Dreikönigsliedern (das aber, wie wir bereits gesehen, teilweise auch schon auf die Weihnachtszeit fiel). Ursprünglich waren die Hauptpersonen des Umzuges drei Knaben (früher auch Erwachsene) mit weissen Hemden über den Kleidern und Papierkronen auf dem Kopfe, der Mohrenkönig (Melchior) oft geschwärzt. Sie führen gewöhnlich einen drehbaren Transparentstern mit sich und singen Lieder ab, in denen meist eine Bettelei eingeflochten ist.
Die verabreichten Gaben bestehen in Geld, Aepfeln, Nüssen u. dergl. In Kerns erscheinen die drei Könige auch im Gottesdienst und der kirchlichen Prozession. Von den Dreikönigsspielen und den Lärmumzügen haben wir schon gesprochen. Im Unter Engadin fällt auch das Auslosen der Mädchen an ihre Burschen auf diesen Tag, ferner an manchen Orten (z. B. Unter Engadin und Kanton Glarus) Tanz und sonstige Lustbarkeiten. Mit den Dreikönigen ist mancher Volksglauben verknüpft. Man schreibt die Anfangsbuchstaben ihrer Namen (K. M. B.) mit geweihter Kreide über die Türen der Häuser und Ställe zum Schutz gegen Hexen oder sonstige schlimme Einflüsse (Aargau, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Graubünden, Glarus); man segnet auf ihren Tag Salz, Wasser und Weihrauch (Graubünden, Luzern, Glarus); man schöpft Wasser, das nicht schlecht wird (früher im Kanton Zürich). Im Unter Engadin suchen die jungen Mädchen ihr Schicksal zu erfahren, indem sie ihren rechten Schuh gegen den Kirchturm schleudern; schaut dann die Spitze gegen den Kirchturm, so stirbt das Mädchen im kommenden Jahre, andernfalls zeigt die Spitze die Richtung an, in welcher der zukünftige Ehemann wohnt. Im aargauischen Badenbiet hoffen die Kinder beim Kirchläuten die hl. Drei Könige zu erblicken.
Auf Fastnacht ist eine grosse Zahl von Frühlingsbräuchen gefallen, die ehedem an andern Daten mögen gefeiert worden sein. Die christliche Institution der vierzigtägigen Fasten mag der Hauptgrund gewesen sein, dass man die Festlichkeiten möglichst kurz vor den Beginn dieser langen Zeit der Entbehrungen verlegte.
Altheidnisches, Römisches, Mittelalterlich-Weltliches und Christliches finden sich in den verschiedenen Fastnachtsbräuchen vereinigt.
Der Beginn der Fastnacht fällt in katholischen Gegenden meist auf den 7. Januar, der Schluss auf Dienstag vor Aschermittwoch; doch konzentrieren sich die Hauptvergnügungen gewöhnlich auf bestimmte Tage: auf die drei Donnerstage vor Aschermittwoch, auf den «schmutzigen Donnerstag» (Donnerstag vor Estomihi),
die «Herrenfastnacht» (Sonntag Estomihi),
den «Güdis-Montag» (Montag vor Aschermittwoch) und den «Fastnachts-Dienstag». Nur für ganz bestimmte Sitten gelten der «Funken-Sonntag» bezw. die «Bauern- oder alte Fastnacht» (Sonntag Invocavit) und der «Hirsmontag» (Montag nach Invocavit). In Basel Stadt sind die Fastnachtstage Montag, Dienstag und Mittwoch nach Invocavit, also in den Fasten, was wohl aus ehemaligem Antagonismus gegen die Katholiken sich erklären lässt.
Die Grundstimmung an Fastnacht ist eine bis zur Ausgelassenheit gesteigerte Fröhlichkeit, die sich angesichts der kommenden Fasten nun noch recht austoben will. Daher Gelage, Spiel, Tanz und mannigfache geschlechtliche Ausschweifungen schon in frühern Jahrhunderten. In Basel sah sich sogar die Obrigkeit gezwungen, gegen die Unsitte, Leute mit Gewalt in Wirtshäuser zu schleppen, einzuschreiten. Von offiziellen Gastmählern seien genannt die Mähler der drei Basler Zünfte zum Schlüssel, Bären und zur Safran an Aschermittwoch, verschiedene Zunftessen in Schaffhausen und Rapperswil, das Meisterschaftsessen in Zug u. a. m. Daneben kommen Regalierungen teils von Standespersonen, teils von Angestellten vor.
Auch nicht zünftige und nicht offizielle Mähler werden vielfach an Fastnacht abgehalten; wir erinnern an den «Häfeli-Abend» in Graubünden, den letzten Tanzabend vor den Fasten, zu dem die Frauen die Speisen selbst in Töpfen mitbringen; nicht zu gedenken der Unzahl von mehr oder weniger üppigen Mählern, die in einzelnen Familien oder Freundeskreisen vor Fastnacht abgehalten werden. In Luzern und Rapperswil wurden früher auch die Schulkinder an diesen Tagen regaliert. Ein Brauch, der jetzt völlig eingegangen ist, waren die Besuche der eidgenössischen Orte unter sich. Freilich kamen auch solche auf den Herbst (die Kirchweih) vor, doch besonders gern auf Fastnacht. Oft sind die Einladungen hiezu und die Antworten in köstlich humoristischem Tone gehalten. Zeitgenössische Berichte und Rechnungen zeigen uns, dass bei solchen Anlässen schwere Mengen von Getränken und Speisen verzehrt wurden.
In noch älterer Zeit, wo die ritterlichen Spiele mehr im Schwange waren, wurden Turniere mit Vorliebe in diesen Tagen abgehalten. Traurig berühmt ist das 1376 zu Basel abgehaltene Turnier geworden, die sog. «böse Fastnacht» (vergl. darüber Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. I, 1907. Seite 295). Als eine Art Turnierkampf mag das Fischerstechen in Estavayer genannt werden.
Bälle und Tanzvergnügungen aller Art wurden von jeher an Fastnacht veranstaltet. Wir brauchen hierauf nicht im besondern hinzuweisen.
Interessanter und charakteristischer sind die Tänze und Umzüge gewisser Zünfte, namentlich der Metzger und Küfer. Berühmt ist der Metzgerumzug im alten Zürich (die sog. «Metzgerbraut») mit einem Löwenkopf (dem «Isengrind») und einem Brautpaar, das unter bestimmten Zeremonien in einen Brunnen geworfen wird; daneben Vermummte mit Schellen, Kuhglocken, Kuhschwänzen u. A. m. Dieser Umzug, der, nach den analogen Fällen zu schliessen, früher offenbar ein tanzartiges Gepräge hatte, wurde im Jahre 1728 aufgehoben und der «Isengrind» jeweilen an Fastnacht auf der Zunft zum Widder neben einer Bärenhaut unter das offene Fenster gestellt. Auch in Bern und Luzern haben solche Metzgerumzüge bezw. -tänze bestanden. Analog die Küfertänze in Basel, Bern und Genf, die aber, mit Ausnahme von Basel, nicht speziell an die Fastnacht gebunden sind, sondern überhaupt auf das Frühjahr fallen.
Ein anderer Brauch, der ohne Zweifel als Fruchtbarkeitszauber aufgefasst werden muss, ist der Umzug mit Pflug, Trottbaum oder Egge, wie er früher auch in der Schweiz üblich war und noch heute in andern Ländern nicht selten vorkommt.
Dazu steht in naher Beziehung, weil ebenfalls auf die Fruchtbarkeit hindeutend, das Benetzen mit Wasser oder Eintauchen in Wasser, das früher ziemlich verbreitet, heute nur noch in Verbindung mit einzelnen Fastnachtsgestalten gebräuchlich ist. In alter Zeit mussten die Behörden immer und immer wieder sich gegen das Werfen in Brunnen oder Bäche wenden. Es hatte dieser Brauch die selbe Bedeutung, wie das Bespritzen der Mädchen in Altstätten (St. Gallen).
Ein wesentlicher Bestandteil der älteren Fastnachtslustbarkeiten waren ferner die Fastnachtsspiele, die an grösseren und kleineren Orten der Schweiz mit besonderer Vorliebe aufgeführt wurden. Sie haben ihren ursprünglichen Charakter heute verloren, wenn wir etwa ¶