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Ortasee gelegenen Massive, die batholithische Intrusivmassen enthalten und keine starken Dislokationen erlitten haben. Die krystallinen Felsmassen Graubündens endlich haben ausschliesslich fremden, «nomadischen» Ursprung, indem sie infolge von Dislokationen von weither, d. h. wahrscheinlich aus einem südlich der Zone von Ivrea gelegenen Gebiet her an ihre heutige Stelle transportiert worden sind. Wir werden bei der Besprechung der Graubündner Kalkalpen auf diesen Punkt noch näher zurückkommen.
II. Südliche Kalkalpen.
Theoretisch sollten die Alpen, als ein unter einem seitlichen Druck senkrecht in die Höhe getürmtes Faltenbündel betrachtet, symmetrischen Bau aufweisen, und zwar derart, dass sich der krystallinen Zentralzone beiderseits ein je gleich breiter Gürtel von Sedimenten anreihen würde. Diese Annahme wurde früher fast allgemein verfochten. Wir haben aber schon aus der tektonischen Natur der südlichen krystallinen Gebiete ersehen, dass dies nicht der Fall ist, indem im ganzen tektonischen Bild der Alpen eine in der Hauptsache von Süden nach Norden wirkende Druckbewegung vorherrscht. Es wurden dadurch ungeheure Sedimentmassen mit ebensovielen krystallinen Gesteinsschuppen gegen Norden geschleppt, während der eigentliche Alpenrand im Süden stark reduziert erscheint, und dies um so mehr, als ein grosser Teil dieses Randes unter den Alluvionen der lombardischen und der piemontesischen Ebene begraben liegt. Es geht aus diesen Ausführungen also hervor, dass die tektonische Struktur der Alpen keine symmetrische ist.
Immerhin schiebt sich eine ziemlich gut entwickelte mesozoische und tertiäre Randzone zwischen den Ortasee, wo sie nur sehr schmal ist, und den Gardasee, wo sie bereits über 40 km Breite misst, ein. Wie es die Formationstabelle zeigt, unterscheidet sich aber diese südliche Kalkalpenzone sehr stark von den nördlichen Kalkalpen. Auch die Dislokationserscheinungen sind hüben und drüben durchaus nicht die gleichen. Hier im Süden findet man verhältnismässig wenig intensive Faltung mit Brüchen und einigen Ueberschiebungen und erscheinen nahe den Sedimentschichten eruptive Decken und Tuffe von Quarzporphyr und Porphyriten vortriadischen, d. h. wahrscheinlich permischen oder karbonischen Alters.
Die Hauptmasse besteht aus triadischen Schichtgliedern in ostalpiner Fazies, während nach Süden zunächst eine Zone von Jura- und Kreidegesteinen und dann ein Randgürtel von Mergeln, Sandsteinen und Nagelfluh folgt, der der Molassebildung am Nordfuss der Alpen entspricht. Das einzige noch der Schweiz angehörende Glied dieser südlichen Kalkalpen befindet sich in der Nähe des Luganersees und umfasst die Gruppe der Brianza zwischen dem Luganersee und dem Arm von Lecco des Comersees, den Bergzug Monte San Salvatore-Monte Arbostora und den Monte di Meride.
III. Zentrale Glanzschieferzone.
Wir haben bereits gesehen, dass die Gneise des Wallis und des Tessin auf eine Breite von manchen Kilometern einem mesozoischen (triadischen und jurassischen) Schichtenkomplex von eigenartiger Fazies auflagern. Es ist dies die Zone der Glanzschiefer. Zwischen den Hohen Kalkalpen und den Gneisen des Wallis und des Tessin, sowie im ganzen nördl. Graubünden liegt eine ausgedehnte Masse von Kalk- und Tonschiefern jurassischen Alters, die man (nach ihren glänzenden Blättern) Glanzschiefer, Bündnerschiefer oder auch einfach graue Schiefer nennt.
Sie setzen sich zusammen mit den sie begleitenden Triasgliedern unter die Gneisplatten des Wallis und des Tessin, sowie unter die Bündner Massive fort, was durch den Bau des Simplontunnels direkt bewiesen werden konnte. Ueberall finden sich unter den Gneisen und zwischen allen einzelnen Gneislagen die stets von triadischen Gesteinen begleiteten Glanzschiefer. Dieses Gebiet von sehr einförmigen Schiefern erscheint also als eine zentrale oder doch wenigstens stark ins Innere des Gebirges gerückte Depressionszone, die in den Westalpen zwischen den Zonen des Briançonnais und des Grand Paradis beginnt und in nahezu gleichförmiger Art der Ausbildung bis zum Fuss des Rätikon sich hinzieht, wo sie eintaucht, um sich dann in der Tiefe unten den Ostalpen durch weiter fortzusetzen, wie dies durch ihr Vorkommen in der Thalsohle des Unter Engadin bewiesen wird. Es war somit ursprünglich mitten in der Alpenkette eine langgestreckte Senke vorhanden, die beiderseits von einer Faltenzone begleitet wurde.
Diese von einer eigenartigen Sedimentärfazies des Jurasystems ausgefüllte Depression bildete dank ihrer Breite und ihrer ganz beträchtlichen Länge eine wahre Geosynklinale, d. h. eine grosse Mulde, und befand sich an derselben Stelle, wo heute die höchsten Alpengipfel in die Lüfte aufragen. Die Umwandlung dieser Senke in ein Gebirge erfolgte nun aber nicht durch Auffaltung der Synklinale selbst, sondern dadurch, dass die ehemals ihren Südrand begleitenden Falten über sie hinüber geschoben wurden, sie damit ausfüllten und sich durch vielfach wiederholtes Auf- und Uebereinanderlegen zu der heutigen kulminierenden Kette des Alpengebirges emportürmten.
Die richtige Erklärung der Rolle, die diese bemerkenswerte mediane Schieferzone der Alpen ursprünglich gespielt hat, ist erst nach jahrelangen Untersuchungen und zahlreichen eingehenden Einzelbeobachtungen in allen Teilen der Alpen gelungen. Dass die Schieferzone in Graubünden heute noch einen so breiten Raum ausfüllt, ist eine Folge der in diesem Gebiet nicht wie anderswo gleich vollständigen Ueberschiebung durch die vom Südrand der Alpen herkommenden Falten.
IV. Nördliche Kalkalpen mit helvetischer Fazies.
Von der Dent Blanche und den Dents du Midi im Südwestwinkel der Schweiz bis zum Ende des Säntisgebirges und noch weiterhin über den Rhein bis ins Vorarlberg hinein erstreckt sich eine ununterbrochene Folge von in Form von weiten Schlingen übereinandergelegten liegenden Falten, die aus mesozoischen (Trias, Jura, Kreide) und frühtertiären (stellenweise aber auch noch aus permischkarbonischen) Schichten aufgebaut sind. Das schönste Beispiel für diese Erscheinung bietet die Glarnerfalte, die lange Zeit als eine doppelte Falte (die sog. Glarner Doppelfalte) aufgefasst wurde, d. h. als zwei liegende Falten, die von unten nach oben in der Richtung S.-N., bezw. N.-S. gegeneinander geschoben worden seien.
Ihre Spannweite zwischen Bonaduz im Vorderrheinthal und dem Säntis beträgt mehr als 40 km. Aehnliche Falten (mit aber im allgemeinen geringeren Spannweiten), die sich gegenseitig ablösen oder auch aufeinanderschieben, treffen wir nun von einem Ende unseres Landes bis zum andern. Das Studium ihres Aufbaues und des gänzlich eigenartigen In- und Uebereinandergreifens der verschiedenen Schichtglieder ist ausserordentlich lehrreich. Man unterscheidet folgende Hauptfalten:
1. Falte der Denis du Midi. Sie umfasst mindestens vier fingerförmige Lappen, die alle einer grossen liegenden Falte angehören. Diese grosse Falte von wenigstens 10 km Spannweite entsteht aus der Reduktion oder Konzentration von mindestens 6 einzelnen Falten, deren Wurzeln am Mont Joly (Nordflanke des Mont Blancmassives) liegen und die von da - in horizontaler Richtung gemessen - bis zu 40 km weit nach Norden geschoben worden sind, um die Kämme der Alpen von Annecy zu bilden. An den Dents du Midi lassen sich blos noch 3 oder 4 dieser Einzelfalten unterscheiden, weil die übrigen sich vermutlich in der Tiefe verflacht ¶
Geotektonische Karte der SCHWEIZ
Lief. 185.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 0’ O; 47° 0’ N; 1:1300000]
Geotektonische Karte der SCHWEIZ
von Dr. H. Schardt
░ Miozän | = Antiklinalen |
░ Nagelfluh | w Synklinalen |
▒ Flysch u. Nummulitenf. | - Querverschiebungen u. Verwerfungen |
▒ Flyschbreccie | u. Verwerfungen |
▓ Exotische Blöcke | . Formationsgrenzen |
▓ Helv.-jurass. Fazies | x Deckfaltenränder |
▐ Austroalp. Facies | _ Ueberschiebungsränder |
░ Glanzschieferfazies | . Deckschollen, Klippen |
░ Karbon, Trias bis Tertiär | . Fenster |
▒ Gneis u. Granit | . Mutmassliche Verbind. der Gneisdecken |
▒ Eruptivgesteine | |
▓ Amphibolit, Diorit, Gabbro |
MCE. BOREL & CIE.
V. Attinger sc. ¶
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haben. Die Fortsetzung der Dents du Midi, nämlich die jenseits des Rhonethales stehenden Dents de Morcles, weist neben einigen oberflächlichen Faltenbiegungen nur noch einen einzigen, unbedeutenden Ausläufer der grossen Falte auf, welcher hier auf 5 km Weite eingeengt ist und nun vollständig unter die Wand der Diablerets, oder mit andern Worten unter eine am Rand des Rhonethales und längs dem Thal der Lizerne aufsteigende neue Falte eintaucht. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Vereinfachung und die zunehmende Reduktion der Spannweite dieser Falte sich auch noch weiterhin fortsetzt, so dass die Falte weiter ostwärts allmählig erlischt.
2. Falte der Diablerets. Sie kann zwischen dem Mont Bas (Kontakt des Triaskernes mit dem Nummulitenkalk) und den Rochers du Vent längs dem Pas de Cheville sehr schön beobachtet werden und erscheint als eine Kuppel, die einen zwischen sie und die Falte der Dents de Morcles eingeklemmten Fetzen von Neokom mit Klippenfazies überlagert, wovon später noch die Rede sein wird. Ihre Front taucht gegen Norden ein, während sich ihr Rücken südwärts zum Rhonethal senkt.
3. Wildhorn-Wildstrubelfalte. Steigt vom rechtsseitigen Rand des Rhonethales oberhalb Conthey auf und überdeckt den Dom der Diableretsfalte gleich einem Mantel, dessen vorderer Saum zwischen der Trias des Col du Pillon und dem Taveyannazsandstein des Creux de Champ untertaucht. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Diableretsfalte gleichwie die Falte der Dents du Midi nach Osten zu verschmälert und auskeilt, da von nun an einzig die Wildhorn-Wildstrubelfalte sich weiter entwickelt.
Sie baut neben verschiedenen kleineren Faltenbiegungen, die ihren Rücken wellenförmig aufbiegen, die gesamte Wildhornkette auf und setzt sich bis zum Wildstrubel, Steghorn und Lohner fort, wo sie einen andern Charakter erhält, indem sich ihre Schichten aufrichten und dem unter ihnen auftauchenden krystallinen Aarmassiv Platz machen, das dann die sedimentäre Decke am Lötschenpass endgiltig durchsticht. Die bis jetzt besprochenen Falten haben im Vergleich zu ihrer infolge der Auswalzung des Mittelschenkels verhältnismässig sehr schwachen Mächtigkeit oder Dicke eine derart weite Spannung - in horizontaler Projektion gemessen 14-15 km -, dass man sie mit vollem Recht als Deckfalten oder Faltendecken bezeichnet.
4. Falte des Mont Bonvin. Oberhalb Sitten sieht man längs der Combe d'Arbaz eine vierte Falte auftauchen, die noch weit mehr als die vorhergehenden den Namen einer Deckfalte verdient, da ihr die Merkmale einer liegenden Falte - Gewölbeschenkel mit regelmässiger Schichtreihe und oft ausgewalzter verkehrter Mittelschenkel, der direkt auf einer tertiären Unterlage ruht - fast gänzlich abgehen. Während die früher genannten Falten auf der Südseite der Ketten aus Juraschichten und auf der Nordseite aus Neokom mit Nummulitenkalk bestehen, sieht man hier im Hängenden blos noch Jurakalke (Dogger, Argovien-Divésien, Malm) in unregelmässig zerrissenen Schichtfetzen und teils in normaler, teils in verkehrter Reihenfolge der einzelnen Schichtglieder auftreten.
Diese Deckfalte weist also keinen so einheitlichen Zusammenhang wie die vorhergehenden auf, sondern löst sich in vereinzelte Schichtenpakete auf, die überall auf Nummulitenkalk ruhende Juragipfel bilden, wie z. B. den Sex Rouge, das Rawilhorn (oder Sex des Eaux Froides), den Mont Tubang, den Sex du Bonvin. Auf dem Scheitelplateau zeigt diese Decke unter dem Glacier de la Plaine Morte eine Jurakalkplatte und auf der Nordseite mehrere isolierte «Zeugen», wie den Rohrbachstein und das Laufbodenhorn. Diese auseinandergerissene und gequälte Falte verknüpft sich weiterhin mit dem Innenrand der Zone der Präalpen (vergl. weiter unten). Ihre letzten Ueberreste lassen sich bis zum Trubelnpass hin verfolgen.
5. Fortsetzung der Wildstrubelfalte bis zu den Glarner Alpen. Die Wildhorn-Wildstrubelfalte setzt sich bis zum Lohner fort und verknüpft sich an diesem Gipfel mit der Decke der Kienthaler Berge, der Schwalmeren und des Faulhorns. Dieses ganze Gebiet bildet eine gut ausgeprägte Faltendecke, da das als Unterlage dienende Tertiär auch hinter der Decke an der Stelle sich findet, wo das Auftauchen des Aarmassives die sedimentäre Hülle auseinandergerissen und überkippt hat.
Die Spuren dieser Tertiärzone können von Nusey oberhalb Siders über den Trubelnpass, längs der ganzen Passsenke der Gemmi (die ihr wahrscheinlich ihre Entstehung verdankt), über Kandersteg, das Oeschinenthal und Hohtürli bis ins Sefinenthal (Mürren) verfolgt werden, zeigen sich auch an den Flanken der Jungfrau und des Mönch, ziehen über Grindelwald und die Scheidegg bis ins Aarethal, gehen das Genthal aufwärts, am Fuss des Titlis (Lauberngrat) vorbei und setzen sich durch das Gitschenthal bis nach Flüelen fort, wo sie sich mit der die Unterlage der grossen Glarnerdecke bildenden Flyschzone Schächenthal-Linththal-Elm-Ragaz verbinden. Es ruhen somit alle Jura- und Kreidekalkketten nördlich dieser Tertiärzone ohne Wurzeln nach unten einem tertiären Grundgebirge auf und bilden gleichsam eine infolge einer ungeheuern Rutschung auf weit jüngere Schichten überkippte sedimentäre Masse.
Man kann sich auch so ausdrücken, dass die gleiche Deckfalte vom Wildhorn-Wildstrubel bis zur grossen Glarnerdecke reicht, indem sie in der Richtung gegen den Rhein hin allmählig immer breiter wird. Doch liegt die Sache nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheinen möchte. Die dieser ungeheuern Decke, deren Breite in den Unterwaldner Alpen nahezu 30 km erreicht und in den Glarneralpen (von Tamins bis Stein im Toggenburg) mehr als 40 km beträgt, angehörenden Bergmassen weisen, rein äusserlich betrachtet, ganz den Charakter eines einfachen Faltengebirges auf, wie es etwa der Jura ist. (Eine Ausnahme machen nur die Gebiete, wo der zur tertiären Unterlage gehörende Flysch auf weite Strecken hin offen zu Tage liegt, wie z. B. im Linth- und im Sernfthal).
Auch hier in dieser wurzellosen Zone sieht man Reihen von Falten, die von ihren Nachbarn gut geschiedene Einzelketten bilden. Dies erklärt sich daraus, dass sich die gegen Norden überschobene Decke selbst wieder gefaltet hat. Diese Eigenfaltung betraf allerdings blos den Gewölbeschenkel, während der verkehrte Mittelschenkel sich überall gleichförmig der Ueberschiebungsfläche, die in gewissen Fällen eine reine Rutschfläche war, anpasste. Die Decke ist des fernere gelappt, indem sie sich jedesmal, wenn sie bei ihrer Vorwärtsbewegung auf ein Hindernis, z. B. auf eine grössere Masse miozäner Gebilde stiess, derart verdoppelte, dass sich eine obere überliegende Falte bildete (vergl. das Diagramm S. 664). So sieht man im Gebiet zwischen dem Brienzersee und dem Linththal unter dem Rücken der überkippten Decke drei Einfaltungen, die gegen Nordosten allmählig erlöschen.
Das Vorhandensein dieser drei Einfaltungen oder Lappen fällt zugleich mit einer beträchtlichen Verschmälerung der grossen Faltendecke zusammen. Da die lappenförmigen Einfaltungen sich horizontal in die Breite entwickeln, kann man im Nordosten der Decke ein bemerkenswertes Ausspringen derselben gegen Nordwesten beobachten. Die Ansätze oder Abbiegungen dieser Lappen oder Verzweigungen können sehr gut gesehen werden: a) längs der Linie Näfels-Deyenalp-Klönthal-Pragel-Muotathal- Riemenstalden-Sisikon-Isenthal-Schoneggpass-Grafenort; b) längs dem Sulzthal-Obersee (oberhalb Näfels); c) längs dem Wäggithal.
Ganz offenkundig erscheinen die durch diese Lappen vertretenen Schichtenreihen an der prachtvollen Glärnischpyramide, die aus den vier übereinander gelagerten überliegenden Falten herausgeschnitten ist. Sogar die untere Decke teilt sich noch in mehrere sehr verwickelte Schuppen, so dass man in diesem östlichen Abschnitt der Schweizer Alpen nicht weniger als fünf Decken oder Lappen unterscheiden kann, von denen zwei von sehr bedeutender Weite sind. Diese Falten tauchen zuweilen, wie bei den Diablerets, ihre Stirnpartie in die tertiären Schichten des Grundgebirges ein, während sie andernorts gleich dem den Kopfsprung machenden und mit dem Kopf wieder an die Oberfläche kommenden Taucher eine Kurve beschreiben und neuerdings in die Höhe steigen.
Solche Tauchdecken mit aufbrandender Stirnregion sind z. B. die Ketten des Sigriswilergrates, der Schrattenfluh, des Pilatus, der Rigi Hochfluh, des Grossen und Kleinen Aubrig, des Mattstocks und des Säntis (vergl. die Profile). Sie können entweder einfache Ueberfaltungsdecken (Schrattenfluh) oder dann selbst wieder stark gefaltet sein, wie z. B. am Pilatus und Säntis, welch' letzterer bis zu sechs einzig und allein nur Kreideschichten in Mitleidenschaft ziehende Einzelfalten aufweist. Die ganze Erscheinung gleicht einer vom zurückgebliebenen jurassischen ¶
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Kern losgelösten Kreidehaut, die sich unabhängig von diesem Kern und wohl infolge eines wirklichen Abrutschens und Schubes nach der ersten Faltenbildung gerunzelt hat.
Der Glarner Abschnitt der grossen sedimentären Ueberfaltungsdecke erreicht seine ungeheure Spannweite von nahezu 45 km deshalb, weil hier der ganze permisch-karbonische Schichtenkomplex des Verrucano mitgerissen worden ist, welcher Fall sich bei keiner der Walliser Decken ereignete. Diese Glarnerdecke bildet einen Bogen oder Dorn, dessen Wurzelregion sich im Bündner Rheinthal und dessen Stirnregion sich nördlich der Kette der Churfirsten befindet. Verschiedene Einzelfaltungen tragen ferner noch zur weitern Komplikation bei. In dem den Faulenstock bildenden Verrucanokern unterscheidet man drei verschiedene Schuppen, die beweisen, dass die ganze Decke drei Lappen oder Teilfalten aufweist, von denen die obere aus Jurakalken besteht und den Mürtschenstock aufbaut. Die Kontaktfläche mit der zickzackförmig gefalteten Flyschunterlage erscheint meist als prachtvolle Rutschfläche, über der in stark reduzierter Mächtigkeit die Reste des zerquetschten und ausgewalzten Mittelschenkels liegen.
6. Vergleich der Ueberfaltungsdecken der Berner Kalkalpen mit den Glarner Verzweigungen.
Man darf zwischen den tiefern Ueberfaltungsdecken der hohen Kalkalpen der Westschweiz und denen der Glarner Region wohl kaum einen direkten Zusammenhang annehmen, obwohl sie sich gegenseitig in umgekehrtem Sinn entwickeln. Vom Rhonethal an sieht man nämlich die der Reihe nach von der Wurzelzone abzweigenden Decken in der Richtung von Westen nach Osten sich gegenseitig überfallen, bis längs dem Brienzersee blos noch eine einzige Decke sichtbar bleibt. Das Umgekehrte tritt darauf von Grafenort an ein, indem sich unter der eine gefaltete Oberfläche aufweisenden einheitlichen Decke neue Lappen oder Verzweigungen zeigen, die alle bald wieder verschwinden, weil sie entweder von der Erosion zerstört wurden oder - was wahrscheinlicher ist - einfach der Reihe nach erlöschen.
Soll man nun einen Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Decken annehmen? Sind die Falten, die in der Berner Kette einander überdecken, die nämlichen wie diejenigen, die zwischen Grafenort und dem Linththal der Reihe nach wieder unter der obern Decke emportauchen? Wir glauben es nicht. Es warnen uns vor dieser Annahme namentlich die in der Kette der Dents du Midi auf kurze Entfernungen hin sich zeigenden Schwankungen in der Amplitude gewisser dieser Verzweigungen (z. B. völliges Verschwinden der Synklinale zwischen der Falte der Dents Blanches und Bossetan).
Des fernern wurzeln die Falten der Kette Dents de Morcles-Diablerets im Rhonethal, während diejenigen der Glarnerzone offenkundig blosse Verzweigungen einer grossen Ueberfaltungsdecke sind. Es können sich somit die beiderseitigen Erscheinungen nicht entsprechen. Und selbst dann, wenn dies noch möglich erscheinen könnte, sollte man in der Aufstellung einer solchen Homologie vorsichtig sein, da die Entfernung zwischen dem Thal der Ormonts und dem Engelbergerthal mehr als 100 km beträgt und eine Konstanz der tektonischen Formen auf eine solch' weite Strecke hin kaum wahrscheinlich ist.
I. Südostrand des schweizerischen Molassebeckens;
II. Aeussere Klippenzone (Deckschollen und Schuppen mit schiefrigem Flysch), der Satteldecke (VII) entsprechend;
III. Zone des Gurnigelflysch, der Zone des Niesenflysch (VI) entsprechend;
IV. Aeussere Zone der mittleren Voralpen, mit vollständiger Schichtenreihe;
V. Innere Zone der mittleren Voralpen, mit reduziertem Dogger (Mytilusschichten), sowie ohne Lias und Neokom;
VI. Zone des Niesenflysch, der Zone des Gurnigelflysch (III) entsprechend;
VII. Sattelzone (oder Passzone) mit Klippen (Deckschollen und Schuppen mit schiefrigem Flysch), der Aeussern Klippenzone (II) entsprechend; VIII. Gebiet der überschobenen Hornfluhdecke, auf V. und VI. liegend;
IX. Hochalpen mit helvetischer Fazies: 1. Falte der Dent de Morcles; 2. Falte der Diablerets; 3. Falte des Wildhorns. Ueber 3 liegt die südl. Fortsetzung der Satteldecke (II und VII), welche die Laufbodenhorn-Scholle bildet.
gl. Glazialschutt;
mi. Miozän;
mn. Miozäne Nagelfluh;
mr. Rote Molasse (Oligozän);
Ef. Flysch, Et. Taveyannazsandstein;
En. Nummulitenkalk;
Cr. Obere Kreide (Couches rouges);
Cu. Urgon (inkl. Aptien);
Cn, Ci. Untere Kreide (Neokom);
Ms. Oberer Malm;
Mi. Unterer Malin (Oxford-Argovien);
D. Dogger (Dz. Dogger mit Zoophycos; Dm. Dogger mit Mytilus = Litoralfazies);
Ls. Oberer Lias;
Li. Unterer Lias;
Rh. Rät;
Td. Trias (Dolomit und schwarze Kalke);
Tr. Rauhwacke der Trias;
Tg. Gips der Trias;
Jh. Hornfluhbreccie; - X Ueberschiebungsflächen;
… Supponierte Grenzen der Schichten unter dem Meeresspiegel und Luftsättel (erodierte und abgetragene Schichtenmassen).
V. Die Präalpen der Chablais-Stockhornzone und die Klippen.
Diese Präalpen oder Voralpen zeigen neben ihrem besonderen stratigraphischen Charakter noch die Eigentümlichkeit, dass die Glieder ihrer medianen Zone, die Chablaisgruppe südwestlich und die Saanen- und Simmengruppe nordöstlich der Rhone, aus einer von der Trias bis zum Flysch reichenden und normal angeordneten Schichtenreihe aufgebaut sind und mit ihrer Triasbasis immer einer tertiären Grundlage aufruhen. Es findet sich demnach unter den ältesten Schichtgliedern der Präalpen stets das Tertiär (stellenweise auch Kreide), d. h. also das jüngste geologische Gebilde des ganzes Gebietes, was das sog. Präalpen-Gesetz bedingt.
1. Flyschzone des Gurnigel. Dieser Flysch bildet als Gurnigel-Pléiaden-Zone nö. vom Genfersee und als Zone der Voirons sö. von diesem See den Aussenrand der Präalpen. Die ganze Zone erscheint ziemlich unregelmässig ausgebildet und schwankt oft schroff in Breite und Höhe, wie wenn sie einer ungleichartig vor sich gegangenen Aufhäufung ihre Entstehung verdanken würde.
2. Mediane Präalpen. Aus dem eben Gesagten ergibt sich, dass die ganze zentrale oder mittlere Zone der Präalpen anormal oder verkehrt gelagert erscheint und eine in sich selbst vielfach gefaltete und überschobene Decke ist, die als Ganzes einem tertiären Grundgebirge aufliegt. Sie ist daher auch nicht an Ort und Stelle gewachsen, sondern stammt aus der Ferne, woher sie erst nach einer ziemlich langen Wanderung an ihren heutigen Platz gelangte. Diese mediane Zone der Präalpen, die im Chablais die von Meillerie bis zur Pointe de Bellevue (oder Pointe de Treveneusaz) reichende Region und in der Saanen- und Simmengruppe das Gebirgsland zwischen Moléson-Langenegggrat und Gummfluh-Spillgerten-Twirienhorn umfasst, wird beiderseits von einer breiten Zone von Flysch umrahmt, der bald schiefrig und bald sandig ist und auch mit grossblockigen Breccien vergesellschaftet erscheint.
3. Südlich der medianen Zone findet sich die Flyschzone des Niesen, die im Nordosten sehr breit ist und sich ¶
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gegen SW. (besonders im Chablais) stark verschmälert.
4, und 5. Mesozoische Fetzen der Gurnigelzone und Passzone (Sattelzone). Beide Flyschzonen, die Gurnigelzone am äussern Rand und die Niesenzone im Innern der Präalpen, werden von zu Fetzen zerrissenen und vielfach ineinander verwickelten und gekneteten mesozoischen Schichtgliedern, die von der Trias (stellenweise auch vom Perm-Karbon) bis zur Kreide reichen, begleitet. Diese Gebilde sind ganz regellos zerstreut und zeigen keinerlei tektonische Einheitlichkeit.
Die einzige Konstanz besteht in der unregelmässigen Aufeinanderfolge der Schichten in beiden Regionen. Ihren Höhepunkt erreichen diese Verwickelungen in der nach innen zu gelegenen Passzone. Stellenweise sind die mesozoischen Schichtenpakete in den Flysch hineingeknetet und weithin mitten in diesen hinein verschleppt worden. Zwischen der äussern Flyschzone (Gurnigel) und der Passzone besteht der Unterschied, dass dort Kreidegesteine und Malm, hier dagegen Dogger, Lias und Trias vorherrschen, wenn auch in der Passzone Neokom und Kreide und in der Gurnigelzone Lias und Trias nicht ganz fehlen.
Beide Zonen gehören einer und derselben Schichtenmasse an, indem im Verlauf der Dislokationsbewegung die gleichen Fetzen sedimentären Gesteins überschoben worden sind. Es bildet somit der Flysch der Niesen- und der Gurnigelzone die Unterlage und den Rand der gesamten Präalpen, während sich zwischen ihn und die Hochalpen mesozoische Schichtfetzen einschieben und zwar in der Passzone vorwiegend die untern Stufen, in der Gurnigelzone dagegen vorwiegend die rezenteren Stufen.
Wir haben schon gesehen, dass sich die einzelnen Fetzen der vierten Faltendecke der Hochalpen, d. h. derjenigen des Mont Bonvin, über den Stock des Wildstrubel fortsetzen, um sich offenkundig mit den zerrissenen Fetzen der Passzone zu verknüpfen. Es sind daher die mesozoischen Schichten der Passzone keine eigentlichen präalpinen Gesteine, indem sie einer Faltendecke der Hochalpen angehören, welche im Wallis am Innenrand der Glanzschieferzone wurzelt. Die grosse Decke der Präalpen hat bei ihrem Gleiten über die Hochalpen hinüber diese vierte Faltendecke angerissen, mit sich gezogen und buchstäblich in den Flysch eingewickelt. Dabei sind die Stirnpartien (Malm und Kreide) dieser Faltendecke besonders in der Gurnigelzone, die Wurzelpartien (Trias und Dogger) dagegen vorzüglich in der Passzone liegen geblieben. Diesen Tatsachen entsprechend befindet sich die Wurzelregion der Faltendecke des Mont Bonvin zwischen den Präalpen helvetischer Fazies und den Glanzschiefern.
Die inmitten dieser ausserordentlich stark dislozierten und zerrissenen Umrandung gelegene Ueberfaltungsdecke der medianen Präalpen zieht sich in Gestalt von beinahe regelmässigen Faltenketten vom Moléson bis zum Langenegggrat, von den Verreaux bis zum Gantrisch-Kaiseregg und von den Rochers de Naye über den Vanil Noir bis zum Stockhorn. Eine vierte Kette, diejenige der Tour d'Aï-Gastlosen, ist noch durch das Auftreten von einer oder zwei schuppenförmigen Ueberschiebungen von 1-2 km Sprunghöhe kompliziert.
Noch grösser sind die Verwicklungen in der Gruppe Mont d'Or-Rübli-Gummfluh-Spillgerten-Niederhorn, wo sich keine liegenden Falten mehr, sondern blos noch ziemlich schwierig zu überblickende Ueberschiebungen vorfinden. Dieses zwischen den beiden Flyschrandzonen und der medianen Flyschmulde (Zone Ayerne-Rodomont-Hundsrück) der Präalpen eingeengte Gebiet muss während oder nach dem Schub, der die Schichten an ihre heutige Stelle geschafft hat, noch energischen Pressungen und Dislokationen unterworfen gewesen sein.
6. Zone der Hornfluhbreccie. Die Ueberfaltungsdecke der Präalpen trägt im Grenzgebiet zwischen der innern Zone und der Flyschzone des Niesen als zweite Decke noch diejenige der sog. Hornfluhbreccie, die eine vollständig verschiedene Fazies aufweist (vergl. die Formationstabelle). Diese Gesteine treten in der Gegend der Hornfluh und im Chablais in sehr ausgedehnten Decken auf, die - wie dies auch in den medianen Präalpen der Fall ist - immer mit ihren ältesten Schichtgliedern (Trias oder Karbon) auf Flysch oder Kreide sitzen. Im Chablais bildet die Hornfluhbreccie eine mehr als 30 km lange und 12 km breite Decke, während sie nordöstlich der Rhone stärker eingeengt erscheint, so dass hier zwischen den eingeklemmten Mulden der tiefer gelegenen Decke blos noch Schuppen und enggepresste Fetzen sich finden.
7. Zone der rätischen Decke. Endlich sind auch Gründe für die Annahme vorhanden, dass über der Decke der Hornfluhbreccie einst noch eine weitere Decke oder wenigstens Ueberreste einer solchen vorhanden gewesen sein müssen, welche sich durch das Vorkommen von Radiolaritenschichten und basischen Eruptivgesteinen (Gabbro, Spilit, Variolith, Porphyrit etc.) in Form von exotischen Blöcken auszeichnete. Wir werden nachher sehen, dass sich diese Decke im Gebiete des Rätikon heute noch erhalten hat.
8. Klippen. Die grosse Zone der Präalpen erstreckt sich als zusammenhängende Masse oder Decke vom Giffre und der Arve bis zur Aare hin, indem sie offenkundig einen Teil der Ueberfaltungsdecke der Hochalpen bedeckt. Diese Lage erklärt sich daraus, dass die beiden diese Zone im Nordosten und im Südwesten begrenzenden Linien den Rändern einer Senkungszone entsprechen. Es gab aber eine Zeit, in der sich diese Decke sowohl sw. der Linie Giffre-Arve, als auch nö. des Aarethales über die Alpen mit helvetischer Fazies hinüber noch weiter fortsetzte. Die Ueberreste und Fetzen dieser Decke bauen im Südwesten den Mont des Annes und Mont de Sullens, im Nordosten die Giswilerstöcke, das Buochserhorn, das Stanserhorn, den Chlewen, die Mythen und die Ibergerklippen auf und bilden daneben als Zwischenglieder noch eine grosse Menge von zerstreut gelegenen sog. exotischen ¶
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Blöcken, die die Klippenzone, besonders im NO. gegen den Rätikon hin, fortsetzen. Die Klippen sind somit als Ueberreste oder Relikte einer Decke aufzufassen, die derjenigen der Hochalpen aufgesetzt war, sich als Fortsetzung der Präalpen einst vom Fuss des Rätikon bis in den Dauphiné hinein erstreckte und deren Abtragung die Molassesedimente von der aquitanischen bis zur pontischen Stufe mit Geschiebematerial versorgt hat. Die vollständige Zerstückelung dieser ehemaligen Decke muss durch die Erosion im Laufe der Pliozän- und der Pleistozänzeit erfolgt sein. Mit dieser Annahme lässt sich auch das Vorkommen von Gesteinen ostalpiner Fazies in der miozänen Nagelfluh sehr leicht erklären.
VI. Gebiet des Rätikon und der Graubündner Kalkalpen.
Die tektonische Darstellung dieses Gebietes wird uns zum Abschluss der Untersuchungsreihe führen, die bis dahin so bemerkenswerte, ja sogar ganz unerwartete und eigentümliche Resultate ergeben hat. Nördlich vom Rätikon sieht man die Falten der dreilappigen Glarnerdecke und diejenigen der Säntisdecke unter den Flysch eintauchen. Die letzteren setzen sich noch auf eine ziemliche Länge durch das Vorarlberger Land fort, während die Schichtenglieder der Glarner Decke sich zum letztenmal am Fläscherberg zeigen.
Nun tritt die hauptsächlich aus Triasgliedern ostalpiner Fazies bestehende Masse des Rätikon auf, die die Fortsetzung der österreichischen Kalkalpen bildet und sich wie eine Aussenbastion derselben zwischen die Thäler des Prätigaues und des Montafon einschiebt. Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, die überall auf dem Flysch schwimmende triadische Scholle des Rätikon als die Fortsetzung der Klippendecke der Ostschweiz aufzufassen. Es haben aber neuere Untersuchungen gezeigt, dass wir es hier mit einer neuen und eigenen Ueberschiebungsdecke zu tun haben, zwischen welcher und dem Fläscherberg noch alle Glieder der Präalpen und der Klippen konstatiert werden können, während sie selbst in ihren obern Partien sich mit den Engadineralpen und den österreichischen Alpen im Allgemeinen verknüpft.
Zwischen dem den Fläscherberg bedeckenden Flysch und der Gipfeldecke des Rätikon findet man die zerquetschten und ausgewalzten Reste von drei verschiedenen Faltendecken. Diese sind:
1. Die Falknisdecke; Schuppen von Jurakalken (Tithon und krystalline sog. Falknisbreccie) mit roten Schichten der obern Kreide als Vertreter der Decke der medianen Präalpen.
2. Die Brecciendecke, die der Zone der Hornfluhbreccie entspricht.
3. Die rätische Decke mit Aptychenschiefern, Radiolaritenschichten und basischen Eruptivgesteinen.
Darüber folgt die ostalpine Decke. Alle diese auf fast unglaubliche Art ineinandergekneteten Schuppen werden einerseits von Flysch und andererseits von krystallinen Gesteinen begleitet und zeigen sich unwiderlegbar als überschobene grosse Komplexe. Das gleiche trifft auch für die grosse Decke des Rätikon oder die ostalpine Decke zu, an deren Aufbau krystalline oder sogar granitische und dioritische Gesteine in Gestalt von schwimmenden Massen einen so grossen Anteil nehmen.
Wir haben von dieser Erscheinung schon bei der Betrachtung der Zone der krystallinen Alpen gesprochen, in der man von nun an zwei verschiedene Regionen unterscheiden muss: die primären, d. h. an Ort und Stelle gebildeten krystallinen Zentralmassive und die überschobenen Massen an sekundärer Lagerstätte. Dieser letztern Kategorie gehört die Mehrzahl der krystallinen Gneis- und Granitmassive Bündens, vom Julier über die Sesvenna bis zum Silvrettamassiv, an, die von paläozoischen (Casannaschiefer, Verrucano) und mesozoischen (Trias und Jura) Sedimenten begleitet werden und in Gestalt von unzähligen Schuppen dem Flysch oder dem Bündnerschiefer aufsitzen. Die Ueberschiebung dieser Felsarten ist besonders klar zu erkennen zwischen Schuls und Ried im Unter Engadin, wo der tief eingeschnittene Inn unter der ostalpinen Decke die Bündnerschiefer des nördlichen und mittleren Graubündens wieder blosgelegt hat. Die Splügener Kalkberge bilden triadische und liasische Ueberschiebungsfetzen, während das Julier- und das Silvrettamassiv überschobene Fetzen von krystallinen Gesteinen sind.
Rückblick auf das tektonische Gesamtsystem der Schweizer Alpen. Die verschiedenen von uns festgestellten Dislokationserscheinungen, namentlich die grossen vom Innern des Gebirges gegen seinen Aussenrand hin geschobenen und überkippten Faltendecken oder Deckfalten, müssen mit Bezug auf ihren Ursprung und ihre Entstehungsweise noch etwas näher betrachtet werden. Die Falten der Hohen Kalkalpen von der Dent du Midi bis zu den Churfirsten fügen sich mit ihren Wurzeln alle zwischen und im Süden der krystallinen Massive der Aiguille Rouge, des Mont Blanc, der Aar und des St. Gotthard ein, d. h. also nördlich der breiten zentralen Muldenzone der Glanzschiefer.
Die Präalpen- und Klippendecke, sowie auch die Decke der Hornfluhbreccie müssen ihre Wurzeln südlich der Glanzschieferzone und zwar wahrscheinlich zwischen den liegenden Falten der Walliser Gneisdecken gehabt haben. Die Zone der «Pietre Verdi», die sich unter und auch über der Decke der Dent Blanche (Arollagneis) fortsetzt, zeigt eine gewisse Analogie mit den Serpentingesteinen der rätischen Decke. Die Wurzeln der ostalpinen Decke endlich dürften noch weiter südwärts gelegen haben, nämlich südlich der sog. Amphibolitzone von Ivrea, welche sie vom Addathal an überdeckt.
Auch die nördlicheren Gneiszonen und die Glanzschieferzone, sowie die Klippenzone werden von ihr überflutet, bis sie an die helvetische Fazies anstösst. Es scheint sogar, als ob diese grosse horizontale Bewegung der Erdkruste die bis an den Rhein zu verfolgenden nördlicheren Ueberschiebungen zuerst überdecke und dann vertrete. Es sind diese Annahmen bis jetzt aber blosse Hypothesen, da die betr. Gebiete geologisch noch zu wenig bekannt sind, um jetzt schon völlig beweiskräftige Schlüsse ziehen zu lassen. Die einzige sichere Tatsache ist der Ursprung der Decken mit helvetischer Fazies nördlich der Zone der Glanzschiefer und derjenige der Präalpendecken bis zum Rätikon südlich dieser Zone. Ein eigentliches Rösselsprungspiel hat diese letzteren dann an ihre jetzige Stelle nordwärts vor die erstgenannten zu stehen gebracht. ¶
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Vor die Lösung einer grossen Aufgabe stellt uns ferner noch die Zone der Glanzschiefer, in der bis jetzt eine Gliederung in Unterabteilungen nicht möglich gewesen ist, obwohl sie einen mächtigen Komplex von sedimentären Schichten darstellt, der von der Trias vielleicht bis zum Tertiär reicht. Fast sicher erscheint dies für den Bündnerschiefer und wenigstens wahrscheinlich für die Walliser Glanzschiefer, die in einzelnen Teilen (z. B. den Sandsteinen von Sembrancher) grosse Aehnlichkeit mit dem Flysch zeigen.
Wenn man diese Aehnlichkeit mit der Tatsache zusammenhält, dass sich der stark gequetschte Flysch der Präalpen von den Glanzschiefern nicht unterscheiden lässt, dass dieser Flysch ursprünglich in grossen Massen zwischen der Zone der Präalpen und der Zone der Hochalpen, d. h. südlich dieser letztern, gelegen haben muss und dass er endlich zusammen mit den Präalpen über eben diese Hochalpen hinüber geschoben worden ist, so wird eine Zusammenstellung des Flysches mit den Glanzschiefern keineswegs als gewagt erscheinen, sondern eher eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben.
Hat ja doch schon Studer die Glanzschiefer ganz einfach mit dem Namen Flysch bezeichnet! Während der jetzige Flysch der Präalpen kaum metamorphosiert ist, zeigen der Graubündner Flysch, die Walliser Glanzschiefer und die Bündnerschiefer im Gegenteil eine weitgehende Veränderung infolge der dynamometamorphen Einwirkungen. Wenn ferner in den Präalpen jurassisch-kretazischer Flysch vorkommt, so wäre dies ein weiteres Argument für den Zusammenhang mit den Glanzschiefern, die ihrerseits nichts anderes als metamorphe Jura- und Kreidekalke, sowie vielleicht auch Tertiärschichten sind.
Mittelland. Das schweizerische Mittelland bildet in allgemeiner Hinsicht eine ausgedehnte Mulde von etwa 15 km Breite in der Nähe von Genf, welche bis über 50 km im mittleren und östlichen Teil unseres Landes anwächst. Die Tertiärablagerungen schmiegen sich am Jurafuss genau den Schichten der Sekundärzeit an.
Die als Molasseablagerungen bezeichneten Schichten des Mittellandes gehören vier Stufen an: der Aquitanischen, der Burdigalischen (auch Langhien genannt), der Helvetischen und der Oeninger Stufe. Darüber lagern die Quartärbildungen.
Diese Molasseschichten sind durch Aufschüttung in Seen oder Meerbusen entstanden; somit darf ihre ursprüngliche Schichtung nicht als absolut horizontal angenommen werden. Am Jurafuss, besonders im nördlichen Jura und auf dem Tafeljura, finden sich häufig Konglomerate, Juranagelfluh genannt, weil sie hauptsächlich aus Jurageröllen bestehen. Weit ausgedehnter sind die Geröllanhäufungen am Fusse der Alpen, wo sie hohe Gebirgsrücken aufbauen.
Während am Jurafuss u. zwischen den Jurafalten die Tertiärschichten, die überschobenen Teile ausgenommen, nur wenige Störungen aufweisen, haben dieselben dem Rande der Alpen entlang weitgehende Faltungen u. Ueberschiebungen erlitten, trotzdem die gewaltigen Nagelfluhanhäufungen wenig Tendenz zur Faltung besitzen mussten.
Aeusserst merkwürdig ist ausserdem das Vorhandensein einer Bruch- und Faltungslinie, welche 10-15 km vom Alpenrand entfernt verläuft und den fast horizontal liegenden westlichen Teil des Tertiärbeckens von dem dislozierten östlichen Teil trennt. In diesem letzteren sind die Schichten oft intensiv gefaltet oder überschoben und weisen, auch wenn sie nicht gefaltet sind, immer deutliches Einfallen gegen die Alpen auf, gerade als ob diese letzteren eingesunken seien. Diese Dislokationslinie hat die Benennung Antiklinalachse erhalten. Sie ist besonders im westlichen Gebiet sehr scharf ausgeprägt, indem ihre Richtung genau die Verlängerung der mitten im Molassebecken südlich von Genf auftauchenden Jura- und Kreideantiklinale des Mont Salève ist.
Die jetzige Gestaltung des Mittellandes steht insofern mit der tektonischen Lage in Zusammenhang, als die Oberfläche des ursprünglichen Beckens nach der Alpenerhöhung von den Alpen gegen den Jura zu geneigt war. Dadurch wurde die Richtung der erodierenden Flussläufe bedingt, von denen ein Teil nach Norden und ein anderer nach Südwesten abfliessen musste. Die Wasserscheide liegt aber nicht in der Mitte des Landes, indem dieser Mittelzone im Gegenteil eine Einsenkung entspricht, welche den Gewässern gestattete, nach Durchbruch des Jura die Rheinthalsenke zu erreichen. Die Wasserscheide des Mittellandes liegt im Südwesten nahe am Genfersee, der tiefsten Furche des Schweizerlandes.
Es muss noch besonders hervorgehoben werden, wie unregelmässig die Kontaktlinie des Mittellandes gegenüber den Alpenketten ist, welche oft bogenförmige Gestalt annehmen und förmlich auf die Miozänsedimente hinüber zu greifen scheinen. Letzteres ist denn auch tatsächlich der Fall bei der sog. Chablaiszone zwischen Rhone und Aare, welche eine auf das Tertiärgebiet überschobene grosse Scholle oder Decke bildet. Auch die übrigen, sog. normalen Ketten am Alpenrand greifen mehr oder weniger über ¶