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sind noch Spinnereien, Zwirnereien, Maschinenfabriken, grössere Elektrizitätswerke, eine Anzahl mechanischer Werkstätten, Bierbrauereien etc. zu nennen. 1900 zählte der Kanton 10 Baumwollspinnereien mit 283898 Spindeln, etwa 4500 mechanische und 2500 Handwebstühle für Baumwollenfabrikate, sowie 10000 Stickmaschinen. In den Bezirken See, Gaster und z. T. in Sargans und Werdenberg ist auch die Seidenweberei eingeführt. Ausser Zeugwaren versendet der Kanton viele Felle, die roh aus Graubünden und Appenzell kommen und hier verarbeitet werden. Es bestehen im Kanton St. Gallen 5 Gaswerke, 660 Wasserwerke mit einer Gesamtkraft von 15000 PS (die drei bedeutendsten dieser Werke liefern zusammen 8000 PS), 21 Elektrizitätswerke mit einer Minimalkraftleistung von 5000 PS. 382 Dampfmaschinen und 15 Gasmotoren. 73 Finanzinstitute, wovon 66 Bankgeschäfte, Spar- oder Leihkassen.
Nur wenige Privatbanken. Zahlreiche Unfalls-, Kranken- und Sterbekassen. In jeder grösseren Ortschaft besteht ferner ein Konsumverein. Unter dem eidgenössischen Fabrikgesetz stehen im Kanton 749 Fabrikbetriebe, nämlich 429 Stickereien, 28 Baumwollwebereien, 19 Zwirnereien, 10 Baumwollspinnereien, 9 Baumwollfärbereien, 21 Sengereien, Bleichereien und Appreturen, 8 Seidenwebereien, 22 Giessereien und Maschinenfabriken, 14 Ziegeleien, 29 Sägen und Zimmergeschäfte, 21 Mühlen, 14 Buchdruckereien, 10 Elektrizitätswerke, 12 Buchbindereien und Kartonnagegeschäfte, 14 Bierbrauereien, 5 chemische Wäschereien, 4 Gerbereien, 4 Lithographiegeschäfte, 3 Teigwarenfabriken, 3 Mühlenbauwerkstätten, 6 Schlossereien, 3 Rahmen- und Vergoldergeschäfte, 3 Fabriken elektrischer Maschinen und Apparate, 3 Schiefer- und Marmorgeschäfte etc. Die Gesamtzahl der in diesen Betrieben beschäftigten Arbeiter beträgt 24252, wovon 11936 Männer, 11318 Frauen und 998 Kinder unter 10 Jahren.
Mit der Wahrung der industriellen und kommerziellen Interessen der Stadt befasst sich in umsichtigster und erfolgreichster Weise vorab das Kaufmännische Direktorium der Stadt St. Gallen. Näheres über dessen Tätigkeit s. im Art. Stadt St. Gallen.
Verkehrswesen.
Der Umstand, dass im Innern des Kantons die zwei dem freien Verkehr hinderlichen Gebirge des Säntis und der Churfirsten liegen und dass St. Gallen ferner zwei politisch selbständige Halbkantone vollständig umschliesst, stellte dem erst 1803 gegründeten Staatswesen grosse Aufgaben und legte ihm schwere Opfer auf, wenn es alle seine einzelnen Landesteile mit guten Verkehrsverbindungen versehen wollte. Gleich schon im ersten Jahrzehnt seines Bestehens setzte sich der junge Kanton ein ehrenvolles Denkmal durch den Bau der imposanten steinern Krätzerenbrücke (über die Sitter) an der von Abt Beda erstellten Strasse von Wil nach Rorschach. Um die Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts beteiligte er sich finanziell stark an dem Bau der zum Bedürfnis gewordenen Eisenbahnen, sodass sich bald ein langer Schienenweg längs seiner ganzen Peripherie spannte: Fortsetzung der Linie Zürich-Winterthur über Wil und St. Gallen nach Rorschach, Linien das Rheinthal hinauf bis Sargans und Ragaz (mit Fortsetzung nach Chur), sowie von Sargans zum Walensee und Linthgebiet bis Rapperswil (Anschluss an die Linie nach Zürich). Später beteiligte sich der Kanton auch an der in Wil von der Linie Zürich-Winterthur-St. Gallen abzweigenden Toggenburgerbahn, sowie an den Linien Rapperswil-Pfäffikon (-Zentralschweiz), Gossau-Sulgen und Wil-Frauenfeld.
Neuestens hat der Kanton endlich auch mit einem ganz beträchtlichen Beitrag die Erstellung der Verbindung Romanshorn-St. Gallen-Wattwil-Uznach-Rapperswil ermöglicht und der Linie Ebnat-Nesslau ebenfalls eine weitgehende Unterstützung zugesichert. Die Hafenanlage in Rorschach wird vom Kanton unterhalten, und es ist an ähnliche Arbeiten am Boden- und Walensee ebenfalls finanzielle Beihilfe geleistet worden. Bahnlinien verbinden auch Rorschach mit Romanshorn-Konstanz und St. Margrethen und Buchs mit dem Vorarlberg.
Zahnradbahn Rorschach-Heiden; Drahtseilbahnen Rheineck-Walzenhausen, St. Gallen-St. Georgen (Mühleck), Ragaz-Wartenstein; elektrische Strassenbahnen St. Gallen-Gais-Appenzell, St. Gallen-Speicher-Trogen, Altstätten-Herbrugg-Berneck, Wil-Frauenfeld und Strassenbahnnetz der Stadt St. Gallen; Schmalspurbahn Winkeln-Herisau-Appenzell. Automobilwagenkurse Rorschach-Thal-Rheineck, Flawil-Degersheim, Herisau-St. Peterzell und Rapperswil-St. Gallenkappel.
Die Hauptstrassen durch alle Bezirke und in der Richtung nach allen bedeutenden Verkehrspunkten sind als Staatsstrassen vom Kanton übernommen oder auf eigene Kosten erstellt worden. Das Staatsstrassennetz von im Ganzen 473 km Länge erfordert eine jährliche Unterhaltungsausgabe von etwa 600000 Fr. Im Verlauf der letzten 50 Jahre hat sich auch das Netz der Gemeindestrassen sehr stark ausgedehnt und verbessert. An diese Bauten leistet der Kanton ebenfalls bedeutende Beiträge und zwar je nach den Verhältnissen solche von 10-40% der Gesamtkosten. Aber auch die sog. Nebenstrassen erfreuen sich der finanziellen Mithilfe des Kantons. Es sind namentlich diese kantonalen Unterstützungen, die die erfreuliche Entwicklung des Strassenwesens ermöglichten und sowohl eine rationelle Anlage als auch solide Durchführung sicherten.
Verwaltungs- und Gerichtswesen.
Der Kanton zerfällt in 15 Bezirke (St. Gallen, Tablat, Rorschach, Ober und Unter Rheinthal, Werdenberg, Sargans, Gaster, See, Ober, Neu, Alt und Unter Toggenburg, Wil und Gossau) und umfasst 93 politische Gemeinden mit eigener Verwaltung und ¶
Hauptsæchlichste Industrien des Kantons Sankt Gallen
Lief. 167.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 7° 0’ O; 47° 20’ N; 1:420000]
Stickerei
▴ Maschinenstick.
▴ Schifflistick.
▴ Kettenstick.
◆ Weberei
▾ Zwirnerei
+ Bleicherei
F Färberei
▐ Rideauxfabrik
S Seidenindustrie
L Wollindustrie
➚ Holzindustrie
↴ Metallindustrie
± Electrische Industrie
o Lebensmittel
o Müllerei
o Käserei
B Bierbrauerei
▬ Typographie
. Tonwarenfab.
Einwohner per Km2
░ 1 - 24 Einw.
░ 25 - 49 Einw.
▒ 50 - 74 Einw.
▒ 75 - 99 Einw.
▓ 100-149 Einw.
▓ 150-199 Einw.
▐ 200-299 Einw.
▐ 300-399 Einw.
▬ 400-499 Einw.
▬ Mehr als 500 Einw.
MCE. BOREL & CIE.
V. ATTINGER. SC.
HAUPTSÆCHLICHSTE INDUSTRIEN DES KANTONS SANKT GALLEN ¶
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je einem Gemeinderat und Gemeindeammann. Die Ortsgemeinde umfasst nur die Ortsbürger und bildet also die ortsbürgerliche Gemeinde mit Ausschluss der Bürger anderer Gemeinden des Kantons und anderer Kantone, die Schulgemeinde dagegen denjenigen Interessentenkreis, der eine oder mehrere Schulen eingerichtet hat und unterhält; die Kirchgemeinde endlich entspricht der Pfarrei mit einem oder mehreren Gotteshäusern und Geistlichen.
Die Organisation der Rechtspflege (Zivil- und Strafrechtspflege) im Kanton St. Gallen ist im Wesentlichen nach folgenden Grundzügen geregelt: Auf dem seit durch ein neues Gesetz geordneten Gebiet der Zivilrechtspflege bildet in jeder der 93 politischen Gemeinden für eine dreijährige Amtsdauer der vom Volk gewählte Vermittler (früher Friedensrichter geheissen) die unterste Instanz mit der doppelten Funktion eines Sühnebeamten einerseits und eines Einzelrichters in Prozesssachen mit einem Streitbetrag bis auf 25 Fr. andererseits. In jedem der 15 Bezirke besteht sodann, vom Volke für eine vierjährige Amtsdauer gewählt und mit einem vom Gerichte selbst aus seiner Mitte bestellten Präsidenten an der Spitze, ein aus 7 Mitgliedern und 4 Ersatzrichtern zusammengesetztes Bezirksgericht, das endgiltig - Nichtigkeitsbeschwerden an die Rekurskommission des Kantonsgerichtes vorbehalten - Streitsachen im Streitwert bis auf Fr. 500 und als erste Instanz, mit Appellationsrecht an das Kantonsgericht, Streitigkeiten im Wertbetrag von über 500 Fr., sowie die Grosszahl der anderwärtigen bürgerlichen und administrativen Streitigkeiten (Ehestandssachen, Vaterschaftsklagen, Bevormundungsprozesse, Verleumdungsklagen etc.) zu entscheiden hat.
Einem seit 1866 an Stelle der früheren «Untergerichte» getretenen Ausschuss, der Gerichtskommission, liegt sodann - wiederum unter Vorbehalt der Rekursbeschwerde an die Rekurskommission des Kantonsgerichtes - noch die endgiltige Entscheidung der Streitsachen im Wertbetrag bis auf 200 Fr. ob. Der Gerichtspräsident, in einzelnen Fällen der Bezirksammann, hat als Einzelrichter im besonderen Verfahren die erforderlichen provisorischen Zwischenverfügungen in bürgerlichen Streitsachen, wie auch in Betreibungs- und Konkurssachen zu erlassen.
Das vom Grossen Bat für eine Amtsdauer von 6 Jahren aus 9 Mitgliedern bestellte Kantonsgericht, in welchem die Präsidenten der Bezirksgerichte als Suppleanten funktionieren, beurteilt als Appellationsinstanz die an dasselbe weitergezogenen Urteile der Bezirksgerichte, ferner als einzige Instanz die durch die Bundesgesetzgebung an die kantonalen Gerichtsstellen gewiesenen Prozesssachen (aus Marken- und Musterschutz u. s. w.); es übt die Aufsicht aus über die Amtstätigkeit der unteren Gerichtsinstanzen und erteilt die Bewilligungen zur Ausübung des Anwalts- und Rechtsagentenberufes.
Ein vom Grossen Rat ebenfalls auf eine 6 jährige Amtsdauer aus 5 Mitgliedern und 4 Suppleanten bestelltes Kassationsgericht hat die gegen Haupturteile des Kantonsgerichtes und gegen Sprüche von Schiedsgerichten wegen Umgehung oder Verletzung von Gesetzen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden zu entscheiden. Für die Beurteilung spezieller Zivilstreitigkeiten bis zum Wertbetrag von 500 Fr., die sich auf die Erstellung von Stickereiartikeln beziehen, besteht seit 1899 ein besonderes Fachgericht für die Stickereiindustrie, dessen Präsident und Mitglieder, letztere aus Vertretern der verschiedenen Interessentengruppen, vom Kantonsgericht bestellt werden. In neuester Zeit ist auch die Schaffung gewerblicher Schiedsgerichte, aus Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern betehend, zur Erledigung von Streitigkeiten zwischen Prinzipal und Angestellten bei einem Streitwert bis auf 300 Fr., im Einverständnis der Parteien bei einem solchen bis auf 2000 Fr., ermöglicht worden; ein solches gewerbliches Schiedsgericht ist zur Zeit gemeinsam für die Gemeinden St. Gallen, Tablat und Straubenzell in der Entstehung begriffen.
Die vorstehend angeführten Gerichtsinstanzen funktionieren auch auf dem Gebiete der Strafrechtspflege nach der im Strafgesetz und in der Strafprozessgesetzgebung näher präzisierten Kompetenzenausscheidung, und zwar die Gerichtskommission und das Bezirksgericht bei der Beurteilung von Vergehen, das Kantonsgericht seit der 1865 erfolgten Abschaffung des erstinstanzlichen Kriminalgerichts als einzige Instanz bei der Beurteilung von Verbrechen (d. h. von mit Todes- und Zuchthausstrafe bedrohten Delikten und in schwierigeren und komplizierteren Fällen von Vergehen), sodann als zweite Instanz mit Bezug auf die im Appellationsverfahren weiter gezogenen bezirksgerichtlichen Urteile in korrektionellen Strafsachen.
Auch den kommunalen Verwaltungsbehörden, den Gemeinderäten, sowie den Bezirksämtern sind strafrichterliche Kompetenzen zur Beurteilung polizeilicher Uebertretungen und geringfügiger Korrektionsfälle übertragen. Mit den untersuchungsrichterlichen Funktionen in kriminellen Straffällen sind die Bezirksämter, mit denjenigen in korrektionellen und polizeilichen Straffällen die Gemeindeämter betraut. Ein vom Grossen Rat für je 3 Jahre gewählter erster Staatsanwalt mit einem vom Regierungsrat auf die gleiche Amtsdauer bestellten zweiten Staatsanwalt hat den Gang der bezirksamtlichen Strafuntersuchungen zu überwachen, die Anträge an die Anklagekammer zu stellen, die Anklage vor Gericht zu führen und die zuständigen Rechtsmittel zu ergreifen. Die vom Grossen Rat ebenfalls für 3 Jahre aus einem Präsidenten, zwei Mitgliedern und zwei Suppleanten bestellte Anklagekammer entscheidet über die Vollständigkeit geführter Strafuntersuchungen, verhängt die Ueberweisung des Angeschuldigten an den zuständigen Richter oder verfügt, mit der Rechtsfolge eines freisprechenden Urteils, die Aufhebung der Prozedur; unter ihrer direkten Aufsicht stehen ¶
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die Staatsanwaltschaft sowie die Untersuchungsbeamten.
Im Betreibungs- und Konkurswesen funktionieren einerseits die in den 93 Gemeinden für je 3 Jahre von den Gemeinderäten bestellten Betreibungsbeamten u. andererseits die von den 15 Bezirksgerichten für je 4 Jahre gewählten Konkursbeamten, ferner die Bezirksgerichtspräsidenten als untere und eine vom Kantonsgericht aus seiner Mitte bestellte dreigliedrige «Aufsichtsbehörde» als obere kantonale Aufsichts- u. Beschwerdeinstanz. Besondere Notare existieren im Kanton nicht. Jeder Bezirk hat sein eigenes Bezirksgefängnis, neben denen auch noch eine kantonale Strafanstalt vorhanden ist.
Finanzwesen (Staatshaushalt).
Im Jahre 1903 hatte der Kanton St. Gallen sein erstes Zentenarium hinter sich. Ein Blick in die Staatsrechnungen tut dar, dass die Staatsverwaltung in den ersten Dezennien seit dem Bestande des Kantons noch eine einfache war; dass die verkehrspolitischen und die wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen damals noch im Argen lagen, geht wohl aus der Tatsache hervor, dass während der ersten dreissig Jahre der Existenz des Kantons zur teilweisen Deckung seiner finanziellen Bedürfnisse noch Weg- und Brückengelder erhoben worden sind. Bis zum Jahr 1847 sind die Staatsrechnungen noch in der alten Geldwährung von Gulden und Kreuzern - ein Gulden gleich 60 Kreuzer - angelegt. In welcher Weise sich der Staatshaushalt beständig entwickelte, geht wohl am deutlichsten aus der sukzessiven Zunahme der Einnahmen und Ausgaben hervor. Vergleichsweise mögen die Einnahmen und Ausgaben von 30 zu 30 Jahren und zwar während der Zeitdauer von 1837 bis 1897 einander gegenüber gestellt werden.
Es bezifferten sich die
Jahr | Einnahmen Fr. | Ausgaben Fr. |
---|---|---|
1837 | 712700 | 541081 |
1867 | 1721915 | 1592864 |
1897 | 4217956 | 4018454. |
Es haben daher die Einnahmen von 1837 bis 1897 absolut um Fr. 3505256 oder um 492% zugenommen; die Ausgaben haben während der gleichen Zeitdauer eine Steigerung auf Fr. 3477373 oder um 643% erfahren.
Eine besonders rapide Vermehrung der Staatsausgaben und dementsprechend auch der Staatseinnahmen ist unter der Herrschaft der gegenwärtigen Kantonsverfassung vom eingetreten. Während im Jahr 1892 die Gesamtausgaben den Betrag von Fr. 3285325 aufweisen, steigerten sich dieselben 12 Jahre später, d. h. im Jahr 1904 auf Fr. 5132726, während die Einnahmen von Fr. 3264723 auf Fr. 5116181 erhöht worden sind. Unter den Ausgaben figuriert der grösste Posten für Strassen- und Wasserbau im Betrag von Fr. 1180916; der zweitgrösste Ausgabenbetrag von Fr. 778503 betrifft das Erziehungswesen. Für die Zivil- und Strafrechtspflege sind im Jahr 1904 Fr. 253715 verausgabt worden. Zur Hebung und Förderung der Landwirtschaft, des Forstwesens und der Alpwirtschaft, sowie für Bodenverbesserungen sind zusammen Fr. 377041 aus der Staatskasse geleistet worden. Die Leistungen an Handel, Industrie und Gewerbe, inklusive die Handelsakademie und Verkehrsschule, beliefen sich im Jahre 1904 auf Fr. 137511.
Unter den Einnahmen vom Jahr 1904 figurieren nachbezeichnete höchste Posten:
Fr. | |
---|---|
Direkte Abgaben (Vermögens- und Einkommenssteuer) | 1901366 |
Indirekte Abgaben (Banknoten, Erbschafts-, Vermächtnis- u. Schenkungssteuer, Stempelgebühren, Wirtschafts- und Kleinverkaufs- und Hausierpatente etc. etc.) | 949013 |
Alkoholmonopol | 489434 |
Ertrag des Staatsgutes | 456532 |
Anteil an den Militärsteuern | 407974 |
Das Staatsvermögen beziffert sich Ende des Jahres 1904 auf netto Fr. 6133748. Dieser Nettovermögensbestand setzt sich nachbezeichneter Weise zusammen:
Fr. | |
---|---|
Inventarvermögen | 8149036 |
Verfügbares Vermögen | 586532 |
Bruttovermögen: | 8735568 |
Ab : Mehr-Passiven im Eisenbahnkonto | 2601820 |
Netto-Vermögensbestand, gleich wie oben | 6133748 |
Das Vermögen der Spezialverwaltungen und Fonde beträgt per Ende des Jahres 1904 netto Fr. 16708911.
Der Gesamt-Vermögensbestand Ende 1904 beziffert sich sonach auf Fr. 22842659. An Staatsschulden sind zu verzeichnen:
Fr. | |
---|---|
Allgemeine Staatsverwaltung | 37040714 |
Spezialverwaltungen und Fonde | 7377121 |
Total-Passiven: | 44417835 |
An Anleihen hat der Kanton seit dem unter zehnmalen total Fr. 34400000 aufgenommen, welche heute noch bestehen und an den Börsen Zürich, Basel und Bern kotiert werden. Von diesen Anleihen fanden Verwendung: Fr. 12 Mill. für die Dotation der Kantonalbank;
9,2 Mill. zu Eisenbahnzwecken;
4 Mill. für den Rheinthalischen Binnenkanal, 1700000 Fr. für das Altersasyl in Wil, 7500000 Fr. für die Staatskasse.
Der Zinsfuss für diese Anleihen schwankt zwischen 3¼ bis 4%.
Am hat der Grosse Rat ein Gesetz betreffend die direkten Staatssteuern erlassen. Das gegen diese Gesetzesvorlage eingeleitete Referendum kam nicht zustande. Die Annahme dieses bedeutungsvollen gesetzgeberischen Erlasses darf für den Kanton St. Gallen als ein gewaltiger Fortschritt auf wirtschaftlichem Gebiet und als eine wahre soziale Tat des Volkes bezeichnet werden. Das neue Gesetz ist an Stelle des Staatssteuergesetzes vom getreten und gibt den Behörden die ¶
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erforderlichen Mittel an die Hand, um die dringend notwendige Sanierung der Finanz- und Steuerverhältnisse im Staate und in den 93 Gemeinden in rationeller Weise zu bewerkstelligen. Schon die erstmalige Anwendung dieses Gesetzes war von grosser Wirkung und erfreulichem Erfolg. Das Privatsteuerkapital ist vorläufig von 375 Millionen auf rund 632 Millionen Franken gestiegen. Hiezu kommt noch das laut dem neuen Gesetz an den Staat steuerpflichtige Aktien-, Genossenschafts- und Reservekapital der Aktiengesellschaften und Erwerbsgenossenschaften im Betrag von rund 80 Mill. Franken.
Auch das steuerpflichtige Einkommen hat eine ganz bedeutende Steigerung namentlich zugunsten der Gemeindekassen erfahren. Das steuerpflichtige Einkommen von Privaten beträgt 33 Millionen. Das Ergebnis der erstmaligen Revision auf Grund des neuen Steuergesetzes ist um so erfreulicher, als das Gesetz zugunsten der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungsklassen wesentliche Erleichterungen und in gar vielen Fällen gänzliche Steuerbefreiung vorsieht. So darf beispielsweise erwähnt werden, dass Vermögen unter 1000 Fr., ebenso Einkommen bis auf den Betrag von 1000 Fr. steuerfrei sind. Je nach der Zahl der Kinder steigert sich beim Einkommen das steuerfreie Existenzminimum.
Militärwesen.
Der Kanton St. Gallen gehört zur 7. Armeedivision und zum 3. Armeekorps und zerfällt in 4 Rekrutierungskreise. Er stellt folgende Truppen:
Auszug. | Offiziere | Unt.-Off. | Mann | Total |
---|---|---|---|---|
Infanterie. Füsiliere | 210 | 936 | 5916 | 7062 |
Schützen | 14 | 82 | 421 | 517 |
Artillerie. Feldartillerie | 47 | 97 | 660 | 801 |
Positionsartillerie | 6 | 32 | 178 | 216 |
Gebirgsartillerie | 4 | 13 | 44 | 61 |
Festungsartillerie | 8 | 16 | 80 | 104 |
Linientrain | 3 | 12 | 149 | 164 |
Kavallerie. Dragoner | 14 | 39 | 222 | 275 |
Guiden | 7 | 5 | 42 | 54 |
Maximisten | - | 2 | 24 | 26 |
Genie. Sappeure | 4 | 15 | 180 | 199 |
Pontonniere | 4 | 3 | 62 | 69 |
Pionniere | 1 | 6 | 55 | 62 |
Sanität. Divisionslaz. VII. und Korpslaz. III. | 17 | 19 | 120 | 156 |
Verwaltung. Komp. 7. | 6 | 4 | 96 | 106 |
Radfahrer | - | 5 | 15 | 20 |
Auszug. Total | 35 | 1286 | 8264 | 9895 |
Landwehr. | ||||
Infanterie. Füsiliere | 110 | 539 | 3948 | 4597 |
Schützen | 11 | 48 | 265 | 324 |
Artillerie. Kanoniere | - | - | 53 | 53 |
Train | 22 | 91 | 790 | 903 |
Kavallerie. Dragoner und Guiden | 8 | 49 | 215 | 272 |
Genie | 8 | 29 | 235 | 272 |
Sanität | 23 | 17 | 97 | 137 |
Verwaltung | 1 | 7 | 45 | 53 |
Radfahrer | - | 2 | 5 | 7 |
Landwehr. Total | 183 | 782 | 5653 | 6618. |
Militärgebäude: Altes Zeughaus auf dem Klosterplatz für Artillerie und Kavallerie;
neues Zeughaus auf der Kreuzbleiche;
Militärmagazin auf der Kreuzbleiche;
Kaserne, Offiziers-Kasino mit Soldaten-Kantine, Reitbahn mit Stallung für etwa 30 Pferde.
Alle in St. Gallen. Sodann besitzt der Kanton in Walenstadt eine Zeughausfiliale und die Kasernen für die Schiessschulen, für welch' letztere Kanton und Bund einen ausgedehnten Schiessplatz erworben haben. In Rapperswil befindet sich ein eidgenössisches Kriegsdepot, das der Eidgenossenschaft gehört. In neuester Zeit wurde beschlossen, Artilleriedepots in Wil und Walenstadt zu errichten, mit deren Bau bald begonnen werden dürfte.
Zahl der Schützengesellschaften: 294, wovon 202 dem wohl organisierten Kantonalschützenverein angehören. Kadetten-Korps in St. Gallen, Wil, Altstätten. Artillerie-Verein in St. Gallen.
Erziehungswesen
(geschichtliche Entwicklung seit der Gründung des Kantons siehe im Abschnitt Geschichte). Seit 1862 ist das Schulwesen verstaatlicht und wird von einem Departement der Regierung mit einem Erziehungsrat von 11 Mitgliedern geleitet. Unter diesem funktioniert in jedem Bezirk ein Bezirksschulrat und in den Schulgemeinden ein Orts- oder Gemeindeschulrat. Der Kanton zählt 614 Primarschulen, die entweder von früher her konfessionell getrennt oder - wo die Mehrheit der Stimmenden der politischen Gemeinde oder der betr. Schulgemeinde dies beschliesst - konfessionell vereinigt (d. h. simultan oder paritätisch) sind.
Davon sind 38 Halbjahrs- und 59 Dreivierteljahrsschulen, 9 geteilte Jahr-, 52 Halbtagjahr-, 66 teilweise Jahr- und 390 Ganzjahrschulen. Daneben bestehen 246 Ergänzungsschulen oder - an ihrer Stelle - an 35 Orten im Anschluss an die siebenkursige Primarschule ein achter Jahreskurs. Es gibt ferner 211 Fortbildungsschulen. Diese primären Schulanstalten werden von 207 Schulgemeinden unterhalten, an welche der Staat (speziell für Schulhausbauten und Reparaturen) 1901 im Ganzen 88953 Fr. bezahlt hat. In St. Gallen, Altstätten und Wil sind die Schulen nach Geschlechtern getrennt.
Die Zahl der Primarlehrer beträgt 545, die der Primarlehrerinnen 63, die der Alltagsschüler 35058, der Ergänzungsschüler 3319. Sekundar- oder Realschulen, die sich aus dem Opfergeist und Bildungssinn der grössern Ortschaften entwickelt haben und die Staatsbeiträge erhalten, gibt es 38, mit 102 Lehrern und 2743 Schülern. In den städtischen Ortschaften St. Gallen, Rorschach, Altstätten und Rapperswil weisen diese Schulen je über 4 Lehrer auf, in andern 2-4 und in 11 Ortschaften je 1 Lehrer.
An höhern Lehranstalten besitzt der Kanton das staatliche Lehrerseminar in Rorschach mit 4 Jahreskursen, 10 Lehrern und 91 Schülern;
die staatliche Kantonsschule in St. Gallen mit 25 Professoren, 10 Hilfslehrern und 421 Schülern (176 am Gymnasium, 123 an der technischen und 107 an der merkantilen Abteilung der Industrieschule, 8 Sekundarlehramtskandidaten und 7 Hospitanten);
die Verkehrsschule in St. Gallen (15 Hauptlehrer, 5 Hilfslehrer und 193 Schüler) mit Abteilungen für Eisenbahn, Post, Telegraph und Zoll;
eine Handelsakademie mit 12 Hauptlehrern, 5 Hilfslehrern, 127 Studierenden und 384 Hörern.
In den letzten 4-5 Dezennien wurde der Berufsbildung besondere Aufmerksamkeit geschenkt, indem man Fachschulen für bestimmte Berufsarten, Fortbildungsschulen für Lehrlinge und allgemeine Gewerbeschulen errichtete. Von solchen Anstalten nennen wir neben der Verkehrsschule und Handelsakademie noch die Industrieschule an der Kantonsschule, die Zeichnungsschule für Industrie und Gewerbe, das Industrie- und Gewerbemuseum mit Mustersammlung und Bibliothek (alle in St. Gallen), die toggenburgische Webschule in Wattwil, die Stickfachschulen in Rheineck, Grabs, Kirchberg und Degersheim, die kantonale landwirtschaftliche Schule in Rheineck mit Wanderkursen, die Nachstickschulen, die Frauenarbeitsschule in St. Gallen und die Koch- und ¶
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Haushaltungsschule in St. Gallen, ferner 33 gewerbliche, 10 kaufmännische und 3 hauswirtschaftliche Fortbildungsschulen in den grössern Ortschaften des Kantons; die gewerblichen Lehrlingsprüfungen, die Fachkurse von Vereinen, die merkantile Abteilung an der Kantonsschule, die kaufmännischen Lehrlingsprüfungen, die weibliche Abteilung der kaufmännischen Fortbildungsschule.
Privatschulen gibt es im Kanton 21, wovon 8 für allgemeine Bildungszwecke, 6 Rettungs (Erziehungs)-Anstalten, 1 Taubstummenanstalt, 4 Waisenschulanstalten und 2 Erziehungsanstalten für Schwachsinnige. Für altersschwache und invalid gewordene Lehrer besteht ein Pensionsfond, der bis auf 1000 Fr. Jahrespension vergütet und auch die Lehrerwitwen und -waisen bedenkt. Staat und Gemeinden verausgaben im Ganzen für das Unterrichts- und Erziehungswesen 4409100 Fr., wovon 3272180 Fr. auf die Gemeinden und 1136920 Fr. auf den Kanton entfallen. An die Primarschulen leisten die Gemeinden 2163128 Fr. und der Staat 619125 Fr., d. h. im Ganzen 2782253 Fr.; für das Sekundarschulwesen fallen den Gemeinden 835467 Fr. und dem Staat 60000 Fr. (zusammen also 895467 Fr.) zur Last; für die Kantonsschule und das Lehrerseminar verausgabt der Staat 200141 Fr. und für die Berufsschulen 200513 Fr.
Sanitätswesen.
Dieses steht unter der Leitung des Vorstehers des kantonalen Justizdepartementes und eines fünfgliederigen Sanitätskollegiums. Unter ihm stehen die 8 Bezirksärzte mit je zwei Adjunkten. Der Kanton zählt 140 Aerzte, 23 Apotheker, 43 Tierärzte, 19 Zahnärzte und 244 Hebammen. Als sanitäre Anstalten und Förderungsmittel nennen wir den 1868 errichteten Kantonsspital mit der kantonalen Entbindungsanstalt, die Krankenhäuser in Walenstadt, Uznach, Wattwil, Altstätten, Rorschach, Thal, Flawil und Niederuzwil, das kantonale Asyl in Wil für Altersschwache und unheilbare Irren, die Irrenheilanstalt St. Pirminsberg in Pfäfers, das im Entstehen begriffene Lungensanatorium auf Knoblisbühl am Walenstadterberg, die Kurheilanstalt im Bad Pfäfers (besonders für die Armen) die Institution des Kantonschemikers, die Lebensmittelpolizei, die Fabrikpolizei, die in allen Gemeinden bestehenden Ortsgesundheitskommissionen, die obligatorischen Krankenkassen für Aufenthalter, die Errichtung von Desinfektionsanstalten (Buchs etc.), die Sanitätsbibliothek, die Kurse über Lebensmittelpolizei und die Samariterkurse.
Das Veterinärwesen ist seit 1894 vom Sanitätswesen getrennt und wird geleitet von der Veterinärkommission, deren Vorstand der Chef des Volkswirtschaftsdepartementes ist und deren Organe der Kantonstierarzt und 8 Bezirkstierärzte mit 16 Adjunkten sind. Die Tätigkeit dieser Organe bezieht sich hauptsächlich auf Veterinärpolizei, Bekämpfung der Viehseuchen, Ueberwachung des Viehverkehres und die Fleischschau.
Armenwesen.
Das öffentliche Armenwesen ist gesetzlich geregelt und obliegt den Gemeinden nach dem Heimatsprinzip. Neben der öffentlichen Armenpflege besteht und wirkt die freiwillige in sog. Armenvereinen. Das öffentliche Armenwesen, für welches verfassungsgemäss auch die finanzielle Beihilfe des Staates in Anspruch genommen werden kann, wird nach dem «Gesetz über das Armenwesen» vom Jahr 1833 verwaltet, soweit es sich um die ortsbürgerliche Armenpflege handelt, und nach dem «Gesetz betr. das polizeiliche Armenwesen» vom Jahr 1877, soweit die Armenfürsorge für Nichtorts-, bezw. Nichtkantonsbürger einzutreten hat.
Seit Jahren leistet der Staat an die stark belasteten Armengemeinden zur Deckung der Jahresdefizite, zur leichteren und besseren Versorgung von Geisteskranken, Unheilbaren und Altersschwachen, Waisen und körperlich und geistig schwachen Kindern in besonderen Pflege- und Heilanstalten erhebliche Beitrage und zwar teils direkt aus der Staatskasse (20000 Fr. Jahresbeitrag an die Gemeinde-Armenrechnungsdefizite), teils aus besonderen Zentralfonds. Solche sind der Kantonalarmenfonds mit 147256 Fr., der Hilfsfonds für notarme Irren mit 176940 Fr., der Waisenversorgungsfonds (neu) mit 75008 Fr., der Badarmenfonds mit 61138 Fr., die Bartholme'sche und Dr. Kaiser'sche Badarmenstiftung (in Ragaz) mit 49118 Fr., die Kantonshilfskasse für Elementargeschädigte mit 499843 Fr. Kapital.
Zur Entlastung der öffentlichen Armenkassen gereichen die gesetzlich bestehenden Aufenthalter-Krankenkassen in allen politischen Gemeinden. Anspruch auf die vorübergehende oder dauernde öffentliche Unterstützung von Seiten einer Gemeinde haben nur die eigentlichen Ortsgemeindebürger. In 79 von allen 93 Gemeinden bestehen Armenanstalten, Bürgerasyle, die der staatlichen Oberaufsicht unterstehen. Ferner gibt es 11 besondere Pflegeanstalten für arme und Waisenkinder. Das Vermögen der sämtlichen Armengemeinden bestand 1904 in 10144076 Fr. Fondskapital (Stadt St. Gallen allein 3 Millionen) und 9451635 Fr. Grundbesitz (inkl. Gebäude mit 480000 Fr. Schulden).
Im Jahr 1903/04 betrugen die Gemeinde-Armendefizite, welche durch besondere Gemeindearmensteuern (Durchschnittsansatz 1904: 21,5 Rappen von 100 Fr. Steuerkapital) zu decken sind, insgesamt 417589 Fr. Die Zahl der armengenössigen Ortsgemeindebürger belief sich 1904 auf 6984; davon entfallen 2502 auf in Armenanstalten und 1262 auf ausserhalb solcher Versorgte und Unterstützte, auf 2330 im Kanton und 890 ausserhalb des Kantons Wohnende.
Der Kanton besitzt eine stattliche Anzahl Wohltätigkeitsanstalten: eine Irrenheilanstalt (St. Pirminsberg bei Pfäfers), ein Asyl für Altersschwache und unheilbare Geisteskranke in Wil (Erstellungskosten über 3 Mill. Fr.), einen Kantonsspital und 2 Bezirkskrankenhäuser (Walenstadt und Uznach);
die für 100 Pfleglinge eingerichtete Taubstummenanstalt in St. Gallen wird staatlich erheblich subventioniert, ebenso die Besserungsanstalt für Knaben in Oberuzwil und die 5 Rettungsanstalten konfessioneller Natur.
Seit zwei Jahren besteht eine katholische Anstalt für Schwachsinnigenbildung im alten Kloster Neu St. Johann, während eine zweite, interkonfessionelle Anstalt der gleichen Art in der Gründung begriffen ist.
Künste.
1. Architektur. Die erste baukünstlerische Tätigkeit weist die Basilika des Abtes Gozbert (816-837) auf. Das Feuer zerstörte dieselbe 937, worauf auch den Neubau im 14. und 15. Jahrhundert das nämliche Schicksal traf. Die Wiederherstellung der Stiftsbauten nach einem einheitlichen Grundplan blieb dem 18. Jahrhundert vorbehalten. 1755-1767 wurde die Stiftskirche erstellt. Gleichzeitig mit den Kultbauten ging die Entwicklung des Profanbaues, dem jedoch erst im 19. Jahrhundert grössere Aufgaben gestellt wurden. Seine bedeutendsten Vertreter ¶
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sind F. W. Kubly (1825-1877), der Erbauer des Kantonsschulgebäudes; der früh verstorbene geniale J. G. Müller (1822-1849); J. C. Kunkler, der Architekt des Verwaltungsgebäudes der «Helvetia», J. B. Simon (1816-1900), K. A. Hiller († 1901) u. A.
2. Plastik. Dem 9. Jahrhundert gehört der Mönch Tutilo an, dessen kunstfertiger Hand wir die Elfenbeintafeln der Stiftsbibliothek verdanken. Der Bürger Hans Owiler von St. Gallen wird im 15 Jahrhundert als Erbauer der gotischen Chorstühle in der Stiftskirche genannt. In neuester Zeit sind es namentlich Aug. Bösch und H. Geene, denen St. Gallen manch' hübsches Werk der Plastik verdankt.
3. Malerei. Die ältesten erhaltenen Werke gehören der Miniaturmalerei an. Sintram, der Schreiber des Evangelium longum in der Stiftsbibliothek, und Folchard, der Schreiber des Codex 23 derselben Bibliothek, illustrieren die Bestrebungen des 9. Jahrhunderts. Auch in den folgenden Jahrhunderten finden wir unter den St. Galler Mönchen tüchtige Miniaturmaler. Im 19. Jahrhundert treffen wir als Maler den von Dilettantismus nicht freien G. L. Hartmann (1764-1828), den Porträtisten F. M. Diogg (1764-1834), den Landschaftsmaler G. Bion (1804-1876), E. Rittmeyer (1820-1902), Sev. Benz (1834-1898) und den Marinemaler Eugen Zardetti. In den Namen Adrian Zingg (1734-1816), K. Gonzenbach (1804-1885) und H. Merz (1806-1875) weisen wir auf die hervorragendsten Vertreter des Kupferstiches hin.
4. Tonkunst. Der eigentliche Begründer der st. gallischen Sängerschule ist Karl der Grosse, in dessen Auftrag Romanus von Rom nach St. Gallen kam, wodurch der römische Choralgesang diesseits der Alpen gehoben wurde. Als Tonkünstler und Dichter erscheinen in der Frühzeit Notker Labeo, Ratpert und Notker Balbulus, sowie der Dekan Waltram Hartmann. 1515 finden wir Fridolin Sicher als Organisten an der Stiftskirche. Mit ihm fand der vierstimmige Gesang und 80 Jahre später die Instrumentalmusik Aufnahme. Ein eingehenderes Studium des alten Chorales blieb der Neuzeit vorbehalten, und es war namentlich Bischof K. Greith, der sich um dessen Hebung hohe Verdienste erwarb. Von st. gallischen Komponisten sind zu nennen Ferdinand Huber († 1863), ^[Ergänzung: dem man 1906 ein Denkmal gesetzt hat.] Joseph Greith († 1869), Wilhelm Baumgartner († 1867) und Karl Greith († 1878), ^[Ergänzung: ferner Stehle und Singenberger.]
5. Dichtkunst und schöne Literatur. Der junge Kanton zählt manche Dichter und Kunstschriftsteller von gutem Klang: Bernold (1765-1841), J. A. Henne (1780-1870), Gabr. Müller (1815-1867), P. Gall Morel (1803-1872), Karl Morel (1822-1866), C. G. Sailer (1817-1871) etc. Auch die Gegenwart weist manchen hervorragenden Vertreter schriftstellerischer Kunst auf.
Archive und Bibliotheken.
Das 1550 gegründete Stiftsarchiv enthält etwa 17500 Urkunden und etwa 6000 Aktenfaszikel, sowie an Manuskripten und Klosterdrucken etwa 2000 Nummern. Mit ihm wurde das etwa 6000 Archivalien enthaltende Archiv des aufgehobenen Benediktinerstiftes Pfäfers vereinigt. Das im Stadthaus der Ortsbürgergemeinde aufbewahrte Stadtarchiv St. Gallen umfasst etwa 16000 Urkunden, etwa 160 Faszikel Ratsmissiven und 7590 handschriftliche Bände. Das Staatsarchiv enthält sämtliche Archivalien der Regierung des Kantons St. Gallen. Ausserdem bestehen im Kanton Archive in den Gemeinden Altstätten, Lichtensteig, Rapperswil, Rheineck, Rorschach, Uznach, Sargans, Walenstadt, Weesen und Wil.
Die Gründung der Stiftsbibliothek geht auf Abt Gozbert, d. h. ins 9. Jahrhundert zurück. Die Schreiberschule von St. Gallen sorgte im Laufe der Jahrhunderte für die Aeufnung der Bücherbestände, wozu sich reiche Schenkungen gesellten. Herbe Verluste blieben der Bibliothek indessen nicht erspart. Teils Unkenntnis der literarischen Schätze, teils Verschleppungen verminderten den Bestand. Am Ende des 18. Jahrhunderts konnte Gilg Tschudi's wertvoller Nachlass von Handschriften glücklich erworben werden. Die Wirren zur Zeit der Aufhebung des Klosters beeinflussten dessen Bibliothek nur unbedeutend. Sie ist gegenwärtig Eigentum des katholischen Konfessionsteiles des Kantons St. Gallen und besitzt gegen 2000 Handschriften und etwa 50000 Druckbände. (Vergl. Weidmann, G. Geschichte der Bibliothek St. Gallen seit ihrer Gründung um das Jahr 830 bis auf 1841. St. Gallen 1816).
Die Stadtbibliothek St. Gallen wurde durch den Bürgermeister und Reformator Joachim Vadian († 1551) gegründet. Ihre handschriftlichen Bestände sind für die Reformationsgeschichte von hoher Bedeutung. Sie ist Eigentum der städtischen Bürgergemeinde u. zählt etwa 70000 Bände. Andere, kleinere Bibliotheken sind a) in d. Stadt St. Gallen diejenige des Kaufmännischen Direktoriums (Handelswissenschaften umfassend), des Gewerbemuseums, der Kantonsschule, der Lesegesellschaft «Museum», die Militär-, Sanitäts-, Kantonsgerichts- und juristische Bibliothek im Regierungsgebäude, die Bibliothek u. Kartensammlung der geographischen Gesellschaft u. diejenige der Sektion St. Gallen des S. A. C.; b) im übrigen Kantonsteil die Bibliotheken der Kapuzinerklöster in Wil, Rapperswil und Mels, sowie manche Schul-, Vereins- und Volksbibliotheken.
Wissenschaften.
Von Vertretern der Naturwissenschaften weisen wir auf folgende Namen hin: Steinmüller, Gründer der Zeitschrift «Alpina»;
Dr. Zollikofer (1774-1842), Gründer der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft;
Adrian Scherrer (1783-1835);
Prof. Peter Scheitlin (1779-1848);
Prof. Dr. B. Wartmann (1830-1902);
Dr. Stölker (1834-1878);
Dr. Friedr. Tschudi (1820-1886), Verfasser des Tierlebens der Alpenwelt;
Dr. Laur. Sonderegger, hochverdienter Arzt.
Vertreter der historischen Wissenschaften sind u. a. P. Ildefons von Arx (1755-1833), der Verfasser der klassischen Geschichten des Kantons St. Gallen; Otto Henneam Rhyn; Gallus Jak. Baumgartner († 1885); Aug. Naef (1806-1887);
Franz Weidmann (1774-1843);
Karl Wegelin (1803-1856);
Bischof Karl Greith († 1882);
Dr. Dierauer;
Dr. Götzinger;
Dr. Hermann Wartmann, Gründer des historischen Vereins und Verfasser des Urkundenbuches der Abtei St. Gallen;
^[Ergänzung: Der Kunsthistoriker und Stiftsbibliotheker Dr. Ad. Fäh.] Theologie, Philosophie, Nationalökonomie und verwandte Wissenschaften: Dr. Karl Greith, Dr. Augustin Egger, Prof. P. Scheitlin, Karl Steiger, Theodor Curti, ^[Ergänzung: Dr. Otto Zardetti († 1901), der theologisch-pädagogische Volksschriftsteller H. Wetzel († 1904), der Staatsrechtslehrer Prof. C. Hilty in Bern] u. s. w. Vergl. die Zentenar-Festschrift 1903.
Die politische Geschichte
des Kantons St. Gallen beginnt mit seinem Grundungsjahr 1803. Die frühere Geschichte der einzelnen Landesteile zeigen die Artikel Abtei St. Gallen, Fürstenland, Stadt und Republik St. Gallen, Landschaft und Vogtei Rheinthal, Herrschaft Sax, Amt Gams, Grafschaften und Vogteien Werdenberg und Sargans, Herrschaft Windegg, Vogtei Gaster, Stadt und Landschaft Uznach, Stadt und Republik Rapperswil, Grafschaft und nachher fürstäbtische Landschaft Toggenburg, sowie die Artikel über die heutigen Bezirke und die einzelnen Ortschaften. In der 1798 geschaffenen «Einen und unteilbaren helvetischen Republik» wurden die n. Landesteile des heutigen Kantons mit Appenzell zum Kanton Säntis und die s. Teile mit dem Lande Glarus und den jetzt schwyzerischen Bezirken March und Höfe am Zürichsee zum Kanton Linth vereinigt. Die n. Grenze der heutigen Bezirke Ober Toggenburg und Werdenberg mit der Gemeinde Rüti am Rhein bildete die Scheidelinie zwischen diesen beiden Kantonen. Diese von Frankreich ¶