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im Bündner Oberland nur etwa 6% der gesamten Bodenfläche ein oder also etwas über 90 km2, d. h. beträchtlich weniger als etwa im Engadin, Berner Oberland oder Wallis. Gleichwohl sind manche schöne Eisfelder von ansehnlicher Ausdehnung vorhanden, so besonders in der Medelsergruppe (Medelsergletscher etc.) und in den obersten Verzweigungen des Valserthals (Lentagletscher, Kanalgletscher etc). Aus der Tödikette gehören unserm Gebiet an die prächtige Zunge des Segnesgletschers, der flachgelagerte Bündnerbergfirn am Vorab, die Eisbecken am Hausstock und Ruchi, der schön terrassierte Frisalgletscher und der herrlich umrahmte Puntaiglasgletscher, der wie ein grosses Schulmodell alle Erscheinungen der Gletscherwelt in typischer Ausbildung zeigt. Auch sonst sind noch Dutzende von kleinern Gletschern und Firnfeldern vorhanden.
Das Bündner Oberland blieb, besonders in seinen Seitenthälern, lange Zeit von dem sonst alles überflutenden Fremdenstrom wenig berührt, obwohl es an guten Strassen und Postverbindungen nicht fehlte. So lange es keine Eisenbahn hatte, war es doch immer eine weite Reise da hinein. Zudem müssen seine Reize abseits der Heerstrassen aufgesucht werden und verlangen zu ihrem Verständnis ein sinniges Gemüt. Nun aber ist die Eisenbahn da und damit das sonst so abgeschiedene Ländchen der übrigen Welt näher gerückt.
Eine Linie der Rätischen Bahn führt von Reichenau in kunstvoller Anlage durch die Rheinschluchten nach Ilanz, dem Verkehrsmittelpunkt des Oberlandes, der von Chur aus in etwa einer Stunde erreicht wird. Dazu kommt ein doppelter Strassenzug von Reichenau nach Ilanz: einerseits über Flims mit täglich mehrmaliger Postverbindung im Sommer und Winter, andererseits über Bonaduz und Versam. Von Ilanz zieht eine grosse Poststrasse das ganze Rheinthal aufwärts mit Fortsetzung über den Oberalppass zum Anschluss an die Gotthard- und Furkastrasse und an die Gotthardbahn.
Bei Disentis zweigt die Lukmanierstrasse ab und stellt die Verbindung her mit der Gotthardstation Biasca. Doch werden beide Bergstrassen, Oberalp und Lukmanier, nur im Sommer von der Post befahren. Weitere Strassen mit täglicher Postverbindung führen von Ilanz ins Lugnez bis Vrin und Vals, sowie von Ilanz einerseits nach Brigels, andererseits nach Obersaxen, ferner von der Station Versam ins Safienthal und von der Station Valendas-Sagens nach Laax und dem hochgelegenen Fellers (1218 m). Von touristisch wichtigen Bergpässen seien erwähnt: der Segnespass (2625 m) von Flims nach Elm, der Panixerpass (2407 m) von Waltensburg nach Elm, der Kistenpass (2727 m) von Brigels nach Linthal, der Sandalppass (2780 und 2807 m) von Truns und Disentis nach Linthal, der Brunnipass (2736 m) von Disentis ins Maderanerthal und nach Amstäg, der Krüzlipass (2350 m) von Sedrun ebenfalls nach dem Maderanerthal und Amstäg, die Fellilücke (2490 m) vom Oberalppass ins Fellithal (Kt. Uri), der Passo del Uomo (2212 m) von Santa Maria am Lukmanier ins Val Piora (Kt. Tessin), der Cristallinapass (2404 m) aus dem Medelserthal nach Campo im Val Blenio, der Greinapass (2360 m) aus dem Somvixerthal ebenfalls ins Bleniothal, der Diesrut (2424 m) aus dem Somvixer- ins Lugnezerthal (Vrin), der Valserberg (2507 m) von Vals nach Hinterrhein, der Tomülpass (2417 m) von Vals ins Safienthal, der Safierberg (2490 m) von Safien nach Splügen, der Glaspass (1846 m) von Safien nach Thusis.
Werfen wir einen Blick auf die Thalbildung des Oberlandes, so fällt eine grosse Aehnlichkeit desselben mit dem Wallis auf. Rhein- und Rhonethal bilden zusammen und mit dem Urserenthal eine einzige, durchgehende Thalfurche von Chur bis Martinach und biegen an diesen Punkten nach N. ab, um in den grössten Seebecken der Schweiz zu endigen. Sie liefern so das Bild einer am Gotthard befestigten Schalenwage. In den beiden grossen Thälern fliessen die Hauptflüsse, Rhein und Rhone, hart am S.-Fuss der nördl. Bergwand hin, die in fast gerader Linie steil und wenig zerschnitten in die Höhe steigt, während der Hauptgebirgszug im S. in grösserm Abstand und in mehrfach gebrochener Linie dahin zieht und zahlreiche, oft wieder verzweigte Aeste nach N. sendet. Nur hier finden wir daher auch grössere und bewohnte Seitenthäler, während die Thäler der N.-Seite durchweg kurz, meist schluchtartig und unbewohnt sind (mit der einzigen Ausnahme von Panix). Wie in der äussern Gestaltung, so zeigen das Bündner Oberland und das obere Wallis auch manche Aehnlichkeiten im geologischen Bau, in Klima, Pflanzen- und Tierleben, in der Besiedelungsweise etc.
Geologisches.
Beiden Gebieten gemeinsam ist eine beträchtliche Verbreitung dunkler und grauer, meist kalkig-toniger Schiefer, der sog. Bündnerschiefer, die, vom Prätigau, Schanfigg und Domleschg herüberstreichend, in den Gebirgen des Safienthales und des Lugnez herrschen und durch einen zwischen dem Gotthard-Medelsermassiv einerseits und dem Tessin-Adulamassiv andererseits eingeklemmten Streifen über Piz Terri, Campo-Olivone, Scopi-Lukmanier, Val Canaria, Airolo-Val Bedretto, San Giacomo- und Griespass, Ofenhorn und Binnthal mit den Schiefern des Wallis zusammenhängen.
Ein ähnlicher Schieferstreifen zieht zwischen Gotthard- und Aarmassiv vom obern Wallis (Goms) über Furka, Urserenthal und Oberalp ins Tavetsch herüber und erfüllt auch die vordern Teile von Val Nalps, Val Medels und Val Somvix, während die hintern Teile dieser Thäler dem östl. Ausläufer des Gotthardmassivs angehören. Die Gesteine des Bündnerschieferkomplexes sind sehr verschieden und daher schwer als zu einer Einheit zusammengehörig zu erkennen. Namentlich wo sie in den genannten Streifen zwischen Zentralmassive eingeklemmt sind, erscheinen sie oft mehr oder weniger krystallinisch umgewandelt.
Dazu kommen häufig Kalk- und Dolomitgesteine, Sandstein- und Quarzitschiefer, Rauhwacken, Gipse, Marmore, Serpentine und Grünschiefer, letztere besonders im hintern Safien- und im Valserthal und als durch Stauungsmetamorphose veränderte Diabasgesteine erkannt. Nächst den Bündnerschiefern nimmt unter den Sedimenten der Verrucano, ebenfalls in verschiedener Ausbildungsweise, den grössten Raum ein. Von Truns bis Ilanz erscheint er auf beiden Seiten des Rhein, doch in stärkerer Entwicklung auf der N.-Seite, wo er bis hoch in die Seitenthäler und an die Abhänge hinauf geht (bis Val Frisal, Panix, Alp Ruschein, Crap Ner an der Sether Furka etc.) Gegen den Bündnerschiefer ist er meist durch ein schmales Dolomitband (Rötidolomit) begrenzt.
Beide treten auch im Wallis wieder auf. In der Gipfelregion vom Tödi nach O. finden sich dann Jura-, Kreide- und Eocängesteine, ähnlich wie auch in der N.-Wand des Wallis vom Lötschenpass nach W. Dabei zeigt sich, dass im Rheinthal der Verrucano über die jüngern Gesteine nordwärts übergeschoben ist, das Ganze (östl. vom Tödi) also eine nach N. übergelegte Falte bildet. Südl. vom Rhein (wie auch südl. der Rhone) fehlen die Jura-, Kreide- und Eocängesteine ganz.
Den kleinern Raum nehmen im Bündner Oberland die krystallinen Gesteine ein, und diese gehören drei Massiven an, dem Aar-, Gotthard- und Adulamassiv, die sowohl nach ihrem Gesteinsmaterial als nach ihrer Tektonik wesentlich voneinander verschieden sind. Das O.-Ende des Aarmassivs, von Uri herüberstreichend, bildet den Grenzkamm zwischen Graubünden und Uri und lässt sich als Basis der Sedimente unter dem Tödi und weiter nach O. verfolgen. Es bildet einen nach N. geneigten gewaltigen Fächer und besteht hauptsächlich aus Gneisen, Serizitgneisen, Protoginen, Hornblende-, Diorit-, Chlorit- und Talkschiefern, sowie aus Graniten, Dioriten und Syeniten, unter welchen besonders die Rusein- und Puntaiglasdiorite («Puntaiglasgranite») hervorzuheben sind.
Das Gotthardmassiv greift über den Badus und Piz Alv herüber bis in die Medelsergruppe. Es bildet im ganzen einen aufrechten Fächer und besteht vorherrschend aus Gneisen, Glimmergneisen, Quarzglimmerschiefern, Serizit-, Phyllit-, Hornblende-, Chlorit- und Talkschiefern, dann aus Protogingranit, Cristallinagranit, Dioriten von Curaglia und Val d'Ufiern, zeigt also noch manche Aehnlichkeiten mit dem Aarmassiv. Das Adulamassiv nimmt im Bündner Oberland nur einen kleinen Raum ein, vom Rheinwaldhorn etwa bis Plattenberg, Vals und Valserberg. Es ist ein Teil des Tessinermassivs und hat mit diesem das nordsüdl. Streichen seiner Schichten und Ketten gemein. Seine Hauptgesteine sind Antigorio- oder Tessinergneis, undeutliche Glimmerschiefer, Adulagneis und verschiedene andere krystalline Schiefer; auch Kalk- und Dolomitmarmore treten auf, während ¶
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Eruptivgesteine fehlen. Im Gegensatz zu den Fächern des Aar- und Gotthardmassivs bildet das Adulamassiv ein breites, flaches Gewölbe mit etwas steiler abfallenden Rändern. (Vergl. auch den Art. Graubünden).
Das Klima
des Bündner Oberlandes zeigt natürlich die Züge, die man bei Hoch- und Längsthälern zu finden gewohnt ist, also vor allem leichte, reine und relativ trockene Luft, viel heitern Himmel und mässige Niederschläge, im Winter beträchtlichen Schneefall und langandauernde Schneedecke. Leider gibt es im Oberland nur eine einzige ständige meteorologische Station und diese in Platta-Medels, also in einem Seitenthal, so dass die klimatischen Elemente des Hauptthals nicht zahlenmässig dargestellt, sondern nur aus Nachbarstationen erschlossen werden können. Da Chur (610 m) eine mittlere Jahrestemperatur von 8,33°, Reichenau (597 m) eine solche von 7,86° hat, so wird man z. B. für Ilanz (720 m) auf ein Jahresmittel von etwas über 7°, für Disentis (1160 m) auf ein solches von etwas über 5°, für Sedrun (1400 m) auf etwa 4° u. für Tschamut (1618 m) auf etwa 3° schliessen dürfen.
Der Unterschied zwischen kältestem und wärmstem Monat wird wie in den meisten Thalstationen Graubündens 19-20° betragen. Eigentümlich sind die Verhältnisse in Platta-Medels (1379 m), wo nach den Angaben der meteorologischen Zentralstation in Zürich das Jahresmittel aus 37 jährigen Beobachtungen 4,56°, das Januarmittel -3,45° und das Julimittel 13,19° beträgt, das Jahresmittel also zu hoch, die mittlere Jahresschwankung mit nur 16,64° zu klein erscheint. Da an der Richtigkeit dieser Angaben kaum zu zweifeln ist, so müssen wohl lokale, hier nicht weiter zu erörternde Verhältnisse an diesen unerwarteten Ergebnissen schuld sein. Die Niederschläge nehmen im Rheinthal wie im Rhonethal mit der Entfernung vom Gotthard ab. Sie betrugen z. B. im Jahr 1903 am Gotthard 275 cm, bei Tschamut 150 cm, bei Sedrun 125 cm, bei Brigels 100 cm, bei Reichenau 80 cm und bei Chur 73 cm.
Das Rheinthal ist niederschlagsreicher als das Rhonethal und Engadin, gehört aber doch mit diesen zu den trockensten Gegenden der Schweiz. Bekanntlich ist das Rheinthal wie das Rhonethal eine bevorzugte Föhnrinne mit all' den Vorzügen und Nachteilen einer solchen. Der Föhn tritt nicht selten mit verheerender Gewalt auf und verursacht dann und wann einen Dorfbrand, umsomehr als Häuser und Ställe meist in dichten Haufen zusammengedrängt und grösstenteils aus Holz gebaut und mit Schindeln gedeckt sind.
Auch das Pflanzenleben
des Bündner Oberlandes zeigt manche Anklänge an dasjenige des Rhonethals von gleicher Höhenlage. Bereits machen sich die Wirkungen der allgemeinen Massenerhebung in einer etwelchen Steigerung der biologischen Höhengrenzen bemerkbar. Der Wald steigt bis etwa 1920 m, in einzelnen Seitenthälern wie Vals, Rusein und Somvix noch etwas höher (1930-1950 m), einzelne Bäume gehen bis 2100-2200 m. Der Wald nimmt übrigens im Oberland keine allzugrosse Fläche ein, nämlich nur 13,8% des gesamten Bodens. Im untern Teil des Vorderrheinthals gibt es Gegenden, wo der Wald 20-30% der Fläche umfasst.
Dafür gibt es aber auch Thäler, die ganz waldlos sind, so Val Maigels, Val Cornera und Val Nalps (hier den untersten Abschnitt ausgenommen), dann Val Medels oberhalb Perdatsch, Val Frisai und verschiedene andere Gegenden. Der weitaus häufigste Waldbaum ist die Fichte oder Rottanne. Die Lärche, die z. B. im Engadin vorherrscht und grosse, reine Bestände bildet und auch sonst in Graubünden weit verbreitet ist, findet sich im Oberland relativ nicht häufig und merkwürdigerweise mehr in den tiefern als in den höhern Lagen. In der sog. Gruob (Becken von Ilanz) und auch sonst im Vorderrheinthal und Val Medels an manchen Orten zerstreut stehen kleine Wäldchen und Horste, besonders auf Hügeln und Gebirgsvorsprüngen. In Safien und im Tavetsch fehlt die Lärche ganz, und auch im Somvix und im Gebiet des Glenner ist sie sehr selten.
Noch viel seltener ist die Arve, die nur noch in Vals, Vrin, Medels und Val Cornera in wenigen Exemplaren vorhanden ist. Die Weisstanne geht in einzelnen Exemplaren bis etwas hinter Disentis, ebenso die Waldkiefer. Die Eibe kommt vereinzelt in den Wäldern von Flims, Ilanz und Truns vor. Von den Laubbäumen des Waldes ist die Buche nur im untersten Abschnitt des Vorderrheinthals bis Fidaz-Flims (1300 m), die Eiche an wenigen Orten bis Truns in einzelnen Exemplaren und kleinen, abgehenden Beständen vorhanden, die Birke dagegen sehr verbreitet, die Weisserle häufig an Flussufern und Bächen, die Grünerle an schattigen Abhängen der Alpenregion, der Bergahorn bis über Disentis hinauf (1260 m), die Esche bis Schlans, Somvix und Tersnaus (Lugnez), die Ulme bis an den Eingang ins Lugnez, die Linde bis Oberkastels und St. Martin (Glenner) zu finden.
Ein Verzeichnis der floristischen Seltenheiten gibt Dr. Tarnuzzer in seinem Ill. Bündner Oberland, S. 150 f. Die Obstbäume sind am zahlreichsten in der Gruob, gehen aber auch bis über Disentis hinauf und weit ins Lugnez hinein, der Kirschbaum z. B. im Tavetsch bis 1320 m, bei Morissen (Lugnez) bis 1340 m, bei Brigels bis über 1300 m, in Curaglia-Medels bis 1230 m und in Vals bis 1250 m, Birn- und Apfelbaum bei Disentis bis 1050 m und bei Waltensburg bis 1010 m, der Nussbaum bei Disentis bis 1050 m. Die Obstbaumzucht macht schöne Fortschritte und arbeitet namentlich auf feines Tafelobst hin.
Auch die Mostbereitung gewinnt mehr und mehr an Boden. Gerste, Roggen und Kartoffeln werden noch bei Tschamut bis 1500 m, in Soliva (Medels) bis 1470 m, in Vrin bis 1454 m, selbst Mais bei Truns bis fast 800 m angepflanzt. Freilich muss man dann in diesen hohen Lagen das Getreide nach der Ernte an hohe, breite Stangengerüste (romanisch Chischnè, deutsch Histen genannt) bündelweise befestigen und einige Zeit hängen lassen, damit es durch die Wirkung der Sonne und der durchstreichenden Luft völlig ausreifen und trocknen kann. Früher wurde in der Gruob auch Weinbau getrieben, und jetzt noch trifft man Rebenspaliere bis Truns (fast bis 800 m).
Die freilebende Tierwelt
ist ungefähr dieselbe wie im übrigen Bünden. Die Gemsen sind noch zahlreich vorhanden, am meisten im Somvix, im Duvinertobel (Lugnez) und in den Thälern hinter Vals; Rehe finden sich in den Wäldern des untern Oberlandes (Flims, Sculms etc.), Murmeltiere überall in den ihnen zusagenden Höhen. Unter den Haustieren erregen das Oberländer Rind, das Tavetscher Schaf und das Oberländer Schwein ein besonderes Interesse, da sie vom Torfrind, Torfschaf und Torfschwein der Pfahlbautenzeit abstammen.
Das Oberländer Rind hat sich neben den übrigen Bündnerrassen als selbständiger Gebirgsschlag entwickelt und auf verschiedenen Ausstellungen grosse Erfolge errungen. Daneben hält man viel Grau- und Braunvieh, ersteres im ganzen mehr in den obern, letzteres mehr in den untern Teilen des Oberlandes. Das Tavetscherschaf (auch Nalpserschaf genannt) ist klein, weiss, kurzwollig, mit zweikantigem, nach hinten gebogenem, ziegenartigem Gehörn, aber in reinerer Rasse nur noch selten zu finden, so in Tavetsch, Somvix und Vrin.
Bei den Waldhäusern-Flims ist eine Kolonie desselben angelegt. Viel reichlicher vorhanden ist das Valserschaf, ein Kreuzungsprodukt aus dem Tavetscher- und Bergamaskerschaf. Beide Schläge liefern ein feinschmeckendes Fleisch und gute Wolle, aus welcher die bekannte graue Nationalkleidung der Oberländer hergestellt wird (Wollspinnerei- und -weberei in Truns). Das Oberländer Schwein ist von hoher Mastfähigkeit und liefert sehr feine Schinken. Eine Kreuzung mit eingeführten Schweinerassen ist grösser, ergibt aber ein weniger feines Fleisch.
Die Pferdezucht wird nur noch in Obersaxen und im Lugnez betrieben. Sie ist infolge der Eisenbahnbauten, besonders seit Eröffnung der Gotthardbahn, stark zurückgegangen. Das Oberländer Pferd ist klein, aber zähe und ausdauernd. Die Viehzählung von 1901 ergab für das Bündner Oberland 700 Pferde, 22100 Rinder, 32000 Schafe, 13200 Ziegen und 7000 Schweine im Gesamtwert von etwa 5½ Millionen Fr. Der Totalmilchertrag beziffert sich auf rund 4,4 Mill. Liter, der Gesamtertrag für Molkereiprodukte auf gut 1½ Mill. Fr. Von Butter gelangen höchstens 8%, von Käse 5% in den Handel. An Spezialitäten sind hervorzuheben Safier Alpenkäse, halbfette Cavreiner Käse (Disentis), Tavetscher Ziegenkäse, Valser- und Trinserbutter. Die früher berühmten Cristallina- und Tavetscherkäse werden leider nicht mehr fabriziert. An Fleischwaren werden namentlich sog. Bündnerfleisch (an ¶
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der Luft gedörrt), Oberländer Schinken und Schafschinken von vorzüglichen Qualitäten hergestellt und auch ausgeführt. Unübertroffen ist der Alpenhonig, besonders von Tavetsch, Medels und Panix. Die Bienenzucht ist seit den 80er Jahren in erfreulichem Fortschritt begriffen.
Bevölkerung.
Das Bündner Oberland ist begreiflicherweise nicht stark bevölkert. Es hat bis hinunter nach Tamins und Reichenau auf 1514 km2 nur 19403 Ew., also 12,8 per km2, wird aber wohl infolge des Eisenbahnbaus und des steigenden Verkehrs überhaupt (Vermehrung und Vergrösserung der schon jetzt ziemlich zahlreichen Kurorte) in den nächsten Zeiten etwas zunehmen. Natürlich ist der weitaus grösste Teil des Landes überhaupt gar nicht bewohnt. Die Bevölkerung drängt sich auf meist schmale Kulturstreifen in den Thalsohlen und auf den untern Gehängeterrassen zusammen und beträgt hier bis 120 Ew. per km2. Im Hauptthal selber sind es 14530, in den Seitenthälern zusammen 4873 (im Val Medels 536, im Lugnez mit Vrin und Vals 3752, im Safienthal 585). Politisch verteilt sich diese Bevölkerung auf die Bezirke Vorderrhein (7 Gemeinden in einem Kreis) mit 5917, Glenner, der auch auf die N.-Seite des Rhein hinübergreift (39 Gemeinden in 3 Kreisen) mit 10494 und Teile der Bezirke Heinzenberg (Safienthal mit Safien und Tenna, 585) und Im Boden (Flims, Trins und Tamins mit 2407 Ew.). Sprachlich und konfessionell ist diese Bevölkerung bunt gemischt und durcheinander gewürfelt.
Doch herrscht das romanische und katholische Element entschieden vor. Auf die Romanischen kommen 75%, auf die Deutschen 22% und auf Anderssprachige (hauptsächlich italienische Eisenbahn- und Strassenarbeiter) etwa 3%, auf die Katholiken 71% und auf die Reformierten 29% der Bevölkerung. Der Bezirk Vorderrhein mit Disentis als Hauptort ist sozusagen rein romanisch und katholisch (wenig über 100 Deutsche und kaum 20 Reformierte), der Kreis Safien umgekehrt fast rein deutsch und reformiert. Im Bezirk Glenner mit dem Hauptort Ilanz machen die Romanischen 71, die Deutschen 26%, die Katholiken 72 und die Reformierten 28% der Bevölkerung aus, im Kreis Trins (ohne Felsberg) die Romanischen etwa 60, die Deutschen 32 und die Italiener (und andere) 8%, die Katholiken 16 und die Reformierten 84%. Es ergibt sich hieraus, dass es im Oberland auch katholische Deutsche und reformierte Romanen hat, obwohl in der Regel die Deutschen reformiert, die Romanen katholisch sind. Vorherrschend romanisch-reformierte Gemeinden sind Trins, Flims, Kästris, Riein, Pitasch, Duvin, Luvis und Waltensburg, deutsch-katholisch Vals und Obersaxen, deutsch-reformiert Tamins, Safien-Tenna, Versam und Valendas. In Ilanz mit jetzt etwa 1000 Ew. halten sich Deutsche und Romanen einerseits, Reformierte und Katholiken andererseits annähernd das Gleichgewicht.
Dass bei dem Reichtum an herrlichen Alpweiden die Viehzucht, verbunden mit Alpwirtschaft, den Haupterwerbszweig des Oberlandes ausmacht, ergibt sich aus dem früher gesagten. Der Landbau ist nur in den tiefsten und mildesten Lagen, wie z. B. in der Gruob, von nennenswerter Bedeutung (Getreide-, Gemüse-, Kartoffel- und Obstbau). Dagegen entwickelt sich immer mehr der Fremdenverkehr. Flims und vor allem Flims-Waldhäuser (Kur- und Seebadanstalt, gross und modern eingerichtet und auch den höchsten Ansprüchen genügend), Ilanz, Peiden Bad (gipshaltige Eisensäuerlinge), Vals Platz (eisenhaltige Gipstherme), Brigels, Teniger Bad (Val Somvix; bittersalzhaltige Gipsquelle) und Disentis (salinischer Eisensäuerling) erfreuen sich schon seit längerer Zeit eines guten Rufes und immer wachsenden Zuspruchs.
Dazu haben sich in neuerer Zeit zahlreiche kleinere Luftkurorte und Sommerfrischen aufgetan, so Laax bei Flims, Versam, Safien-Neukirch, Seewis, Cumbels, Morissen, Villa, Vrin, Furth, Obersaxen, Truns, Medels-Curaglia, Sedrun und Tschamut. Die Ausnutzung der Wasserkräfte wird vielleicht auch einige Industrie ins Land führen. Der Bergbau hat im Oberland nie eine grössere Rolle gespielt. Es fehlt an nutzbaren Metallerzen. Dagegen sind manche Thäler und Striche reich an schönen Mineralien der mannigfaltigsten Art, so besonders das obere Rheinthal vom Tavetsch bis Truns, Rusein und Puntaiglas, Val Cornera, Nalps, Medels mit Val Cristallina und Scopi, Somvix-La Greina, Vrin und Vals. (Vergl. Tarnuzzer a. a. O., S. 152 f.).
Werfen wir noch einen Blick auf die Siedelungen. Die Zahl der politischen Gemeinden ist mit 51 (inkl. Tamins) eine ganz stattliche. Viele derselben zerfallen in mehrere Dörfer und Weiler, so dass, wenn man diese zählen wollte, eine noch viel grössere Zahl von Ortschaften herauskäme (etwa 120). Ilanz, die «erste Stadt am Rhein», zählt als Gemeinde kaum 1000 Ew. (bei der letzten Zählung 931), das Städtchen allein nur 540. Die grösste Gemeinde ist Disentis mit 1359 (das Dorf allein 400), die kleinste Strada bei Schnaus mit nur 50 Ew. Ueber 1000 hat nur noch die Gemeinde Somvix (1202). 12 Gemeinden haben 500-1000 Ew., 8 weniger als 100 Ew. Ganze Thalschaften und Gegenden mit zahlreichen kleinen Ortschaften, von denen die meisten ihre eigene Kirche oder Kapelle und Schule haben, bilden je eine einzige Gemeinde, so z. B. das ganze Tavetsch, das ganze Val Medels, Dorf und Thal Somvix, ganz Obersaxen, das ganze Vals etc. Andererseits sind oft nahe beieinander liegende Orte in ebenso viele Gemeinden geteilt, so in der Gruob und im Lugnez. Es spiegeln sich in diesen Zusammenziehungen und Teilungen geographische und historische Momente, wie Lage, Wegsamkeit, Abstammung, Sprache, Konfession, frühere Herrschafts- und Untertanenverhältnisse etc. Dies ist auch der Fall bei manchen Eigentümlichkeiten der jetzigen politischen Zuteilung. So ist das nach seiner Lage zu Obersaxen (deutsch) gehörige Neukirch (romanisch) dem Kreis Lugnez zugeteilt.
Brigels und Waltensburg, obwohl nach Lage (auf einer und derselben Terrasse) und Sprache (beide romanisch) zusammengehörig, sind verschiedenen Kreisen zugeteilt, das katholische Brigels dem Kreis Disentis, das reformierte Waltensburg dem Kreis Ruis, obwohl letzterer ohne Waltensburg auch rein katholisch wäre. In frühern Zeiten reichten eben die Territorial- und Herrschaftsrechte des Klosters Disentis bis nach Brigels hinunter, während Waltensburg einer weltlichen Edelherrschaft, längere Zeit mit Andest, Seth, Ruis und andern Orten der Herrschaft Jörgenberg, angehörte.
In den ausgedehnten Gemeinden Obersaxen, Vals und Safien zeigt sich das Bestreben einer in zerstreuten Höfen angesiedelten Bevölkerung, diese jeweilen möglichst in einer Gemeinde zu vereinigen, um sich gegenseitig zu stützen und seine Eigenart in fremdem Land zu bewahren. Diese Leute waren die «freien Walser», aus dem Oberwallis herüber gekommene Kolonisten (13. und 14. Jahrhundert). Von ihnen stammt ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung des Oberlandes.
Ihre zerstreuten Hofsiedelungen und kleinen Weiler unterscheiden sich deutlich von den dichtgedrängten Haufen- und Gassendörfern der romanischen Bevölkerung. Beachten wird man auch, wie in den Walsergemeinden die Reste ehemaliger Herrschaftssitze fast gänzlich fehlen. Doch gilt dies auch von allen Seitenthälern überhaupt, selbst von so grossen wie das Lugnez. Im Rheinthal dagegen wimmelt es fast von gebrochenen oder sonst zerfallenen Burgen. Von Trins bis Waltensburg und Rinkenberg finden sich deren etwa 20, weiter oben nur noch 2 (Hohenbalken an der Mündung des Val Rusein und Pontaningen bei Sedrun-Ruèras). Die alten Gebietsherren (Grafen, Freiherren, Ritter) bevorzugten also für ihre Sitze das Hauptthal, besonders dessen untere Stufen, auch wenn ihr Besitz bis in die Seitenthäler hineinreichte.
Wie meistens in den Alpen sind die Dörfer in der Regel reihenweise an der Sonnenseite der Thäler gelegen. So ist es der Fall im Rheinthal von Sedrun über Disentis, Somvix, Truns, Schlans, Brigels, Waltensburg, Seth, Ruschein, Ladir, Fellers, Laax, Flims und Trins nebst zahlreichen kleinern Orten, im Lugnez mit Vrin, Lumbrein, Vigens, Igels, Villa, Cumbels und Morissen, in Safien mit Thal, Platz, Neukirch und Tenna. Hie und da sind es zwei Reihen übereinander, so im Thalbecken von Ilanz mit der unteren Reihe Ruis, Schnaus, St. Nikolaus (Ilanz), Schleuis und Sagens und der oberen Reihe Seth, Ruschein, Ladir, Fellers und Laax. Schattenseite der Thäler und Thalgrund sind viel weniger besiedelt, und dann finden sich die Thalorte meist auf flachen Schuttkegeln an den Mündungen von Seitenthälern. Im Rheinthal z. B. Surrhein unter Somvix, Rinkenberg östl. ¶
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von Truns, Tavanasa unter Brigels, dann besonders Ilanz an der grössten Thalgabelung des Oberlandes und darum auch von jeher politisches und Verkehrszentrum desselben, Kästris, Schleuis und Sagens im erweiterten Becken der Gruob, aber auch hier nicht am Rhein, sondern am ansteigenden Fuss des Berghangs. Die Seitenthäler sind in ihren Flussrinnen meist so eng, dass schon aus diesem Grund hier keine Ansiedelungen möglich sind, ausgenommen Vals in einem etwas erweiterten Thalkessel. Auf Terrassen der rechten, weniger sonnigen Seite des Rheinthals finden wir ausser Obersaxen nur Mompè-Medels bei Disentis, Luvis und Seewis bei Ilanz, Valendas und Versam. Dagegen ist die rechte Thalseite des Lugnez von einer ganzen Reihe von Orten besetzt (Riein, Pitasch, Duvin, Camuns und Tersnaus), da hier der Gegensatz zwischen Sonnenseite und Schattenseite nicht so gross ist wie im Rheinthal. Dasselbe gilt auch vom Val Medels.
Eine Reise durch das Bündner Oberland bietet reiche Abwechslung und hohen Genuss selbst dann, wenn man sich bis Ilanz an die Eisenbahn und dann bis auf die Oberalp an die «Oberländerstrasse» hält, noch mehr aber, wenn man auch einzelne der abseits liegenden Terrassenorte und Seitenthäler besucht und gelegentlich einen der leichter zu erreichenden Berge besteigt, wie etwa den Flimserstein mit seinem breiten Gipfelplateau oder den als Rigi des Oberlandes bezeichneten Piz Mundaun oder die Garvera bei Disentis.
Schon der Eintritt ins Oberland ist höchst eigenartig und rätselhaft. Hinter Reichenau erscheint das Thal durch einen breiten Schuttberg, der freilich längst überwachsen ist, wie abgeschlossen. Die ungeheure Trümmermasse eines prähistorischen Bergsturzes erfüllt das Thal von einer Seite bis zur andern auf eine Breite und Länge von je mehreren Kilometern. (Ueber diesen Flimser Bergsturz siehe die Artikel Flims und Graubünden). Der Rhein hat sich in einem gewundenen Schluchtenthal darin eingeschnitten, und ihm folgt auch die Bahnlinie nach Ilanz. Diese Rheinschlucht gehört zu den wildesten, groteskesten Erscheinungen dieser Art in der Schweiz. Auf langen Strecken steigen schreckhaft zerrissene und zerfetzte Breccienwände bis 300 m hoch empor und drohen jeden Augenblick den Einsturz. Vorspringende Rippen, Bastionen und Türme wechseln mit finstern Klüften, gähnenden Nischen und stets sich verändernden Schuttrinnen. Es war keine leichte Arbeit, die Eisenbahnlinie hier auf sicherm Tracé hindurch zu führen. Auf langen Strecken musste der hin und her pendelnde Rhein korrigiert und ihm zwischen gewaltigen Dämmen ein neues Bett angewiesen werden. Tunnels sind nur wenige und kurze vorhanden, dagegen mehrere schöne Brücken für die Bahnlinie selber und für Zufahrtsstrassen zu den Stationen. Von letztern liegen die für Trins, Versam und Valendas-Sagens auf dieser Schluchtenstrecke. Bald nach der letztgenannten Station betritt die Bahn die freie, offene Landschaft der Gruob mit ihrem ebenen Thalboden, ihren sonnigen Halden, Fruchtfeldern, Obstbäumen und zahlreichen Dörfern, Weilern und Burgen. Ueber die Station Kästris und eine schöne Glennerbrücke wird das Städtchen Ilanz erreicht. Als Verkehrsmittelpunkt des Oberlandes und Hauptort des Grauen Bundes hat es von jeher eine nicht unwichtige Rolle gespielt und ist reich an geschichtlichen Erinnerungen. Ilanz hat die grössten Viehmärkte des Oberlandes. Vor allem aber eignet es sich als Ausgangspunkt für die mannigfaltigsten Exkursionen in weitem Umkreis. Wie die Eisenbahnlinie sind aber auch die beiden Strassen über Versam-Valendas und über Trins-Flims sehr interessant. Flims insbesondere ist wieder ein trefflicher Touristen-Ausgangspunkt. Für die Weiterreise ins Oberland sind die Routen über eine der aussichtsreichen Terrassen Obersaxen oder Brigels derjenigen durch den Thalgrund weit vorzuziehen. Brigels insbesondere ist prächtig gelegen, eine beliebte Sommerfrische und Exkursionsstation. Von Brigels erreicht man Truns in 1½ Stunden (über Schlans).
Dem Bündner gilt Truns als die Wiege der Freiheit, die unter dem historischen Ahorn begründet wurde. Dieser ehrwürdige Baum steht nicht mehr, wohl aber an seiner Stelle ein direkter Abkömmling, aus Samen des 1870 durch einen Sturmwind gefällten Ahnherrn gezogen. Bei Truns mündet das Val Puntaiglas mit seinem schäumenden Sturzbach und schönen Gletscher (reich auch an schönen Gesteinen und Krystallen). Von Truns gelangt man in 2½ Stunden über Somvix nach Disentis.
Dabei wird in finsterer Schlucht die schöne Ruseinbrücke passiert, unter welcher die Ruine Hohenbalken im Wald versteckt liegt, während über ihr am Felsen eine Gedenktafel an die drei grössten Erforscher des Oberlandes, Placidus a Spescha, Escher von der Linth und G. Theobald, erinnert, Disentis ist ein stattlicher Ort in schöner, offener Landschaft. Weithin ist das mächtige Kloster sichtbar. Kuranstalt und Gasthöfe. Es wird noch viel Gerste und Roggen, selbst Weizen und Flachs angebaut.
Die Kirschbäume sind zahlreich, und auch andere Obstbäume finden sich in den Gärten. Zu Disentis gehören verschiedene kleinere Dörfer und Weiler, wie Disla, Acletta, Segnes, Mompè Tavetsch, Mompè Medels etc. Ueber Sedrun und Tschamut erreichen wir den Oberalppass. Auch diese obersten Orte des Rheinthals werden noch als Sommerfrischen aufgesucht. Sedrun ist Hauptort der Thalschaft und Gemeinde Tavetsch und wiederum ein günstiger Ausgangspunkt für mancherlei Exkursionen, ebenso Tschamut.
Die Geschichte
des Bündner Oberlandes verflicht sich natürlicherweise mit derjenigen Graubündens überhaupt. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei darum auf den Art. Graubünden verwiesen. Das dort genannte Fürstengeschlecht der Viktoriden (600-784) war auch im Oberland reich begütert und hatte seinen Hauptsitz in dem mit einer Burg versehenen Sagens. Andere Herrenhöfe besass es in Brigels, Waltensburg und Ruschein, dazu noch viele Bauerngüter da und dort zerstreut. Aus dem Testament, mit welchem Bischof Tello, der letzte Viktoride, einen grossen Teil seiner Güter dem Kloster Disentis vermachte, erhellt, dass das Land schon damals gut angebaut war, denn neben Wäldern, Alpweiden und Wiesen werden auch Aecker, Obstbaumpflanzungen, Weinberge, Gärten, Wasserleitungen etc. genannt.
Die Güter des Bischofs wurden teils von freien Zinsbauern, teils von sog. Kolonen, d. h. halbfreien Bauern, die etwa den Hörigen der Deutschen entsprachen, bewirtschaftet. Leibeigene gab es nicht oder doch nur sehr wenige. Das erwähnte Testament nennt viele heute noch bestehende Ortschaften. Begreiflicherweise kam das Kloster Disentis schon frühe zu grossem Einfluss im Oberland und erlangte die Vorrechte der freien Abtwahl und der Immunität über die Gemeinden Disentis, Tavetsch, Medels, Somvix, Truns, Schlans und Brigels.
Auch Karl der Grosse, der 781 und 801 über den Lukmanier gezogen sein soll (wie schon früher Karl Martell 717 und Carlomann 747), scheint es reich beschenkt zu haben. 1048 erhielt es die Reichsunmittelbarkeit, und 1213 wurde der Abt in den Reichsfürstenstand erhoben. Doch wusste sich die Gemeinde Disentis eine selbständige Stellung neben dem Abte und später sogar die Schirmvogtei über das Kloster zu erwerben. Ausser dem Kloster Disentis hatte auch der Bischof von Chur Herrschaftsrechte im Oberland.
Ums Jahr 1050 besass er z. B. allein im Lugnez 5 grosse Meierhöfe und 27 Bauerngüter. Im ganzen Gebiet zählte man 25 bischöfliche Vasallen. Unter den weltlichen Edelherrschaften werden seit dem 12. und 13. Jahrhundert genannt die Herren von Hohentrins, Belmont (bei Flims-Fidaz), Löwenberg (bei Schleuis), Valendas, Kästris, Wildenberg (bei Fellers), Frauenberg (bei Ruschein), Jörgenberg, Grünenfels (bei Waltensburg), Friberg (bei Seth), Schlans etc. Auch die Freiherren von Räzüns besassen Güter im Oberland, gründeten Kolonien in Versam, Sculms, Safien und erwarben mit der Zeit mehrere der eben genannten Herrschaften, wie Jörgenberg, Grünenfels, Schlans etc. Die meisten dieser Herrschaften verschwanden übrigens schon im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts infolge Aussterbens, Verarmens oder anderer Ursachen. Es kamen andere Herrschaften auf, um später ebenfalls zu verschwinden, so die Grafen von Sargans und Werdenberg und die Freiherren von Sax-Misox, die eine zeitlang grosse Güter und Rechte im Oberland besassen. Zur Ausbildung einer einheitlichen Landesherrschaft war von den vielen geistlichen und weltlichen Gebietsherrschaften keine gross und mächtig genug. Dazu gab es von jeher auch völlig freie Gemeinden mit eigener Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Dahin ¶
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gehörten die schon erwähnten «freien Walser» und die «Grafschaft Laax», d. h. die Reichsvogtei über die im Oberland zerstreut wohnenden reichsfreien Bauern. Diese hielten alljährlich bei der Burg Langenberg (nö. Laax) unter Leitung eines Reichsvogtes ihr Landgericht ab, verbunden mit einem grossen Jahrmarkt. 1428 kauften sie sich von der Vogtei los und stellten sich unter den Schutz des Bistums. Leibeigene hat es im Oberland immer nur sehr wenige gegeben, und auch diese hatten verschiedene Rechte, durften z. B. Güter erwerben. So war im Oberland die Freiheit Regel, die Unfreiheit Ausnahme, selbst in der Blütezeit des Feudalismus.
Wichtig für die weitere freiheitliche Entwicklung war das allmählige Aufkommen der Gerichtsgemeinden auch in den Gebietsherrschaften. Ursprünglich übten die verschiedenen kleinern und grössern Herrschaften über ihre Leute wenigstens die niedere Gerichtsbarkeit, einige derselben zugleich auch die hohe Judikatur aus, und zwar durch einen Vogt, der zu bestimmten Zeiten Gerichtstage abhielt, wozu alle Leute seines Gebietes einzuladen waren. Die Gesamtheit dieser Leute, aus welchen auch die Beisitzer des Vogtes, die Geschwornen, genommen wurden, bildeten dann eine Gerichtsgemeinde.
Bald liess sich diese die Beisitzer des Vogtes nicht mehr geben, sondern wählte sie von sich aus, und mit der Zeit erlangte sie sogar Einfluss auf die Wahl des Vogtes selber, der dann den Namen Ammann erhielt. Die Kraft und Selbständigkeit der Gerichtsgemeinden wurde mächtig gefördert durch die Bündnisse, die sie miteinander und mit den Herrschaften zu gegenseitigem Rechtsschutz und gegenseitiger Hilfe eingingen, so in den ersten Anfängen schon 1374 und 1395. Am besten ausgeführt wurden die Grundsätze der Rechtssicherheit in dem 1424 erneuerten und erweiterten Bundesvertrag des «Grauen oder Oberen Bundes», der unter dem Vorsitz des Abtes von Disentis beim Ahorn zu Truns beschworen wurde. Es verbanden sich da die Abtei und Gemeinde Disentis, die Freiherren von Räzüns und ihre Leute, die Gemeinden Safien, Tenna und Obersaxen, der Graf von Sax-Misox mit den Gerichten und Gemeinden Ilanz, Gruob, Kästris, Lugnez, Vals und Flims, der Graf von Werdenberg mit Trins und Tamins, die Freien von Laax, die Gemeinden Rheinwald und Schams.
Später verband sich der Graue Bund mit den im übrigen Rätien entstandenen Bünden (dem Gotteshausbund und Zehngerichtebund). Die Reformationszeit ging verhältnismässig ruhig vorüber, obwohl die neue Lehre auch in diesem Bergland ihren Einzug hielt. Schon 1526 wurde nach einem Religionsgespräch in Ilanz die Religionsfreiheit proklamiert, früher als es sonst irgendwo geschehen ist. Verfolgungen um des Glaubens willen wurden bei Busse verboten, die politische Gewalt der Geistlichkeit beseitigt, den Klöstern die Novizenaufnahme untersagt, den Gemeinden die Wahl und Entlassung ihrer Geistlichen freigegeben etc. In der Folge blieben die meisten Gemeinden des Oberlandes beim alten Glauben.
Tamins, Trins, Flims, Safien, Tenna, Versam, Valendas, Kästris, Luvis, Flond, Riein, Pitasch, Duvin wurden reformiert, Ilanz und Sagens paritätisch. Später suchte das Kloster Disentis, begünstigt durch Carl Borromeo, der es 1584 besuchte, der Reformation entgegen zu arbeiten und gelangte unter gewandten Aebten zu neuer Blüte und Macht. Viel Unruhe und Not, manche bedauerlichen Ereignisse und Zustände brachten auch dem Oberland die Zeiten der fremden Kriegsdienste und der Bündnerwirren.
Der Einmarsch der Franzosen in die Schweiz, die Umgestaltung dieser letztern in die helvetische Republik und die darauffolgenden Kämpfe, insbesondere der Krieg der zweiten Koalition gegen Frankreich, zogen auch Graubünden und das Oberland in Mitleidenschaft. Die französischen Generale in Italien sollten die Verbindung mit der Schweiz herstellen. Während sich im untern Rheinthal (Luzisteig-Chur-Reichenau) Oesterreicher und Franzosen bekämpften, rückten französische Truppen auch vom Lukmanier und Gotthard her ins Oberland ein, im Medels und Tavetsch alles vor sich her zerstörend. Da brach der Landsturm los und erfocht (am mit seinen furchtbaren Schlagwaffen einen vollständigen Sieg.
Die Franzosen unter General Loison verloren 400 Tote, 40 Verwundete und 100 Gefangene und mussten sich nach Urseren zurückziehen. Aber bei Chur hatten die Franzosen unter Masséna und Demont (einem Bündner aus dem Lugnez) gesiegt. Demont rückte ins Oberland ein. Es kam zu einer Kapitulation, der Krieg schien zu Ende. Loison aber kehrte sich nicht daran, drang von Urseren wieder vor und legte dem Kloster Disentis eine Kontribution von 100000 Fr. auf. Auch die Gemeinden und Privaten wurden gebrandschatzt.
Anfangs Mai erhoben sich die Tavetscher und Medelser wieder, rückten gen Disentis, schlugen viele Franzosen nieder und machten die übrigen zu Gefangenen. Als von den diesen einige zu entfliehen suchten, wurden sie alle erschlagen. Der Landsturm wälzte sich nach Reichenau, wurde aber hier von den Franzosen unter General Menard besiegt und in die Flucht geschlagen. Menard zog ins Oberland ein und nahm furchtbare Rache. Disentis und die umliegenden Dörfer, auch das Kloster, wurden niedergebrannt und viele Einwohner umgebracht. Mit dem Kloster gingen wertvolle Altertümer, Bücher, Handschriften und Sammlungen unter, ein für die Landesgeschichte unersetzlicher Verlust. Französische Truppen blieben bis 1804 in Bünden, das dann durch die Mediationsverfassung endgiltig mit der Schweiz verbunden wurde.
Literatur:
Theobald, G. Naturbilder aus den Rätischen Alpen. 3. Aufl. von Chr. Tarnuzzer. Chur 1893; Theobald, G. Das Bündner Oberland. Chur 1861; Tarnuzzer, Chr. Illustr. Bündner Oberland. Zürich 1903; Heim, A. Geologie der Hochalpen zwischen Reuss und Rhein. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 25, 1891).
[Dr. E. Imhof.]