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der ebenfalls einen guten Baustein liefert und dem die «Sandsteinstädte» Lausanne, Bern, Luzern, Zürich ihre reiche Architektur verdanken. Die Mächtigkeit der marinen Molasse ist in den Randgebieten nicht sehr gross, kann aber in den mittlern Teilen bis auf 800 m anschwellen. Von Versteinerungen sind darin bis jetzt gefunden worden: 228 Arten Muscheln, wie z. B. Tapes helvetica, Ostrea edulis und O. crassissima;
ferner 203 Arten Schnecken, wie z. B. Turritella turris, Conus;
sodann 14 Arten Haifische etc.
c. Die obere Süsswassermolasse erreicht im Maximum ebenfalls etwa 800 m Mächtigkeit. Sie tritt namentlich vom Napf an nach NO. in immer breiterer Zone auf (so zwischen Reuss und Hallwilersee und von Zug bis Baden) und bildet fast den ganzen Kanton Zürich, in St. Gallen das Gebiet nördl. von der Linie Wattwil-St. Gallen, den ganzen Thurgau etc. Die Gesteine dieser Stufe sind graue oder gelbliche Sandsteine, die fast immer tonhaltig, darum auch nicht wetterbeständig und als Bausteine nicht brauchbar sind. Nach S. gehen die Sandsteine mehr und mehr in Nagelfluh über, welche die höhern Molasseberge (Napf, Rigi, Rossberg, Speer etc.) zusammensetzt (wahrscheinlich gehört ein Teil dieser Nagelfluh zur untern Süsswassermolasse; die Trennung lässt sich aber gerade bei der Nagelfluh nicht immer durchführen).
Zwischen den Sandstein- und Nagelfluhschichten findet man auch in dieser Stufe Mergel, meist gelb oder mit roten Flecken. An einzelnen Stellen liegt auch etwa Süsswasserkalk, der zum Kalkbrennen gebraucht wird. Ebenso kommen auch die Braunkohlen der obern Süsswassermolasse nur ganz lokal beschränkt vor, z. B. in Elgg (ausgebeutet), Käpfnach etc. Gerade aus den Kohlen und den Kohlenmergeln stammen die meisten Pflanzen- und Tierreste. Man kennt daraus etwa 390 Pflanzenarten, die eine Flora von annähernd demselben Gesamtcharakter darstellen, wie ihn die heutige noch zeigt. Die Palmen und Feigenbäume der untern Süsswassermolasse verschwinden mehr und mehr, und an ihre Stelle treten Lorbeer, Zypressen, immergrüne Eichen, Ahorn, Pappeln etc. Unter der Tierwelt treffen wir neben zahlreichen Insekten 13 Arten Dickhäuter und 10 Arten Wiederkäuer.
Die Pliocänzeit hat im ganzen Mittelland keine Ablagerungen geliefert; sie war hier eine Zeit der Erosion, d. h. der Thalbildung.
B. Entstehung dieser Schichten.
Das Mittelland bildet also eine grosse Mulde zwischen Jura und Alpen. Nachdem der Jura schon zu Beginn der Eocänzeit als ein flaches Tafelland aus dem Meer aufgetaucht war, begann gegen Ende des Eocän auch die Faltung der Alpen. Diese Bewegung setzte im S. ein, so dass die südlichsten Falten (Ketten) die ältesten sind. Allmählig hob sich dann im N. eine Falte nach der andern bis zur Grenze der Molasse. Zwischen Jura und Alpen blieb zunächst eine Wasserfläche, die abwechselnd bald ein Süsswassersee, bald ein Meeresarm war.
Sobald aber Alpen und Jura sich über Wasser gehoben hatten, begann auch die Abtragung. Zwar brachten die Bäche vom Jura her nur wenig Material; lokal findet man hie und da Ablagerungen, die nur aus Jurageröllen bestehen (Jura-Nagelfluh). Um so bedeutender waren die Geröllmassen, die von den Alpenflüssen herbeigeführt wurden. Allgemein findet man am Alpenrande vorherrschend Nagelfluh. Es lassen sich deutlich 4 Hauptnagelfluhmassen erkennen: 1. Vevey-Palézieux, 2. Napf, 3. Rigi-Rossberg-Hohe Ronen. 4. Speer-Hörnli-Gäbris.
Diese entsprechen heute noch z. T. den grossen Querthälern der Rhone, Aare, Reuss, Linth-Rhein und sind also wohl die Deltaablagerungen dieser alten Flüsse in den Molassesee. Es ist einleuchtend, dass im Mündungsgebiet eines solchen Stromes während aller 3 Abschnitte der Miocänzeit grobes Geröll (bis ½ m3 gross) abgelagert wurde. Die Nagelfluh greift somit in alle drei Stufen des Miocän ein, lässt sich aber wegen Mangels an Petrefakten nicht gliedern. Ihre Korngrösse nimmt im allgemeinen vom Alpenrand nach NNW. allmählig ab. Am Speer sind die Gerölle über kopfgross, am Hörnli faustgross, am Schauenberg nuss- bis eigross.
Dazwischen schalten sich immer mehr Sandsteinbänke ein, bis dann schliesslich (z. B. am Irchel) nur noch Sandstein und Mergel vorkommen. Diese Abnahme der Korngrösse mit wachsender Entfernung von den Alpen ist der beste Beweis für die Herkunft des Materials aus diesem Gebirge. Dass man am gleichen Ort Wechsellagerung von Nagelfluh und Sandstein treffen kann, rührt vom verschiedenen Wasserstand eines Flusses her: bei Hochwasser brachte er an die betreffende Stelle grobes Geröll, bei Niederwasser dagegen nur Sand und Schlamm.
Wenn nun aber auch die Herkunft der Gerölle aus den Alpen im allgemeinen sicher ist, so war man doch in vielen Fällen über die genauere Heimat derselben im Zweifel. Die in einem Flussgebiet des Mittellandes auftretende Felsart findet man nämlich heute im alpinen Einzugsgebiet des gleichen Flusses oft nicht wieder, sondern z. B. erst weiter im Osten (Vorarlberg, Tirol) oder am S.-Abhang der Alpen (Lugano). Der erstere Fall erklärt sich durch einen grossen Strom, der zur Miocänzeit von O. nach W. floss und einen grossen Teil der Gerölle im Gebiet des Gäbris etc. gebracht hat.
Wenn man am N.-Fuss der Alpen aber Gerölle findet, die von deren jetzigem S.-Abhang stammen, so lässt sich das dadurch erklären, dass die Hauptwasserscheide der Alpen einst viel weiter südlich lag. Die südlichsten Ketten waren als die ältesten früher bedeutend höher, sind aber durch die Erosion, die am S. Abhang wegen des grössern Gefälles energischer wirkt, viel stärker abgetragen worden, wobei sich auch die Wasserscheide durch Rückwärtseinschneiden der südl. Flüsse nach N. verschob. Damit stimmt auch ganz gut, ¶
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dass die fremden Gerölle in den untersten, ältesten Schichten am häufigsten sind; nach oben findet man mehr und mehr diejenigen Gesteine, die am N.-Abhang der Alpen und in den heutigen Flussgebieten vorkommen.
C. Tektonik.
Während durch die Ablagerung der aufgezählten Schichten in der Miocänzeit der grosse See zwischen Alpen und Jura mehr und mehr ausgefüllt wurde, ging die Faltung der Alpen - durch horizontalen Zusammenschub - immer weiter. Ein grosser Teil dieser Faltung fällt sogar in den nachfolgenden Abschnitt, die Pliocänzeit. Am Alpenrand sind nämlich, wie das Profil zeigt, auch die miocänen Schichten noch mitgefaltet worden und erscheinen daher parallel zu den Alpen in eine bis zwei Falten zusammengeschoben.
Die grossen Nagelfluhmassen der Linie Rigi-Rossberg-Hirzli-Speer bilden z. B. eine gewaltige Mulde, eine Synklinale, welche nach N. übergelegt worden ist. Darum kehren die genannten Berge alle ihren Steilabfall, d. h. die abgebrochenen Schichtköpfe, nach N., während nach S. die flachem Böschungen der Schichtflächen liegen. Auf diese erste Synklinale folgt ein Gewölbe, eine Antiklinale, die z. B. im östl. Teil auf der Linie Rieden-Kaltbrunn durchgeht. Allerdings ist dieses Gewölbe stark abgetragen und sein Scheitel zerstört. Weiter nach NW. folgt die zweite Synklinale bei Gauen und dann die zweite Antiklinale bei Gommiswald. Von hier an fallen die Schichten sanft nach Norden (Tweralp-Kreuzegg). Während hier im O. zwei vollständige Falten in der Molasse sich finden, zeigt sich an andern Stellen nur eine einzige.
Ausserhalb der aufgerichteten Molasse folgt nach NW. die sog. «horizontale» Molasse, deren Schichten noch in ursprünglicher Lagerung sind und demgemäss eine ganz schwache Neigung nach NW. zeigen. Am Jurarand zieht sich dann ein schmaler Streifen von Molasse hin, dessen Schichten ebenfalls disloziert sind. Indem sich nämlich der Jura (gleichzeitig mit den Alpen) faltete, wurden zuletzt auch die benachbarten Molassebänke von dieser Bewegung ergriffen und ziemlich steil aufgerichtet. Südl. von der Lägern, bei Neuenhof-Würenlos, kam es sogar noch zur Bildung einer kleinen Falte in der Molasse selbst.
D. Jüngere Ablagerungen.
Mit der Bildung und Faltung der Molasse ist aber die Reihe der Schichten im Mittelland noch nicht erschöpft. Nach der Pliocänzeit folgte die Eiszeit mit ihren drei Vergletscherungen. Als die Gletscher zum ersten Mal das Mittelland überdeckten, lagerte sich vor den vorrückenden Gletschern her eine mächtige Kiesschicht ab, die nachher verkittet wurde und als Deckenschotter bezeichnet wird. Da nämlich damals die Oberfläche des Mittellandes noch nicht von den tiefen Thälern der Jetztzeit durchfurcht war, sondern ein einförmiges Plateau bildete, so lagerte sich dieser Schotter wirklich als eine Decke über den ganzen nördl. Teil des Landes. In der nachfolgenden ersten Interglazialzeit erfolgte die Ausbildung der grossen Molassethäler ungefähr bis auf die heutige Tiefe.
Dabei wurde auch der Deckenschotter in Stücke zerschnitten, so dass wir heute die ziemlich spärlichen Reste davon immer als breite Kappen und Decken auf dem Gipfel oder Rücken der Molasseberge finden (z. B. Irchel, Stammheimerberg, Siggenberg, Uetliberg etc.). Gegen Ende der ersten Interglazialzeit erfolgte ein Einsinken des gesamten Alpenkörpers, während das Mittelland stehen blieb. Dadurch wurden mehrere grosse Alpenthäler gerade bei ihrem Austritt aus den Alpen rückläufig und mussten sich also mit Wasser füllen. Derart entstanden die grossen Randseen des Mittellandes: Genfer-, Thuner- und Brienzer-, Vierwaldstätter-, Zürich- und Bodensee.
Die folgende Vergletscherung (die zweite Eiszeit) war die grösste. Während bei der ersten der nördlichste Teil des Mittellandes (Stammheim, Irchel-Siggenberg) eisfrei geblieben war, reichten jetzt die Gletscher bis über Basel und über Genf hinaus. Als Ueberreste aus dieser Zeit erscheinen wieder mächtige Kieslager, der sog. Hochterrassenschotter, der vor den Gletschern her in den grossen Thälern zur Ablagerung kam. (Fig. 6). Die folgende, zweite Interglazialzeit zeichnete sich wieder wie die erste durch Erosion aus. Der Hochterrassenschotter wurde ¶
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z. T. wieder von den Flüssen fortgeführt; einzelne Reste blieben aber an den Rändern der Thäler kleben und bilden jetzt «hohe» Terrassen, durchschnittlich etwa 100 m über den heutigen Flüssen. Gleichzeitig entstanden aus Torfmooren und Wäldern an einzelnen Stellen Schieferkohlen, so in Uznach, Dürnten, Wetzikon, Mörswil. Die letzte, dritte Eiszeit ist in ihren Moränenwällen noch am deutlichsten zu erkennen. (S. die geologische Karte zum Artikel «Alpen»).
Sie überdeckte auch wieder fast das ganze Mittelland mit Eis; so reichte der Rhonegletscher einerseits bis Genf, anderseits zusammen mit dem Aaregletscher bis Wangen an der Aare, der Reussgletscher bis Mellingen, der Linthgletscher bis Killwangen (bei Baden) und der Rheingletscher bis nach Schaffhausen. Ausserhalb der grossen Endmoränen füllten auch diesmal die Gletscherflüsse ihre Thäler mit Kies auf, d. h. mit dem sog. Niederterrassenschotter. Seither, nämlich in der Postglazialzeit oder im Alluvium, haben die Flüsse diese Schotter z. T. wieder erodiert und dadurch die «niedern» Terrassen geschaffen, die in einer Höhe von etwa 25-30 m die Flüsse der NO.-Schweiz oft weithin begleiten. (Fig. 6).
Aus der Alluvialzeit stammen endlich die Ablagerungen, die sich heute noch fortbilden: Torf in den Sumpfgegenden, Tuff als Absatz von Quellen, Schuttkegel als Aufschüttungen der Wildbäche etc.
Orographie und Hydrographie.
A. Allgemeines.
Von den 12900 km2, welche das Mittelland umfasst, kommt ein beträchtlicher Teil, nämlich etwa 1050 km2, auf die grossen Seen. Dabei ist nur der schweizerische Anteil von Genfer- und Bodensee gerechnet und die übrigen nur soweit, als sie dem Mittelland angehören. Nach den Flussgebieten verteilt sich die Fläche sehr ungleich. Der überwiegende Teil ist Rheingebiet, während mit Einschluss des schweizer. Anteils am Genfersee kaum mehr als 1000 km2 zum Rhonegebiet gehören werden.
Die allgemeine Abdachung des Mittellandes geht von den Alpen nach NNW., weshalb auch die meisten Flüsse, wenigstens stückweise, nach dieser Richtung gehen, ebenso viele Bergzüge. Beispiele dafür bieten: Aare bis Bielersee, Grosse Emme, Wigger, Suhr, Aa, Zugersee und untere Reuss, Zürichsee und Limmat, Glatt, Töss, Thur bis Wil, Bodensee. In der Längsrichtung zeigt sich im westl. Teil eine höhere Partie, welche die Wasserscheide zwischen Rhone und Rhein bildet.
Sonst geht fast dem ganzen Fuss des Jura entlang eine tiefere Furche, welche die Gewässer sammelt, die quer über das Mittelland herüber kommen. Der westl. Teil dieser Furche wird eingenommen von der Orbe, dem Neuenburger- und Bielersee und von der Aare bis nach Stilli; im östl. Teil sammelt der Rhein von Schaffhausen bis Kaiserstuhl die Wasser der Querthäler des Mittellandes. Getrennt durchbrechen dann Aare und Rhein den begrenzenden Wall des Jura und vereinigen sich erst ausserhalb des Mittellandes. Durch die oben genannten Querthäler wird das Mittelland in natürliche Abschnitte eingeteilt, die man etwa so zusammenfassen kann: 1. zwischen dem Genfersee und der Aare von Thun bis Bielersee;
2. von der Aare bis zur Linie Luzern-Suhr;
3. von der Suhr bis zur Linie Linth-Glatt;
4. von der Glatt bis zum Bodensee.
B. Das westschweizerische Molasseland.
Seine Abgrenzung ist schon angegeben worden. Die mittlere Höhe dieses Teils ist grösser als in den übrigen Gebieten. Mitten drin liegt die breite Masse des Mont Jorat mit 932 m. Geologisch besteht fast die ganze Fläche aus den Sandsteinen und Mergeln der untern Süsswassermolasse und der marinen Molasse, die sonst nirgends so grosse Flächen einnehmen wie gerade hier. Vielfach sind dieselben dann von mannigfachem Gletscherschutt bedeckt, der die Fruchtbarkeit des Landes bedingt.
Unter den Formen des Terrains herrscht die Hochebene vor. Der Abfall gegen den Genfersee ist steil; noch 7 km vom See ist eine Höhe von 904 m zu finden. Deswegen bietet dieser Abhang Schutz gegen die N.-Winde und eine treffliche Exposition nach S., wodurch sich der erfolgreiche Weinbau von Lavaux erklärt. Die Plateauflächen sind leicht gewellt, und die Wellen streichen nach NO., d. h. parallel zu den Alpen. Da hier wirklich eine fast zusammenhängende Hochebene vorhanden ist, erklärt sich auch der in der welschen Schweiz allgemein übliche Ausdruck Plateau suisse, während man in der deutschen Schweiz viel eher die Bezeichnung «Mittelland» braucht. Diese Hochebene umfasst das eigentliche Gros de Vaud, sowie den mittlern und nördl. Teil von Freiburg und Bern bis zur Aare. Von den Flüssen schleicht die Broye langsam in ihrem breiten Thale dahin, das fast überall mit Glazialschutt bedeckt ist. Ganz anders dagegen die Saane, Sense ¶
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und Aare mit ihren scharfen Serpentinen. Hier sind die Thäler schmal und schluchtartig, und steil fallen die Plateaux gegen diese Thäler ab. Für den Verkehr waren daher diese Thalstücke keineswegs günstig; erst die neueste Zeit hat diese Hindernisse durch grossartige Brückenbauten überwunden: Freiburg, Bern etc. Auf den Hochflächen stehen nur wenige hervorragende Berge, so z. B. der Mont Jorat (932 m), Mont Gibloux (1212 m), Gurten (861 m), weshalb man von diesen, aber auch von freiliegenden Punkten der Hochfläche eine prächtige Aussicht auf die Alpen geniesst.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist hervorzuheben der grosse Reichtum der Hochfläche an Wäldern; besonders da, wo der Boden nur aus Sandstein besteht, ist fast immer Wald anzutreffen. Wo aber lehmige Glazialbildungen die Oberfläche bedecken, ist guter Ackerboden vorhanden. So erntet allein der Kanton Waadt in diesem Strich jährlich für 10-13 Millionen Fr. Getreide und für 6-6½ Millionen Fr. Kartoffeln. Weinbau ist allerdings in der Höhe ausgeschlossen. Am Fuss des Jura liegt hier auch die grösste Ebene des Mittellandes, das Grosse Moos (Fig. 9. - Siehe diesen Artikel).
C. Das Napfgebiet.
Zwischen Aare und Suhr liegt die grosse Nagelfluhmasse des Napf (1411 m). Hier ist im Gegensatz zum Rigi etc. der Streifen der aufgerichteten Molasse längs des Alpenrandes nur schmal, und die ganze Masse des Napf besteht aus ungestörten, d. h. fast horizontalen Nagelfluh-, Sandstein- und Mergelbänken. Deswegen hat sich hier ein ganz eigenartiger Landschaftstypus ausgebildet. Von dem zentralen Gipfel aus verlaufen nämlich die Thäler radial nach allen Richtungen hin. Im obern Teil sind es wilde und zum Teil senkrecht abbrechende Schluchten, Gräben genannt, die fast bis zum Austritt in die Ebene den Charakter enger Bergthäler bewahren. Jedes Thal verzweigt sich nach oben in zahlreiche «Gräben». Dadurch wird die ganze Bergmasse in schmale verzweigte Gräte, «Egg» genannt, zerschnitten.
Die «Egg» ist also ein seitlich von steilwandigen Gräben begrenztes, ziemlich schmales Plateau, das sich in der Längsrichtung langsam senkt; sie ist trocken und sonnig und trägt Wiesen und Aecker. Da gehen Getreide und Kartoffelbau bis zur Höhe von 1200 m. Die Thäler dagegen tragen Wald oder Wiesen und sind reich, ja überreich an Wasser und Wasserkraft. Diese eigentümliche Terrainform ruft auch einen Typus der Siedelungen hervor, der zum waadtländischen das Gegenstück bildet.
Dort geschlossene Dörfer und kleine Landstädtchen, hier dagegen zerstreute Siedelungen mit Einzelhöfen. Jeder Bauer wohnt eben mitten in seinem eigenen Lande, da er sonst bergauf und bergab viel zu viel Zeit und Arbeit verlieren würde. Sammelpunkte für die Ansiedelung schafft erst die Industrie in den grössern Thälern. Ein solches Gebiet wie das des Napf ist auch dem Verkehr feindlich. Keine grosse Heerstrasse schneidet es; alle umgehen es. Das gleiche ist mit den Eisenbahnen der Fall: das Napfgebiet bildet heute noch eine fast kreisförmige Fläche von 25-30 km Durchmesser, die von den Eisenbahnen nur am Rand berührt, nicht aber durchzogen wird.
D. Von der Suhr bis zur Glatt.
Dieser Teil des Mittellandes lehnt sich im S. an die Nagelfluhmassen des Rigi (1800 m) und Rossberg (1582 m) an. Nach N. werden die Berge rasch niedriger; der breite Rücken des Zugerberges hat noch rund 1000 m. Dann folgen parallel zu einander die breiten Höhenzüge von SSO. nach NNW., wie sie gerade für diesen Abschnitt des Mittellandes charakteristisch sind: oben mit breitem, flachem Rücken und nach unten mit konvexem Abhang, der also im tiefsten Teil die steilsten Böschungen zeigt. Dahin gehören der Stierenberg (874 m), Lindenberg (869 m), Albis (918 m), Zürichberg (Pfannenstiel 853 m). Dazwischen liegen breite Thäler, die meistens Seen aufweisen: Sempachersee und Suhr;
Baldegger-, Hallwilersee und Aa;
nördlicher Zugersee, Lorze und Reuss;
Greifensee und Glatt. Fast alle diese Seen zeigen an ihren Enden alte Stirnmoränen, durch welche manche ganz, andere wenigstens teilweise aufgestaut worden sind. ¶
Mittelland: Bevölkerungsdichtigkeit und Physikalische Karte.
Lf. 116.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebr. Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 7° 0’ O; 47° 0’ N; 1:920000]
BEVÖLERKUNGSDICHTIGKEIT
Einwohner per Km2.
░ 1-23 Einw. | ░ 150-199 Einw. |
▒ 25-49 Einw. | ▒ 200-299 Einw. |
▒ 50-74 Einw. | ▒ 300-399 Einw. |
▓ 75-99 Einw. | ▓ 400-499 Einw. |
░ 100-149 Einw. | ▐ mehr als 500 Einw. |
. | |
o weniger als 2500 Einw. | ▭ 10000-25000 Einw. |
⊙ 2500-5000 Einw. | □ 25000-50000 Einw. |
▣ 5000-10000 Einw. | ▬ 50000-150000 Einw. |
PYSIKALICHE KARTE
Höhenstufen:
░ unter 400 m.
▒ 400-600 m.
▒ 600-1200 m.
▓ 1200-1800 m.
░ 1800-2400 m.
▓ über 2400 m.
Aequidistanz der Kurven = 200 m.
V. Attinger sc.
MITTELLAND: BEVÖLKERUNGSDICHTIGKEIT UND PHYSIKALISCHE KARTE ¶
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Eine Ausnahme in den Formen machen einzig der Albis und im Zusammenhang damit die beiden Thäler der Reppisch und Sihl. Ursprünglich war zwar auch der Albis ein gleicher breiter Rücken wie der Lindenberg etc. In der letzten Eiszeit aber wurde auf der einen Seite durch den Reussgletscher und dessen Moräne die Reppisch, auf der O.-Seite durch die Moräne des Linthgletschers ebenso die Sihl an den Abhang festgebannt. Die beiden Flüsse schnitten sich lebhaft ein und schärften durch ihre neuen Thäler den Albis zu einem scharfen Grat zu (Fig. 10). Grössere Ebenen sind hier noch seltener als im westl. Teil des Mittellandes; umso mehr fällt deswegen die Alluvialfläche des Baarbodens auf (Fig. 12).
E. Das ostschweizerische Molasseland.
Wie das vorige Gebiet an Rigi-Rossberg, so lehnt sich dieses an die hohe Kette von Molassebergen an, die sich vom Speer (1954 m) zum Kronberg (1666 m) und zum Gäbris (1250 m) hinziehen. Hier findet sich am Alpenrand das grösste aller schweizerischen Nagelfluhgebiete. Auch da liegen an den südlichsten Ketten die Nagelfluhbänke verkehrt, d. h. die ältern unter den jüngern, da die ganze grosse Synklinale nach N. überliegt. Es fallen somit die Schichten nach S., und es kehren alle Berge (Speer, Schänniserberg etc.), die steilen Felswände mit den abgebrochenen Schichtköpfen nach N. Weiter nordwärts folgen dann die zwei Antiklinalen, die äusserlich nicht mehr als Kämme hervortreten.
Dagegen bilden die nach S. ansteigenden Schichten nördl. von der 2. Antiklinale eine ganze Menge von Isoklinalkämmen, welche alle parallel zu einander verlaufen und dadurch grossen Gebieten eine ganz charakteristische Bodenform geben. Jede härtere Rippe bildet da einen schmalen Höhenzug, jede weichere Schicht ein Längsthälchen, z. B. Rüti (Kant. Zürich) bis Uznach, Kreuzegg (1317 m), im Toggenburg unterhalb Wattwil etc. (Fig. 13). Wenig weiter nach N., etwa vom Schnebelhorn (1295 m) an, liegen dann die Molasseschichten ungestört, fast wagrecht.
Für die Modellierung der Oberfläche waren hier zwei Faktoren massgebend: 1. das Streichen der Schichten nach ONO., am meisten in der südl., dislozierten Zone der Molasse, und 2. das allgemeine Fallen der ursprünglichen Oberfläche nach NNW. Durch den ersten Faktor entstanden die vielen kleinen Längsthäler zwischen den Isoklinalkämmen, durch den zweiten dagegen alle die grossen Querthäler, die das Gebiet zum Rhein entwässern. Solche sind: Glatt, Töss, Murg, obere Thur bis Wil, Necker, Urnäsch, Sitter etc. Anstatt radial von einem Punkt aus, wie im Napfgebiet, gingen also hier die Hauptthäler ungefähr parallel nach NNW., zwischen sich langgestreckte Höhenzüge lassend, wie z. B. Bachtel-Blauen (an der Tössmündung) oder Schnebelhorn-Irchel.
Diese Höhenrücken zeigen aber nicht die sanften breiten Formen wie der Zürichberg, sondern sie sind durch die Verzweigungen der Hauptflüsse besonders in den höhern Teilen sehr stark zerschnitten. Es finden sich im Zürcher Oberland, im Toggenburg und in Appenzell ganz ähnliche Schluchten (hier Tobel genannt) und ganz gleiche Vorsprünge (ebenfalls Egg genannt) wie am Napf. Auch hier ist eine solche Egg trocken, sonnig, Wiese oder Acker; die Tobel dagegen sind wasserreich, Wiese oder Wald. In viel höherem Grade als im Napfgebiet werden hier die zahlreichen Wasserkräfte zu industriellen Zwecken ausgenutzt. Auch das System der Besiedelung ist das gleiche: im Zürcher Oberland, im Toggenburg, in Appenzell ist der Einzelhof das vorherrschende und ursprüngliche. Nur an besonders begünstigten Punkten (Thalweitungen) bildeten sich früh kleine Dörfer, die dann erst durch die Industrie gross geworden sind.
Im nördl. Teil dieses Gebietes (etwa n. von Winterthur-Wil) verflacht sich alles: die Berge sind weniger hoch und von sanftern Formen, z. B. der Ottenberg. So erinnert der thurgauische Seerücken ganz an den Jorat, nur dass er weniger hoch ist, indem die breiten Strassenübergänge z. B. bei 576 m und 556 m liegen. Sowie man aus dem stark zerschnittenen südl. Teil in die flachem nördl. Gegenden kommt, wechselt auch das System der Siedelungen: im nördl. Kant. Zürich und im nördl. Thurgau findet man überall die geschlossenen Dörfer, während die ganze Feldflur von einem Dorf zum andern oft kein einziges Haus aufweist.
Klima.
Von den drei grossen Gebieten der Schweiz ist das Mittelland klimatisch am meisten begünstigt, weil ¶
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es am tiefsten liegt. Die mittlere Jahrestemperatur innerhalb dieses Gebietes - auf den Meeresspiegel reduziert - schwankt zwischen 10,9° (Basel) und 12,2° (Chur). Anders sind natürlich die wirklichen Jahrestemperaturen, denn diese hängen in erster Linie von der absoluten Höhe ab. Da finden wir:
m | °C | |
---|---|---|
Genf | 405 | 9.5 |
Neuenburg | 488 | 8.8 |
Bern | 572 | 8.0 |
Basel | 278 | 9.3 |
Luzern | 451 | 8.5 |
Zürich | 493 | 8.5 |
St. Gallen | 703 | 7.2 |
Chur | 610 | 8.6 |
Dass Chur verhältnismässig am wärmsten ist, verdankt es dem häufigen und starken Auftreten des Föhns.
In Bezug auf den Regen sind relativ grosse Differenzen vorhanden. Die geringste mittlere Regenmenge trifft man am Neuenburger- und Bielersee mit 90 cm; von da zieht sich ein ziemlich trockener Strich mit 90-100 cm Regen längs des O.-Fusses des Jura bis nach Schaffhausen hinaus. Man erkennt deutlich, dass dieser Streifen auf der Leeseite - im Windschatten - des Jura liegt. Nach SO., d. h. gegen die Alpen hin, steigt die Regenmenge ziemlich rasch und erreicht z. B. auf dem Napf 140 cm, Rigi 160 cm, Speer 160 cm. Auch in der Längsrichtung der breiten Hochfläche lässt sich eine Differenz feststellen. Im Gros de Vaud ist die jährliche Regenmenge 90-110 cm, im Oberaargau und Aargau 100-120 cm, in Zürich, Thurgau und St. Gallen 100-150 cm. Wir erkennen also eine deutliche Zunahme der Regenmenge nach NO. hin.
[Dr. A. Aeppli.]
Flora.
Die Flora des Schweizerischen Mittellandes zeichnet sich im Vergleich zu derjenigen der Alpen und des Jura eher durch ihre negativen Charakterzüge, d. h. durch das Fehlen von mehreren alpinen oder jurassischen Arten, als durch den Reichtum an eigenen Elementen aus. Gleichwie von den Pflanzenarten des Mittellandes nur eine kleine Anzahl in den beiden Randketten desselben sich nicht wieder finden, gibt es auch im Mittelland für manche Arten der alpinen und subalpinen Zone günstige Standorte genug.
Solche sind in erster Linie einmal die das Mittelland gliedernden Höhenzüge, die ihm den Charakter und Namen eines «Hügellandes» aufprägen. Sie bilden in ihren höhern Teilen zwischen 900 und 1300 m eine besondere Zone, die in klimatischer wie biologischer Beziehung als direkte Fortsetzung der Voralpen ins Mittelland hinein angesehen werden muss. In zweiter Linie bieten dann auch die Torfmoore mit ihren besonderen klimatischen Verhältnissen einer grossen Anzahl von alpinen und zirkumpolaren Arten Schutz und Zuflucht.
Der ganze den Alpen entlang ziehende Rand des Mittellandes weist daher mit seinen zahlreichen Torfmooren und den noch hohen Bergzügen eine eigentliche Uebergangsflora auf, die eine genauere florale Abgrenzung zwischen dem Mittelland und den Voralpen zu einem sehr schwierigen Unternehmen gestaltet. Die Flora des Mittellandes ist im Ganzen diejenige der zentraleuropäischen Ebenen und weicht von dieser nur dadurch ab, dass ihr alpine Elemente beigemischt sind und ferner mehrere Steppen- und Wasserpflanzen fehlen, die nördlich oder östlich unserer Landesgrenze häufig auftreten. Die Pflanzenarten unseres Mittellandes lassen sich mit Rücksicht auf ihre heutige allgemeine Verbreitung in den verschiedenen Gebieten der nördlichen Halbkugel folgendermassen gliedern: 1. Alpine und arktische Arten; 2. Oestliche eurasiatische Arten; 3. Atlantische und mediterrane Arten. Diesen Arten einer schon längst fest angesiedelten Flora lassen sich noch 4. die erst in rezenter Zeit eingeführten Adventivarten beigesellen.
1. Das Auftreten von alpinen und arktischen Typen ist eine unmittelbare Folge der ehemaligen Vergletscherungen, sowie der Existenz von Torfmooren und erratischen Schuttablagerungen (vergl. die Abschnitte «Flora» der Artikel Alpen und Jura). Das Mittelland besitzt gemeinsam mit dem arktischen Amerika folgende Arten, die auch in den Alpen angetroffen werden: Trollblume (Trollius europaeus), Hahnenfuss (Ranunculus acer), Eisenhut (Aconitum napellus), Sumpf-Brunnenkresse (Nasturtium palustre), Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis), Frauenmantel (Alchimilla vulgaris), ferner Potentilla anserina, Epilobium angustifolium und E. palustre, Achillea millefolium, Löwenzahn (Taraxacum officinale), Preisselbeere (Vaccinium vitis idaea), dann fünf Arten von Wintergrün (Pirola), etwa ein Dutzend Gramineen und etwa 20 andere, zusammen mehr als 50 Arten.
Mit der Flora der sibirischen N.-Küste sind unserem Mittelland neben einer Anzahl der eben genannten Arten noch folgende Typen gemein: Sumpf-Dotterblume (Caltha palustris), Wald-Vergissmeinnicht (Myosotis silvatica), Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris), Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina), Knöterich (Polygonum bistorta) etc. Als auch in Grönland auftretende Typen können wir ausser diesen soeben genannten noch anführen Heleocharis palustris, Juncus bufonius, den wilden Quendel (Thymus serpyllum), dann Potamogeton pusillus, Carex vesicaria u. a. Eine ähnliche, aber auf weniger Formen beschränkte Verwandtschaft zeigt sich auch mit Spitzbergen und Nowaja Semlja.
Alle arktisch-alpinen Arten erreichen im Kettengebirge der Alpen eine sehr grosse vertikale Verbreitung, was auch ihr Auftreten im Mittelland sowohl längs dem Rand gegen die Alpen als überall da, wo sich ihnen zusagende Standorte (besonders Torfmoore und sonstige nasse Gegenden) bieten, erklärt. Neben diesen überall vorkommenden arktisch-alpinen Formen finden sich in unserm Mittelland aber auch noch zahlreiche arktisch-alpine Kolonien, die an die Torfmoore und die Gipfelregionen der Höhenzüge gebunden sind und wirkliche erratische Formationen ¶