es entfallen somit auf 1 km2 28,8 Ew. Eine dichtere Bevölkerung weisen im Kanton Graubünden
nur die Bezirke Unter
Landquart und
Plessur
auf. Die Bewohner des Kreises Räzüns sind katholisch, die des Kreises
Trins reformiert; deutsch sind
Tamins und
Felsberg,
überwiegend romanisch die andern Gemeinden. Man zählt im Bezirk 988
Häuser und 1396 Haushaltungen.
Von den 5939 Ew. sind 3281 katholisch und 2658 reformiert; 3703 sprechen romanisch, 1886 deutsch, 344 italienisch und 6 französisch.
Haupterwerbszweige der Bevölkerung sind Landwirtschaft und Viehzucht.
Die Viehstatistik ergibt folgende Resultate:
1886
1891
1901
Rindvieh
3315
3431
3619
Pferde
111
194
197
Schweine
1278
2078
1763
Schafe
1580
1474
1326
Ziegen
1412
1370
1166
Bienenstöcke
654
732
718
Im ganzen Bezirk wird ziemlich viel Obst gebaut; im untern Teil ist auch heute noch der Getreidebau nicht unbedeutend, während
der einst in
Ems und
Felsberg betriebene Weinbau fast ganz aufgehört hat. Die
Wiesen vonTrins und
Flims
sind ihres Heureichtums wegen berühmt, während andererseits der Boden in
Bonaduz,
Ems und
Felsberg durch grosse Trockenheit
sich auszeichnet, so dass hier nur in feuchten Jahren wirklich gute Heuernten erzielt werden.
Von
Chur aus zieht über
Ems,
Bonaduz und Räzüns die sog. untere Kommerzialstrasse oder italienische Strasse durch
das
Domleschg und weiterhin über den
Splügen und Bernhardin; von ihr zweigen 4 km w.
Chur die aufs linke Rheinufer nach
Felsberg
hinüber führende Kommunalstrasse und in
Reichenau die die
DörferTamins,
Trins und
Flims unter sich und mit
Ilanz verbindende
sog. Oberländerstrasse ab. Ein Fahrweg auf dem linken Rheinufer verbindet
Felsberg mit
Tamins, von wo
ein Fussweg über den
Kunkelspass (1351 m) nach
Vättis im st. gallischen Taminathal leitet. Die Poststrasse über den
Oberalppass
geht von
Bonaduz am rechten Ufer des
Vorderrhein nach
Ilanz, wo sie sich mit der über
Flims führenden Strasse vereinigt. Den
Bezirk durchziehen ferner die beiden von
Chur nach
Thusis und ins
Engadin einerseits und nach
Ilanz andererseits
führenden Linien der
Rätischen Bahn. Eisenbahnstationen im Bezirk sind
Felsberg,
Ems,
Reichenau-Tamins,
Bonaduz, Räzüns und
Trins.
(Kt. Thurgau,
Bez.
Frauenfeld und Münchwilen).
710 m. Bergrücken; zieht zwischen den beiden Murgzuflüssen
Lauche und
Thunbach auf
eine Länge von 7 km von W. über O. nach N. Beginnt 4 km osö.
Frauenfeld. S.- und W.-Hänge sind steil,
während der
N.-Hang sehr sanft geböscht ist. Auf dem
Rücken steht
Wald, der N.- und
NO.-Hang trägt abwechselnd
Wiesen, Aecker
und
Wald, und der S.- und
SO.-Hang ist mit
Reben bepflanzt, die einen guten Wein geben (besonders beliebt
der sog.
Sonnenberger).
Hier haben wie anderswo die Rebenschädlinge, besonders die Phylloxera, grosse Verheerungen angerichtet, indem im Zeitraum
1897-1902 nicht weniger als 252004 Weinstöcke vernichtet werden mussten. Den geschädigten Eigentümern haben der Staat
Thurgau
und der
Bund zusammen die Summe von 103492 Franken
vergütet. Auf dem Immenberg, der eine sehr schöne
Aussicht auf die
Alpen und das
Mittelland bietet, steht heute nur noch ein einziges
Schloss, der stolze
Sonnenberg, während
er früher eine ganze Reihe von festen Burgen zählte. Im Wilderer
Tobel über Zetzikon sieht man Reste der Burg Zazikofen,
einst Eigentum der
Herren von Zazikofen oder Zetzikon, deren bekanntester der Minnesänger
Ulrich von Zazikofen
(1192) ist.
Die Burg
Spiegelberg bei
Wetzikon, von der noch die Gräben erhalten sind, ist von den Appenzellern zerstört worden. Die Hänge
des Immenbergs sind von zahlreichen
Rissen durchfurcht, in denen die wagrechten Mergel-, Sandstein- oder Nagelfluhschichten
der Molasse entblösst sind. Diese Furchen, im Volksmund
«Risi» geheissen, dienen jetzt zum Thaltransport
des
Holzes. Ihre Entstehung ist zum grossen Teil auf den mächtigen Gewittersturm des Jahres 1876 zurückzuführen, der zahlreiche
Wald- und Ackerparzellen mit sich ins Thal hinunter riss.
(Kt.,Bez. und Gem. Schwyz).
540 m. ModernesSchloss, am
SW.-Hang des Grossen
Mythen schön gelegen; 3 km
sö. der Station Schwyz
der Gotthardbahn.
AlteKapelle mit bemerkenswerten Malereien.
(Kt. Schwyz,
Bez. und Gem. Küssnacht).
422 m. Gemeindeabteilung und Dorf, am N.-Fuss des
Rigi und an einer schönen Bucht am linken
Ufer des
Zugersees; 2,5 km nö.Küssnacht. Station der Gotthardbahn und der Linie
Rotkreuz-ArthGoldau;
Dampfschiffstation. Postbureau, Telephon. Gemeindeabteilung, mit
Kiemen und
Ober Immensee: 81
Häuser, 790 kathol. Ew.; Dorf: 20
Häuser, 200 Ew.
Kapelle 1611 erbaut. Acker-, Obst- und Gemüsebau, Viehzucht. Gemüse- und Obsthandel. 4 Käsereien.
Säge. Fremdenpensionen.
Kranken- und Armenhaus. Erholungshaus für kranke oder rekonvaleszente Kinder, Eigentum des schweizerischen
Kinderheilstättenvereins.
Grosses Priesterseminar der Väter von
Bethlehem mit Erziehungsanstalt und Handwerkerschule. 1284:
Ymmensee.
(Ober) (Kt. Schwyz,
Bez. und Gem. Küssnacht).
444 m. Kleines Dorf, am linken Ufer des
Zugersees und an der Strasse
Immensee-Arth; 800 m
sö. der Station Immensee der Gotthardbahn. 26
Häuser, 168 kathol. Ew. Landwirtschaft.
(Kt. Wallis,
Bez. Monthey).
1842 m. Alpweidenrücken, dessen Hänge zum Teil mit Erlengebüsch bestanden sind; bildet das W.-Ende
der
Crête de
Berroix (1816 m) und erhebt sich zwischen den Hochthälchen von
¶
(Kt. Tessin,
Bez. Locarno).
927 m. Gem. und Pfarrdorf, im obern Abschnitt des Vedascathales, am S.-Hang des Monte Gambarogno und
am W.-Fuss des Monte Tamaro; 4 Stunden s. der Station San Nazzaro der Linie Bellinzona-Luino und 5 Stunden
nö. der italienischen Station Maccagno Superiore derselben Linie, von wo aus der Ort leichter zugänglich ist. Nahe der Landesgrenze
gegen Italien. Postablage. 81 Häuser, 340 kathol. Ew. Roggen bau, Viehzucht. Die Mehrzahl der Männer
wandert im Sommer als Maurer in die Zentral- und Westschweiz aus. Das Dorf steht mitten in Wiesen und Kastanienbäumen, welch'
letztere hier ihre obere Grenze erreichen. Es ist von der übrigen Schweiz durch ein Bergland von 1600 m mittlerer Höhe (Passübergang
in 1388 m) getrennt, während es mit Italien durch das Vedascathal leicht verkehren kann.
Diese ungünstige geographische Lage ist auch Schuld daran,
dass die Bevölkerung an Zahl abnimmt. Da die Kosten einer Strasse nach San Nazzaro zu gross sind, sprach man eine Zeit lang
von der Anlage einer dorthin zu führenden Luftkabelbahn für Personen und Waaren.
(Kt. Wallis,
Bez. Leuk).
1137 m. Gem. und Pfarrweiler, im Thal der Dala, auf einer Terrasse rechts über den Schluchten der Dala und
gegenüber der Terrasse von Albinen; an der Strasse vom Rhonethal nach Leukerbad. Postablage; Postwagen
von der Station Leuk-Susten der Simplonbahn nach Leukerbad. 18 Häuser, 93 kathol. Ew. Am rechten Ufer des Flusses führt von
Inden ein Weg über Varen und Salgesch nach Siders. 3 km unter Inden geht die Poststrasse über die malerische Rümelingbrücke,
in deren Nähe ein Schieferbruch abgebaut wird. Im Défilé von Inden haben 1799 300 Ober Walliser die
Soldaten des französischen Generals Xaintrailles mehrere Tage lang aufgehalten und deren eine grosse Anzahl in die Schlucht
der Dala hinunter gedrängt, nachdem sie sie des Nachts umgangen hatten.
(Kt. und Bez. Schwyz). 445 m. Gem. und Pfarrdorf, am linken Ufer des Lehwassers und der
Muota, an der Strasse Schwyz-Brunnen und 300 m nö. der Station Brunnen der Gotthardbahn. Telephon; in Brunnen Postbureau, Telegraph,
Telephon. Gemeinde, mit Brunnen, Feld, Schönenbuch, Ober und
Unter Urmiberg 306 Häuser, 3070 Ew. (wovon 141 Reformierte); Dorf: 41 Häuser, 743 Ew.
Eigene Kirchgemeinde seit 1618. Fremdenindustrie. Gasthöfe u. Pensionen. Obst- und Gemüsebau.
Kloster und Mutterhaus des Schweizer Ordens der Theodosianerinnen. Dieser Orden wurde vom Kapuziner Theodosius Florentini
in Planaterra (Graubünden)
1845 gestiftet. Er verfolgt den Zweck der Kranken- und Waisenpflege und erfreut sich seit seiner Gründung
eines grossen Rufes, so dass seine Schwestern, auch «Schwestern vom h.
Kreuz» genannt, in fast allen Kantonen der Schweiz gastliche Aufnahme gefunden haben 1855 liess sich der Orden in Ingenbohl
nieder; sein Kloster ward 1870-74 vergrössert. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurden zur Pflege der Verwundeten
von verschiedenen Staaten Deutschlands Schwestern des Ordens gerufen, denen dann nach dem Friedensschluss der deutsche Kaiser
neben einem eigenhändigen Brief das allgemeine Ehrenzeichen zukommen liess. Heute zählt der Orden Tausende von Schwestern,
die in Hunderten von Anstalten (Waisenhäusern, Spitälern, Gefängnissen, Privatkrankenhäusern etc.) in der Schweiz, in
Deutschland, Oesterreich, Italien etc. tätig sind.
Die prachtvolle Dorfkirche ^[Supplement: Klosterkirche] zum h. Kreuz wurde 1878 erbaut und 1880 geweiht. Waisenhaus.
Die Gemeinde Ingenbohl hat sich in den letztvergangenen Jahren ausserordentlich entwickelt, und neben dem Wachstum der Bevölkerung
(1888: 2273 Ew.) haben auch Industrie und Handel stetig an Bedeutung zugenommen. Zahlreiche neue Bauten tragen zur Verschönerung
der Ortschaft bei, und ausgezeichnete Strassen erleichtern den Verkehr nach allen Richtungen.
Lagerhäuser der Gotthardbahn. Schon im 12. Jahrhundert sicherten die Schwyzer ihr Gebiet gegen einen
Ueberfall vom Vierwaldstättersee her durch Pfahlreihen vor Brunnen, eine Mauer und einen Turm. In Brunnen vereinigten sich die
Urschweizer am Tage vor der Schlacht am Morgarten, um die Hilfe des h. Leonhard zu erflehen. Hier tagten in den Anfängen
der Eidgenossenschaft die Männer des Gebirges, und hier ward auch am der ewige Bund zwischen den Waldstätten zum
drittenmal erneuert und in einem in deutscher Sprache abgefassten Bundesbrief festgelegt. Auch später noch fanden hier oft
die Tagsatzungen der katholischen Kantone statt. Stark mitgenommen wurde die Gemeinde durch die kriegerischen
Ereignisse von 1799. Lieblingsaufenthalt von König Ludwig II. von Baiern und des polnischen Kardinales Ledochowski (†
1902), des obersten Leiters
¶
mehr
der katholischen Heidenmission. 1387: Ingenbol, wo bol einen Hügel von abgerundeter Form bezeichnet.
629 m. Gruppe von 3 Häusern, an der Strasse Zug-Aegeri und 3,5 km onö. vom Bahnhof
Zug.
Postwagen Zug-OberAegeri. 23 kathol. Ew. Ackerbau und Viehzucht.
Heimat des Abtes Heinrich IV. (Schmid)
von Einsiedeln (1801-74), des Abtes Petrus II. von Wettingen (1593-1633) und des Pfarrers J. Schmid († 1696).
(Kt. Bern,
Amtsbez. Wangen).
466 m. Gem. und Dorf, im Thal der Oenz, nahe dem Inkwilersee und 3,5 km nw. Herzogenbuchsee. Station
der Linie Lyss-Solothurn-Herzogenbuchsee. Postbureau, Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit Vorstadt: 69 Häuser, 442 reform.
Ew.; Dorf: 44 Häuser, 286 Ew. Kirchgemeinde Herzogenbuchsee. Landwirtschaft. Käserei. Likörfabrikation. 1262: Inchwile.
Ehemals Gerichtsstätte der Grafschaft Nieder Burgund. Heimat von Dr. Joh. Büttikofer (geb. 1850), Direktors des zoologischen
Gartens in Rotterdam und Verfassers des 1890 in Leiden erschienenen Werkes Reisebilder aus Liberia.
(Kt. Bern
und Solothurn).
465 m. Kleiner Moränensee, 400 m sw. Inkwil. 10 ha Fläche und 6 m tief. Gehört je zur Hälfte
der Berner Gemeinde Inkwil und der Solothurner Gemeinde Etziken. ^[Supplement: Bolken.] Funde von Gegenständen aus der Zeit der
Pfahlbauer, heute in den Museen zu Bern
und Zofingen niedergelegt. Nach der Ueberlieferung soll einst auf einer
Insel im See die Burg der Edeln von Inkwil gestanden haben. Reich an Fischen und besonders an Krebsen. Kleine künstliche Insel.
romanisch Oen (Kt. Graubünden,
Bez. Maloja
und Inn). Der Inn ist der Fluss des Engadin, reicht aber als einer der
grössten Alpenflüsse weit über dasselbe hinaus. Seine gesamte Länge bis zur Mündung in die Donau bei Passau (Baiern)
beträgt rund 500 km, sein gesamtes Stromgebiet 57188 km2. Davon kommen auf die Schweiz vom Maloja bis zur Schlucht von Finstermünz
rund 90 km Länge und 1717 km2 Stromgebiet. Er ist einer der längsten und stattlichsten Flüsse des
Alpengebietes und wasserreicher als die Donau oberhalb Passau.
Die Länge seines Thales vom Maloja bis Passau (1800-290 m), ohne Einrechnung der kleinen Flussserpentinen, beträgt
etwa 450 km,
wovon 1/5 auf Graubünden,
2/5 auf Tirol und ebenfalls 2/5 auf Baiern fallen. Er bildet im Unterlauf die Grenze zwischen
Baiern und Oesterreich. Diese drei Teile, der bündnerische, der tirolische und der baierisch-österreichische, sind auch
orographisch gut von einander geschieden, einerseits durch die enge Schlucht von Finstermünz (1000 m) an der schweizerischen
Landesgrenze, andererseits durch das Querthal von Kufstein.
Statt Finstermünz kann man übrigens auch Landeck als Teilpunkt annehmen und erhält dann die Thalstrecken
Maloja-Landeck mit etwa 120 km, Landeck-Kufstein mit 150 km und Kufstein-Passau mit 180 km Länge, die sich also verhalten
wie 4: 5: 6. Der bündnerische und tirolische Anteil oder die ersten 3/5 der Flusslänge verlaufen innerhalb der Alpen,
die letzten 2/5 oder der baierisch-österreichische Anteil im vorherrschend quartären Alpenvorland. Im alpinen Teil ist
der Inn vom Maloja bis Landeck in die Zentralalpen eingeschnitten, die freilich hier nicht überall aus zentralmassivischen
Gesteinen bestehen, da diese stellenweise schon im Ober Engadin, dann aber in grösserer Ausdehnung im Unter Engadin und
weiter abwärts bis in die Gegend von Prutz von Sedimenten, besonders der Trias- und Juraperiode, unterbrochen sind.
Von Landeck bis Schwaz bildet der Inn die Grenze zwischen den Zentralalpen und den nördlichen Kalkalpen, dann schneidet er
schräg in diese ein, um sie endlich unterhalb Kufstein in einem Querthal senkrecht zu durchbrechen.
Die morphologisch verschiedenen Abschnitte des Innthals zeigen sich aber nicht an diesen Gesteinswechsel gebunden. Als Ganzes
ist es vom Maloja bis Kufstein ein typisches Längsthal. Querthal wird es je nur auf kurze Strecken: von Zernez bis Süs, von
Prutz bis Landeck und unterhalb Kufstein, wovon die zwei erstern in krystalline Gesteine, die letztere
in Triaskalke eingeschnitten sind. Von den Längsthalabschnitten zeigt das Ober Engadin durchweg eine breite Thalsohle ohne
Rücksicht auf den Wechsel von massigen Gesteinen (Granit etc.), krystallinen Schiefern und Sedimenten. Das Unter Engadin ist
eng gefurcht, sowohl im noch vorherrschend krystallinen Gebiet oberhalb Zernez als im Sedimentgebiet unterhalb
Lavin, und in der engen Kluft von Finstermünz
¶
mehr
finden wir dieselben Gesteine wie oberhalb und unterhalb derselben. Das Tiroler Innthal endlich ist breitsohlig sowohl längs
der Formationsgrenze von Landeck bis Schwaz als innerhalb der Kalkalpenzone von Schwaz bis Kufstein. Aber wenn auch das Innthal
innerhalb den Alpen im ganzen als Längsthal erscheint und in dieser Beziehung mit den obern Teilen des
Rhone-, Rhein-, Salzach- und Ennsthales zusammengestellt werden kann und mit diesen auch die rechtwinklige Umbiegung beim Durchbruch
durch die nördlichen Kalkalpen gemein hat, so unterscheidet es sich doch auch wieder in manchen Punkten von den übrigen
Längsthälern, am meisten aber durch seine ganz ungewöhnliche Länge und seine etwas veränderte Richtung.
Während das Längsthal bei der Rhone etwa 125, beim Rhein 70-75, bei der Salzach 80 und bei der Enns 110 km misst, sind es
beim Inn 270 km, und während die Richtung jener vier Thäler genau mit derjenigen des Alpenzuges von WSW.-ONO. übereinstimmt,
zieht das Innthal von SW.-NO., so dass es den Alpenwall schräg durchschneidet und einen Uebergang vom
N.-Fuss desselben zum S.-Fuss ohne Ueberschreitung eines Bergkammes möglich macht. Denn auch am Maloja ist kein solcher vorhanden.
Das Innthal hat hier kein Hintergehänge. Plötzlich bricht die flachwellige Hochfläche des Maloja ins Bergell ab. Wo ist
aber die Quelle des Inn? Nach der jetzt gewöhnlichen Annahme oben im LunghinoSee in einer kleinen Felsnische
zwischen PizLunghino und Piz Gravasalvas nw. vom Maloja und 680 m über dem Silsersee. In muntern Sprüngen schäumt der von dort
kommende Bach den steilen Hang herunter, um gleich beim Kursaal Maloja im Silser See sich zu verlieren.
Aber der Bach ist so klein und seine Richtung so abweichend von derjenigen des übrigen Inn, dass er nicht als der normale
Quellbach des letztern erscheint.
Alb. Heim sucht diesen darum (vergl. die Art. Engadin und Graubünden)
jenseits des Maloja im Val Marozzo, dem jetzigen
obersten Teil des Bergell, dessen Richtung und Höhenlage mit dem Ober Engadin gut übereinstimmen. Das
Engadin wäre dann einst
länger, das Bergell entsprechend kürzer gewesen, und ein Querkamm, vielleicht in der Gegend des jetzigen Vicosoprano, hätte
die beiden Thäler von einander getrennt. Die Maira des Bergells hätte aber, infolge stärkeren Gefälls
und vielleicht auch grösserer Wassermenge, eine grössere Erosionskraft gehabt als der Inn und darum den genannten Querkamm
allmählig durchschnitten. Durch die gelegte Bresche war der oberste Teil des Inn samt seinen ersten Zuflüssen aus dem Albigna-
und Murettothal in eine neue Bahn gezwungen er wurde zum Oberlauf der Maira. Der Inn aber war damit seines
eigentlichen Quellstückes beraubt, und es ist nur Sache der Konvenienz, wenn nun der kleine Lunghinobach als Quellbach angenommen
wird. Nun vermochte der Inn die ihm aus den Seitenthälern (Fedoz, Fex, Julier, Suvretta etc.) zugeführten Geschiebe nicht mehr
weiter zu verfrachten, sie lagerten sich im Hauptthal ab und stauten die Seen.
Vielleicht waren es ursprünglich drei Seen, ein grösserer vom Maloja bis Campfèr, ein kleinerer bei St. Moritz und wieder
ein grösserer von Celerina bis weit unter Samaden, vielleicht bis Scanfs. Der dritte See wurde allmählich wieder vollständig
zugeschüttet, während der St. Moritzersee, da ihm nur wenige und kleine Bäche zufliessen, nur etwas
verkleinert, der obere See aber durch die Deltabildungen des Fex- und des Julierbaches zerstückelt wurden, so dass er jetzt
in den Silser-, Silvaplaner- und Campfèrer See zerfällt.
Ein weiteres Delta hat sich an der Mündung des Fedozthals weit in den Silsersee hinaus gebaut und wird
einst auch diesen noch zerlegen. Das Ende aber wird die vollständige Zuschüttung auch aller dieser Seen sein, gleich demjenigen
von Celerina-Samaden. Eine von den übrigen Seen etwas abweichende Geschichte scheint der St. Moritzersee gehabt zu haben. Vor
allem hing er wohl nie mit den andern Seen so zusammen, dass sie alle einen einzigen langgestreckten See
vom Maloja bis vielleicht weit unter Samaden gebildet hätten, denn das Becken des St. Moritzersees ist
¶
mehr
gegen die übrigen Thalstufen gut abgeschlossen: nach oben durch den Felsriegel bei Campfèr, den der Inn in dem engen Thälchen
Sela durchschneidet, nach unten durch den grössern Querberg, der von der romantischen Schlucht Charnaduna in die Hügel Ruinatsch
und Fulun geteilt wird. Auch ist der Inn wohl nicht immer durch diese Schlucht abgeflossen. Vielmehr scheint
er längere Zeit seinen Weg weiter östlich über den jetzigen Statzersee und den Palud (= Sumpf) Choma genommen zu haben.
Die Gletscher der Eiszeit mögen ihn von dieser Bahn abgedrängt haben. Einige Zeit mag er vielleicht sogar durch das kleine
Thälchen westlich vom Ruinatsch, durch welches jetzt der Fussweg von St. Moritz nach Cresta-Celerina geht,
geflossen sein. Freilich muss dann der Seespiegel bedeutend höher gelegen haben als jetzt. Er musste sich aber in demselben
Mass erniedrigen, als die Charnadunaschlucht tiefer eingeschnitten wurde. Und so wird überhaupt der St. Moritzersee nicht
wie die andern EngadinerSeen durch Zuschüttung verschwinden, sondern durch allmähliges Ausfliessen infolge
noch tiefern Einschneidens der Ausflussrinne.
Diese Austiefung erfolgt offenbar ziemlich rasch, denn der Inn hat hier ein starkes Gefälle. Auch ein hübscher Wasserfall
ist vorhanden, der, im Laufe der Zeiten von unten nach oben zurück weichend, bereits das obere Ende der Schlucht
erreicht hat. An deren unterem Ende betritt der Inn seine zweite Thalstufe, auf deren ebenem Wiesengrund er bis unterhalb Scanfs
in ruhigerem Lauf und stellenweise mehrarmig geteilt sich dahin schlängelt. Früher trat er da nicht selten über seine Ufer,
verlegte auch wohl gelegentlich sein Bett und liess da und dort Kies- und Sandbänke liegen.
Jetzt ist der Fluss von der Einmündung des Flatzbachs oberhalb Samaden bis Zuoz korrigiert, aber noch erinnern sumpfige Flächen
und tote Wasser an den frühern Zustand. Von Zuoz an ist er wieder mehr sich selber überlassen, und Serpentinen und Sandbänke
sind darum häufiger. Doch ist sein Bett hier meist tief genug, um grössere Ueberschwemmungen zu verhindern.
Noch weiter abwärts erreicht der Inn seine dritte Thalstufe und damit das Unter Engadin, das im Gegensatz zum Ober Engadin
im ganzen eine enge Thalrinne bildet und nur da und dort auf kurze Strecken sich etwas weitet, so namentlich bei
Zernez.
Das Gefälle ist im Unter Engadin beträchtlich stärker, und der Fluss hat darum hier weit mehr den Charakter eines Wildbachs
als im Ober Engadin. Aber da er meist zwischen hohen und steilen Bergwänden dahin fliesst, so kann er Ueberschwemmungen nicht
verursachen. Besonders ist es die rechte Thalseite, die als ein fast durchgängig bewaldeter Steilhang
hoch empor steigt und mit einer stolzen Reihe kühner Felshörner gipfelt, während die linke Seite im ganzen sanftere Formen
zeigt und auf weite Strecken in sonnige Matten und Weiden gekleidet, ja auf den untern Stufen mit zahlreichen kleinen Kornfeldern
geschmückt ist.
Auch die vielen Dörfer sind fast ausschliesslich auf diese Seite beschränkt. Einzig Tarasp bildet eine
nennenswerte Ausnahme. Durch die grossartige Schlucht von Finstermünz verlässt der Inn endlich die Schweiz und wächst dann
durch den Zuzug zahlreicher Gletscherbäche, namentlich aus der Oetzthaler-, Zillerthaler- und Hohe Tauerngruppe, immer mehr
zu einem stattlichen Strome an. Kein anderer grösserer Fluss ist so ganz von der Quelle bis zur Mündung
ein Sohn der Alpen wie der Inn, der nicht nur selber diesem Gebirge entstammt, sondern auch alle seine Zuflüsse, auch diejenigen
die ihm erst nahe seiner Mündung im Alpenvorland zukommen, aus denselben erhält.
Als reiner Alpenfluss hat er auch seinen höchsten Wasserstand im Sommer zur Zeit der grössten Schnee-
und Eisschmelze. Ende April oder Anfangs Mai fängt er jeweilen an zu steigen, erreicht gewöhnlich im Juni seinen höchsten
Stand und behält denselben annähernd bis gegen Ende August, erreicht seinen Tiefstand im November und verharrt in ihm
bis Ende März oder in den April hinein. Plötzliche Anschwellungen, wie sie sonst bei vielen Alpenflüssen
durch heftige Gewitterregen oder langandauernde Landregen entstehen, sind beim Inn, wenigstens im Engadin, verhältnismässig
selten, obwohl die Seen der obern Thalstufe nur wenig regulierend wirken können. Der Winter schlägt den Fluss oft auf grosse
Strecken und für längere Zeit in die Fesseln des Eises. Im
Winter 1900-1901 z. B. dauerte die Eisdecke
bei seinem Ausfluss aus dem St. Moritzersee von Mitte Dezember bis Ende April, in Scanfs und Zernez vom 1. Dezember bis in die 2. Woche
April, in Martinsbruck vom 24. Januar bis 18. März, also immer noch 54 Tage.
Die ausserschweizerischen Zuflüsse können wir hier nicht namhaft machen. Ein vergleichender Blick auf alle Zuflüsse des
Inn, schweizerische und ausser-schweizerische, ergibt, dass dieselben auf der rechten Seite weit zahlreicher und meist auch
länger und wasserreicher sind als auf der linken. Noch auffallender ist der Reichtum der Zuflüsse aus
allen Teilen der krystallinen Zentralalpen gegenüber den wenigen aus den nördlichen Kalkalpen, und zwar auch da, wo der
Inn diesen entlang fliesst oder sie durchschneidet. Wo auch links vom Inn krystalline Gebirgsmassen vorherrschen, da sind
die Zuflüsse auch auf dieser Seite zahlreich (vom Maloja bis Landeck: Albula- und Silvrettagruppe, inkl.
Samnaun- und Ferwallgebirge).
Ein weiterer auffallender Zug
des Inngebietes ist seine verhältnismässig geringe Breite. Auch die grössern Zuflüsse vermögen
es nirgends sehr zu verbreitern, weil sie oft in ihren obern Teilen und auf längere Strecken mit dem Inn annähernd parallel
laufen, so der Spöl und die Salzach auf der rechten, die Trisanna und Rosanna auf der linken Seite. Dabei
ist die rechte Seite durchweg breiter als die linke. Es hängt dies mit dem Umstand zusammen, dass, wie die Alpen überhaupt,
so auch die einzelnen Ketten und Gruppen derselben auf der Nord- und Nordwestseite weit weniger steil
abfallen als auf der Süd- und Südostseite, auf jener Seite also mehr Raum zur Entwicklung längerer Flüsse vorhanden ist.
Wo der Inn auf die N.-Seite der Kalkalpen tritt, da erhält er auch gleich einige grössere Zuflüsse aus diesen.
Schiffbar ist der Inn von Hall (unterhalb Innsbruck) an, doch hat die Schiffahrt seit der Erbauung der
Eisenbahnen alle Bedeutung verloren. Dampfschiffe verkehren nur noch auf der untersten Strecke von Braunau bis Passau (65
km), während von Hall aus blos noch Lastschiffe mit Zement und Holz flussabwärts gehen. Oberhalb Hall dient der Inn zum Flössen
von Holz. Der Fischreichtum des Inn ist nicht besonders gross. Im Engadin fängt man die Flussforelle (Salmofario) und Seeforelle (Salmo lacustris), von denen jene auch in allen Seitenflüssen sich findet und bis weit über 2000 m
aufsteigt (so z. B. bis in die BerninaSeen 2330 m, und den LeiSgrischus im Val Fex 2640 m, obwohl dieser
letztere während 9 Monaten im Jahr zugefroren ist). Die Engadiner Forelle zeichnet sich durch eine ausserordentlich dunkle,
beinahe schwarze Färbung aus. Im Taraspersee findet man noch den Hecht (Esox lucius) und die Schleihe (Tinca vulgaris).
Tarasp; den Kreis Unter Tasna (Sot Tasna) mit Fetan (Ftan), Schuls (Scuol) und Sent und endlich den Kreis Remüs mit Remüs (Ramosch),
Schleins (Celin) u. Samnaun (Samagnun). Geographisch fällt der Bezirk vollständig mit dem Unter Engadin und seinem Nebenthal
Samnaun zusammen. Links und rechts, also gegen NW. und SO., schliessen hohe Bergketten das Thal und
damit den Bezirk ab, nach links gegen Davos, Klosters und Tirol, nach rechts gegen Italien, das Münsterthal und Tirol. Im SW.
öffnet er sich gegen das Ober Engadin und im NO. gegen das Tirol. Er grenzt im N. und O. an Oesterreich, im S.
an den Bezirk Münsterthal und an Italien, im SW. an den Bezirk Maloja und im W. an den Bezirk Ober Landquart.
Der Bezirk wird seiner ganzen Länge (45 km) nach vom Inn durchflossen, in den von links bei Süs die Susasca, bei Guarda der
Bach des Val Tuoi, bei Ardez die Tasna, bei Schuls die Clozza, von rechts bei Zernez der Spöl und der Scarlbach
bei Schuls münden. Die Fläche des Bezirkes beträgt 101070 ha, wovon aber der grösste Teil auf Gletscher, Felsen, Alpweiden
u. Wälder entfallen. Mit seinen 6283 Ew. ist der Bezirk daher nur sehr wenig dicht besiedelt, indem
auf 1 km2 nur 6,2 Ew. entfallen. 1477 Häuser, 1621 Haushaltungen.
Die Sprache ist fast allgemein die romanische, nur in der durch ihre geographische Lage auf den Verkehr mit dem Tirol angewiesenen
Gemeinde Samnaun wird ausschliesslich deutsch gesprochen. Im Uebrigen macht das Deutsche auch im Unter Engadin, das ein
eigenes ladinisches Idiom spricht, zwar langsame aber unaufhaltsame Fortschritte und wird durch den grossen Fremdenverkehr
in Schuls und Tarasp mächtig gefördert. 5006 Ew. sprechen romanisch, 947 deutsch und 329 italienisch.
Samnaun und die einzige auf der rechten Seite des Inn liegende Gemeinde Tarasp, die bis Ende des 18. Jahrhunderts eine
österreichische Besitzung war, sind katholisch, alle anderen Gemeinden
dagegen reformiert. Die Verkehrsverhältnisse brachten
es aber mit sich, dass heute auch in allen diesen Gemeinden zahlreiche Katholiken wohnen. Die Gesamtzahl der Reformierten
beträgt 4914 4923, die der Katholiken 1377. ^[Supplement 1358.] Wie fast überall im Kanton bilden auch hier Landwirtschaft
(besonders als Wiesenbau und Alpwirtschaft) und Viehzucht den Haupterwerbszweig der Bevölkerung.
Der früher eifrig gepflegte Getreidebau ist in stetigem Rückgang begriffen; Obst gedeiht zwar recht gut, wird aber wenig
gebaut. In früheren Jahrhunderten wurde im Scarlthal auch Bergbau betrieben, der heute völlig verschwunden ist. Dafür ziehen
die auf Boden der Gemeinden Schuls, Tarasp und Sent in grosser Zahl reichlich sprudelnden Mineralquellen
jährlich Tausende von Fremden an, so dass Tarasp und Schuls heute einen einzigen grossen Kurort bilden und der Gewinn, den
die Bewohner aus der Hotelindustrie ziehen, ein sehr bedeutender ist. Die Viehstatistik ergibt folgende Zahlen:
1886
1896
1901
Rindvieh
4540
4693
4561
Pferde
188
304
380
Schweine
929
1588
1751
Schafe
5063
5895
5464
Ziegen
4045
4470
4198
Bienenstöcke
336
586
418
Den Bezirk durchzieht seiner ganzen Länge nach die Engadinerstrasse, von der bei Zernez die über den Ofenberg führende Münsterthalerstrasse
und bei Süs die nach Davos gehende Flüelastrasse abzweigen. Tarasp auf der rechten Thalseite wie die am
linksseitigen Gehänge stehenden DörferFetan, Sent und Schleins sind alle durch Kunststrassen mit der Thalstrasse verbunden.
Sehr weit und beschwerlich sind die Zugänge nach Samnaun; wenn man österreichisches Gebiet vermeiden will, kann man nur
im Sommer über hohe Bergpässe dahin gelangen.
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